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2008 | Buch

Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?

Zustand und Entwicklungen im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung

herausgegeben von: Professor Dr. Otto Depenheuer, Professor Dr. Klaus-Nikolaus Peifer

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Bibliothek des Eigentums

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Über dieses Buch

Geistiges Eigentum ist eine Schlüsselressource. Im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung ist sein Schutz gleichwohl in eine Akzeptanzkrise geraten. Der vorliegende Band dokumentiert die Ergebnisse eines Dialogs zwischen Praxis und Wissenschaft in Bereichen, in denen sich die Frage, ob die Rechte zum Schutz Geistigen Eigentums einen legitimen Schutz- oder einen Ausbeutungstitel verschaffen, besonders nachhaltig stellt. Dies betrifft die Biotechnologie und den patentrechtlichen Schutz von natürlichen und genetischen Ressourcen, den Schutz von Software im Urheber- und Patentrecht sowie die Zukunft des Urheberrechts im Zeitalter digitaler Medien. Anliegen des in zwei Veranstaltungen durchgeführten Dialogs war es, das Bewusstsein für den berechtigten Kern von Patentrecht und Urheberrecht zu stärken, aber auch aufzuzeigen, wo dieser Kern aufgeweicht ist.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel? Zustand und Entwicklungen im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung — Einführung und Bilanz

Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel? Zustand und Entwicklungen im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung — Einführung und Bilanz
Auszug
Für ein rohstoffarmes Land bilden die geistigen Leistungen seiner Bürger eine wichtige Ressource, um wettbewerbsfähig zu bleiben, Wohlstand zu erhalten und — wenn es denn möglich ist — diesen Wohlstand auch noch zu mehren. Geistige Ressourcen aber sind flüchtig. Man benötigt oft nicht einmal einen Koffer um sie zu transportieren. Wer sie hervorgebracht hat, kann Vieles bewirken, ebenso kann dies, wer sie sich aneignet. Geistige Leistungen und die Erzeugnisse solcher Leistungen sind mithin ohne weiteres Werte. Man schützt diese Werte als geistiges Eigentum durch spezielle Schutzgesetze, die man im internationalen Sprachgebrauch mittlerweile unter dem Begriff Intellectual Property, oder kurz „IP“ zusammenfasst. In Deutschland spricht man etwas weniger gemeinverständlich von Gewerblichen Schutzrechten und dem Urheberrecht oder — in Anlehnung an die heute in der Schweiz gebräuchliche Terminologie — von den Immaterialgüterrechten.1 Die zuletzt genannten Bezeichnungen geben weniger deutlich preis, dass das derzeitige Schutzsystem auf der Idee des Eigentums aufbaut. Eigentum ist eine erprobte Kategorie, wenn es um körperliche Sachen geht, seien es bewegliche oder unbewegliche.2 Wer sich hier des Begriffes bedient, kann zeigen, fühlen und sehen, wie der Gegenstand beschaffen ist und wie man ihn benutzen muss, um seinen Vorteil zu genießen. Die Idee des Eigentums ist weder in Deutschland noch anderen Orts auf körperliche Sachen beschränkt. Ist von Eigentum im Zusammenhang mit unkörperlichen Gegenständen die Rede, so muss allerdings genauer gesagt werden, wann genau von einem schutzfähigen Gegenstand gesprochen werden kann, gegen welche Handlungen er zu wessen Gunsten wie lange geschützt ist.
Karl-Nikolaus Peifer

Dokumentation der Auftaktveranstaltung vom 16. September 2006

Frontmatter

Grundsatzreferat

Geistiges Eigentum — Prosperitätsgarantie nur für die Industriestaaten?
Auszug
Sehr geehrter Herr Kurz, sehr geehrter, lieber Herr Kollege Schmidt-Jortzig, meine sehr verehrten Damen und Herren, vielen Dank für die Einladung zu diesem Kongreß. Die Deutsche Stiftung Eigentum hat ihn — wie ich aus einer Pressemitteilung entnommen habe — im April 2006 mit folgender Feststellung angekündigt: „In einer globalisierten und technisierten Welt muss der Schutz des geistigen Eigentums oberste Priorität haben“. Zur Begründung heißt es etwa: Entwicklung von innovativen Produkten sind der Garant für Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in einer modernen Industriegesellschaft. Deshalb gilt es, Angriffe auf das geistige Eigentum durch hohe Schutzstandards abzuwehren.
Kurt Biedenkopf

Ökonomische Herausforderungen des geistigen Eigentums Biotechnologie — Medien — Software

Patente als Standortfaktor — Patente im Bereich Biotechnologie
Auszug
Nach einem Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zählt Deutschland mit seiner technologischen Leistungsfähigkeit zu den führenden Staaten dieser Welt. So werden in Deutschland sechs Prozent aller öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung verwendet. Neun Prozent der weltweit anerkannten Fachpublikationen sind deutscher Herkunft. Nach wie vor ist Deutschland Exportweltmeister: 16,5 Prozent aller Exportgüter der OECD-Staaten stammen aus Deutschland. Diese beeindruckenden Zahlen könnten uns glauben machen, dass alles in bester Ordnung ist, Änderungen nicht erforderlich sind und wir uns zufrieden zurücklehnen können. Sie stimmen mir sicherlich zu, dass ein solches Vorgehen nicht richtig sein kann und in einigen Technologiefeldern das Gegenteil dringend erforderlich ist. Wenn man sich die einzelnen Technologien anschaut, stößt man auf große Unterschiede.
Uwe Preßler
Das „Volk der Dichter und Denker“ ohne Schutz seines geistigen Eigentums?
Auszug
Das „Volk der Dichter und Denker“ — diese Bezeichnung für die Deutschen geht auf Karl August Musäus (1735–1787) zurück. Er war im Weimar des 18. Jahrhunderts Hofmeister und Gymnasiallehrer, vor allem aber Schriftsteller und schrieb im Vorwort zu den von ihm zusammengestellten „Volksmärchen der Deutschen“: „Was wäre das enthusiastische Volk unserer Denker, Dichter, Schweber, Seher ohne die glücklichen Einflüsse der Fantasie?“
Gottfried Honnefelder, Anne-Katrin Leenen
Wirtschaftliche Bedeutung und rechtliche Möglichkeiten computerimplementierter Erfindungen
Auszug
Die Einladung zu diesem Vortrag ist von dem angenehmen Umstand geprägt, keine Antworten geben zu müssen, keine Fragen zu beantworten, sondern Probleme aufzuwerfen und zum Andenken anzuregen. Es geht im Folgenden um computerimplementierte Erfindungen, im Volksmund auch Softwarepatente genannt. Ich spreche zu Ihnen als Mitarbeiter des Instituts für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software. In dieser Eigenschaft bin ich zum Vortrag gebeten worden und will deshalb auch besonders auf diesen Aspekt eingehen, gerade weil hier sehr deutliche Kritik an Softwarepatenten geäußert wird. Die praktischen Erfahrungen, die ich jedoch einbringen möchte, kommen letztlich aus meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt. Ich arbeite in einer Kanzlei mit dem Tätigkeitsschwerpunkt im IT- und Softwarerecht. Ich berate dort Einzelprogrammierer ebenso wie Großunternehmen, so dass ich einen ganz guten Überblick habe über die verschiedenen Argumente und Nöte in diesem Bereich. Natürlich sind meine Gedanken rein subjektiv und sollen vor allem zum weiteren Denken anregen.
Till Jaeger

Podiumsdiskussion

Podiumsdiskussion — Statement 1
Auszug
Die Bedeutung des Schutzes des geistigen Eigentums für forschende Pharmaunternehmen hat, wird beim Blick auf folgende Fakten deutlich: Bis ein neues Medikament auf den Markt kommt, hat ein Pharmaunternehmen bereits rund 800 Millionen US-Dollar und bis zu 12 Jahre harter Arbeit in die Erforschung und Entwicklung investiert. Insgesamt investieren die forschenden Arzneimittelhersteller rund 16 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Damit liegt die Pharmaindustrie an der Spitze aller Branchen in Deutschland. Innovationen und ihre Umsetzung durch Investitionen in Technologien und Produkte spielen für diese Unternehmen eine zentrale Rolle.
Cornelia Yzer
Podiumsdiskussion — Statement 2
Auszug
Wenn man sich eingehender mit der Bedeutung des geistigen Eigentums im deutschen Recht beschäftigt, stößt man zunächst auf ein Problem, denn das deutsche Privatrecht kannte den Begriff des geistigen Eigentums bisher nicht. Mit dem Begriff Eigentum ist nach deutschem Privatrecht wirtschaftlich lediglich Sacheigentum gemeint. Bis heute versucht man daher, dem Problem einfach aus dem Weg zu gehen, indem man von „Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz“ spricht, wenn man das geistige Eigentum in seiner Gesamtheit benennen will.
Günter Krings
Zusammenfassung und Bilanz der Podiumsdiskussion
Auszug
Die Auftaktveranstaltung stand vielfach unter dem Eindruck der Äußerung Biedenkopfs, wonach sich das Konzept des Eigentumsschutzes bei unkörperlichen Gütern nur durch einen klar funktionsbezogen definierten Kernbereich bewähren könne. Eine positivistische Ausdehnung der Regeln über Eigentum an körperlichen Sachen auf die nur scheinbar ähnlichen Sachverhalte des Geistigen Eigentums riskiere, dass die Überzeugungskraft des Eigentumskonzepts insgesamt leide. Biedenkopf formulierte seine Bedenken weniger im Hinblick auf den Stand der Debatte in den westlichen Industrieländern. Für ihn stellte sich der stärkste Modernisierungsbedarf im Dialog mit Schwellenländern, insbesondere Indien und China, aber auch mit Entwicklungsländern. Die Notwendigkeit einer Überprüfung sei durch die Globalisierung verschärft. Das technische Phänomen der Digitalisierung zeige überdies, dass auch in den Industrieländern neue Produktions- und Vertriebsstrategien tradierte Vermarktungsmodelle ablösten. Auch hier müsse das Geistige Eigentum seinen Kern besser und überzeugungskräftiger definieren und abgrenzen.
Karl-Nikolaus Peifer

Wissenschaftliche Beiträge

Frontmatter

Biotechnologische Patente als Standortfaktor

Ethische Voraussetzungen und Grenzen des patentrechtlichen Schutzes biotechnologischer Erfindungen
Auszug
Das Patentrecht gilt gemeinhin als das stärkste Schutzrecht für innovative technische Leistungen. Im Unterschied zum Urheberrecht erstreckt sich seine Ausschließungswirkung auch auf unabhängig getätigte Entwicklungen1. Hinzu kommt der in der Regel erheblich höhere Abstraktionsgrad seiner in den jeweiligen Patentansprüchen definierten Schutzgegenstände, aus dem sich eine außerordentlich breite Schutzwirkung ergeben kann2. Es ist daher mehr als verständlich, dass bei einer Standortbestimmung des geistigen Eigentums die Grundfrage, ob das bestehende System die Balance zwischen Eigentumszuweisung und Allgemeinwohlbindung wahrt, gerade auch für das Patentrecht gestellt werden muss3.
Rainer Moufang
Innovationssteuerung durch Patente im Bereich der Biotechnologie
Auszug
Die Initiative für Medikamente gegen vernachlässigte Krankheiten (Drugs for Neglected Deseases Initiative-DNDi) 1 und Sanofi — Aventis haben gemeinsam ein Kombinationspräparat gegen Malaria entwickelt und Anfang des Jahres die Markteinführung vorgenommen, ohne Patentschutz beantragt zu haben.
Maximilian Haedicke

Urheberrecht und Medien „Volk der Dichter und Denker“ ohne Schutz geistigen Eigentums

Zur Rechtfertigung des Urheberrechts als Ausschließlichkeitsrecht
Auszug
Auf dem Urheberrecht lastet derzeit ein erheblicher Legitimationsdruck. Wer in einer offenen Informationsgesellschaft bestimmte Informationen, nämlich urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen, monopolisieren will, gerät publizistisch und rechtspolitisch in einen Rechtfertigungszwang. Vor allem die faktisch freie Zugänglichkeit im Internet und die problemlose Kopierbarkeit geistiger Güter haben Forderungen der Verbraucher nach Open content laut werden lassen. Die Geräteindustrie will die Urheberrechtsabgaben drücken, während die Verwerterindustrie zum Schutz ihrer herkömmlichen Vermarktungsformen nach immer mehr Schutzrechten und immer schärferen Sanktionen ruft. So ist schon seit Längerem von einer „Hypertrophie der Schutzrechte“ die Rede,1 die ungeachtet aller Warnungen von den Lobbyisten in Brüssel und Berlin kräftig geschürt wird. Einig ist man sich nur darin, dass (aber nicht wie) die urheberrechtlichen Schranken im digitalen Umfeld neu justiert werden müssen.2 Diese Diskussion wird auf absehbare Zeit nicht zur Ruhe kommen, weil sie an den Grundfesten eines gerechten Interessenausgleichs rüttelt, den das Urheberrecht zwischen den Urhebern, Verwertern, Verbrauchern und der Allgemeinheit gewährleisten soll.
Haimo Schack
Urheberrecht als Wirtschaftsrecht
Auszug
Auf der GRUR-Jahrestagung 1992 leitete Gerhard Schricker sein Referat zum Thema „Urheberrecht zwischen Industrie- und Kulturpolitik“ mit den Worten ein: „Das Thema mag verwundern, ja befremden. Schützen die Urheberrechtsgesetze denn nicht das geistige Eigentum als Grund- und Menschenrecht, so fragt man sich, als das ‚heiligste, unangreifbarste und persönlichste aller Eigentumsrechte’ (...)? Wo bleibt hier Raum für politisches Kalkül? Können heilige Eigentumsrechte denn politisch verfügbar sein?“1
Ansgar Ohly

Software und Informationstechnologie Freiheit oder Gebundene Software — Funktions- und Nachahmungsschutz oder Offenheit ?

Open Source Software und proprietäre Software
Funktions- und Nachahmungsschutz oder Offenheit?
Auszug
Schon heute machen Software- und softwarebezogene Dienstleistungen etwa 6% am EU15-Bruttoinlandsprodukt aus.1 Zukünftig dürfte durch die Konvergenz verschiedener Branchen in Verbindung mit den zunehmenden Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie dieser Anteil noch weiter steigen.2 Dabei werden weniger als 20% der Umsätze in der Softwareindustrie mit Lizenzgebühren, jedoch 80% mit Services und Dienstleistungen erzielt.3 Drei Viertel aller Unternehmen dieser Branche haben weniger als 10 Mitarbeiter und 250.000 Euro Umsatz/Jahr.4
Arnold Picot, Marina Fiedler
Computerimplementierte Erfindungen im System des „Geistigen Eigentums“
Auszug
Der Rechtsschutz von Computerprogrammen ist letzthin insbesondere im Patentrecht zum Gegenstand hitziger rechtspolitischer Debatten geworden. Die lautstarken Diskussionen um die gescheiterte Revision des Europäischen Patentübereinkommens von 1973 [EPÜ] im Hinblick auf die Streichung des Ausschlusses für Computerprogramme als solche vom Patentschutz im Jahre 20001 leichermaßen wie um die Software-Richtlinie, die mit ähnlicher Zielsetzung dann letztlich im Jahre 2005 endgültig scheiterte,2 klingen noch im Ohr.
Matthias Leistner
Backmatter
Metadaten
Titel
Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?
herausgegeben von
Professor Dr. Otto Depenheuer
Professor Dr. Klaus-Nikolaus Peifer
Copyright-Jahr
2008
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-540-77750-2
Print ISBN
978-3-540-77749-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-540-77750-2