Trotz geopolitischer Risiken und acht Zinssenkungen seit Mitte 2024 behauptet sich der Euro als zweitwichtigste Weltwährung. Die EZB sieht jedoch auch strukturellen Reformbedarf, um das Potenzial der europäischen Finanzmärkte besser auszuschöpfen, und wünscht sich mehr Speed beim digitalen Euro.
Der Euro behauptet sich im internationalen Wirtschaftsverkehr hinter dem US-Dollar als zweitwichtigste Währung. Wie die Europäische Zentralbank (EZB) für das Jahr 2024 ermittelt hat, lag der Anteil des Euro an den globalen Devisenreserven konstant bei rund 20 Prozent. "Gemessen an verschiedenen Indikatoren der internationalen Verwendung von Währungen ist der Anteil des Euro seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine nahezu stabil bei rund 19 Prozent geblieben", so die Notenbank.
Diese Stabilität sei "bemerkenswert", insbesondere, da die EZB seit Mitte 2024 den Leitzins unter anderem infolge anhaltender geopolitischer Spannungen insgesamt acht Mal gesenkt hat. Die letzte Senkung erfolgte im Juni 2025, wobei der Einlagensatz auf 2,0 Prozent und der Hauptrefinanzierungssatz auf 2,15 Prozent reduziert wurden.
EZB lobt "solide Politik des Euroraums"
Die Währungshüter führen die Attraktivität des Euro auf die "solide Politik des Euroraums" und dessen regelbasierte Institutionen zurück. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betont in diesem Zusammenhang die zentrale Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit für das globale Vertrauen in die europäische Währung.
Die Glaubwürdigkeit einer Zentralbank selbst beruht auf der Erläuterung und Rechtfertigung ihrer Entscheidungen, schreibt der Ex-Bundesbanker Joachim Weeber zum Thema Zentralbank. "Große Transparenz kann mithilfe einer intensiven Kommunikation mit Bürgern und der Regierung erfolgen. Hierzu dienen Vorträge und die Pressekonferenzen der geldpolitisch Verantwortlichen, regelmäßige Publikationen (Monats- beziehungsweise Wirtschaftsberichte) sowie der Dialog mit Wissenschaftlern."
Notenbank kommuniziert verbindliche Sicht auf die Geldpolitik
Im Rahmen der Glaubwürdigkeitsdebatte zur Geldpolitik der EZB sei bereits zu Beginn der Währungsunion einer verstärkt auf die Zukunft gerichteten Kommunikation eine größere Bedeutung zugewiesen. Seit 2013 verwendet die Zentralbank ein zusätzliches Instrument, die Forward Guidance. Hierdurch kommunizieren Weeber zufolge Zentralbanken ihre künftigen geldpolitischen Absichten, die auch auf Einschätzungen hinsichtlich der Aussichten für die Preisstabilität beruhen.
Durch diese Form der Kommunikation soll den Marktteilnehmern und der Öffentlichkeit eine noch umfassendere und noch verbindlichere Sicht auf die Geldpolitik und ihrer Einschätzung auf die zu erwartende Preisentwicklung gegeben werden. Ziel ist die Beruhigung der Märkte und die Lenkung der Erwartung von Kreditinstituten und Nichtbanken. Dies soll über Ankündigungen der Zentralbanken hinsichtlich neuer Informationen zur weiteren Entwicklung der Leitzinsen [...] oder anderer geldpolitischer Instrumente die Unsicherheiten über die weitere Geldpolitik reduzieren und so Auswirkungen auf die langfristigen Zinssätze haben", so der Springer-Autor.
Gefahren für die Euro-Stabilität im Blick behalten
Trotz der stabilen Kennzahlen bleibt die EZB aber insgesamt wachsam, da geopolitische Spannungen und Veränderungen im internationalen Zahlungsverkehr langfristige Auswirkungen auf die Rolle des Euro haben könnten. Hierzu gehöre unter anderem das Streben einiger Staaten nach Alternativen zu etablierten Zahlungssystemen, was sich auch in der steigenden Nachfrage nach Goldreserven und der Neuausrichtung von Handelswährungen widerspiegelt. Zudem wachse die Relevanz neuer Herausforderungen wie der globale Trend zu Kryptowerten, der potenziell zu einer Verschiebung in der Nutzung von Währungen im internationalen Handel führen könne.
Vor diesem Hintergrund wünscht sich die Zentralbank strukturpolitische Reformen innerhalb der EU, um die internationale Rolle des Euro zu stärken. Unter anderem solle die Spar- und Investitionsunion vorangebracht werden, um das Potenzial der europäischen Finanzmärkte voll auszuschöpfen. "Die Beseitigung von Barrieren innerhalb der Europäischen Union würde die Tiefe und Liquidität der Märkte für Euro-Refinanzierungen erhöhen", heißt es weiter.
Entwicklung des digitalen Euros beschleunigen
Zudem würden schnellere Fortschritte beim digitalen Euro ein wettbewerbsfähiges und widerstandsfähiges Zahlungssystem sichern helfen. "Der digitale Euro würde zur wirtschaftlichen Sicherheit Europas beitragen und die internationale Rolle des Euro stärken", ist sich EZB-Direktoriumsmitglied Piero Cipollone sicher.
Allerdings gehen nicht alle Experten mit dieser Ansicht konform. Jüngst hatten der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) sowie der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in einer gemeinsamen Erklärung eine zu hohe Komplexität bei der Entwicklung des digitalen Euros kritisiert und eine klare Rollenverteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor sowie einen stärkeren Fokus auf bestehende privatwirtschaftliche europäische Lösungen gefordert.
Deutsche Banken fürchten hohe Kosten des Digitalgeldes
Dabei stützen sich beide Verbände auf eine Studie von PwC im Auftrag europäischer Bankenverbände, der zufolge die Einführung des E-Euro Banken im Euroraum bis zu 30 Milliarden Euro kosten könnte. Dem gegenüber stehe "in der bisherigen Konzeption kein erkennbarer Mehrwert für Verbraucherinnen und Verbraucher oder Unternehmen", heißt es. "So, wie das Projekt aktuell aufgesetzt ist, gefährdet es andere Innovationsvorhaben und bindet personelle Ressourcen auf Jahre hinaus", sagt Joachim Schmalzl, Geschäftsführender Vorstand des DSGV. "Bestehende Bezahlsysteme funktionieren hervorragend - ob Karte, App oder Wallet."
Die Banken seien innovationsbereit und scheuten keine Investitionen, "aber Doppelstrukturen dienen den Kunden nicht", fügt Tanja Müller-Ziegler, Mitglied des BVR-Vorstands, hinzu. "Auch braucht es einen verlässlichen Rechtsrahmen. Der digitale Euro darf nicht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter gehen. Er muss sie stärken."
Euro-Attraktivität durch DLT stärken
Von diesen Streitpunkten abgesehen, sieht die EZB die weltweite Attraktivität des Euro auch durch die Entwicklung von Lösungen, die die Abwicklung von Großbetragszahlungen auf Distributed-Ledger-Technologie-Plattformen in Zentralbankgeld ermöglichen und so zur Erleichterung grenzüberschreitender Zahlungen zwischen dem Euroraum und anderen Ländern beitragen, gestärkt. "Darüber hinaus fördern die Euro-Liquiditätslinien, die die EZB Zentralbanken außerhalb des Euroraums gewährt, die Verwendung des Euro bei globalen Finanz- und Handelstransaktionen", heißt es abschließend.