Bei ihrer aktuellen Entscheidung verzichtet die EZB darauf, die Zinsen zu senken. Das bringt der Europäischen Zentralbank auch Kritik ein. Doch der Ruf nach niedrigeren Zinsen macht in der aktuellen Krise kaum Sinn.
Bis Ende 2020 will die EZB zusätzlich Anleihen in Höhe von insgesamt 120 Milliarden Euro kaufen. Das hat der Rat der Zentralbank am 12. März beschlossen. In Verbindung mit dem sogenannten Asset Purchase Programme soll dies "in Zeiten erhöhter Unsicherheit" für günstige Finanzierungsbedingungen und mehr Liquidität in der Realwirtschaft sorgen. Obwohl der EZB-Rat nach eigener Aussage "keine wesentlichen Anzeichen für Spannungen an den Geldmärkten oder für Liquiditätsengpässe im Bankensystem sieht", soll die Entscheidung, mit zusätzlichen, längerfristigen Refinanzierungsgeschäften das Finanzsystem zu entlasten, vorsorglich gegensteuern.
Allerdings hat die Europäische Zentralbank nicht zum Mittel der Zinssenkung gegriffen, obwohl Christine Lagarde bei ihrem Amtsantritt deutlich gemacht hatte, dass es trotz des negativen Zinsniveaus durchaus noch entsprechende geldpolitische Schritte möglich sind. Dass die EZB diesen Handlungsspielraum zu diesem Zeitpunkt noch nicht genutzt hat, war sinnvoll – auch wenn Kritiker diese Entscheidung als enttäuschend bezeichnen.
EZB hat dem Druck nicht nachgegeben
Trotz des Drucks der aktuell heftigen Marktturbulenzen infolge der Ausbreitung des Corona-Virus sowie des beachtlichen Zinsschritts der US-Notenbank Fed in der vergangenen Woche, hat sich die EZB gegen die Zinssenkung entschieden und damit eine kluge Haltung gezeigt.
Bleiben Büros und Produktionsstätten, Schulen und Universitäten, Innenstädte, Züge und Stadien infolge eingeschränkter Bewegungsfreiheit leer und haben Lieferketten große Löcher, können auch niedrigere Zinsen daran nichts ändern. Sie hätten vielleicht kurzfristig die Stimmung aufgehellt, aber dem Stillstand der Wirtschaft wohl kaum nachhaltig entgegengewirkt. Die Liquiditätsausstattung der Banken und entsprechende Refinanzierungsmöglichkeiten zu verbessern, war sicherlich ein sinnvollerer Schritt.
Zusammenarbeit aller politischen Akteure notwendig
Allerdings werden diese Maßnahmen der EZB allein die Krise nicht bewältigen. Unerlässlich ist nun vor allem eine enge Zusammenarbeit der Europäischen Union und der einzelnen Mitgliedstaaten bei der Wirtschaftspolitik, etwa durch die zum Teil schon geplanten Direkthilfen. Nun müssen alle Beteiligten nicht nur zügig über weitere Unterstützung nachdenken, sondern auch gemeinsam mit gleicher Stoßrichtung handeln. Nur ein konzertiertes, zielgerichtetes Vorgehen aller europäischen und nationalen Akteure kann die Finanzmärkte und die Wirtschaft beruhigen.
Daher ist die aktuelle Entscheidung der EZB richtig, aber nur ein kleiner Baustein im Kampf gegen die Krise.