2012 | OriginalPaper | Buchkapitel
Gemeinschaft und Individuum
verfasst von : Ferdinand Tönnies
Erschienen in: Studien zu Gemeinschaft und Gesellschaft
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Im Wesen jedes sozialen Verhältnisses liegt es, daß wenigstens von einer Seite, in einem vollkommenen, d. h. gegenseitigen Verhältnis aber von beiden – um von dem einfachen Fall eines Verhältnisses
zweier
Personen auszugehen, – der
Anspruch
auf ein gewisses Verhalten der anderen Person und die Erwartung eines solchen gehegt wird, und zwar eines Verhaltens, das aus dem freien Willen hervorgeht und dem Wunsch und Willen des Erwartenden gemäß ist: es wird also durch einen gemeinsamen, einen überindividuellen – sozialen – Willen gesetzt und
geboten
. Für das Wesen des sozialen Verhältnisses ist es gleichgültig, ob die „Erfüllung“
gleichzeitig auch
durch einen anderen, übergeordneten, sei es individuellen oder sozialen Willen geboten ist, oder auch nur gedacht wird als z. B. durch einen „Gott“ befohlen und auferlegt. Zunächst und unmittelbar ist es das Verhältnis selbst, d. h. der darin enthaltene gemeinsame Wille, der eine solche „Pflicht“ oder „Obliegenheit“ erzeugt, die entsprechende „Forderung“ erhebt. Also erwächst aus jedem Verhältnis ein Sollen, eine Schuldigkeit, und wird dem Sollenden bewußt, insofern als er des Verhältnisses selbst bewußt ist. – Zu einem Teil sind soziale Verhältnisse als „sittliche“, zu einem anderen Teil als „rechtliche“ Verhältnisse Gegenstände der Erkenntnis.