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Erschienen in:
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2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

1. Gegenstand und Fragestellung

verfasst von : Jo Reichertz, Carina Jasmin Englert

Erschienen in: Einführung in die qualitative Videoanalyse

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Das erste einleitende Kapitel behandelt die Fragen, was unter einem ‚Video‘ zu verstehen ist und welche Besonderheiten das Video als Forschungsgegenstand ausmachen. Dieser Forschungsgegenstand bedarf einer besonderen methodischen Vorgehensweise: der hermeneutisch-wissenssoziologischen Videoanalyse. Entstanden ist die Idee zu dieser Methode im Rahmen eines DFG-Forschungsprojektes zum Thema ‚Medien als Akteure der Inneren Sicherheit in Deutschland‘.

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Fußnoten
1
Das hier untersuchte Video (und alle Materialien dazu) kann unter folgendem Link https://​link.​springer.​com/​chapter/​10.​1007/​978-3-658-33598-4_​1 eingesehen werden.
 
2
Zu der Entwicklung des betrachtenden Blicks siehe Berger et al. 1983 und zu den aktuellen Perspektiven der soziologischen Bildforschung siehe Barthes 2009 und Burri 2008. Zum Bildbegriff allgemein auch Boehm 2006, Belting 2005 und 2011, Mitchell 2015 und Bredekamp 2015. Allgemein zur Fotoanalyse in den Sozialwissenschaften Harper 2003, Müller, Soeffner 2018. Zur Theorie der Fotografie siehe Bourdieu 1983, Flusser 1994, Kemp & von Amelungen 2000, Eberle 2017.
 
3
Hier kann nur auf die sozialwissenschaftlichen/soziologischen Ansätze eingegangen werden. Natürlich gibt es außerdem sehr fruchtbare Videoanalyseverfahren aus der Medienwissenschaft, der Linguistik, der Filmsemiotik und auch der Konversationsanalyse – um nur die wichtigsten zu nennen (eine umfassende Sichtung dieser Literatur findet sich in Moritz 2014b und Moritz & Corsten 2018). In den Film- und Medienwissenschaften sind sehr differenzierte und sehr elaborierte und für die sozialwissenschaftliche Analyse sehr fruchtbare Kunstlehren entwickelt worden, um die Besonderheiten der Filmsprache und der Filmsemiotik zu erfassen und in die Bedeutungsrekonstruktion mit einzubeziehen. Zur Film- und Fernsehanalyse siehe Mikos 2003, Korte 2010,  Hickethier 2012 und Bienk 2019; zur Filmsemiotik siehe z. B. Engell 2010 und vor allem Joost 2008. Allgemein zur Bildwissenschaft siehe z. B. Schulz 2005 und Sachs-Hombach 2005. Zur Kunst der Filmgestaltung siehe u. a. Armer 1990, Agotai 2007 und Mamet 2009. Die Besonderheit dieser Kunstlehren besteht nun darin, dass sie vor allem geeignet sind, die ästhetischen Qualitäten von Filmen in den Blick zu nehmen. Für sozialwissenschaftliche Handlungsanalysen sind sie dagegen weniger geeignet. Das schränkt auch ihre Nützlichkeit für die Deutung von Videoproduktionen ein.
 
4
Sicher richtig an der Position praxistheoretischer Ansätze ist, dass soziales Handeln sich nicht allein (und noch nicht einmal wesentlich) dem bewussten Willen der handelnden Subjekte verdankt. Deshalb hat sich die qualitative/interpretative Sozialforschung ihr Problem mit der Handlungspraxis des Subjekts zum Teil selbst eingebrockt – auch weil sie sich in den zurückliegenden Jahren (zu) sehr auf die Bewusstseinsleistungen der Subjekte und die sprachlichen Formen von Wissen konzentriert hat. Dabei hat sie die Situation aus dem Blick verloren, ebenso die Praktiken des Kommunizierens und des Interagierens. Die Praktiken des Kommunizierens und des Interagierens, hat die Situation oft aus ihrer Geschichte und ihrer Geschichtlichkeit herausgelöst und damit hat die qualitative und interpretative Sozialforschung praxistheoretischen Ansätzen hinreichend Gründe für den Vorwurf geliefert, die qualitative/interpretative Sozialforschung verfehle mit der Konzentration auf die einzelnen Subjekte, deren soziale Motive und deren mentale Zustände den Gegenstand der Sozialwissenschaften, nämlich die soziale Ordnung.
 
5
Diese Einschrift ist besonders und selektiv, weil sie allein die Ton- und Bildspur der Ereignisse aufzeichnet. Zwar verzerrt diese Art der Aufzeichnung in der Regel nicht wesentlich die Töne und Bilder, aber ohne Zweifel besteht die reale Interaktion und Kommunikation aus mehr als nur der visuellen und akustischen Wahrnehmung. Insofern kann sehr wohl das Bild- und Tonmaterial den „Sinngehalt der Praxis“ (Loer, 2011, S. 324) verzerren.
 
6
Natürlich ist jedes Video auch mehr als eine (bewusste) Zeigehandlung mit Zeichen. Zum Ersten, weil es nicht nur etwas bewusst zeigt, sondern weil auch vieles nicht gezeigt und somit versteckt wird (obwohl vieles davon in hermeneutischen Interpretationen sichtbar wird). Zum Zweiten repräsentiert jedes Video mehr als eine Zeigehandlung, da sich vieles auch erst im Video zeigt, z. B. das, was in die Produktionsbedingungen und die Apparatur als Sinn immer mit eingebaut ist und nicht (mehr) gezeigt werden muss, sich aber dennoch zum Ausdruck bringt. Aber auch das kann eine hermeneutische Interpretation zutage fördern.
 
7
Manche Videos, z. B. solche von einer Überwachungskamera, werden jedoch meist nur bei Bedarf betrachtet, z. B. nach einem Einbruch.
 
8
Das gilt auch für die (je nach Gattung und Produktionsgeschichte vorhandene) ästhetische Qualität von Videos. Diese ästhetische Qualität zu erfassen und deren Wirkung zu ermitteln, ist jedoch nicht das Ziel einer sozialwissenschaftlichen Bildinterpretation. Insofern erfasst die hier vorgestellte Videoanalyse nicht das Video in seiner Komplexität, sondern sie fokussiert sich nur auf einen, für eine wissenssoziologisch orientierte Sozialwissenschaft relevanten Aspekt. Sie ist damit komplementär zu den Analysen, die vor allem die Ästhetik eines Videos in den Blick nehmen.
 
9
Von dieser Wahl eines Rahmens, also seiner angestrebten Position im Feld des Kulturellen, ist die später durch gesellschaftliche Rezeptions- und Zuschreibungsprozesse praktisch vollzogene Positionierung zu unterscheiden. Die angestrebte Position kann sich erheblich von der realisierten unterscheiden: So kann der künstlerisch anspruchsvolle Film als Kitsch enden und vice versa; auch das Hochzeitsvideo kann am Ende nicht nur den Beginn einer Ehe dokumentieren, sondern ist in einer sozialwissenschaftlichen Studie Beleg für die Eventisierung von Hochzeitsfeiern und die sozialwissenschaftliche Videoethnographie des Kirchentags kann sich wandeln in ein Dokument, das den visual turn in der Sozialwissenschaft belegt.
 
10
Dieser Vorschlag beinhaltet, dass vor jeder Interpretation des auf dem Video Gezeigten erst einmal die Rahmenanalyse steht. Natürlich kann man (zu Übungszwecken) auch einmal Videoinhalte analysieren, ohne dies vorab geleistet zu haben. Allerdings spannt sich dann ein sehr großer Interpretationsraum auf, der mit vertretbarem Aufwand kaum zu schließen ist. Sicherlich macht es Sinn, einmal eine solche (völlig kontextfreie) Interpretation zu versuchen, um den Möglichkeitsraum von Bedeutungen zu erkennen, doch widerspricht diese Vorgehensweise dem rationalen Umgang mit begrenzten Zeit- und Geldressourcen. Die Gefahr, dass man vorschnell Lesarten aufgrund der Berücksichtigung des Rahmens nicht erkennt, ist aus unserer Sicht sehr gering.
 
11
Sowie die Verwendungszwecke von Drohnen sehr vielfältig sind, so können auch die Verwendungsweisen und die Analyse der von ihnen gemachten Videos sehr unterschiedlich sein. Wir vermuten, dass es in zehn Jahren einen eigenen Band zur Analyse von Drohnenvideos geben wird.
 
Metadaten
Titel
Gegenstand und Fragestellung
verfasst von
Jo Reichertz
Carina Jasmin Englert
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-33599-1_1