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2000 | Buch

Geist und Macht: Die Brentanos

herausgegeben von: Dr. Bernd Heidenreich

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Vorwort des Herausgebers
„Geist und Macht: Die Brentanos“
Zusammenfassung
Die Geschichte der Familie Brentano ist nicht nur in einer Hinsicht bemerkenswert: In den Nachfahren des „Don Domenico Brentano di Tremezzo“, der 1698 eine Handelskompanie in Frankfurt als Warenumschlagplatz gründete, und seines 1674 verstorbenen Vetters Natalis haben sich italienische, reichsstädtische und hessische Elemente zu einem einzigartigen Stück europäischer Geistesgeschichte verdichtet, das gleichsam modellhaft vorführt, welche Früchte europäische Integration tragen kann. Vor allem die Kinder und Enkel des seit 1762 mit dem Frankfurter Bürgerrecht ausgestatteten Peter Anton Brentano sind aus Literatur, Philosophie und Wissenschaft der Deutschen nicht mehr wegzudenken. Das gilt nicht nur für das berühmte Geschwisterpaar Clemens und Bettine, sondern auch für den Philosophen Franz Brentano (1838–1917) und den Volkswirtschaftler Lujo Brentano (1844–1931). Aber auch die hessische Linie von Brentano di Tremezzo, die mit Otto Rudolf von Brentano (1855–1927) und seinen Söhnen Heinrich (1904–1964) und Bernard (1901–1964) immerhin einen stellvertretenden Ministerpräsidenten, den langjährigen Außenminister Adenauers und einen bedeutenden deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat, verdient eine stärkere Aufmerksamkeit — repräsentiert sie doch geradezu idealtypisch die Synthese von Geist und Macht.
Bernd Heidenreich
Die Familie Brentano
Vom Comer See an den Main
Zusammenfassung
Es war an einem Frühlingstag zu Beginn unseres Jahrhunderts, als der deutsche Professor Lujo Brentano, damals ein bekannter Nationalökonom und Sozialpolitiker, das Postamt in Cadenabbia am Comer See verlassen hatte und nun, die Schönheit der Landschaft betrachtend, am Ufer des Lario stand. „Ich kenne keine Gegend, die so wie diese sichtlich vom Himmel gesegnet ist. “ So hymnisch hatte den Landstrich einst Franz Liszt gepriesen, der hier um das Jahr 1837 zusammen mit seiner Geliebten, der Gräfin d’Agoult, buchenswerte Wochen verbrachte. Der Name ihrer Tochter Cosima, die in Bellagio zur Welt kam, war auch eine Huldigung an den Comer See, der „vom Himmel gesegneten“ Stätte dieses Liebesidylls.
Klaus Günzel
Peter Anton Brentano (1735–1797)
Italienischer Kaufmann und Bürger der Freien Reichsstadt Frankfurt
Zusammenfassung
Kam in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein Kaufmannszug aus Oberitalien für den lombardischen Kaufmann Peter Anton Brentano in Frankfurt an, so nahm er von Sachsenhausen her den Weg über die alte Brücke und passierte unter dem erschreckenden Schädel eines der Hingerichteten des Fettmilch-Aufstandes die nur knapp drei Meter breite Durchfahrt des Frankfurter Brückenturmes. Sodann fuhr er hinein in die Fahrgasse, vorbei an der Eisenwaage und dem Garküchenplatz östlich von St.Bartholomäus. Nach weiteren gut 200 m bog er bei der Johanniter-Kirche nach links in die Schnurgasse, folgte ihr nach Westen, linker Hand vorbei an der Mausgasse und Rattengasse, an der Kruggasse und dem Affengässchen bis sich zwischen Schmiedhof und Eichlerhof, wiederum scharf nach links führend, die Nürnbergerhofgasse öffnete. Eben dort führte der Weg hinein durch einen gotischen Torbogen, dann, unter einem überbauten weiteren Tor hindurch, in das Areal des Nürnberger Hofes.1
Rainer Koch
Clemens Brentano (1778–1842)
Dichter der Romantik
Zusammenfassung
Wenn es unter den zwölf Kindern der zweiten Ehe Peter Anton Brentanos nicht die zwei sogenannten „Dichtergeschwister“ Clemens und Bettine gegeben hätte, die als bedeutende Vertreter der Romantik in die Geschichte der deutschen Literatur eingingen, so wäre die Brentano-Familie vermutlich im 20. Jahrhundert nicht Gegenstand von Seminaren und Kolloquien, und die Brentanos ordneten sich in die Reihe von Patrizierfamilien ein, die das Geschick Frankfurts für eine Zeitspanne mitbestimmten, aber ihre herausragende Rolle in der Stadtgeschichte seit Auflösung der Firma Brentano 1841 weitgehend verloren.
Hartwig Schultz
Bettine Brentano-von Arnim (1785–1859) als politische Schriftstellerin
„Selbstdenken ist der höchste Mut“
Zusammenfassung
„Ich sollte über Bettinens von Arnim eigenstes Wesen Auskunft geben,“ notiert Bettines langjähriger Vertrauter Karl August Varnhagen von Ense im Mai 1850 in sein Tagebuch. „Ich sagte endlich; ‚Häufen Sie Widersprüche auf Widersprüche, bergehoch, überschütten Sie alles mit Blumen, lassen Sie Funken und Blitze herausleuchten, und nennen Sie’s Bettina. ‘“ 1Die von Varnhagen hier so elegant überwundene Schwierigkeit, für ‘Bettinens von Arnim eigenstes Wesen’ eine Formel zu finden, kennt jeder Leser ihrer Bücher, ganz besonders, wenn es um Politik geht. Genau drei politische Schriften hat Bettine zu Lebzeiten veröffentlicht: Das Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gewidmete Dies Buch gehört dem König1843, eine Broschüre über die Teilung Polens 1849 und die als Fortsetzung des „Königsbuchs“ angelegten Gespräche mit Dämonen1852, Bücher, die mehr Fragen aufwerfen als beantworten, und nur allzu gern ist man auch heute noch bereit, Bettines ebenfalls von Varnhagen kolportierter Klage über die Arbeit an den Gesprächen, „eigentlich politische Gedanken könne sie nicht verfolgen oder verarbeiten“2, umstandslos rechtzugeben.
Ulrike Landfester
Christian Brentano (1784–1851)
Vater der Aschaffenburger Brentanos
Zusammenfassung
Im Gegensatz zu seinen berühmten Geschwistern Clemens und Bettine war Christian Brentano kein Nachruhm beschieden. Sein Name wird heute eigentlich nur noch mit der Herausgabe von „Clemens Brentano’s Gesammelte Schriften“in Verbindung gebracht. Doch wissen wir inzwischen, daß auch hier im Hintergrund Christians Frau Emilie und der Freund der Familie, der königlich-bayerische Hof- und Schloßbibliothekar Joseph Merkel, kräftig mitgewirkt haben, wenn nicht sogar federführend gewesen sind. Allerdings war es Christian Brentano, der seinen schwerkranken Bruder Clemens Anfang Juli 1842 von München nach Aschaffenburg holte, um ihn hier in dessen letzten Lebenswochen zu umsorgen. Um der historischen Gerechtigkeit willen muß allerdings auch hinzugefügt werden, daß er noch in München mit Clemens ein Testament aufsetzte, das ihn zum Universalerben machte. Nach Clemens Tod veranlaßte Christian die Beisetzung seines Bruders auf dem Aschaffenburger Altstadtfriedhof und legte dadurch den Grundstein dafür, daß Aschaffenburg zu einer Brentano-Stadt wurde.
Brigitte Schad
Franz Brentano (1838–1917)
Philosoph und Lehrer Sigmund Freuds
Zusammenfassung
In seinen Erinnerungen charakterisiert Edmund Husserl seinen akademischen Lehrer Franz Brentano als „geistesmächtig“. Folgt man diesem Urteil — andere Schüler äußern sich ähnlich — finden wir bei Franz Brentano also „Geist und Macht“, wie das Rahmenthema dieser Frankfurter Tagung heißt, vereint.
Wilhelm Baumgartner
Lujo Brentano (1844–1931)
Nationalökonom und bürgerlicher Sozialreformer
Zusammenfassung
Als führender Nationalökonom und international renommierter Wirtschaftshistoriker zählte Lujo Brentano zu den bekanntesten und schillerndsten Gelehrtenpersönlichkeiten in der Zeit des zweiten Deutschen Kaiserreichs1. Er war ebenso angesehen wie umstritten, er wurde von einem großen Kreis seiner Schüler und Bewunderer ebenso glühend verehrt wie er andererseits von einer vermutlich noch größeren Zahl wissenschaftlicher Kritiker und politischer Gegner bekämpft und angefeindet wurde. Lujo Brentano war in seiner Zeit vielleicht der Idealtypus dessen, was man heute als einen „streitbaren Gelehrten“ bezeichnen würde; er ist zeitlebens keiner wissenschaftlichen Kontroverse aus dem Weg gegangen und hat erst recht keine politische Auseinandersetzung gescheut. Unter den Wissenschaftlern seiner Zeit galt er als einer der fulminantesten Polemiker, und man sagt wohl nicht zu viel, wenn man bemerkt, daß der gelehrte Streit und der publizistische Kampf für die eigenen ökonomischen und politischen Ideale geradezu eine Art Lebenselixier für Brentano darstellten.
Hans-Christof Kraus
Gunda Brentano (1780–1863) und Friedrich Carl von Savigny (1779–1861)
Romantik und Recht
Zusammenfassung
So zeichnet Clemens Brentano in seinen Romanzen vom Rosenkranz1 ein einfühlsames Bild seines Freundes und Schwagers Friedrich Carl von Savigny voll historischer Anspielungen.
Barbara Dölemeyer
Otto Rudolf von Brentano (1855–1927)
Hessischer Minister und Stellvertretender Ministerpräsident
Zusammenfassung
Die Beschäftigung mit den Brentanos, ihrem Beitrag zur deutschen, aber auch zur hessischen Geschichte, ist in der gegenwärtig aufgeheizten Debatte um die Integration „ausländischer Mitbürger“ sicher gut placiert. „Die Italiener kommen“, war vor einigen Jahren Titel einer Ausstellung im Darmstädter „Haus der Geschichte“, die an das Anlaufen der Gastarbeiter-Migration in die Bundesrepublik vor 40 Jahren erinnern wollte. Mit einer ad hoc vorbereiteten Dokumentation aus den Beständen des Staatsarchivs haben wir die bis zum Beginn unserer Zeitrechnung zurückreichende Geschichte der Zuwanderung und Integration von Handwerkern, Kaufleuten, Künstlern italienischer Herkunft präsentiert, die gerade unseren Rhein-Main-Raum geprägt hat, von der Römerzeit im Limes-Land über die lombardischen Bauleute der Karolingerzeit, die Seidenweber der Renaissance, die Architekten, Bildhauer und Opern-Truppen des Barock bis zu den Steinhauern, die im Zuge des Straßen- und Eisenbahnbaus im vorigen Jahrhundert hier arbeiteten und seßhaft wurden.
Eckhart G. Franz
Bernard von Brentano (1901–1964)
Ein deutscher Schriftsteller ohne Deutschland
Zusammenfassung
Bernard von Brentano bietet dem Betrachter ein facettenreiches, widersprüchliches Bild. Er galt in der Weimarer Republik als hoffnungsvolles journalistisches Talent. Joseph Roth und Bertolt Brecht nahmen sich seiner an, doch keinem von beiden gelang es, ihn als Gefolgsmann zu gewinnen. Gegen Ende der Republik trat er für die Ideen der Ultralinken ein und ging, kaum hatte sich sein schriftstellerischer Ruf zu verbreiten begonnen, als einer der jüngsten deutschen Autoren ins Exil. Noch im berühmt gewordenen „Korrodi-Brief“ 1936 zählte ihn Thomas Mann zu den wichtigsten jungen Vertretern der deutschen Literatur. Nach einer politischen Kehrtwendung handelte sich Brentano Mitte der dreißiger Jahre beinahe über Nacht den Ruf eines „enfant terrible“ unter den Exilautoren ein; er liebte die Provokation und stieß selbst seine Freunde durch undurchsichtige Polemik vor den Kopf. Gegen Ende der Exilzeit war er angesehenes Mitglied eines vornehmen Schweizer Literatenkreises. Bernard von Brentanos Persönlichkeit charakterisiert wohl am trefflichsten eine Notiz in seinem „Tagebuch mit Büchern“, die er selbst 1943 über Joseph Görres niederschrieb:
Sein Temperament überflutete seinen Verstand, und ein Strom, der Hoch wasserführt, ist ein verderbliches Element, eine Urkraft-ja, aber eine reißende.1
Ulrike Hessler
Heinrich von Brentano (1904–1964)
Von Hessen nach Bonn
Zusammenfassung
Mit diesen anerkennenden Worten würdigte der Außenminister Willy Brandt am 20. Juni 1969 seinen Amtsvorgänger Heinrich von Brentano.1
Helma Brunck
Außenminister Heinrich von Brentano
Neue Facetten einer politischen Karriere
Zusammenfassung
Vor zwölf Jahren publizierte Daniel Koerfer sein spannendes Buch: „Kampf ums Kanzleramt. Erhard und Adenauer“. Mit großer Kunstfertigkeit hat Koerfer darin das Kolossalgemälde des Kampfes Ludwig Erhards um die Nachfolge des ersten Bundeskanzlers geschaffen 1: Erhard als der „Löwe vom Tegernsee“ vor den Mauern des Bonner Palais Schaumburg, unter den Hochrufen seines Gefolges die Pranke zum Schlag erhoben und doch zaudernd, die Tore gewaltsam zu öffnen; dahinter, den Thron fest umklammernd, der „alte Fuchs“ Adenauer, von seinen Granden fast gänzlich verlassen, bis zuletzt rastlos geschäftig, den geschmähten Belagerer mit List und Tücke doch noch zu Fall zu bringen: das ist die große Szene, die Koerfer ausbreitet.
Daniel Kosthorst
Erinnerungen an Heinrich von Brentano
Zusammenfassung
An die Ausführungen von Daniel Kosthorst über Heinrich von Brentano als Außenminister schließt sich das, was ich zu sagen habe, sehr gut an. Ich werde als Zeitzeuge über die Zeit nach dem Rücktritt Brentanos sprechen, also über die Jahre 1962 bis 1964. Ich hoffe damit eine Lücke im Programm zu schließen.
Weert Börner
Backmatter
Metadaten
Titel
Geist und Macht: Die Brentanos
herausgegeben von
Dr. Bernd Heidenreich
Copyright-Jahr
2000
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-83347-1
Print ISBN
978-3-322-83348-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-83347-1