Die ersten Wochen in einer neuen Führungsposition legen den Grundstein für die langfristige Zusammenarbeit mit dem neuen Team. Worauf Führungskräfte beim Onboarding achten sollten, erklärt Springer-Autor Herbert Reiß in Form von Fragen + Antworten.
Um einen guten Start mit der neuen Mannschaft zu erwischen, sollten Führungskräfte ihr Onboarding bereits im Vorfeld gezielt angehen.
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Die ersten Tage und Wochen in einer neuen Führungsposition sind entscheidend. Welche Weichen werden da gestellt?
"Es gibt keine zweite Chance für einen ersten Eindruck" – diese Aussage ist ganz besonders relevant für den Start in eine neue Führungsposition. Selbstverständlich sind die Mitarbeitenden voller Spannung über die oder den Neuen. Diese Spannung kann auch voller Skepsis sein, vor allem dann, wenn die bisherige Führungskraft entweder als sehr schlecht oder sehr gut wahrgenommen wurde. Da tauchen wichtige Fragen auf, wie zum Beispiel: Lässt sie oder er uns den liebgewonnen Gestaltungsfreiraum oder werden wir ab sofort über jeden Schritt kontrolliert? Diese und ähnliche Fragen gilt es implizit bereit am ersten Tag zu beantworten, damit das Eis gebrochen und die Basis für eine Vertrauenskultur gelegt wird.
Was können Führungskräfte tun, um einen guten Start mit dem Team zu erwischen?
Dies beginnt bereits vor dem ersten Tag. Eine Führungskraft sollte viele Informationen darüber einholen, was sie erwartet, so beispielsweise welche Führungskultur wurde bisher in diesem Team gelebt? Welche konkreten Erwartungen hat der Chef der Führungskraft an sie selbst und an das Team? Welchen Gestaltungsspielraum gibt es?
Bereits am ersten Tag sollte die Führungskraft ein Meeting – in Präsenz oder virtuell – mit all seinen Mitarbeiter einberufen und die Begeisterung mit der neuen Aufgabe zum Ausdruck bringen, idealerweise verbunden mit einer inspirierenden Vision für das Team sowie mit dem Hinweis auf die eigene Werte, damit alle erfahren, wie sie oder er tickt. Selbstverständlich sollte dieses erste Meeting nicht nur ein Monolog sein, geht es doch darum, erste Erwartungen der Mitarbeitenden zu erfahren und zuzuhören.
Viele junge Führungskräfte werden vom Kollegen zum Chef. Wie gelingt ihnen dieser Wechsel?
Dieses Szenario ist heute mehr und mehr anzutreffen, weil viele Unternehmen dazu neigen, fachliche Teamleiter statt Führungskräfte mit disziplinarischer Verantwortung in eine Führungsaufgabe zu bringen. Sehr oft entstehen dabei Neidgefühle, Beschäftigte fragen, "Warum nicht ich?" Da hilft nur Verständnis für diese Reaktion, aber auch eine große Offenheit von Seiten der neuen Führungskraft, um diese Gefühle anzusprechen, statt zu ignorieren. Wichtig ist auch, dem enttäuschten Mitarbeiter klar zu machen, dass es schlussendlich an ihm liegt, die neue Situation zu akzeptieren und dies möglichst rasch, denn eines der wichtigsten Führungsprinzipien ist Klarheit über vorhandene Optionen.
Wie sollte der Arbeitgeber von seiner Seite das Onboarding einer neuen Führungskraft gestalten, damit es erfolgreich ist?
Bei weitem der wichtigste Beitrag des Arbeitgebers, welche die neue Führungskraft befördert, ist die Wahl der richtigen Führungspersönlichkeit. Für Narzissten, Egomanen, Bedenkenträger und Berufspessimisten und Menschen, die anderen nicht vertrauen, ist da kein Platz. Es braucht Persönlichkeiten, die ein hohes Maß an Authentizität und Empathie ausstrahlen, Menschen mit Inspiration, welche andere mit ihren Visionen anzünden, Sinn vermitteln, Werte haben und diese vorleben, sowie Leidenschaft und Resilienz in ihrem Führungsverhalten zeigen. Dazu zählt auch, dass sie Vertrauen geben und klar sind in ihrer Kommunikation.
Was sind kritische Erfolgsfaktoren, dass ein gelungenes Onboarding auch nachhaltig zu einem exzellenten Führungsverhalten führt?
Das Onboarding ist nur das erste, wenn auch sehr wichtige Teilstück eines langen Lernweges. Damit der Erfolg nachhaltig ist, gilt es, eine Führungskultur mit einer hohen intrinsischen Motivation zu schaffen, eine Umgebung, in der jeder Mensch mit Freude und hohem Maß an Eigenverantwortung seine Stärken einbringen kann. Dazu müssen einige wichtige Pfeiler eines Führungsrahmen beziehungsweise eines Leitbildes für jeden Mitarbeiter klar sein, erarbeitet vom gesamten Team.
Dazu zählen etwa der sinngebende Wertbeitrag eines Teams, eine inspirierende Zukunftsvision und die Strategien, die notwendig sind, um die Vision zu realisieren, von den Unternehmenswerten abgeleitete Teamprinzipien als Richtschnur für das Verhalten sowie klare Messkriterien für die Leistungserbringung, sowohl über das Was als auch das Wie und – ganz wichtig – eine offene Feedbackkultur herrscht. Dann entwickelt sich eine Organisation zu einem Hochleistungsteam und die Aufgabe Führungskraft fokussiert sich auf die Rolle eines Entwicklungscoach und Beziehungsgestalter.