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2006 | Buch

Fortschritt in den Wirtschaftswissenschaften

Wissenschaftstheoretische Grundlagen und exemplarische Anwendungen

herausgegeben von: Stephan Zelewski, Naciye Akca

Verlag: DUV

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Beziehungen zwischen behavioristischer und konstruktionsorientierter Forschung in der Wirtschaftsinformatik
Abstract
Ausgangspunkt dieses Beitrags bildet die Frage, welche Auswirkungen die Übernahme der Unterscheidung zwischen dem behavioristischen und dem konstruktionsorientierten Paradigma nach Hevner/March/Park et al. (2004) für die Wirtschaftsinformatik hat. Als Implikationen dieses Schrittes können zwei Alternativen identifiziert werden: die Beschränkung des wissenschaftlichen Anspruchs der Disziplin einerseits oder aber eine inhaltliche Neuausrichtung des Fachs andererseits. Dieses Ergebnis motiviert zu einer kritischen Analyse der behavioristisch / konstruktionsorientiert Dichotomie. Diese Untersuchung wird auf Grundlage des strukturalistischen Theorieverständnisses durchgeführt. Als Konsequenz ergibt sich, die strenge Unterscheidung zwischen den beiden Forschungsansätzen aufzugeben. Auf der Grundlage dieses Ergebnisses wird eine modifizierte Darstellung der beiden Forschungskonzeptionen entwickelt.
Jörg Becker, Daniel Pfeiffer
Funktionen und Ziele wissenschaftlichen Fortschritts aus strukturationstheoretischer Perspektive
Abstract
Im vorliegenden Beitrag wird die Strukturationstheorie von Anthony Giddens zunächst als ein Wissenschaftsprogramm rekonstruiert. Dazu arbeitet der Autor systematisch ontologische, anthropologische und methodologische Aussagen der Strukturationstheorie sowie deren epistemologische Konsequenzen heraus. Auf dieser, den metatheoretischen Charakter der wesentlichen Denkfiguren der Strukturationstheorie präzisierenden Grundlage werden allgemeine Funktionen wissenschaftlichen Arbeitens schlussgefolgert. Anschließend werden diese Funktionen zur Bildung von Wissenschaftszielen verwendet, die konkrete Forschungsvorhaben der Management- und Organisationsforschung, wie etwa theoretische oder empirische Analysen von Branchen, leiten können.
Stephan Cappallo
Wissenschaftstheoretische Begriffe wissenschaftlichen Fortschritts und ihre Relevanz für die Betriebswirtschaftslehre
Abstract
Der Beitrag beginnt mit der Erfolgsgeschichte der Betriebswirtschaftslehre seit der Gründung der ersten Handelshochschulen. Davon ausgehend werden Bereiche oder Aktivitäten im Prozess der Wissensproduktion angeführt, die Gegenstand von Fortschrittsbetrachtungen sein können, und verschiedene Dimensionen von metatheoretischen Fortschrittsbegriffen diskutiert. Wahrheitsähnlichkeit und Problemlösungsfähigkeit sind relevante metatheoretische Fortschrittsbegriffe. Wahrheitsähnlichkeit ist aufgrund der Theoriebeladenheit von Beobachtungssprache und Ontologie keine Basis eines Kriteriums zur Feststellung von objektwissenschaftlichem Fortschritt. Auch der Problemlösungsfähigkeitsansatz löst diese Schwierigkeiten nicht; er ist aber aufgrund anderer Zielsetzungen davon weniger betrhoffen. Bisher steht zumeist kognitiver Fortschritt im Vordergrund der Betrachtung. Der Problemlösungsfähigkeitsansatz erscheint jedoch ausweitbar auf die Beziehungen einerseits zwischen Disziplinen und andererseits zwischen dem Wissenschaftssystem und anderen sozialen Systemen — also auf Bereiche, die auch für die Betriebswirtschaftslehre eine große Bedeutung haben.
Michaela Haase
Die Relevanz von Drittmittelindikatoren bei der Beurteilung der Forschungsleistung im Hochschulbereich
Abstract
Welche Unis sind die besten Deutschlands? Mit dem Ziel, auf diese Frage eine Antwort zu liefern, werden von verschiedenen Zeitungen und Magazinen, wie Die Zeit, Focus, Spiegel und Wirtschaftswoche, regelmäßig Hochschulrankings herausgegeben. Diese werden mit verschiedenen Methoden erstellt. So werden Befragungen von Studierenden, Professoren und Unternehmensverantwortlichen durchgeführt, aber auch quantitative Indikatoren erhoben. Die Analysen führen nicht selten zu unterschiedlichen Ergebnissen und werden daher vielfach kontrovers diskutiert.
Eine der häufig zur Beurteilung der Forschungsleistung herangezogenen Maßgrößen sind Drittmittel, wobei ihrer Verwendung folgender Gedanke zugrunde gelegt wird: Je mehr Drittmittel von einem Forscher eingeworben bzw. verausgabt werden, desto größer gilt der erzielte Wissensfortschritt. Diese Annahme steht allerdings im Widerspruch zu Aussagen in der wissenschaftlichen Literatur, in der Drittmittel vielmehr als Input aufgefasst werden und weniger zur Abbildung der Forschungsleistung geeignet erscheinen. Werden also in der Praxis Fehler gemacht oder wurden in der Wissenschaft die Aussagemöglichkeiten von Drittmittelkennzahlen noch nicht erkannt?
Diesen konträren Auffassungen wird im vorliegenden Beitrag anhand leicht nachvollziehbarer, konstruierter Beispiele näher auf den Grund gegangen. Zunächst wird kurz auf Forschung und Leistung im Allgemeinen sowie auf Möglichkeiten zu deren Beurteilung eingegangen (Abschnitt 1). Anschließend wird die Beurteilung der Forschungsleistung mittels Drittmittelindikatoren betrachtet, wobei diese aus produktionstheoretischer Perspektive analysiert und im Hinblick auf ihre prinzipielle Eignung zur Bewertung der Forschungseffektivität und -effizienz untersucht werden (Abschnitt 2). Auf diesen Grundlagen basieren die im dritten Abschnitt in diesem Kontext durchgeführten Überlegungen zur Bedeutung der Periodenabgrenzung, die sich zum einen auf individuelle, zum anderen auf aggregierte Forschungstätigkeiten beziehen.
Sylvia Rassenhövel, Harald Dyckhoff
Erkenntnisfortschritt durch Forschungsfallstudien
Überlegungen am Beispiel der Wirtschaftsinformatik
Abstract
Die Fallstudie ist eine empirische Forschungsmethode. Ihr Beitrag zum Erkenntnisfortschritt wird in der Fachliteratur kontrovers diskutiert. Manche Autoren messen der Fallstudie lediglich heuristischen Charakter bei. Andere Autoren vertreten die Auffassung, dass die Fallstudie einen wertvollen Beitrag zum Erkenntnisfortschritt leisten kann — insbesondere deshalb, weil sie zur Testung von Theorien geeignet ist. Im Beitrag wird darüber berichtet, dass sich viele in der deutschsprachigen Fachliteratur veröffentlichte Fallstudien bei genauer Betrachtung als Fallbeispiele entpuppen. Daraus resultiert, dass das hohe Erkenntnispotential der Fallstudie, das insbesondere von angloamerikanischen Forschern proklamiert wird, in der deutschsprachigen Wirtschaftsinformatik bisher selten ausgeschöpft wurde. Im Beitrag werden fünf Prinzipien für die Planung und Realisierung von Forschungsfallstudien vorgestellt. Die Prinzipien stellen bewährte Handlungsanweisungen dar, von denen bekannt ist, dass sie positiven Einfluss auf den Erkenntniswert und somit auch auf den Erkenntnisfortschritt haben können.
René Riedl
Erkenntnisfortschritt in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre
Ein methodologisches Konzept zur Herleitung von Muster-Hypothesen
Abstract
In diesem Beitrag wird ein methodologisches Konzept zur Herleitung erfahrungswissenschaftlicher Aussagen in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre vorgelegt. In kritisch-rationalistischer Perspektive hat eine solche Methodologie die Funktion einer Technologie zur Erreichung von Erkenntnisfortschritt. Gleichzeitig wird mit einer solchen Methodologie Erkenntnisfortschritt gemessen. Erfahrungswissenschaftliche Aussagen bilden in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre die Grundlage für die Beratung des (Steuer-)Gesetzgebers. Die Neukonzeption einer Methodologie zur Herleitung solcher Aussagen wird damit begründet, dass vorhandene Konzepte kritischen Einwendungen nicht standhalten. Das hier vorgelegt Konzept geht von der begründeten Annahme aus, dass in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre nur erfahrungswissenschaftliche Aussagen über abstrakte Muster (Muster-Hypothesen) möglich sind. Die These des Beitrags lautet, dass diese Methodologie zur Herleitung von Muster-Hypothesen ein geeignetes Fortschrittskonzept darstellt.
Ute Schmiel
Erkenntnisfortschritt in der Betriebswirtschaftslehre durch eine Neukonzeption der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre
Abstract
In der Betriebswirtschaftslehre (BWL) wird traditionell zwischen Allgemeiner Betriebswirtschaftslehre (ABWL) und speziellen BWL unterschieden. In diesem Beitrag wird die Frage gestellt, ob (und, wenn ja, warum) für die betriebswirtschaftliche Forschung diese Differenzierung notwendig ist. Es wird die These vertreten, dass die Unterteilung in ABWL und spezielle BWL für die betriebswirtschaftliche Forschung nur begründet ist, wenn diese zu Erkenntnisfortschritt führt. Einen Beitrag zum Erkenntnisfortschritt im Sinne eines kritisch-rationalistischen Fortschrittsverständnisses — so lautet die These weiter — leistet diese Unterteilung aber nur, wenn die ABWL neukonzipiert wird. Insbesondere müssten sowohl die ABWL-Konzeption der Münsteraner Hochschullehrer als auch das ABWL-Verständnis im Sinne von Schneider modifiziert werden. Nach der hier vorgelegten ABWL-Konzeption sollten in der ABWL betriebswirtschaftlich-methodologische Probleme thematisiert werden, zu denen jeder Wissenschaftler der BWL explizit oder implizit Position bezieht. Musterbeispiele hierfür sind der Erkenntnisgegenstand und die Aufgaben der BWL. In diesem Beitrag wird zunächst aufgezeigt, dass diese scheinbar „geklärten“ Thematiken umfangreiches Forschungspotential beinhalten. Anschließend wird begründet, warum diese Forschungsfragen Gegenstand der ABWL sein sollten, anstatt sie in einer betriebswirtschaftlichen Teildisziplin zu diskutieren.
Ute Schmiel
Fortschritts- und Gütekriterien im Rahmen qualitativer Sozialforschung
Abstract
Qualitative Sozialforschung wird teilweise als „Kunstlehre“ verstanden, deren Ergebnisse eher anekdotischer Natur sind. Der Beitrag beschreibt zunächst ein differenziertes Verständnis qualitativer Sozialforschung und grenzt sie von einem naiven Empirismus ab. Vor diesem Hintergrund wird analysiert, inwieweit qualitative Sozialforschung zu einem wissenschaftlichen Fortschritt beitragen kann. Es wird hierbei gezeigt, dass ein solcher Fortschrittsbeitrag ohne Zweifel attestiert werden kann. Dies gilt speziell dann, wenn die Fortschrittskriterien nicht rein ergebnisorientiert verstanden werden. Da auch die qualitative Sozialforschung für sich in Anspruch nimmt, „wissenschaftliche“ Aussagen treffen zu können, stellt sich auch hier das Problem der Bewertung ihrer Qualität. Hierzu werden im Folgenden verschiedene Gütekriterien entwickelt, die den epistemologischen Kern „klassischer“ Gütekriterien aufgreifen und auf die qualitative Sozialforschung zu übertragen versuchen.
Thomas Wrona
Relativer Fortschritt von Theorien
Ein strukturalistisches Rahmenkonzept zur Beurteilung der Fortschrittlichkeit wirtschaftswissenschaftlicher Theorien
Abstract
Im Spannungsfeld zwischen Fortschritt als Legitimationsbasis für die Dignität wissenschaftlicher Arbeit einerseits und als schillerndem Begriff ohne inhaltliche Verbindlichkeit andererseits wird ein Konzept zur präzisen inhaltlichen Bestimmung des Fortschrittsbegriffs vorgestellt. Dieses Fortschrittskonzept beruht auf dem Strukturalistischen Theorienkonzept des „non statement view“. Zur Operationalisierung des strukturalistischen Fortschrittskonzepts werden formalsprachliche Kriterien entwickelt, die es gestatten, die Fortschrittlichkeit von jeweils zwei miteinander verglichenen Theorien zu beurteilen. Diese Kriterien „relativer“ Fortschrittlichkeit erfordern lediglich Überprüfungen, ob zwischen ausgezeichneten Komponenten von strukturalistisch (re-) konstruierten Theorien mengentheoretische Inklusionsbeziehungen bestehen. Mittels der Inklusionsbeziehungen werden Fortschrittsrelationen spezifiziert, die eine konkrete Messung des theoretischen Fortschritts auf einer Ordinalskala erlauben.
Es wird aufgezeigt, dass sich das strukturalistische Fortschrittskonzept im Hinblick auf den empirischen Gehalt, d.h. Theoriepräzision und -anwendungsbreite, sowie die empirische Bewährung von Theorien als anschlussfähig gegenüber konventionellen Fortschrittsverständnissen erweist. Darüber hinaus lässt sich ein Überschussgehalt des strukturalistischen Fortschrittskonzepts nachweisen, der es erlaubt, eine größere Vielfalt von Ursachen und Arten theoretischen Fortschritts zu identifizieren, als es im konventionellen Theorienkonzept des „Statement view“ möglich ist. Schließlich wird die konkrete Anwendung des strukturalistischen Fortschrittskonzepts anhand der Rekonstruktion einer aktivitätsanalytischen Theorieentwicklung skizziert, mit der in der Betriebswirtschaftslehre auf ökologische Herausforderungen an die produktionswirtschaftliche Theoriebildung reagiert wurde.
St. Zelewski
Backmatter
Metadaten
Titel
Fortschritt in den Wirtschaftswissenschaften
herausgegeben von
Stephan Zelewski
Naciye Akca
Copyright-Jahr
2006
Verlag
DUV
Electronic ISBN
978-3-8350-9199-3
Print ISBN
978-3-8350-0349-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8350-9199-3