Die Digitalisierung der Medienlandschaft hat fundamentale Auswirkungen auf das Konzept der Marke. Kommunizierten Marken in Zeiten klassischer Medien häufig hochgradig standardisierte Botschaften nach dem Prinzip der Einwegkommunikation, ermöglichen digitale Medien heute persönlichere Formen der Ansprache von Zielgruppen. Als Folge dieses Medienwandels stehen nicht nur eine zu beobachtende Abkehr von den Prinzipien der werblichen Penetration und Persuasion zu Gunsten dialogorientierter Formen der Kommunikation, sondern auch ein neues Ausmaß der Orientierung an Konsumenten. Vor diesem Hintergrund wurde ein Nutzenmodell entworfen, mit dem periphere Markennutzen wie nützliche Informationen von oder involvierende Unterhaltungen mit Marken in die Diskussion eingeführt werden, und bei deren Verbreitung digitale Medien eine zentrale Rolle einnehmen.
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Mit Bezug auf
die (auch heute noch) bedeutsamen Ausführungen des US‐amerikanischen Marketingwissenschaftlers Philipp Kotler verdeutlicht er das
grundlegende „Paradoxon“ der Konsumentenbeziehung im Marketing des späten 20. Jahrhunderts. Einerseits sieht Kotler eine zentrale
Aufgabe des Marketings in der Erforschung von Konsumentenbedürfnissen und der bedürfnisgerechten Entwicklung von Produkten und
Services. Andererseits stellt Marketing für ihn eine Verkaufsaktivität und eine „technology for influencing others“ dar (Kotler
1972, S. 882), die in der Praxis ebenso häufig zur Anwendung kommt wie die
Bedürfnisorientierung.
Auch nach Michaela Jausen (2014) resultieren
aus der Digitalisierung fundamentale Veränderungen für Marken. Marken müssen heute flexibler agieren, Konsumenten und ihre
Bedürfnisse „ernster nehmen“ und mehr Aufwand betreiben um „relevante Markenerlebnisse“ zu schaffen. Hiermit geht für sie eine
Entwicklung „weg von der Botschafts‐Orientierung hin zur Marken‐Haltung“ einher.
„Like the best stories, brands need to have depth and breadth and so challenge the narrow‐minded
‚single‐minded‘ approach. They need to champion a multiplicity of propositions to address multiple target audiences and handle
multi‐product and multi‐service brands.“ (Heath 2012,
S. 103).
Wobei Jowitt und Lury angesichts der „Vielzahl an Herausforderungen“ in Zeiten digitaler
Medien vor der Glorifizierung des Konsumenten („Consumer is not king“) warnen (Jowitt und Lury 2012, S. 96).
Auch Sina Tams (2014) befasst sich mit der Bedeutung von „Big Data“
für die Markenführung. Die Autorin sieht in digitalen Daten eine der zentralen strategischen Ressourcen des 21. Jahrhunderts zur
Erlangung von Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen.
Den „Schaden“ der Orientierung an dem Prinzip der Persuasion isoliert Mitchell (2012, S. 90 f.) auf drei Feldern: 1. Die Implementierung eines fundamentalen Zielkonflikts
(Konsumentenorientierung vs. Konsumentenüberzeugung) im „Herzen des Marketings“. Hier wurden seiner Auffassung nach nicht nur
Ressourcen falsch investiert, sondern vor allen Dingen wurde Vertrauen der Adressaten von Werbung verspielt (Mitchell 2012, S. 91). 2. Die Verursachung einer „ongoing confusion“ aufgrund der Konzentration auf seiner
Auffassung nach „fragwürdige Annahmen“ und Messgrößen. 3. Die Schaffung eines „strategic blindspot“ im Bereich der
Konsumentenforschung („Was interessiert die Konsumenten wirklich?“).
Nach Auffassung von Jones (2012) wird auch die Frage nach dem gesellschaftlichen Nutzen von Marken („Purpose“) gegenüber den
klassischen Positionierungen von Marken an Bedeutung gewinnen.
Der Geisteswissenschaftler Dominik Pietzcker (2014) erkennt aufgrund der Allgegenwärtigkeit der Digitalisierung ein „neues Bedürfnis nach
Intimität und Verborgenheit“. Demnach schätzen Verbraucher an Unikaten und Originalen insbesondere deren „Nimbus der
Unnachahmlichkeit“.
Jones (2012, S. 78)
geht noch über diese Forderung hinaus, in dem er Marken auffordert mehr zu „experimentieren“: „They’re not looking for a monotone,
but a theme with variations; not a slogan, but a story; not a message, but a pattern; not a set formula, but constant
experimentation.“ Nach Henseler (2011, S. 118) folgt hieraus u. a. eine Art von
„Echtzeitkommunikation“ von Marken im Social Web: „Marken werden im Social Media Web viel stärker daran gemessen und bewertet, wie
gerecht sie ihrem Markenversprechen werden und wie integer sie sich verhalten.“ Diese Entwicklung stellt u. a. neue Anforderungen
an die Authentizität einer Marke (Henseler 2011, S. 119).
Auch Dieter Georg Herbst (2014) arbeitet heraus, dass sich Digitale Medien aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten der
Vernetzung und Interaktion ganz besonders für das Erzählen von Geschichten eignen. Dies erfordert, dass Geschichtenerzähler in
digitalen Medien neue Kompetenzen als „Digital Literacy“ aufbauen. Er kommt zu dem Schluss, dass die rasant fortschreitende
Entwicklung digitaler Technologien auch das „Digital Brand Storytelling“ in den nächsten Jahren erheblich weiterentwickeln
wird.
Nach Meinung des Psychologen Stefan Baumann (2014) stehen Marken in
Zukunft stärker in netzwerkartigen Beziehungen zu unterschiedlichen Interessengruppen. Die stärkere Orientierung an einem
Beziehungsmanagement erfordert seinen Überlegungen zufolge ein „Social Design“, aus dem im Idealfall intensive soziale
Bindungsverhältnisse in Form von Communities entstehen.