Gamification steht immer wieder in der Kritik, unliebsame Aufgaben mit falschen Anreizen schmackhaft machen zu wollen. Doch richtig angewendet bietet Gamification die Möglichkeit, nicht nur die extrinsische Motivation kurzzeitig zu steigern, sondern auch langfristig die intrinsische Motivation zu forcieren, zu einem umfassenderen Problemverständnis zu verhelfen und Problemlösefähigkeiten zu steigern. Je nach Anwendungsfall gibt es verschiedene Möglichkeiten, unterschiedliche Gamification-Methoden sinnvoll und gewinnbringend einzusetzen.
Was steckt hinter dem Begriff Gamification?
Gamification beschreibt den „Einsatz von Spielelementen oder Spieldesigns in einem nicht-spielerischen Kontext“ [1]. Spielerische Elemente werden aus dem Spielkontext gelöst und auf unterschiedliche Situationen des alltäglichen Lebens angewandt. Ein Anreiz, um auch unliebsame Aufgaben zu erledigen, hat schon manches Kind dazu gebracht, sich regelmäßig die Zähne zu putzen oder das eigene Zimmer aufzuräumen. So kann beispielsweise für jede erfüllte Aufgabe ein Sticker in ein Sammelheft geklebt werden, wobei das Kind beim Erreichen von 10 Stickern einen zusätzlichen Euro Taschengeld oder einen Kinobesuch erhält. Das Prinzip solcher Punktesysteme funktioniert nicht nur bei Kindern, auch Erwachsene können sich beispielsweise mit der mobilen App „Sweepy“ (Sweepy: Appsent SARL, Lyon, Frankreich) [2] einen Putzplan anlegen, erledigte Haushaltsaufgaben abhaken, je nach Aufgabenkomplexität Punkte sammeln und diese dann mit den Mitbewohnern vergleichen. Wer war wohl in Ihrem Haushalt letzte Woche fleißiger? Und wie sieht das im Vergleich zur aktuellen Woche aus?
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Kehrseite der Medaille
Kompetitive Elemente erzielen bei unliebsamen Aufgaben häufig ein sehr gutes Ergebnis. Plötzlich bietet sich ein Anreiz, diese Aufgaben sofort zu erledigen, statt sie weiter vor sich her zu schieben. Doch schnell kann sich dieser motivierende Effekt auch umkehren, wenn das Erreichen des Ziels unmöglich erscheint. Ihr Partner hat bereits 80 % aller möglichen Aufgaben für diese Woche erledigt, während Sie Überstunden machen mussten? Wie sollen Sie dann diese Woche noch gewinnen? Schnell kommt ein Gefühl der Frustration auf. Warum sollten Sie sich überhaupt noch bemühen, wenn die Welt gleich doppelt unfair ist? Auch hier ist zu sehen, dass die zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen funktionieren – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne.
Wie gezeigt, kann der Einsatz von Gamification einen hohen Anreiz für die extrinsische Motivation bieten, also die Motivation, die von äußeren Faktoren beeinflusst wird. Extrinsische Motivation kann jedoch genauso schnell wieder verloren gehen, wie sie gekommen ist, wenn das Ziel unerreichbar scheint oder der gebotene Anreiz persönlich keinen Wert hat. Während ein Euro Taschengeld ein Kind motiviert, wird ein einzelner Euro einen Erwachsenen kaum dazu bringen, die Wohnung zu putzen. Der persönliche Vorteil muss also auf die Zielgruppe zugeschnitten sein und gut durchdacht werden, um tatsächlich einen positiven Effekt zu erzielen und negative Einflüsse auszuschließen.
Die negativen Auswirkungen von Gamification-Elementen können so weit gehen, dass sie durch externe Faktoren gar die intrinsische Motivation zerstören [3, 4], also die Motivation, die aus grundeigenem Interesse besteht. Ein Beispiel dafür: Die Sprachlern-App Duolingo (Duolingo: Duolingo, Inc., Pittsburgh, PA, USA) [5] bedient sich verschiedener Gamification-Elemente, um das so wichtige regelmäßige Wiederholen beim Erlernen einer Sprache täglich zu motivieren. Oftmals bringen die Lernenden eine hohe intrinsische Motivation mit; das innere Bedürfnis, eine neue Sprache zu erlernen, ist bereits vorhanden. Duolingo bietet die Möglichkeit, einen Streak [6] (eine Erfolgsreihe) zu erreichen, wenn mehrere Tage in Folge gelernt wird. Der Streak, dargestellt durch eine Flamme mit zugehöriger Zahl, erhöht sich für jeden neuen Tag, an dem das Lernziel abgeschlossen wurde, um eins. Dadurch werden Lernende motiviert, ihren eigenen Streak so hoch wie möglich wachsen zu lassen oder bei einem erneuten Versuch noch zu überbieten. Aber was passiert, wenn Sie bereits über ein Jahr jeden Tag erfolgreich gelernt haben und aufgrund unglücklicher Umstände nun einen Tag verpassen? Ihr Streak ist unterbrochen, und so schnell lässt sich dieser auch nicht wiederherstellen. Die initial intrinsische Motivation des Sprachenlernens, die durch den extrinsischen Faktor so sehr verstärkt wurde, dass dies über ein Jahr lang kontinuierlich durchgehalten wurde, kann in solch einer Situation einen so starken Dämpfer erhalten, dass das Lernen komplett aufgegeben wird. Duolingo hat dieses Problem nach einiger Zeit erkannt und bietet Lernenden die Möglichkeit, ihren Streak für einen Tag einzufrieren. Dies ermöglicht zumindest bei vorhersehbaren Unterbrechungen, dass die Motivation nicht negativ beeinflusst wird.
Beim Einsatz von Gamification muss also stets genau abgewogen werden, welchen Einfluss dies sowohl beim Erreichen des Ziels, aber auch beim Nichterreichen auf die Motivation haben kann. Nur, wenn ein ausgewogenes Gleichgewicht herrscht, die Strafe für das Nichterreichen nicht zu schmerzhaft ist, während die Belohnung wirklich motivierend wahrgenommen wird, ist der Einsatz von Gamification-Elementen erfolgreich. Ob die Elemente tatsächlich wie gewünscht funktionieren, sollte wiederholt überprüft werden, sodass sie – falls notwendig – zeitnah angepasst werden können.
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Anwendungsbeispiele fernab von Punkten, Abzeichen und Ranglisten
Spricht man über Gamification, assoziieren die meisten damit zunächst einmal spielerische Elemente wie Sammelpunkte, Abzeichen und Ranglisten. Obwohl eine solche Assoziation durchaus naheliegend ist, sind das genau die Gamification-Elemente, die ein hohes Risiko eines negativen Effekts bergen [7]. Spiele bieten weitaus mehr Anreize als nur diese drei Elemente. Es gibt eine Vielzahl weiterer struktureller Spiele-Elemente [8], die gut für Gamification-Zwecke genutzt werden können, beispielsweise Avatare, Fortschrittsleisten oder die Unterteilung in verschiedene Levels. Auch Zeitdruck, beispielsweise dadurch demonstriert, dass ein Angebot nur noch diesen einen Tag verfügbar ist, ist ein Beispiel für Gamification – auch wenn dies oft auf manipulative Art verwendet wird, um Kunden zum Kauf zu bewegen. Für einen positiven Einsatz von Gamification nutzen Sie Herausforderungen, ermöglichen Wettbewerb oder auch eine kooperative Zusammenarbeit. Als Belohnung müssen nicht immer eine Rangliste oder Punkte zum Einsatz kommen, Sie können auch einen zufälligen Gegenstand aus einer Auswahl verlosen – wobei dies ein hohes Abhängigkeitsrisiko im Sinne von Suchtverhalten bedeuten kann –, die Belohnung abhängig von der benötigten Zeit vergeben oder Zugang zu einer neuen Komponente freischalten [9]. Seien Sie kreativ und nutzen Sie das Überraschungsmoment für sich.
Nicht nur auf der strukturellen Ebene kann Gamification eingesetzt werden, sondern auch Inhalte können mit Gamification-Elementen angereichert werden [10]. Das können unter anderem sogenannte Easter Eggs sein, also kleine Überraschungen in Medien oder Software, die oftmals nur aus einem bestimmten Kontext heraus verständlich sind. Ein Cameo-Auftritt eines beliebten Filmcharakters in einem anderen Film kann ein solches Easter Egg darstellen, oder das Weiterspinnen eines Gesamtuniversums in unterschiedlichen, eigentlich unabhängigen Filmen desselben Filmstudios, wie das immer wieder bei Animationsfilmen zu sehen ist. In Computerspielen sind solche Easter Eggs häufig in Form von Geheimleveln oder persönlichen Informationen zu den Entwicklern zu finden.
Weitere inhaltliche Gamification-Elemente können unter anderem der Einsatz einer Geschichte, eines erzählenden Charakters beziehungsweise digitalen Begleiters oder eines Endbosses, der am Ende der Aufgabe besiegt werden soll, sein. Auch Feedback kann eine Form von inhaltlichem Gamification darstellen.
Gamification beim (digitalen) Lernen
Die Anwendungsmöglichkeiten von Gamification sind im privaten aber auch im beruflichen Kontext vielfältig. Auch zur Motivation und Unterstützung des Lernens können sowohl in analogen als auch digitalen Bereichen Gamification-Elemente sehr sinnvoll eingesetzt werden. Manche Lehrkräfte nutzen Gamification so, dass in einem Klassen- oder Seminarverband nach vorgegebenen individuellen oder gemeinschaftlichen Zwischenzielen ein Vorteil für die abschließende Bewertung ergattert werden kann. Ein solcher Vorteil kann beispielsweise das Verbessern der Gesamtnote um einen Notenpunkt nach einer besonderen Zusatzleistung oder das Gestatten von zusätzlichen Hilfsmitteln für die Abschlussprüfung sein. Auch hier sind die Möglichkeiten für den Einsatz von Gamification nahezu unbegrenzt; die Methoden funktionieren sowohl im analogen als auch im digitalen Kontext ähnlich gut.
Auf openHPI.de [11], der digitalen Lernplattform des Hasso-Plattner-Instituts, sind sowohl strukturelle als auch inhaltliche Gamification-Elemente erfolgreich zum Einsatz gebracht worden [12]. Innerhalb der interaktiven Onlinekurse (in der Fachsprache als Massive Open Online Courses, kurz MOOCs, bezeichnet) sind die strukturellen Elemente vor allem darauf fokussiert, den sozialen Austausch der Lernenden zu fördern. Lernende können dabei besonders gute Beiträge ihrer Mitlernenden im Kursforum honorieren, indem sie diese positiv bewerten. Je nachdem, ob es sich bei dem Beitrag um eine gute Frage, einen hilfreichen Kommentar oder einen durch den Fragestellenden als richtige Antwort markierten Beitrag handelt, erhalten die Lernenden unterschiedlich viele Punkte. Mit den Punkten können wiederum Forenränge erreicht werden, die den Ausgezeichneten für die anderen Lernenden gut erkennbar Wissen und Glaubwürdigkeit bescheinigen.
Als inhaltliche Gamification-Elemente werden sowohl diverse Easter Eggs als auch verbindende Story-Elemente eingesetzt. So unterstützen Lernende in den Java-Programmierkursen [13] Detektiv Duke bei seinen aktuellen Fällen, wenn wieder einmal Papagei Paco entführt wird, ein Museumseinbruch stattfindet oder ein seltsamer Bär in einem Pfadfinderlager sein Unwesen treibt. Die Programmieraufgaben, die im Rahmen der jeweiligen Programmmierkurse gelöst werden müssen, bekommen einen losen Bezug zu dieser Geschichte, die optionaler Bestandteil der Kurse ist. Die Lernenden können zusätzliche Informationen zur Geschichte beim Lösen der Aufgaben oder beim Anschauen der Lernvideos erhalten. Der eigentliche Weg, die Geschichte zu vermitteln, ist jedoch durch spezielle optionale Story-Videos und -Texte gegeben, die von den meisten Lernenden innerhalb des Kurses angeschaut oder gelesen werden. Zusätzliche Easter Eggs, wie beispielsweise versteckte reale Geocaches oder Ausmalbilder, werden von den Lernenden nur mit unterschiedlichem Erfolg angenommen. Obwohl die Lernenden den Gamification-Elementen oftmals zunächst mit einer gewissen Skepsis entgegentreten, lassen sich die meisten jedoch schnell darauf ein und davon mitreißen, sodass sie diese Elemente am Kursende sehr positiv bewerten.
Neben den Gamification-Elementen kommen auf der MOOC-Plattform openHPI.de auch weitere Elemente wie digitale Kennenlernspiele [14] oder andere kleine Lernspiele [15] zum Einsatz, denn auch Spiele bieten ein großes Potenzial, das Lernen zu unterstützen und die Lernergebnisse zu verbessern, indem sie zum Beispiel Prozesse nachvollziehbar und interaktiv erfahrbar machen können.
Den Durchblick behalten im Fachbegriffchaos
Bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Phänomenen von Gamification im Bereich des Lernens und Lehrens und dem sogenannten Gameful Learning, also dem Einsatz von spielerischen Elementen, spielerischen Designs und Lernspielen, hat sich im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Begriffen etabliert, in die Abb. 1 etwas Ordnung bringen kann.
Abb. 1
Ein Überblick [15] über Gameful Learning als Oberbegriff für Game-Based Learning und Gamification. Beides bietet wiederum unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten
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Während Gamification den Einsatz spielerischer Elemente und Designs in der realen Welt beschreibt und in inhaltliche und strukturelle Elemente unterteilt werden kann, können darüber hinaus auch Spiele für Lernzwecke eingesetzt werden. Dies umfasst sowohl den Einsatz von Spielen im Lernprozess, die speziell für den Lernzweck erschaffen wurden – sogenannte Serious Games – als auch gängige Unterhaltungsspiele, die auf den Lernzweck durch eine spezielle Aufgabenstellung oder durch sogenannte Mods angepasst wurden. Mods sind dabei Modifikationen, die nicht vom Spielehersteller, sondern von begeisterten Spielenden entwickelt werden, die das eigentliche Spiel um zusätzliche Funktionalitäten erweitern. Beim Lernprozess kann das Spielen helfen, ein allgemeines Themeninteresse zu wecken und komplexe Mechanismen zu veranschaulichen, wobei die Zusammenhänge vom Lernenden praktisch ausprobiert werden können.
Lernspiele können jedoch auch so eingesetzt werden, dass die Lernenden einen Mechanismus für ein Spiel entwickeln oder ein Spiel selbst entwerfen und erstellen [16]. Dabei kommt es zu einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit dem Lernthema, da nur bei vollständigem Durchdringen des Lerngegenstandes die Spieleentwicklung möglich ist. Wissenslücken werden in diesem Prozess, in dem konkrete Regeln entworfen werden müssen, schnell deutlich. Die Lücken müssen behoben werden, bevor das Spiel weiterentwickelt werden kann. Sowohl das Spielen als auch das Entwerfen von Lernspielen wird unter dem Begriff Game-Based Learning zusammengefasst. Damit sind insbesondere aber nicht ausschließlich digitale Spiele gemeint. Ebenso wie bei Gamification gibt es auch hier eine Vielzahl von Nuancen, die eine klare Definition schwermachen. Die Abstufung zwischen einem Lernspiel und inhaltlicher Gamification ist teilweise fließend, ein Minispiel in einem sonst völlig ernsthaften Lernkontext kann sowohl als Serious Game als auch als Easter Egg verstanden werden. Zusätzlich zu den unscharfen Grenzen mischen sich dann noch deutsche und englische Begriffe zu einem Fachbegriffchaos. Letzten Endes assoziiert dann doch jeder wieder etwas anderes mit den jeweiligen Begriffen.
Zum Stand der aktuellen Forschung
All diese Themen rund um Spiele und Gamification, die als Gameful Learning oder Playful Design zusammengefasst werden können, bieten hochinteressante Forschungsfragen. Die hohe Anzahl wissenschaftlicher Publikationen, die im letzten Jahrzehnt dazu erschienen sind, verdeutlicht das allgemeine wissenschaftliche Interesse an den verschiedenen Einsatzszenarien. Neben dem Hasso-Plattner-Institut [17] forschen auch andere Universitäten deutschland- und weltweit an diesem Themengebiet, verschiedenste Kontexte werden untersucht. Dabei kommen die Forschungen im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit und Effizienz von Gamification im Speziellen und von Gameful Learning im Allgemeinen zu teilweise recht unterschiedlichen Ergebnissen. Teils können deutliche positive Effekte nachgewiesen werden, andere Untersuchungen weisen jedoch auch negative Effekte nach. Häufig wurde festgestellt, dass sich subjektiv zwar die Zufriedenheit erhöht und der gefühlte Lernzuwachs der Lernenden sich durch den Einsatz spielerischer Methoden verbessert, bei der Bewertung der tatsächlich erzielten Wirkung sich jedoch keine wesentlichen Unterschiede zum nicht spielerischen Ansatz nachweisen lassen. Dennoch werden Lernende, die ein positives Gefühl mitnehmen, lieber wiederkehren als solche, die den Lernprozess anstrengend und ermüdend empfunden haben.
Die Forschungsergebnisse überraschen auch insofern nicht, da Gamification und Lernspiele – aufgrund fehlender interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Experten aus dem Game-Design-Bereich – häufig schlecht konzipiert sind. Dementsprechend negativ ist sowohl die Bewertung des spielerischen Elements als auch der Erfolg, den dieses zum Lernen beiträgt. Nichtsdestotrotz hat sich in der Forschung auch gezeigt, dass gut entwickelte spielerische Elemente oder Designs sowohl das Verständnis verbessern als auch die Problemlösefähigkeiten erhöhen und die Motivation steigern.
Unterschiedliche Präferenzen und Spielertypen
Während manche Lernenden sich von Gamification-Elementen sofort mitreißen lassen, stehen andere diesen deutlich kritischer gegenüber. Aber auch innerhalb der Gruppe derer, die positiv auf Gamification ansprechen, gibt es unterschiedliche Typen. Bei manchen Personen wird der Ehrgeiz geweckt, je schwieriger eine Aufgabe zu lösen ist. Mancher Spielertyp spielt ein Spiel mehrere Male, um alle erreichbaren Trophäen zu erlangen und tut dies dann auch in alltäglichen Situationen. Andere hingegen schreckt das ab, das Sammeln von Trophäen hat keinen persönlichen Wert für sie. Miteinander um den ersten Platz zu konkurrieren, kann für manche Person eine unglaublich starke Motivation sein, andere fühlen sich dadurch verunsichert. Ranglisten können stark demotivieren und sind daher vor allem im Lernkontext mit großer Vorsicht einzusetzen. Das Problem wird vor allem bei MOOCs deutlich: Bei Tausenden von Mitlernenden ist die Wahrscheinlichkeit, selbst unter die Top 10 der Lernenden zu gelangen, äußerst gering. Werden jedoch die Top 10 % gelistet, fühlt man sich unter Hunderten auch nicht einzigartig, die Rangliste hat also keinen Mehrwert. Entsprechend müssen hier andere Mechanismen eingesetzt werden, die auch die derzeit noch Schlechteren motivieren, sich zu verbessern.
Diese unterschiedlichen Spielertypen wurden unter anderem von Marczewski in seinem Buch „Even Ninja Monkeys Like to Play: Gamification, Game Thinking and Motivational Design“ [18] untersucht. Er kommt dabei zur Unterteilung in (A) Achievers, die durch das Meistern von Inhalten motiviert sind, (B) Disruptors, die das Spiel (zer)stören möchten und denen ständige Veränderung wichtig ist, (C) Free Spirits, die durch Autonomie und Selbstverwirklichung motiviert werden, (D) Philanthropists, die unterstützen wollen, (E) Players, die Motivation durch Belohnungen finden und (F) Socializer, denen vor allem soziale Zugehörigkeit wichtig ist. Dabei darf die Unterteilung allerdings nicht so verstanden werden, dass ein Mensch genau einem dieser Typen entspricht, stattdessen sind die verschiedenen Charakteristika in unterschiedlich starker Ausprägung in einer Person zu finden. Die Typen „Philanthropist“, „Free Spirit“ und „Achiever“ wurden in wissenschaftlichen Untersuchungen am häufigsten ermittelt. Der dominierende Spielertyp eines Menschen scheint außerdem abhängig von seinem Alter und Geschlecht zu sein [19].
Kreativität ist gefragt
Unterm Strich zeigt sich also: Gamification kann mehr sein als ein Schokoladenüberzug für unliebsamen Brokkoli. Man wird jedoch nicht alle Menschen mit denselben Motivationsmethoden erreichen: Die einen begeben sich gerne in einen kompetitiv sozialen Vergleich, während die anderen nach Geheimnissen und Details suchen, bis sie 100 % erreicht haben. Die Präferenzen können sich im Laufe des Lebens verändern. Beim Einsatz von Gamification ist stets wichtig, sich im Hinblick auf die Zielgruppe die Auswirkungen der Elemente möglichst genau zu verdeutlichen und bewusst zu entscheiden, ob dies tatsächlich das Mittel der Wahl ist, oder ein anderes spielerisches Element für diesen Einsatzzweck besser geeignet ist. Auch im Hinblick auf die Belohnungen sollte genau abgewogen werden, ob diese zum Einsatzzweck passen oder ob sich die Motivation nicht auch ohne extrinsische Anreize wecken lässt. Wenn dies berücksichtigt wird, bietet Gamification vielfältige Einsatzmöglichkeiten, von denen alle profitieren können. Der erfolgreiche Einsatz von Gamification verlangt Kreativität und kenntnisreiches Spiel mit den sich bietenden verschiedenen Optionen.
Zusammenfassung
Gamification kann extrinsische Motivation erzeugen und intrinsische Motivation unterstützen. Darüber hinaus kann durch spielerische Ansätze allgemeines Interesse geweckt, das Problembewusstsein gesteigert und die Problemlösefähigkeiten verbessert werden.
Schlecht umgesetzt führen Gamification und spielerische Ansätze oftmals zu einem negativen Effekt und können sogar intrinsische Motivation zerstören.
Beim Lernen stehen viele einem spielerischen Ansatz zunächst skeptisch gegenüber, lassen sich aber unabhängig von Alter und Geschlecht schnell davon mitreißen und bewerten solche Elemente am Ende positiv.
Kernthesen
Der korrekte Einsatz von Gamification bietet einen Mehrwert in allen Bereichen des Lebens – für Berufliches, Privates und im Lernkontext.
Gamification und spielerische Elemente sprechen Erwachsene genauso wie Kinder an. Die zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen funktionieren lebenslang.
Wie und warum genau Gamification funktioniert, ist Gegenstand aktueller Forschung. Die Ergebnisse sind teils konträr, da die Auswirkungen sehr stark vom individuellen Kontext des Einsatzes und der konkreten Umsetzung abhängig sind.
Handlungsempfehlungen
Nutzen Sie Gamification stets wohlbedacht. Machen Sie sich klar, welche Vor- und Nachteile der Einsatz des gewählten Spiele-Elements darstellt, sowohl beim Erreichen als auch beim Nichterreichen des gestellten Ziels.
Gamification funktioniert nicht bei allen Menschen auf dieselbe Art. Bedenken Sie sowohl Ihre Zielgruppe als auch individuelle Präferenzen, wenn Sie Gamification einsetzen wollen. Überprüfen Sie, ob die Mechanismen tatsächlich wie geplant funktionieren.
Belohnungen müssen einen persönlich empfundenen Mehrwert bieten, ansonsten können sie einen negativen Einfluss haben. Stress und negative Empfindungen sollten insbesondere im Lernkontext vermieden werden.
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