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18.01.2022 | Funktionswerkstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie sich mit Perowskiten die Photovoltaik revolutionieren lässt

verfasst von: Dieter Beste

5:30 Min. Lesedauer

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Eine große Hürde für Perowskit-Solarzellen ist bislang ihre mangelnde Langzeitstabilität. Mit Hochdurchsatzmethoden fanden Forscher jetzt bessere Materialkombinationen. Und mit dem Photonen-Recycling können sie den Wirkungsgrad der Zellen weiter verbessern.

Als 2006 eine Forschungsgruppe um Tsutomu Miyasaka in Japan erstmals die photochemischen Eigenschaften eines Perowskits beobachtete und beschrieb, gerieten die Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten dieser Materialien aufs Neue in den Fokus der internationalen Materialforschung. Inzwischen zeigt sich, dass Perowskite in der Photovoltaik tatsächlich das Zeug haben, das dort traditionell zur Anwendung kommende Silizium zu ergänzen oder gar zu ersetzen. Lag deren Wirkungsgrad 2009 in ersten Demonstrationen noch bei 3,8 Prozent, hat dieser Wert inzwischen die 25-Prozent-Marke durchbrochen. Am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) arbeiten mehrere Gruppen seit einigen Jahren intensiv sowohl an Perowskit-Halbleitern sowie an Siliziumtechnologien und der Kombination dieser beiden Stränge zu innovativen Tandemsolarzellen. Nach einer Reihe von Erfolgen konnten die HZB-Forscher im November 2021 den von der NREL bestätigten Rekordwert von 29,8 Prozent für eine Perowskit-Silizium-Tandemsolarzelle bekanntgeben.

Das Geheimnis der Perowskite liegt in ihrer Kristallstruktur verborgen, die in einer Vielzahl verschiedenster Zusammensetzungen existiert. So handelt es sich bei Perowskit-Oxiden um ternäre Oxide (ABO3), die aus zwei verschiedenen Kationen A bestehen, die mit einem Kation B kombiniert sind und zusammen mit O-Anionen eine kubische oder pseudokubische Struktur bilden. Einen Einblick in die Welt der Perowskite verschafft Luis Ortega-San-Martin im Buchkapitel "Introduction to Perovskites: A Historical Perspective". Hier zeichnet der Springer-Autor auch den Weg ihrer Erforschung und Anwendung seit Entdeckung dieser Materialklasse im 19. Jahrhundert durch Gustav Rose nach.

Die Vielfalt an Kombinationen verschiedener A- und B-Stellen-Kationen ist der Grund für die große Palette unterschiedlicher physikalischer Eigenschaften dieser Materialien. So lassen sich in Perowskit-Oxiden Metalle, Isolatoren, Halbleiter und Supraleiter variantenreich kombinieren, was im strukturellen Gerüst der Perowskit-Einheitszelle zu einer leichten Verzerrung der idealen kubischen Struktur führen kann, wie die Herausgeber im Vorwort zu "Revolution of Perovskite" anmerken: "Die beiden häufigsten Phasen sind rhomboedrisch und tetragonal mit strukturellen Verzerrungen im Prozentbereich, die mit Änderungen der physikalischen Eigenschaften des Materials korrelieren. Die verschiedenen Phasen von Perowskiten und ihre Übergänge sind von großem Interesse für die Herstellung funktioneller Materialien, bei denen die Forscher externe Parameter nutzen möchten, um die Materialeigenschaften für bestimmte Anwendungen zu steuern."

FuE-Ziel längere Lebensdauer und bessere Stabiltät 

Diese "Revolution der Perowskite" vollzieht sich unter Ausnutzung ihrer optischen, magnetischen und elektronischen Eigenschaften in zahlreichen technischen Anwendungsfeldern. Zweifellos steht derzeit die Photovoltaik im Mittelpunkt – aber auf ihrem Weg an die Photovoltaik-Spitze haben Perowskite noch einige Hürden zu überwinden. So sind Lebensdauer und Stabilität von Perowskit-Solarzellen für praktische Anwendungen noch immer unzureichend. Stabilitätsprobleme des Materials ergeben sich hauptsächlich aus drei Aspekten, wie die Autoren Lin Fu, Bo Li, Shuang Li und Longwei Yin im Buchkapitel "Future Challenges of the Perovskite Materials" ausführen: dem Einfluss von UV-Licht, hohe Temperaturen und Feuchtigkeit sowie eine durch den ständigen Wechsel von Lichteinfall und Dunkelheit verursachte Materialermüdung.

"Die Achillesferse der Perowskit-Solarzellen ist ihre geringe Haltbarkeit", bringt es Christoph Brabec vom Helmholtz Institut Erlangen-Nürnberg (HI ERN) des Forschungszentrum Jülich auf den Punkt. Klassische Silizium-Module seien hingegen recht langlebig. Selbst nach mehr als 20 Jahren im praktischen Einsatz büßten sie nur wenig von ihrer Leistungsfähigkeit ein. Solarzellen aus Perowskit verlören dagegen meist schon nach wenigen Tagen oder Wochen an Effizienz. Früheren Modellen habe man beim Altern regelrecht zuschauen können, berichtet Brabec.

In "Nature Energy" konnte das Team um Brabec im Dezember 2021 einen großen Forschungserfolg vermelden: eine Perowskit-Solarzelle von bislang nicht erreichter Stabilität. 1450 Stunden überstand die mit Metallhalogenidlampen beleuchtete Zelle in einer Stickstoff-Atmosphäre bei 65 Grad Celsius und blieb im Labor über den gesamten Testzeitraum hinweg weitgehend stabil. Am Ende hatte sie immer noch 99 Prozent des anfänglichen Wirkungsgrads. "Eine Langzeitprognose ist immer schwierig. Aber die Perowskit-Solarzelle, die wir jetzt entwickelt haben, könnte unter normalen Umständen sicherlich schon über 20 000 Betriebsstunden betrieben werden", ordnet Brabec den Erfolg der Gruppe ein.

Mit Hochdurchsatz zum Erfolg

Auf der Suche nach dem passenden Material hatten die Forscher hunderte verschiedene Perowskit-Mischungen mittels Hochdurchsatzmethoden systematisch auf ihre Eignung hin überprüft. Die besten nutzten sie schließlich für den Bau ihrer Zelle. "Selbst wenn man nur auf bewährte Komponenten setzt, kommt man auf eine ungeheure Anzahl an möglichen Zusammensetzungen, die wir mit unseren Verfahren automatisiert herstellen und prüfen können. In anderen Untersuchungen sind es teilweise sogar noch deutlich mehr", erläutert Yicheng Zhao, Erstautor der Studie. "Daher müssen wir systematisch vorgehen, um die besten Materialkombinationen zu identifizieren".

Photonen-Recycling verbessert die Effizienz

Die schnelle Verbesserung des Wirkungsgrades von Perowskit-Solarzellen in den letzten Jahren veranlasste Forscher der TU Dresden der Frage nachzugehen, wie es möglich sein könnte, die obere (thermodynamische) Grenze des photovoltaischen Wirkungsgrads zu erreichen. Die liegt bei etwa 34 Prozent. In Kooperation mit Teams der Seoul National University (SNU) und der Korea University (KU) konnten die Wissenschaftler jetzt die wichtige Rolle der Wiederverwendung von Photonen (Photonenrecycling) und von Lichtstreuungseffekten in Perowskit-Solarzellen nachweisen – und damit einen Weg zu einer noch effizienteren Solarenergieumwandlung öffnen. 

Die Ergebnisse ihrer Studie hat die Gruppe kürzlich in "Science Advances" veröffentlicht. Darin präzisiert das Team am Dresden Integrated Center for Applied Physics and Photonic Materials (IAPP) der TU Dresden die Rolle des Photonenrecyclings: Wenn ein Photon in reabsorbierende Halbleiter wie Perowskite eingestrahlt wird, kann es vom Emitter selbst wieder absorbiert werden und durch Photolumineszenz ein neues Photon erzeugen. Das IAPP-Team konnte zeigen, dass Photonenrecycling und Lichtstreuungseffekte die Lichtemissionseffizienz um einen Faktor von circa fünf verbessern, wodurch die Photospannung von Perowskit-Solarzellen signifikant verbessert wird. "Perowskite sind bereits gute Absorber. Jetzt ist es an der Zeit, ihre Lichtemissionsfähigkeit zu verbessern, um ihre bereits hohen Leistungsumwandlungs-effizienzen noch weiter zu steigern", sagt Changsoon Cho, der die Arbeit als Humboldt-Forschungsstipendiat am IAPP leitete. "Das Verständnis des Photonenrecyclings ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung." Die obere Grenze für den Wirkungsgrad der Perowskit-Solarzellen steige mit Hilfe des Photonenrecyclings von 29,2 Prozent auf 31,3 Prozent, so die Wissenschaftler.

 

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