Die Corona-Krise hat vieles verändert - auch die Ansprüche an die Führungsarbeit. Personalverantwortliche sollten Homeoffice und Work-Life-Blending als Chance nutzen. Wo Chefs und Chefinnen dabei am besten ansetzen, erklärt Gastautor Gero Schmitt-Sausen.
Während die Politik Kontaktbeschränkungen gelockert hatte und Arbeitnehmer ins Büro zurückkehrten, fingen Führungskräfte in Unternehmen zu grübeln an. So sagen in einer aktuellen Studie von Consultport über 80 Prozent der befragten Firmen, dass sie Homeoffice beziehungsweise mobiles Arbeiten als Option für die zukünftige Arbeitswelt sehen. Doch das Arbeiten von zu Hause ist nur ein Baustein auf dem Weg in eine dem Leben mehr zugewandten Arbeitswelt.
Ausgerechnet die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg wirkt dabei als Katalysator. Streng hierarchische Command-and-Control-Prinzipien könnten bald endgültig passé sein – sofern es sie überhaupt noch in einer derart strengen Ausprägung gibt. So erlebten wir alle in den letzten Wochen die Notwendigkeit, schnell und flexibel zu agieren. Dieses Momentum sollten Führungskräfte nutzen und neue Ansätze in der Zusammenarbeit verfolgen.
Ermöglicher in einer Vertrauenskultur
Mit den Rahmenbedingungen fängt modernes Arbeiten in einem dynamischen Umfeld an. Neben agilen Methoden, die laut einer aktuellen Studie von Horváth & Partners und IDG Research Services bereits neun von zehn Unternehmen nutzen, gehört ein neues Selbstverständnis der Führungskräfte dazu. Sie agieren als Ermöglicher und werden so zum Mentor, Coach und Sparringspartner der Mitarbeitenden.
Die eigentliche Aufgabe der Führungskraft ist dabei nicht die Einführung der agilen Methoden, sondern die Mitarbeiter zum selbstständigen Arbeiten zu befähigen und ein agiles Mindset zu fördern. Dazu gehört, Raum für die Arbeitsgestaltung hinsichtlich Ort und Zeit zu lassen und nur die übergeordneten Ziele vorzugeben. Von besonderer Bedeutung ist es, eine langfristige Vision zu verfolgen, die auch als Entscheidungshilfe für den Arbeitsalltag herangezogen werden kann. Der erste Schritt dabei ist, die Mitarbeiter von Anfang an mit einzubinden und die Vision sowie die Regeln der Zusammenarbeit gemeinsam zu erarbeiten. Nur so entsteht eine Vertrauenskultur.
Work-Life-Blending erfordert mitarbeiterorientierte Führung
Wurde jahrelang die Work-Life-Balance mit der Trennung von Job und Privatem zelebriert, führt die Digitalisierung zunehmend hin zu einer Arbeitswelt, die Beruf und Freizeit vereint. Der Job ist häufig allgegenwärtig. Nicht umsonst predigen viele daher den sogenannten Purpose – einhergehend mit der Vision –, also den Sinn und Zweck hinter der Arbeit. Der beiderseitige Anspruch an Arbeit ist gestiegen – und der reine Broterwerb wird obsolet.
In der Krise lernten Arbeitnehmer das Work-Life-Blending auf die harte Tour kennen: Neben den ohnehin anfallenden Aufgaben im Mobile Office mussten Kinder betreut, der Haushalt gemanaged und oft auch erst neue Arbeitsabläufe verprobt werden. Die Folge: Durch den Spagat vieler Arbeitnehmer und Familien wurde der Führungsstil von heute auf morgen zwangsläufig extrem mitarbeiterorientiert. Dies erforderte Empathie und Kommunikationsfähigkeit aufseiten der Führungskräfte, um die durch die Krise verursachten Probleme beim Mitarbeitenden wahrzunehmen, diese anzusprechen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Dabei gilt: Trotz oder gerade weil seit Ausbruch der Pandemie vermehrt digital gearbeitet wird, ist es weiterhin Aufgabe der Führungskraft, nah am Mitarbeitenden zu sein und den Austausch kontinuierlich zu fördern – und diese Errungenschaft sollte tunlichst auch nach der Krise fortgeführt werden.
Mitarbeiterbefragungen als Stimmungsbarometer nutzen
Wenn es gut läuft, soll einmal jährlich eine Mitarbeiterbefragung Aufschluss über (Un-)Zufriedenheit geben. Doch das reicht in unserer volatilen Umwelt nicht mehr aus. Unterstützend wirken deshalb Instrumente, die wenig Aufwand erfordern, aber gleichzeitig viel aussagen. So gibt etwa eine kurze monatliche Umfrage auf anonymer und freiwilliger Basis Einblicke in die aktuelle Stimmung im Team. Wie war für dich der vergangene Monat? Wie fandest du die Zusammenarbeit mit deinen Kollegen? Hast du geschafft, was du dir vorgenommen hattest? Inwieweit hast du diesen Monat die Vision in deinen Alltag integriert? Das Stimmungsbild zeigt nicht nur, wie sich die Mitarbeiter aktuell einschätzen und ob Differenzen vorliegen. Die monatlich wiederkehrende Frage nach der Vision unterstützt auch eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Leitbild.
Richtig umgesetzt führen diese Maßnahmen zu einer hohen Leistung bei gleichzeitiger Mitarbeiterzufriedenheit. Die oft zwangsläufig in der Krise eingeführten Arbeitsmodelle bilden aktuell eine solide Grundlage, um langfristig eine Vertrauenskultur zu schaffen – wenn Führungskräfte sich darauf einlassen.
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