Wer glaubt, in digitalen Zeiten, basiere Erfolg primär auf digitalen Führungskompetenzen, irrt. Eine Metastudie belegt, dass der Führungsprozess weiterhin stark analog geprägt ist.
Keine Frage, die Digitalisierung erfordert auch von Führungskräften neue Kompetenzen. Natürlich benötigen sie ebenso wie ihre Untergebenen Digitalwissen und digitale Fähigkeiten, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Nicht zuletzt dadurch sind die Kompetenzanforderungen an Führungskräfte in den letzten Jahren immer vielschichtiger geworden, wie die Meta-Studie 2019 des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) bestätigt. Allerdings bedeute dies keineswegs, dass nunmehr nur noch digitale Superhelden gefragt seien und traditionelle, analoge Kompetenzen für den Erfolg weniger wichtig wären, so das Fazit der Forscher. Denn im Zentrum von Führung stehe weiterhin die Beziehung von Mensch zu Mensch.
Ziel der Metastudie war es, herauszufinden, welche Kompetenzen Führungskräfte im Digitalzeitalter brauchen, welche neuen Kompetenzen von ihnen erwartet werden und welche Kompetenzen am relevantesten für den Führungserfolg sind. Hierfür wertete das IFIDZ 61 Studien und Umfragen rund um Führung und Leadership aus, die zwischen 2012 und 2018 publiziert wurden. Insgesamt hatten daran über 100.000 Führungskräfte, Mitarbeiter und Wissenschaftler teilgenommen.
Kommunikationsfähigkeit ist die Top-Kompetenz
Ausgehend von der Anzahl und Häufigkeit der Nennung bestimmter Fähigkeiten in den berücksichtigten Untersuchungen haben die Forscher eine Liste mit insgesamt 86 Kompetenzen erstellt, die demnach relevant für den Führungserfolg sind. Am häufigsten wurden dabei Kommunikationsfähigkeit (57 Prozent), Veränderungsfähigkeit (39 Prozent) und Wertschätzung/Mitarbeiterorientierung (33 Prozent) genannt.
Bei der Betrachtung der 20 wichtigsten Führungskompetenzen zeigt sich, dass die neuen, digitalen Kompetenzen bis dato nicht den größten Teil der erfolgsentscheidenden Fähigkeiten ausmachen, sondern die analogen und analogitalen Kompetenzen überwiegen (vgl. Grafik). Grundsätzlich ordnet die IFIDZ-Studie die Kompetenzen nämlich diesen drei unterschiedlichen Kategorien zu:
Kategorie | Merkmal | Top-3-Kompetenzen der Kategorie |
Analoge Kompetenzen | Kompetenzen, die bereits in vordigitalen Zeiten bekannt und relevant waren und sich von Art und Inhalt her kaum geändert haben |
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Analogitale Kompetenzen | Fähigkeiten, die schon im vordigitalen Zeitalter bekannt und relevant waren, die sich aber durch die Digitalisierung erheblich verändert haben |
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Digitale Kompetenzen | Kompetenzen, die im vordigitalen Zeitalter entweder nicht existierten oder die wenig Bedeutung hatten und erst im Zuge der Digitalisierung relevant wurden |
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Quelle: Meta-Studie 2019, IFIDZ |
Allround-Experten gibt es nicht
Dass digitale Fähigkeiten anderen Kompetenzen bis dato nicht den Rang ablaufen, untermauern die Forscher durch einen weiteren Befund. So ergab die Kategorisierung aller 86 relevanten Kompetenzen, dass 72 Prozent als analoge, 15 Prozent als analogitale und nur 13 Prozent als digitale Kompetenzen einzustufen sind. Wenngleich die Metastudie daraus schließt, dass Führungsprozesse noch immer stark analog geprägt sind, warnt sie doch davor, die Bedeutung der digitalen und analogitalen Fähigkeiten zu unterschätzen.
Eine schwierige Gemengelage attestieren auch Melanie Malczok und Sabine Kirchhoff den Führungskräften in der heutigen, digitalgetriebenen VUCA-Welt (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity). Führungskräfte könnten nicht überall Experten sein, aber sie müssten verstehen, wie die Arbeitsprozesse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ideal unterstützt werden können, schreiben die Springer-Autorinnen zum Thema "Digitalisierung und Partizipation – Brauchen wir ein neues Skill Set für Führungskräfte?". Insofern sollten Führungskräfte über IT-Kenntnisse verfügen, die auch einen Bezug zur originären Leistungserstellung der Organisation haben. (Seite 224)
Führungskräfte brauchen Digital Leader Literacy
Malczok und Kirchhoff fassen die vielfältigen Anforderungen an das Führungspersonal rund um die Digitalisierung unter dem Begriff "Digital Leader Literacy" zusammen. Diese speise sich aus den Hard Skills (Prozesskenntnis und Kenntnis der potentiellen ökonomischen Auswirkungen) sowie aus einem empathischen Verständnis für das Arbeitserleben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Technologien. (Seite 225) Erst diese Verbindung von fachlich-ökonomischen Aspekten und sozialen Skills ermögliche eine zukunftsfähige Organisationsentwicklung.