26.03.2018 | Führungsqualität | Im Fokus | Onlineartikel
Manager leiden unter veralteten Rollenbildern
Alles muss unter einen Hut gebracht und optimiert werden. Zwischen Alltag und Projekt haben Manager eigentlich keine Hand mehr frei.
alphaspirit/FotoliaAmbidextrie, das Buzzword der neueren Managementliteratur, klingt zwar stark nach motorischer Störung, meint aber das genaue Gegenteil, nämlich die Fähigkeit beidhändig gleich stark agieren zu können. Mit zwei rechten Händen. Organisationale Ambidextrie verlangt von Managern das Kerngeschäft mit seinen bestehenden Ressourcen so effizient wie möglich zu betreiben und gleichzeitig Innovation zu forcieren, flexibel und agil zu sein. Die sportliche Herausforderung dabei ist, mit den Gewichten von Exploitation und Exploration belastet die eigene Mitte und damit das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Besonders aufgerieben zwischen Alltag und Projekt fühlen sich Führungskräfte der mittleren Hierarchieebenen, wie eine Forsa-Umfrage belegt. Ein Knackpunkt sind die veralteten Rollenbilder mit denen Mittelmanager zu neuen Taten schreiten sollen.
Mehr als 51 Veränderungsprojekte in den vergangenen drei Jahren bedeutet permanenten Change, der sich grob gerechnet alle anderthalb Monate neu erfindet. Acht Prozent der von Forsa für das "Führungskräftebarometer 2017" des Unternehmensberaters Penning Consulting befragten HR-Verantwortlichen (90 Telefoninterviews) gaben für ihr Unternehmen einen permanenten Transformationsdruck in dieser Größenordnung an. In über der Hälfte (56 Prozent) der Unternehmen ab 400 Mitarbeitern mussten mehr als sechs Veränderungsprojekte gestemmt werden. Das drückt vor allem auf die Psyche des mittleren Managements. Dort fühlen sich zehn Prozent von den andauernden Veränderungsprozessen überbelastet, 34 Prozent hoch belastet und 42 Prozent spürbar belastet. Nur zwölf Prozent gaben an, gut mit dem zusätzlichen Druck umgehen zu können. Die Rolle des Mittelmanagements muss neu definiert werden, fordert Studienleiter Stefan Penning.
Nicht mehr alles selbst machen müssen, sondern coachen und entscheiden dürfen, so kann beidhändige Führung gelingen. Diese Annahme stützen weitere Ergebnisse der Studie: Unter den weniger belasteten Führungskräften fungieren 67 Prozent als Coach und Unterstützer ihrer Mitarbeiter während sich die Teams selbst steuern. 71 Prozent kommunizieren und informieren im Alltag stärker als zuvor und 76 Prozent haben mehr Entscheidungskompetenz erhalten. Führungskräfte müssen lernen, sich vom "Modell des allwissenden Vorgesetzten zu lösen und stattdessen intensiv ihre Vernetzungs- und Kommunikationsfähigkeiten ausbauen" setzt auch Springer-Autorin Julia Duwe der "Zerreißprobe" in Ambidextrie-orientierten Organisationen entgegen (Seite 6). So könnten die Welten von Exploitation und Exploration gewinnbringend in Einklang gebracht werden. Dabei helfen Selbstmanagement-Ansätze wie Holakratie.
Neue Rolle: Moderator und Vermittler
In der Holakratie werden Aufgaben an Rollen nicht Personen verteilt. Damit ist auch die Verantwortung rollengebunden und kann neu vergeben werden, vom hierarchisch übergeordneten Kreis. Das traditionelle Verständnis der Führungsrolle halten die Springer-Autoren Ulrich Lenz, Pirie Grützmacher deshalb für "obsolet" (Seite 11). In "Was bin ich (noch) und was sollte ich sein?" definieren sie Führung über kontextabhängige, flexible Rollen überwiegend fördernder und kommunikativer Natur (Seite 9):
- Gestaltung von Übergangs-Prozessen von der Hierarchie zur Selbstverantwortung
- Moderation der Ambidextrie
- Vernetzung von Kreisen und Rollen
- Allokation von Ressourcen und Sinnvermittlung
- Reflexions-Befähigung
- Gestaltung ergebnisorientierter, systemischer Lernprozesse
Fazit: Die neue Führungskraft bewegt sich weg vom allwissenden Anführer im Driver's seat und hin Moderator gemeinschaftlicher Entscheidungen sowie zum Vermittler zwischen internen und Vernetzer von externen Interessensgruppen.