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2025 | Buch

(Fremd-)Sprache und Qualitative Sozialforschung

Forschungsstrategien in mehrsprachig-interkulturellen Kontexten

verfasst von: Cornelia Bading, Kerstin Kazzazi, Jeannine Wintzer

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Vor dem Hintergrund fortschreitender Internationalisierung von Forschung und Lehre beleuchtet der Sammelband die Spezifika von qualitativer Forschung in und mit mehrsprachig-interkulturellen Kontexten. Ein Augenmerk liegt dabei auf Hürden und Chancen, die sich durch sprachlich diverse Feldforschung und die Arbeit mit multilingualem Datenmaterial ergeben.

Dem Sammelband gelingt es durch das Zusammenspiel aus theoretisch fokussierten, methodisch orientierten und forschungspraktischen Beiträgen verschiedener Fachrichtungen (u. a. Geographie, Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik, Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie, Translationswissenschaft, Pädagogik, Philosophie, Psychologie, Soziologie), die Komplexität von mehrsprachig-interkultureller Forschung in ihrer Vielfalt greifbar zu machen und diese dadurch inter- und transdisziplinär zu kontextualisieren.

Es finden sich facettenreiche Anregungen für Leser*innen, die konzeptionell an multilingualer Forschung interessiert sind, sowie für jene, die praxisnahe Impulse für die Feldforschung, Datenanalyse oder Ergebnispräsentation in mehrsprachig-interkulturellen Kontexten suchen. Damit ermöglicht der Sammelband einen fundierten Einstieg in die Thematik (Fremd-)Sprache und Qualitative Sozialforschung im Allgemeinen sowie vielseitige Einblicke in konkrete mehrsprachig-interkulturelle Forschungsprozesse. Der Sammelband ist hochrelevant für alle wissenschaftlich arbeitenden Personen – fortgeschrittene Studierende, Nachwuchswissenschaftler*innen und erfahrene Forscher*innen –, die eigene qualitative Forschungsprojekte in mehrsprachig-interkulturellen Kontexten umsetzen möchten.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Esel ist nicht gleich ‚Esel‘
Über des Esels sprachlichen Beipack aus sprach- und sozialwissenschaftlicher Perspektive
Zusammenfassung
Der Beitrag geleitet Leser*innen in den Sammelband (Fremd-)Sprache und Qualitative Sozialforschung, indem er in die spezifische Komplexität von Forschung in mehrsprachig-interkulturellen Kontexten einführt. Ausgehend vom Wort Esel werden hierzu Kernherausforderungen von mehrsprachigen Begegnungen aus sprach- und sozialwissenschaftlicher Perspektive skizziert, v. a. die sprachliche Konnotation von Wörtern, Sprache als soziokulturelle Praxis und Fremdverstehen im Übersetzungskontext. Darauf aufbauend werden die Schwerpunkte des Bandes und der einzelnen Beiträge dargelegt. Diese Zusammenschau zeigt eindrucksvoll, warum es wichtig ist, Implikationen von Mehrsprachig-Interkulturellem im Forschungsalltag bewusst mitzudenken. Deutlich wird zudem, dass dieses Mitdenken nicht nur für Forschungsinteraktionen zwischen Sprecher*innen verschiedener Erst- und Zweitsprachen, sondern auch zwischen jenen unterschiedlicher Sprachvarietäten relevant ist. Die Sprachenliste, die sich an die Beitragsübersicht anschließt und alle Sprachen/-varietäten mit Bezug zum Band aufführt, unterstreicht dieses Argument durch das Aufzeigen der möglichen Vielfalt an forschungsalltäglichen Sprachkontakten. Der Themen- und Sprachenaufriss mündet in die Erläuterung der zentralen Termini Fremdsprache, (Fremd-)Sprache und mehrsprachig-interkulturell sowie die im Band angewandte Darstellungsart von Wörtern und Primärdaten, die der Sichtbarmachung von mehrsprachig-interkultureller Diversität in der schriftlichen Präsentation von Forschungsergebnissen dienen. Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für die unverzagte Suche nach Wegen, wie mit dem Spannungsfeld zwischen dem Ideal des Fremdverstehens und dem forschungspragmatisch Möglichen auch im Kontext von mehrsprachig-interkultureller Forschung produktiv umgegangen werden kann.
Cornelia Bading, Kerstin Kazzazi, Jeannine Wintzer
2. Bestimmt die Sprache das Denken?
Sprachwissenschaftliche Anmerkungen zu einer Glaubensfrage
Zusammenfassung
Die Vermutung, dass die Sprache das Denken bestimmt, wurde prominent vom Sprachwissenschaftler Benjamin Lee Whorf in der sogenannten Hypothese von der sprachlichen Relativität beschrieben. Diese bereits im Jahr 1940 formulierte Annahme ist bis heute nicht bestätigt. Ein Problem der Hypothese von der sprachlichen Relativität liegt darin, dass die für sie zentralen Konzepte Denken und Sprache in dieser generellen Formulierung unklar bleiben. Hier setzt der vorliegende Beitrag an. Er widmet sich einer Präzisierung von Denken und Sprache und macht deutlich, dass nicht die Sprache das Denken einseitig beeinflusst. Vielmehr bestimmen sich Sprache und Denken gegenseitig. Der gegenseitige Einfluss findet beständig im Sprechen statt. Vor dem Hintergrund dieser Analyse erscheint die Behauptung, Sprache bestimme grundsätzlich das Denken, so nicht haltbar.
Peter-Arnold Mumm
3. Mehrsprachigkeit im öffentlichen Raum verstehen
Plädoyer für qualitative Betrachtungen der Zuordnung sprachlicher Einheiten
Zusammenfassung
Mehrsprachigkeit im öffentlichen Raum ist in ihrer verschrifteten Form Untersuchungsgegenstand der Linguistic-Landscape-Forschung. Diese ist quantitativ ausgerichtet und leitet aus der Frequenz des Vorkommens fremdsprachlicher Elemente im Untersuchungsraum Aussagen über den Status von Minderheitengruppen und ihrem Verhältnis zur Mehrheitsgesellschaft in einem Untersuchungsraum ab. Dabei werden in der Regel während der Analyse sprachliche Einheiten (z. B. auf Schildern) Einzelsprachen zugewiesen. Der Beitrag zeigt in einem Vergleich zweier Untersuchungsräume, dass derartige Zuweisungen zu kurz greifen, weil die verwendete Sprache mehrere Bedeutungsebenen repräsentieren kann, die sowohl von der Zusammensetzung der Gesellschaft des Untersuchungsraumes als auch durch gegebene Arten von Mehrsprachigkeit und zusätzlichem Wissen über nationale oder sprachliche Zugehörigkeiten beeinflusst werden. Entsprechend ist der Beitrag ein Plädoyer für eine qualitativ ausgerichtete Zuordnungspraxis, da diese die Komplexität von Mehrsprachigkeit sichtbarer und damit für Linguistic-Landscape-Forschung fruchtbar machen kann.
Ilona Schulze
4. Preparing for Multilingual-Intercultural Contexts
Exploring Barriers to English Language Learning in Laos
Abstract
Multilingual-intercultural contexts in qualitative research pose special challenges for which researchers must prepare. English has become a language used globally for communication and research. Sharing a common language does not necessarily lead to successful communication, mutual understanding, and correct analysis of data. This was the experience in a qualitative research project in form of a case study at Savannakhet University that examined intercultural barriers to the English language learning process in Laos. The multilingual-intercultural research context highlights the urgency for the researcher to become familiar with local conditions and adapt the approach to fit the specific research situation. With a sensitivity for differences and the skills of a multilingual communicator, the irritations and barriers in multilingual-intercultural contexts may be turned into productive irritations leading to more comprehensive and detailed data and a more critical analysis.
Rebecca Dengler
5. Sprachen in der Sprache oder von Eau de Javel und La Javel
Sprachliche Variabilität in qualitativen Forschungsprozessen wahrnehmen
Zusammenfassung
Linguist*innen bezeichnen die Fähigkeit von Sprecher*innen, sich verschiedener Varietäten einer Sprache zu bedienen, als innere Mehrsprachigkeit; dies in Abgrenzung zur äußeren Mehrsprachigkeit, also dem gleichzeitigen Beherrschen mehrerer ausgebauter Kultursprachen. Weil sprachliche Variabilität vor allem ein Kennzeichen mündlichen Sprachgebrauchs ist, ist eine bewusste Wahrnehmung dieses Phänomens für qualitative Forschungskontexte, in denen gesprochene Sprache meist eine zentrale Rolle spielt, besonders interessant. Denn Varietäten ein- und derselben Sprache verweisen auf konkrete Lebenswelten. Mit Rückgriff auf die sprachwissenschaftliche Forschung zu innerer Mehrsprachigkeit veranschaulicht der Beitrag, auf der Basis des literarischen Werks der französischen Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Annie Ernaux, die lebensweltliche Verankerung von sprachlichen Varietäten und deren Einbettung in gesellschaftliche Machtverhältnisse. Diese Überlegungen werden anschließend im Kontext qualitativer Forschungssettings diskutiert, mit dem Ziel, die Wahrnehmung für die mit Sprache verbundenen Positionalitäten im Prozess des Fremdverstehens zu schärfen.
Ines Grau
6. Dialekt in der qualitativen Sozialforschung
Forschungsgegenstand und Dimension methodischer Sensibilisierung
Zusammenfassung
Der Beitrag richtet den Blick auf Dialekt als Forschungsgegenstand und Dimension methodischer Sensibilisierung. Er widmet sich damit einem Fokus, der bisher in der qualitativen Sozialforschung nur wenig Beachtung gefunden hat, aber in viele Projekte unbewusst einfließt. In sozialwissenschaftlich etablierten Formen sprachbasierter Datenerhebungen, wie etwa Interviews, ist Dialekt oft beteiligt, dies aber meist in unsichtbarer Form, beispielsweise wenn das dialektgefärbte Interview schon bei Transkription in Standardsprache übersetzt wird –, ohne dass dieser Umstand explizit benannt wird. Mein Beitrag schreibt gegen diese Unsichtbarkeit an und beleuchtet Dialekt als Forschungsgegenstand und dessen Dimensionen in der qualitativen Sozialforschung, basierend auf Erfahrungen aus einem Forschungsprojekt mit geflüchteten Arbeitnehmer*innen im ländlichen Oberbayern. Methodisch werden die Rolle von Dialekt in der Feldforschung sowie Verfahren zu dessen Transkription und Zitation reflektiert und die Bedeutung von Dialekt für die geflüchteten Forschungspartner*innen dargestellt.
Isabel Burner-Fritsch
7. Was heißt eine Fremdsprache verstehen?
Verstehen zwischen Sprachspielen, Lebensformen und sozialen Ontologien
Zusammenfassung
Der Beitrag argumentiert, dass bei einer sozialwissenschaftlichen Forschung, insbesondere in einem sich von dem des*der Forschenden unterscheidenden ‚Kulturraum‘, nicht nur Barrieren von Sprache und Kultur zu überwinden sind. Es muss auch in Betracht gezogen werden, dass der Untersuchungsgegenstand an sich, also die Gesellschaft oder ein Aspekt derselben, ganz anders interpretiert und erfahren wird. Um dies zu verdeutlichen, bringt der Aufsatz in einem ersten Schritt Überlegungen zum Verhältnis zwischen Sprache und Gesellschaft, um dann sozialwissenschaftliches Verstehen genauer zu betrachten. Die Diskussion des Verstehensbegriffs zeigt auf, dass es aus sozialwissenschaftlicher Perspektive nicht nur wichtig ist, Bedeutungen, Symbole und Handlungen, sondern auch ein Dasein zu verstehen. Das Dasein des Menschen ist ein gesellschaftliches und wird stark durch die sozialen Strukturen bestimmt. Umgekehrt sind die sozialen Strukturen aber zumindest teilweise sinnhaft und müssen inkorporiert sein, um zu existieren. Die inkorporierte Interpretation von Kollektivität bezeichnen wir als soziale Ontologie. Der Aufsatz geht daher den Fragen nach, was eine soziale Ontologie ist und was Verstehen zwischen sozialen Ontologien bedeutet. Sie werden am Beispiel einer Fallstudie aus Thailand erläutert.
Benjamin Baumann, Boike Rehbein
8. Übersetzungsstrategien und dichte Teilnahme
Zur Rekonstruktion von Bedeutungen während der Feldforschung in einem mehrsprachigen 3-Generationen-Haushalt der Nördlichen Lakandón Maya
Zusammenfassung
Wie werden verbale und nonverbale Kommunikationsprozesse während der Datenerhebung mit der dichten Teilnahme (Spittler 2001) übersetzt und in schriftliche Daten transformiert? Diese Frage steht im Zentrum der folgenden Analyse. Der Beitrag zeigt entsprechend Chancen situations- und kontextgebundener Übersetzungsstrategien auf, die während der dichten Teilnahme in einem mehrsprachigen 3-Generationen-Haushalt der Nördlichen Lakandón Maya in Mexiko zur Anwendung kamen. Es wird dargestellt, was im Feld mit welchen Übersetzungsstrategien, wie und wann zur Bedeutungsrekonstruktion übersetzt sowie zu einem schriftlichen Text transformiert wurde.
Petra Panenka
9. (Fremd-)Sprache als Positionierung
Wenn die Sprache des Interviews Forschungshaltungen infrage stellt
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht, wie sich (fremd-)sprachliche Zugänge in der qualitativen Sozialforschung manifestieren. Dabei werden Erfahrungen aus zwei Forschungsprojekten herangezogen: Reflexionen über eine zurückliegende Feldforschung in einer Sprachgemeinschaft in Ostparaguay sowie die Analyse einer Forschung in der viersprachigen Schweiz. In beiden Fällen wurden qualitative Interviews in fremdsprachigen Kontexten durchgeführt, die in längere Phasen der teilnehmenden Beobachtung eingebettet waren. Das Zusammendenken der Erfahrungen in Paraguay und in der (vermeintlich) vertrauten Umgebung des zweisprachigen Kantons Bern (Schweiz) erweist sich als fruchtbar, um sich der eigenen Forschungshaltung bewusster zu werden, denn Sprache als Medium bedeutet immer auch eine Positionierung im Forschungsfeld.
Irène Zingg, Jésabel Robin
10. Befremdung durch Sprache
Zum Verstehen in multilingual-interkulturellen Interviewkonstellationen
Zusammenfassung
Der Beitrag diskutiert, wie qualitativ Forschende mit den Herausforderungen multilingual-interkultureller Forschungskontexte produktiv umgehen können. Wir bauen dabei auf Erfahrungen aus zwei interviewbasierten Forschungsprojekten auf, die sich durch sehr unterschiedliche Sprachkonstellationen auszeichneten. Anhand empirischer Beispiele wird deutlich, dass es für den Umgang mit multilingual-interkulturellen Forschungskontexten keine Standardlösung geben kann. Vielmehr gilt es, die jeweilige Forschungsrealität zu reflektieren, um flexibel mit den Herausforderungen der sprachlichen und kulturellen Konstellationen umzugehen. Unter Rückgriff auf erkenntnistheoretische Grundlagen des interpretativen Paradigmas, insbesondere den Umgang mit Fremdheit, plädieren wir dafür, dass sich Wissenschaftler*innen nicht von den Herausforderungen multilingual-interkultureller Forschungskontexte abschrecken lassen sollten, sondern auch und gerade in diesem Kontext auf ein Verfahrenswissen bauen können, das sich an den Grundprinzipien qualitativer Forschung orientiert und dabei die Strategie der Befremdung nutzt.
Nadine Jukschat, Franz Erhard, Kornelia Sammet
11. ‘Our Boat Was Balloon’
Language and the Communicability of Flight Experiences in Research with Children
Abstract
This contribution is based on a project that involved a multilingual research design to explore the meaning of faith and religion with regard to the resilience of children who have experienced flight to Germany. In keeping with the theoretical understanding that children are social actors, we employed strategies that children use to cope with the linguistic challenges of lacking vocabulary, the cultural challenges of communicating meanings and the emotional challenges of narrating traumatising events. Our findings highlight the benefits of multilingual-intercultural interviews – that is, through creative language acquisition and modification, children are able to communicate their experiences using vocabulary that may be less emotionally charged than are their native languages. In addition, language reveals children’s social positioning and offers them the creative capacity to subvert dominant meaning structures.
Caterina Rohde-Abuba, Britta Konz
12. Foreign Language(s) – Foreign Place(s)
Assembling Qualitative Research in Bangkok, Thailand
Abstract
In this contribution, I reflect on the relationship between language, affect, materiality and power in qualitative research and interview situations in multilingual-intercultural contexts. I argue that through an assemblage approach, apparent challenges or shortcomings of working in a foreign language can be reinterpreted as veritable lines of flight, in which meaning is co-produced and power relations are partially and temporarily reversed. Furthermore, I show how affect and materiality shape such interview situations and how assemblage thinking helps us to become attuned to both. The argument for assemblage thinking in the context of multilingual interview situations is exemplified by my own research on the relationship between climate change and (temporal forms of) displacement within the city of Bangkok (Kingdom of Thailand).
Leonie Tuitjer
13. Translating the Camp
Fieldwork, Language and Positionality Along the Refugee Balkan Route
Abstract
This contribution reflects on methodological challenges regarding language and translation we experienced during our fieldwork in the multilingual and ‘messy’ research context of makeshift refugee camps along the Balkan Route. In this setting, there were constant methodological and ethical considerations surrounding translation, including how to communicate across linguistic barriers (with or without interpreters), the use of English as a lingua franca, the presence of ‘community leaders’ that spoke on behalf of others, and the ‘camp politics’ that inevitably hindered or facilitated our interactions, often in ways we could not understand. Our embodied presence (as white, Western academics) was also a matter of ‘translation’ in the camps, as refugees’ perceptions of us impacted the kinds of interactions we were able to have and required us to adapt our methodological approaches on the ground. In exploring the opportunities and challenges of research in this multilingual context, this contribution demonstrates how individuals may assert agency and resistance within their roles as research subjects and may offer insights for performing more ethically aware and humble work in the field.
Joanna Jordan, Claudio Minca
14. “I Was a Special Operations Officer in a Russian Correctional Colony, but I’ll Speak Georgian”
The Politics of Language in Qualitative Research in the Former Soviet Union
Abstract
The choice of language in which to conduct qualitative interviews with vulnerable subjects is a decision to which every director of a research project has to pay attention because it can affect the development of rapport between field researcher and participant. The received wisdom is that cultural and linguistic insiders are the preferred choice. However, such a choice is not always available to a lone researcher whose study takes them to a field site where their native language is not spoken. In this contribution, I discuss the advantages that can, in fact, be associated with non-native-native interviews. Using examples taken from my own research in the multi-ethnic states of the former Soviet Union, I discuss the political constraints that face non-native researchers in the choice of language in which to conduct interviews in authoritarian states, and how linguistic mismatches may assist in overcoming barriers in interviews with vulnerable subjects.
Judith Pallot
15. Kommunikation und Verstehen über Eck
Dolmetschprozesse und deren Reflexion
Zusammenfassung
Der Einbezug von Dolmetscher*innen in qualitative Interviews ist umstritten und erfordert die Reflexion der Subjektivität dieser zusätzlichen Person im Forschungsprozess und ihres Einflusses auf das Interviewgeschehen sowie die bereits im Interview vorgenommenen Interpretationen. Dies dient der Qualitätssicherung qualitativer Interviews in multilingual-interkulturellen Forschungsprojekten. Eine Möglichkeit, dies praktisch umzusetzen, wird in diesem Beitrag anhand von Qualitätszirkeln veranschaulicht. Auch auf Fallstricke sowohl in der Durchführung als auch in der Reflexion der Interviews wird eingegangen. Die konkreten Beispiele verdeutlichen dabei die Potenziale, Grenzen und Herausforderungen des Einsatzes von Dolmetscher*innen sowie den Erkenntnisgewinn durch Reflexionsprozesse in Qualitätszirkeln.
Maximiliane Brandmaier
16. Wenn Forschende die Feld-Sprache nicht sprechen
Artikulationsanalyse von Expert*inneninterviews als Methode des Fremdverstehens
Zusammenfassung
Qualitative Forschungsansätze gehören zum Methodenkanon vieler Disziplinen. Auch in der Wirtschaftsgeographie werden Expert*inneninterviews eingesetzt, um einen spezifischen Sachverhalt auf Grundlage der Meinungen und Erfahrungen von Akteur*innen zu erforschen. Dabei stehen in den meisten Fällen nicht die Expert*innen und ihr sozialer Kontext, sondern deren exklusives Wissen über den Sachverhalt im Zentrum des Interesses – es wird damit in objektivistischer Denkart bezweckt, eine Beschreibung des Sachverhalts zu erhalten, „wie er wirklich ist“ (Hitchings und Latham 2020, S. 395, Übers. d. Aut.). Konsequenterweise ist die sachverhaltsanalytische und weniger die interpretative Auswertung von Expert*inneninterviews verbreitet. Dieser Beitrag verdeutlicht, dass die Reduktion auf sachverhaltsanalytische Verfahren, insbesondere im Kontext fehlender (Fremd-)Sprachenkenntnisse auf Seiten der Forschenden, durchaus Probleme beim Fremdverstehen birgt. Als methodische Lösung wird die Artikulationsanalyse vorgestellt, die anhand eines wirtschaftsgeographischen Forschungsprojektes in China entwickelt wurde. Diese fördert das Fremdverstehen von Expert*innen in fremdsprachigen Kontexten und eröffnet somit neue Perspektiven auf sachverhaltsbezogene Daten.
Anna-Barbara Heindl
17. Translational Moments Identified
Deliberating Translation in Qualitative Research
Abstract
This contribution sets out to discuss translation as a creative and negotiated activity enmeshed in relations of power in multilingual qualitative research settings. By shedding light on five translatorial moments in a multilingual research project with the Waorani indigenous people of Ecuador’s Amazon rainforest, we argue that methodological considerations should create spaces to deliberate translation processes, translation strategies, and the limits of translatorial endeavours in multilingual qualitative research projects. Specifically, we discuss the researchers’ lack of complete control over translatorial representations and suggest that they explicitly address this aspect. Finally, qualitative social research should reflect upon translation as a conscious act and acknowledge the ethical right to non-translation in and out of the field.
Christina Korak, Rafael Y. Schögler
18. Die (Nicht-)Übersetzbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse
Am Beispiel sprachlicher Interaktionen in Paarinterviews
Zusammenfassung
Der Beitrag befasst sich mit Übersetzungen von verschriftlichten und ausgewerteten Interviewdaten zum Zweck der Ergebnispräsentation. Inwiefern sind Übersetzungen in dieser Phase eher unbedenklich, da sie lediglich auszugsweise für Vorträge oder Publikationen stattfinden? Oder sehen sich Forschende ähnlichen Herausforderungen gegenüber, die in der qualitativen Sozialforschung in Bezug auf Übersetzungen sprachlicher Daten für die Analyse bereits bekannt sind? Anhand der vorliegenden Literatur beginnt der Beitrag mit einer Gegenüberstellung von Übersetzungen vor und nach der Datenanalyse. Danach werden die Herausforderungen diskutiert, die mit Übersetzungen für die Ergebnispräsentation einhergehen. Dass es sich bei diesen um eine erneute Auslegung der bereits interpretierten Interviewdaten handelt, wird am Beispiel der im Beitrag diskutierten Untersuchung mit Paarinterviews deutlich. Mit diesem Vorgehen wirft der Beitrag die Frage nach der Übersetzbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse auf und stellt dar, wie Übersetzungen im Sinne einer Qualitätssicherung bei der Diskussion und Präsentation von Ergebnissen beachtet werden können.
Karin Schittenhelm
19. Navigating Difference
Translation as an Unfinished Project
Kawthar El-Qasem
20. Intersprachliche Sensibilität und akademische Wissensproduktion
Ein Plädoyer für den bewussten Umgang mit Intersprachlichkeiten als Beitrag zur epistemischen Güte und Gerechtigkeit von mehrsprachig-interkultureller Forschung
Zusammenfassung
Akteur*innen der akademischen Wissensproduktion (Forscher*innen, Reviewer*innen etc.) handeln im Rahmen ihrer Tätigkeiten mannigfaltig in mehrsprachig-interkulturellen Kontexten. Sie werden dabei mit einer Komplexität des Fremdverstehens konfrontiert, die vom Aufeinandertreffen von (Fremd-)Sprachen und soziokulturell diversen Praktiken geprägt ist. Für den Umgang damit gilt es, epistemisch sinnvolle und forschungspragmatisch gangbare Wege zu finden. An dieser Notwendigkeit knüpft der vorliegende Beitrag an, indem er Intersprachlichkeit und Intersprachlicher Sensibilität gewidmet ist. Letztere sehen wir als eine Kompetenz, die beispielsweise Wissenschaftler*innen dabei unterstützen kann, mittels der kritisch-reflexiven Auseinandersetzung mit dem Aufeinandertreffen von (Fremd-)Sprachen die epistemische Güte und Gerechtigkeit von mehrsprachig-interkultureller Forschung zu stärken. Entsprechend diskutieren wir Intersprachliche Sensibilität mit zwei Schwerpunkten: Erstens zeigen wir fokussiert auf qualitative Forschung auf, wie wichtig es ist, angestrebte Gütekriterien im Hinblick auf den Einfluss von (Fremd-)Sprache zu durchdenken, und deuten auf Chancen, die sich dadurch für die Güte von Forschung ergeben. Zweitens reflektieren wir, inwiefern Intersprachliche Sensibilität zur epistemischen Gerechtigkeit von Forschung und damit zu einer für epistemische Vielfalt sensibleren Wissensproduktion beitragen kann. Beide Analysestränge machen deutlich, dass der bewusste Umgang mit (Fremd-)Sprache nicht nur herausfordernd, sondern in vielerlei Hinsicht wertvoll für die akademische Wissensproduktion ist.
Cornelia Bading, Kerstin Kazzazi
Metadaten
Titel
(Fremd-)Sprache und Qualitative Sozialforschung
verfasst von
Cornelia Bading
Kerstin Kazzazi
Jeannine Wintzer
Copyright-Jahr
2025
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-65766-9
Print ISBN
978-3-662-65765-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-65766-9