Erst zwei Jahre Corona-Pandemie, dann folgte 2022 der Ausbruch des Ukraine-Kriegs samt seiner wirtschaftlichen Konsequenzen: Noch haben die Krisen der vergangenen drei Jahre die Zahlungsmoral nicht deutlich sinken lassen, wie die deutsche Inkassowirtschaft feststellt. Doch das dürfte sich 2023 ändern.
Das Statistische Bundesamt gibt die vorläufige Inflationsrate für 2022 mit 7,9 Prozent an. Obwohl die hohe Teuerungsrate und massiv gestiegene Energiepreise Verbraucher und Unternehmen finanziell gleichermaßen unter Druck bringen, gabe es im vergangenen Jahr beim Zahlungsverhalten kaum negative Änderungen. Das zeigt eine Mitgliederumfrage des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU), die Ende Dezember veröffentlicht wurde.
Der Erhebung zufolge geben 48 Prozent der Inkassounternehmen an, dass sich die Zahlungsmoral privater Schuldner derzeit nur leicht verschlechtert hat. Bei 39 Prozent ist es im Vergleich zum Jahr 2021 nahezu gleich geblieben. So ist auch bei 45 Prozent der Dienstleister die Zahl der Inkassoaufträge fast unverändert geblieben. Nur ein gutes Drittel (34 Prozent) verweist auf "moderate Auftragssteigerungen".
"Die Kostenkrise des Jahres 2022 ist im Forderungsmanagement noch nicht angekommen - das ist gut, denn so können sich die Unternehmen immer noch gegen Schlimmeres wappnen und ihre Inkasso-Prozesse optimieren", kommentiert BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd die Umfrageergebnisse. Dadurch könne die Wirtschaft dazu beitragen, den anhaltenden Inflationsdruck zu dämpfen. Denn die infolge der Forderungsausfälle entstehenden Fehlbeträge würden durch weitere Preissteigerungen gegenüber Kunden gegenfinanziert.
Anhaltende Inflation belastet Verbraucher
Allerdings sei die Inflation gerade bei privaten Haushalten ein wichtiger Faktor, berichtet rund die Hälfte der befragten Unternehmen. Werden Schuldner säumig oder zahlen ihre Rechnungen gar nicht, seien dafür aufgrund der Kostensteigerungen ausgelöste Liquiditätsengpässe verantwortlich. Der Blick auf die einzelnen Branche offenbart allerdings deutliche Unterschiede: 2022 hat sich die Zahlungsmoral privater Kunden vor allem bei Dienstleistern, in der Immobilienwirtschaft, darunter auch Vermieter, sowie bei Versorgern verschlechtert. Wenn gewerbliche Schuldner Rechnungen nicht zahlen, sind dafür in der Regel Zahlungsausfälle bei deren eigenen Kunden die Ursache, berichten die Inkassodienstleister.
"Viele Menschen sind jetzt gezwungen, auf ihre Ersparnisse zurückzugreifen, um ihre laufenden Kosten zu bedienen. Das ist natürlich eine alarmierende Entwicklung, denn der große Kostenschock, etwa für Strom und Heizung, kommt für viele Haushalte, die jetzt von günstigeren Verträgen profitieren, erst noch", mahnt Pedd. So rechnen auch neun von zehn Inkassounternehmen damit, dass sich die Zahlungsmoral vor allem von privaten Schuldnern 2023 verschlechtern wird. Von einer Verbesserung der Zahlungsmoral geht hingegen kein Betrieb aus.
BDIU untersucht Folgen der Gebühren-Regulierung
Auch die Branche selbst kämpft derzeit mit Kostensteigerungen, heißt es weiter. Bei 82 Prozent haben sich 2022 die Betriebskosten, bei 28 Prozent sind sie sogar "stark gestiegen". Auch habe das neue Inkasso-Gebührenrecht, das seit dem 1. Oktober 2021 gilt, für Umsatzeinbußen geführt. "Rechtsdienstleistung muss auch wirtschaftlich darstellbar sein - und sie hat ihren Preis", kritisierte Pedd. 2023 will der Verband eine aktuelle Untersuchung vorlegen, die die Folgen der Regulierung auf die Wirtschaftlichkeit der Branche und ihrer Unternehmen zeigt.