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26.11.2024 | Geldpolitik | Im Fokus | Online-Artikel

Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3:30 Min. Lesedauer

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Steigende CO₂-Preise und geopolitische Spannungen können die Inflation im Euroraum wieder anheizen. Der BVR warnt vor internen wie externen Risiken, die die Preisstabilität zum Jahresausklang und 2025 gefährden. Der Verband fordert Flexibilität bei anstehenden geldpolitischen Entscheidungen.

Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) prognostiziert in der aktuellen Ausgabe von "Volkswirtschaft Kompakt" anhaltende Inflationsrisiken für Deutschland und den Euroraum. Für das laufende Jahr und 2025 geht der BVR von jeweils 2,3 Prozent aus. Die Kerninflationsrate, welche die Energiepreise ausklammert, wird im kommenden Jahr den Ökonomen zufolge voraussichtlich auf 2,1 Prozent sinken, nach 2,7 Prozent im Jahr 2024.

Insgesamt rät Chefvolkswirt Andreas Bley bei den Vorhersagen zur Vorsicht: "Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen." Der aktuelle Rückgang der Teuerungsrate ist laut der BVR-Ökonomen vor allem auf den nachlassenden Preisdruck durch Lohnstückkosten und sinkende Gewinnmargen zurückzuführen. Dennoch bestehe die Gefahr steigender Inflationsrisiken durch Sondereffekte wie die Anhebung des CO2-Preises und des Deutschlandtickets Anfang 2025. Diese Maßnahmen könnten die Inflationsrate um etwa 0,25 Prozentpunkte erhöhen.

Strauß an Risikofaktoren bestimmt Preisklima

Dass die Ereignisse der jüngeren Geschichte die Bedeutung internationaler Wirkungsmechanismen für die Preisstabilität bestätigen, betont auch Joachim Weeber, ehemaliger Sachgebietsleiter im Bereich Banken und Finanzaufsicht der Deutschen Bundesbank. "Der Einfluss globaler Faktoren auf geldpolitisch relevante Faktoren ist im Verlauf nach der Jahrtausendwende größer geworden. Globale Wertschöpfungsketten, vor allem wenn traditionelle Lieferketten reißen, sind zu einem merklichen Bestimmungsfaktor binnenwirtschaftlicher Inflation geworden. Vor allem unter kurzfristigen Aspekten können auch Spekulationsgeschäfte bei geopolitischen Anspannungen zu einer Eintrübung des Preisklimas beitragen", fasst der Springer-Autor die Herausforderungen für die Zentralbanken zusammen.

Drei Hauptfaktoren prägen dem BVR zufolge die Risiken für die Preisstabilität:

  1. Lohn- und Margenentwicklung: Trotz erwarteter Rückgänge bleibt der Preisdruck durch steigende Löhne und robuste Arbeitsmärkte ein Risiko.
  2. US-Wirtschaftspolitik: Die Pläne des Wahlsiegers Donald Trump (Steuersenkungen, Einfuhrzölle) könnten die US-Inflation und damit indirekt auch die Importpreise für Europa erhöhen.
  3. Geopolitische Spannungen: Konflikte wie im Nahen Osten können die Rohölpreise und die Importkosten drastisch steigern. Im Oktober stiegen die Energie-Erzeugerpreise in Deutschland bereits um 0,6 Prozent gegenüber dem Vormonat.

Zwar habe die Europäische Zentralbank (EZB) mit den vergangenen Zinssenkungen Fortschritte erzielt. Eine mögliche Senkung des EZB-Einlagesatzes um 25 Basispunkte auf 3,0 Prozent im Dezember steht derzeit zur Debatte. Doch der BVR mahnt, künftige Zinsschritte flexibel an die Datenlage anzupassen. Die zuletzt gesunkene Inflationsrate im Euroraum, im Oktober waren es 2,0 Prozent, gebe zwar Anlass zu Optimismus, jedoch sei ein nachhaltiges Erreichen dieser von den Währungshütern angestrebten Marke noch nicht gesichert. 

Mittelfristig höhere Inflationsrate

Einige Aspekte sprechen laut Weeber dafür, dass es zumindest mittelfristig zu einer durchschnittlich höheren Inflationsrate im Euroraum im Vergleich zur Vor-Covid-Zeit kommt:

Es lagen vornehmlich Preissteigerungen schon beginnend 2021 vor, die unter anderem aus Verknappungen des Güterangebots im Zuge flächendeckender Lockdowns resultierten, die zusätzlich auf eine Nachfrageaufholung der Konsumenten (unterstützt von zahlreichen staatlichen Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen) traf, als Waren und Dienstleistungen - zum Beispiel Reisemöglichkeiten oder der Besuch von kulturellen Veranstaltungen - nach Ende der corona-bedingten Beschränkungen wieder verfügbar waren. Dies galt nicht nur für Güter aus dem Konsumgüterbereich, sondern es gab auch Lieferengpässe bei Rohstoffen oder Vorprodukte (beispielsweise Stahl, Holz, mineralische Rohstoffe oder Mikrochips)."

Balance zwischen Preisstabilität und Wirtschaftswachstum finden

Vor diesem Hintergrund ergeben sich drei mögliche Haupt-Szenarien und daraus resultierende geldpolitische Reaktionen: 

  1. Moderater Inflationsdruck bleibt bestehen: Die EZB setzt den vorsichtigen Kurs der Zinssenkungen fort, um die Wirtschaft zu stützen, während die Preisstabilität gewahrt bleibt. Ein schrittweises Senken des Einlagensatzes bleibt in diesem Fall möglich.
  2. Erneuter Inflationsanstieg infolge eines geopolitischen Schocks oder der US-Wirtschaftspolitik: Höhere Rohstoffpreise und ein starker Dollar verteuern Importe, die Inflation zieht an. Das könnte die EZB zwingen, Zinssenkungen zu stoppen oder sogar erneut Leitzinsen zu erhöhen.
  3. Deutlicher Rückgang der Inflation durch eine Entspannung bei Energiepreisen, Löhnen und Margen: Die Kerninflation sinkt auf nachhaltige Werte und die Notenbank kann infolge dessen den Zinssenkungskurs beschleunigen, um die Konjunktur zu beleben.

Diese Szenarien verdeutlichen, dass die Balance zwischen Preisstabilität und Wirtschaftswachstum eine enorme Herausforderung für die EZB bleibt.

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