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2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Genese des akteurtheoretisch abgeleiteten Governance-Ansatzes

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Zusammenfassung

Die Absicht, ein Analysemodell für PSM Governance zu erstellen, führt zunächst zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit der Genese und den Grundannahmen des Governance-Themenfeldes. Die Arbeit zielt auf eine Verankerung des Governance-Verständnisses in der akteurzentrierten Steuerungstheorie, deren bekannte Form im deutschsprachigen Raum größtenteils mit dem Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MPIfG) verbunden ist. So ist es in diesem Kapitel zunächst in Abschnitt 3.1 angedacht, die geschichtstheoretische Entwicklung der politischen Steuerungstheorie, welche aus einem Dreischritt von Planung über Steuerung bis hin zu Governance besteht, nachzuzeichnen.

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Fußnoten
1
„Die terminologischen Neuerungen der Governance-Perspektive passen sehr gut zu den jeweiligen Zeitstimmungen der Realpolitik“, behauptet treffend (Altrichter 2015, S. 25). Und obwohl Theorien die realen Verhältnisse nicht widerspiegeln sollen und können, da sie immer Abstraktionen von realen Verhältnissen darstellen, kann im Fall der Theorieentwicklung der politikwissenschaftlichen Steuerungstheorie behauptet werden, dass diese als „eine Serie zeitlich etwas verzögerter Reflexe auf reale Veränderungen in dem betrachteten Wirklichkeitsbereich“ bezeichnet werden kann (Mayntz 2000). Für die Entwicklung des steuerungstheoretischen Paradigmas scheint diese Diagnose, zumindest in Bezug auf die jüngeren Themenkonjunkturen, zutreffend zu sein (ebd.). Die zu der jeweiligen Zeit überwiegend in Westdeutschland und anderen Staaten Westeuropas in der Politik vorfindbaren Ereignisse beeinflussten eindeutig die entsprechende Theorieentwicklung. Wohlwissend, dass es zu den jeweiligen Zeitpunkten in Mittel- und Osteuropa andere gesellschaftspolitische Phasen gab (vgl. dazu die Ausführungen unter 2.​3.​2), wo die Gesellschaften gezwungen waren, die westliche Differenzierung in kürzester Zeit „einzuholen“, wird hier dennoch an den Prämissen des hier vorgestellten theoretischen Rahmens festgehalten. Die entsprechenden Transformationsphasen werden im Einzelnen im empirischen Teil der Arbeit ihre Berücksichtigung finden. Der theoretische und analytische Schwerpunkt, der hier zur Anwendung kommt, wird eindeutig auf den in dieser Monografie vorgestellten Governance-Ansatz gelegt, dessen steuerungstheoretische Ableitung der Entwicklung und den Forschungsaktivitäten am Kölner Max-Planck-Institut entspringt.
 
2
Zu dem Aufstieg, Niedergang und Transformation der Theorie politischer Steuerung vgl. statt vieler: (Mayntz 1997, S. 263–292).
 
3
Zu den Erkenntnissen der Systemtheoretiker vgl. statt vieler: die Ausführungen von Luhmann und Willke im Abschnitt 3.2.2.
 
4
Die Kerndefinition des modernen Staates geht auch heute noch in zahlreichen politikwissenschaftlichen Abhandlungen auf die bekannte Definition von Max Weber (1980, S. 30; vgl. dazu auch Grande 2012, S. 568; Jachtenfuchs 2011, S. 35) zurück, welche insbesondere den Monopolcharakter der staatlichen Gewaltherrschaft betont. Danach existiere im Staat „eine Verwaltungs- und Rechtsordnung, welche durch Satzungen abänderbar ist, an der der Betrieb des Verbandshandelns des (gleichfalls durch Satzung geordneten) Verwaltungsstabes sich orientiert und welche Geltung beansprucht nicht nur für die – im wesentlichen durch Geburt in den Verband hineingelangten – Verbandsgenossen, sondern im weiten Umfang für alle auf dem beherrschten Gebiet stattfindenden Handlungen. Ferner aber: daß es ‚legitime‘ Gewaltsamkeit nur noch insoweit gibt, als die staatliche Ordnung sie zuläßt oder vorschreibt“ (Weber 1980, S. 30). Eine etwas aktuellere Definition des modernen Staates liefert Arthur Benz (2009, S. 13), der den Staat als „eine Vereinigung von Menschen zu einer Staatsbürgernation“ auffasst, „die durch Selbstbestimmung die Herrschaft in einem nach außen abgegrenzten Gebiet organisiert“. Diese Definition scheint näher an der bottom-up Perspektive verortet zu sein, was ebenfalls als einseitig klassifiziert werden kann. Für weitere Analysezwecke erscheint es sinnvoll, in Anlehnung an Renate Mayntz (2004) einem alternativen Weg der Vorzug gegeben, wonach nicht mehr von „dem Staat“ die Rede ist, sondern von „staatlichen Akteuren“. Nach Mayntz sei „der Staat“ kein unitarischer Akteur, wie oben beschrieben, sondern „ein differenziertes Geflecht nur teilweise hierarchisch miteinander verbundener Akteure (Behörden, Ämter usw.)“ (ebd.). Dagegen ist mit Staatlichkeit, die weiter unten im Abschnitt 3.1 beschrieben wird, die Ausdehnung des Politischen gemeint.
 
5
Zu Transformation der Staatlichkeit vgl. ferner die Arbeiten von (Benz et al. 2007b; Zürn 2009; Grande 2009; Schuppert 2008); zu Veränderung der Leitbilder der Staatlichkeit von einem Wohlfahrtsstaat bzw. Gewährleistungsstaat zu einem Interventions- und Kooperationsstaat vgl. (Zürn 2009, S. 65–66). Zu neoliberaler Rücknahme des Staates im medialen Sektor vgl. Jakubowicz 2007a, S. 44.
 
6
Die Systemdefinition unterscheidet sich jedoch entscheidend, vgl. Abschnitt 3.2.2.
 
7
Armin Nassehi (2004, S. 99) unterscheidet demgegenüber fünf große differenzierungstheoretische Schritte. Er bedauert in seinen Ausführungen, dass das „Systemverständnis“ von Jürgen Habermas in der Soziologie nicht genügend gewürdigt und als eine zusätzliche Stufe in das Set der Differenzierungstheorien aufgenommen worden sei.
 
8
Neben der segmentären, der hierarchisch-stratifikatorischen und der funktionalen Differenzierung unterscheidet Luhmann (1998, S. 663–678) eine weitere Differenzierungsform in Zentrum und Peripherie. Sie ist in archaischen Hochkulturen vorzufinden, in denen sich die Gesellschaft in einem oder einigen Zentren konzentriert. Diese Form ist jedoch ebenfalls nach der Ungleichheit gebildet und kann somit als eine Sonderform der hierarchisch-stratifikatorischen Differenzierung dargestellt werden, (vgl. dazu: Hanitzsch 2004, S. 222; Donges 2002, S. 43).
 
9
Dabei ersetzen die drei Differenzierungsformen einander nicht evolutionär. So kannte bereits die segmentäre Differenzierungsform die funktionale beispielsweise, denn es gab neben der Differenzierung in Familienclans und Dörfer etwa die Differenzierung nach geschlechtlicher Arbeitsteilung. Die Koexistenz der drei zu unterscheidenden Differenzierungsformen bedeutet somit nicht, dass die eine durch die andere verdrängt worden ist (Hanitzsch 2004, S. 223).
 
10
Weiter unten, in dem Abschnitt zu Steuerung (3.2.2), erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit der Problematik, wie die Vertreter von System- und Akteurtheorie aktives Eingreifen eines gesellschaftlichen Teilsystems in ein anderes jeweils beurteilen. Ferner wird dort die erfolgte Evolution der akteurtheoretischen Steuerungstheorie in Bezug auf die Möglichkeit der politischen Steuerung thematisiert. Ähnlich der differenzierungstheoretischen Vorstellung Luhmanns und den rein systemtheoretisch argumentierenden Autoren wird in der letzten Evolutionsstufe der akteurtheoretischen Steuerungstheorie sowie innerhalb der Governance-Debatte eine klare Ablehnung eines lenkenden Zentrums propagiert (3.2.2 und 3.2.2.2).
 
11
Parsons´ AGIL-Schema stellt ein bekanntes Beispiel für diese klassisch verstandene Differenzierung dar; die vier großen gesellschaftlichen Teilsysteme bilden sich durch die funktionale Differenzierung mithilfe dieses Schemas. Das soziale System wird bei Parsons einerseits durch das menschliche Handlungssystem mit den folgenden Subsystemen: Verhaltenssystem, Persönliches System, Soziales System und Kulturelles System repräsentiert. Andererseits versteht Parsons unter dem sozialen System das gesellschaftliche System, das wiederum aus der Unterteilung des menschlichen Handlungssystems in die Subsysteme Wirtschaft, Politik, Gemeinwesen und Kultur entsteht (Parsons 1991). Somit stellen Parsons, später Luhmann (deutlich weniger!) und die Akteurtheoretiker auf Binnendifferenzierung der einzelnen Teilsysteme ab. Mayntz (1988, S. 14) betont, dass das Dekompositionsparadigma nicht nur strukturell, sondern auch prozessual verstanden wird.
 
12
Die Annahme, dass die Theorie funktionaler Differenzierung als rein evolutiv orientierte Theorie um devolutive gesellschaftliche Prozesse zu erweitern ist, vertrat bereits Charles Tilly (1972). Auf die Tatsache, dass jede Theorie, die „die Devolution, d. h. die Rückentwicklung, den Niedergang und den Anpassungsabfall eines gesellschaftlichen Teilsystems nur als eine Randgröße berücksichtigt und die Wechselbeziehungen von Evolution und Devolution außer acht läßt“, schwach entwickelt ist, wiesen ferner Buß und Schöpfs (1979) hin. Sie schlugen ein Drei-Stufen-Konzept der gesellschaftlichen Differenzierung vor, wo typologisch zwischen undifferenzierten, ausdifferenzierten und entdifferenzierten gesellschaftlichen Teilbereichen unterschieden werden konnte (ebd.).
 
13
Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine Umweltkontakte gibt. Diese sind sogar notwendig für das jeweilige System, besitzen jedoch keinen das System determinierenden Einfluss. Bezüglich des Vorwurfs des „rein deskriptiven Konstrukts“ ist ferner zur Verteidigung der Systemtheorie einzuwenden, dass diese durchaus empirisch angewendet werden kann. Sie hat nur einen anderen Ausgangspunkt und geht nicht von Akteuren, sondern von Strukturen und „Programmen“ aus.
 
14
Vgl. die Ausführungen zu systemischer Selbstreferentialität und Autonomie ebenfalls bei Schimank (2009, S. 196), wonach alle Teilsysteme als „sinnhafte Orientierungshorizonte“ Autonomie kultivieren.
 
15
Armin Scholl (Notiz vom 9. Mai 2018) entkräftet dieses Argument mit dem folgenden Kommentar: „Zum einen bedeutet ‚Erklärung‘ nicht nur Kausalität (sondern es gibt auch funktionale Erklärungen). Zum anderen ist Luhmann nicht gegen Kausalität; er bestreitet nur, dass diese eindeutig identifizierbar ist. Ob ein Wandel systemextern oder systemintern ‚verursacht‘ wird, ist empirisch in der Regel schwer zu entscheiden, weil beides immer zusammenwirkt. Wer also behauptet, Kausalität empirisch beobachten zu können, beobachtet tatsächlich meist ‚Interaktionen‘ oder ‚Interrelationen‘“.
 
16
Mit den Worten von Nassehi (2004, S. 109) ausgedrückt: „Die Konzentration der meisten Soziologien auf die Handlung lässt sich dann als eine Form beschreiben, die es erlaubt, komplexe soziale Antezendenzbedingungen (sic!) von Ereignisgegenwarten in kompakten Formen beobachtbar zu machen. Mit anderen Worten: Der gesellschaftliche Ort von Handlungen wird erst einer Beobachtung transparent, die jene empirischen Kompaktformen in ein Verhältnis zur kommunikativen Ausdifferenzierung von Funktionssystemen setzt“.
 
17
Später wurden diese Gedanken durch Mayntz und Scharpf (1995a) unter der Bezeichnung akteurzentrierter Institutionalismus zusammengeführt. Die Kerngedanken des Ansatzes werden im Abschnitt 4.​4.​2 gesondert vorgestellt, wo auch eine Anbindung des Ansatzes als eines „Theorieadapters“ an Governance erfolgt.
 
18
Mayntz und Scharpf (2005, S. 238) loben die Arbeiten Uwe Schimanks, der beide Perspektiven zu verbinden versucht. Auch könnten ihrer Ansicht nach „beide Perspektiven mit erheblichem Gewinn an Erklärungskraft kombiniert werden“. Die akteurtheoretische Perspektive würde die Rolle der teilsystemspezifischen Handlungsorientierungen unterschätzen. Dagegen verneine die Systemtheorie die Existenz „beobachtungs-, kommunikations- und handlungsfähiger individueller, kollektiver und korporativer Akteure innerhalb der einzelnen Funktionsbereiche“ (ebd.).
 
19
Die Autorin fügt jedoch gleichzeitig hinzu, dass bei der System-Analyse die Tatsache, ob und inwieweit die Teilsysteme gesellschaftliche Bezugsprobleme oder funktionale Imperative erfüllen, bewusst offen gelassen wird (Mayntz 1988, S. 18).
 
20
Das heißt bei Mayntz konkret, dass z. B. der Krankenhausmanager, nicht wie bei Luhmann an dem Code Zahlung/Nichtzahlung zu bemessen ist, sondern zum Gesundheitssystem hinzugerechnet werden sollte.
 
21
Mit der herausragenden Bedeutung des Gruppen- und Gebildecharakters können Mayntz‘ Ausführungen als Pionierarbeit für die erst später einsetzende Governance-Debatte angesehen werden, rücken doch dort bereits Akteurskonstellationen beziehungsweise Regelungsstrukturen (Governance-Strukturen) in den Fokus der gesellschaftlichen Untersuchungen. Mayntz und Scharpf (1995a, S. 60–62) sprechen selbst bereits seit der Entwicklung des akteurzentrierten Institutionalismus von Governance. Vgl. dazu ferner die Ausführungen im Abschnitt 4.​3.​2, wo speziell auf den entwickelten akteurzentrierten Institutionalismus eingegangen wird.
 
22
Vgl. zu der akteurtheoretischen Überführung des Weiteren die Ausführungen Schimanks (2007e, S. 204).
 
23
Neben Schimanks handlungs- und differenzierungstheoretischen Versuch, die Theorieperspektiven des Handelns und der Strukturen zu versöhnen, verdienen an dieser Stelle insbesondere die strukturationstheoretischen Überlegungen von (Giddens 1997) sowie von (Esser 1999, 2000) Erwähnung. Armin Scholl verweist darüber hinaus auf die Feldtheorie Bourdieus sowie den Neo-Institutionalismus, die ebenfalls zu den integrativen Theorien hinzugezählt werden sollten. Während jedoch die Strukturations- und die Feldtheorie in Form vermittelnder Instanzen integrierten, interagierten sie bei dem Neo-Institutionalismus und der Akteur-Struktur-Dynamik (der akteurzentrierten Differenzierungstheorie) (Scholl 2012, S. 183).
 
24
Daneben betont Schimank (2009, S. 194) in diesem Zusammenhang Webers analytisches Pendent der „Wertsphären“.
 
25
Zu der Unterscheidung nach handlungsprägenden und handlungsfähigen Systemen vgl. (Schimank 1985, S. 427–432, 2005, 87–88, 102–110) sowie weitere Ausführungen dazu im Abschnitt 4.​4, wo es um die Verbindung von Governance mit dem ASD-Modell geht.
 
26
Dabei bilden „die unterschiedlichen Interessenlagen der für ein gesellschaftliches Teilsystem relevanten Akteure […] insgesamt die für die Differenzierungsstruktur relevante Interessenkonstellation“ (Schimank 1985, S. 431).
 
27
Schimank unterscheidet bei der Transintentionalität die beiläufig entstehenden Effekte sowie die gescheiterte Intentionalität. Vgl. zu Fragen der Transintentionalität: (Schimank 2012a, 2010, S. 191–201, 2012b, S. 160–169).
 
28
Der Anschluss der differenzierungstheoretischen Gedanken Schimanks an die Governance-Perspektive erfolgt über die Dimension der Akteurskonstellationen, vgl. dazu: Abschnitt 4.​4.
 
29
Innerhalb der Disziplin erfolgte die Einführung in die systemtheoretische Denkweise bereits vor den 1990er-Jahren durch Manfred Rühl (1969, 1979, 1980).
 
30
Vgl. zu der Begrifflichkeit der einfachen Information, über die alle Systeme verfügen, und der Information des Systems Massenmedien die Ausführungen bei: (Kohring 2004, S. 192).
 
31
So ist das Institut für Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster beispielsweise für seine system- und gleichzeitig konstruktivistisch orientierte Forschung bekannt (vgl. Scholl und Weischenberg 1998; Marcinkowski 1993; Blöbaum 1994, 2016; Pörksen und Scholl 2012; Scholl 2012).
 
32
Marcinkowski wird von Fachkollegen „theoretische Pionierleistung“ und „ein entscheidender Theorie-Fortschritt“ (Weber 2010, S. 197) bescheinigt, doch es wird auch auf die Schwierigkeit verwiesen, „ob und wie sich das System Publizistik als autopoietisches System konzeptualisieren läßt“ und wie „das Theoriedesign auf praktikable empirische Untersuchungsanordnungen herruntertransformiert (sic!) werden kann“, denn ein „Übersetzungsmodul“ fehle (Filk 1993, S. 365).
 
33
Schimank (2007c, S. 133) weist darüber hinaus fälschlicherweise auf die Ausführungen von Blöbaum (1994) hin, welcher sich ebenso auf Luhmanns Massenmedien bezöge, und nennt den Code aktuell/nicht aktuell alternativ für das Teilsystem Massenmedien an.
 
34
Dass Medien (vor allem die privatwirtschaftlich organisierten) zum Subsystem der Wirtschaft werden können, verdeutlicht verstärkt Kiefer (2010; 2013). Kiefers Forschungsperspektive fokussiert sich dabei auf die Verbindung von system- und institutionentheoretischen Elementen, wobei der Journalismus als Institution des Mediensystems eine Rolle spielt (vgl. dazu den Abschnitt 4.​4.​4). Vgl. darüber hinaus zu Medien und Journalismus die Ausführungen bei: (Jarren 2016a).
 
35
Bei Neuberger (2004, S. 292) ist jede Kommunikation eine Akteurskonstellation, „in der das Handeln von Kommunikator und Rezipient aufeinander bezogen ist und sich gegenseitig begrenzt.“
 
36
Siehe ferner dazu auch: (Blöbaum 2004).
 
37
Görke und Kohring (1996, S. 28) kritisieren hierbei jedoch: „Das, was Marcinkowski als die Stärke des publizistischen Systems herauskehrt, die Tatsache nämlich, daß es offen sei für Themenkonstruktionen anderer Funktionssysteme (Recht, Wirtschaft, Politik etc.), ist gleichzeitig seine entscheidende Schwäche“.
 
38
Darüber hinaus sprechen Akteurtheoretiker, welche die Handlungs- mit der Systemebene verbinden, in diesem Zusammenhang auch von Interpenetrationsbeziehungen und Handlungssystemen, die sie als „Produktionsgemeinschaften“ auffassen ( Jarren und Donges 2011, S. 166).
 
39
Der Autor bedauert „das Fehlen von spezifischen professionellen Organisationen oder Verbänden für die im Rundfunkbereich tätigen Journalistinnen und Journalisten. Auch fehlen bislang noch betriebsübergreifende Selbstkontrollorgane, wie sie im Printbereich beispielsweise mit dem Presserat existieren“ (Donges 2002, S. 123).
 
40
Die akteurtheoretische Perspektive stellt einerseits den Akteur in den Mittelpunkt der Theorie, geht jedoch andererseits, wie die Systemtheorie, von der Existenz funktionaler Teilsysteme aus: (Donges 2002, S. 52). So setzten sich die Forscher am MPIfG Mayntz und Scharpf (2005) mit dem Steuerungsverständnis bei Niklas Luhmann auseinander. Vgl. zu dem Themenkomplex der politischen Steuerung auch die Arbeiten von: (Lange und Braun 2000 sowie Donges 2002, S. 66–73).
 
41
Auch in der Politikwissenschaft sind vereinzelt Arbeiten bekannt, die sich mit der systemtheoretischen Perspektive auf Steuerung auseinandersetzten. Beispielhaft können hier aufgeführt werden: (Ulrich 1994; Willke 2014b; Görlitz und Bergmann 2001). Diese Autoren sehen die Möglichkeiten der systemischen Steuerung jedoch deutlich pessimistischer als die Autoren der akteurtheoretischen Perspektive an. Siehe hierzu den Abschnitt: 3.2.2.2.
 
42
Zu der Entwicklung des steuerungstheoretischen Paradigmas vgl. insbesondere Abschnitt 3.2.1.
 
43
Schimanks Steuerungsdefinition fällt somit recht allgemein aus, wenn er die Bedeutung der zu steuernden Objekte aufwerten möchte. Damit ist Steuerung ein „doppelt indirektes zielorientiertes Handeln“: „Ein Steuerungsakteur führt den von ihm angestrebten Weltzustand dadurch herbei, dass er den strukturellen Kontext anderer Akteure so gestaltet, dass die diesen Zustand herbeiführen“ (Schimank 1992, S. 167). Mit dieser Definition wird gleichzeitig auf das hier vorrangig zum Einsatz kommende A-S-D Modell abgehoben, wo Akteure, deren Konstellationen und Handlungsorientierungen verstärkt in den Fokus geraten.
 
44
In der letzten Entwicklungsstufe der Steuerungstheorie, der Phase ab den 1990er-Jahren verwischt die Grenze zwischen Steuerungssubjekt und -objekt jedoch zunehmend, vgl. dazu vor allem die Ausführungen in den Abschnitten 3.1 und 3.2.
 
45
Renate Mayntz betont zudem, dass „man den Steuerungsbegriff nicht benutzen [dürfe: Anm. der Verfas.], um die freiwillige Handlungskoordination gleichberechtigter Akteure durch gegenseitige (horizontale) Abstimmung zu bezeichnen“ Mayntz 1997, S. 192. Die Autorin schlägt stattdessen den Begriff der Selbstorganisation vor, verwendet jedoch in ihren späteren Schriften hauptsächlich den Begriff Governance (vgl. die Ausführungen in den Abschnitten 3.2, und 3.3).
 
46
Auf das Steuerungselement des Steuerungssubjektes, des politischen Systems, und dessen Bedeutung innerhalb der steuerungstheoretischen Theorie wird insbesondere in dem nachfolgenden Abschnitt 3.2.2.2 eingegangen.
 
47
An dieser Stelle erfolgte lediglich eine allgemeine Einteilung der Akteure; im Abschnitt 4.​2.​4.​ werden diese zusätzlich detailliert vorgestellt sowie nach Governance-Typen eingeteilt.
 
48
Zu den Steuerungsproblemen, insbesondere dem Steuerbarkeitsproblem, vgl. ferner: (Mayntz 1997, 97 und 194–196).
 
49
Mayntz und Scharpf (1995c, S. 13–14) widmen sich in ihren Untersuchungen insbesondere den sogenannten „staatsnahen“ Sektoren. Als solche bezeichnen sie „gesellschaftliche Funktionsbereiche, die nicht zum Kernbestand der hoheitlichen Staatsfunktionen gehören, für die der Staat – im Durchschnitt der westlichen Industriegesellschaften – aber dennoch ein Maß an Verantwortung übernommen hat, das weiter geht als die ordnungspolitische, konjunkturpolitische und strukturpolitische Verantwortung des Staates für die Leistungsfähigkeit marktwirtschaftlich verfaßter Sektoren oder als die – alle Sektoren erfassende – gesundheitspolitische, umweltpolitische oder verbraucherpolitische Verantwortung des Staates; aber weniger weit geht als die unmittelbare Leistungserbringung durch den der politischen Verantwortung hierarchisch unterstellten und aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanzierten Staatsapparat“. Die Autoren nennen als Beispiele dafür Gesundheitswesen, Forschungssysteme und Telekommunikation, Bildungswesen, Energieversorgung oder Systeme der sozialen Sicherung (ebd.). Es gehört zu den zentralen Aufgaben dieser Arbeit, PSM als einen staatsnahen Sektor zu identifizieren und PSM Governance in diesem Schema zu verorten.
 
50
Unter einer Struktur werden generell verstanden: „die Elemente, aus denen ein Gegenstand (System) aufgebaut ist, und die Art und Weise, in der sie zusammenhängen. Wesentlich […] ist nicht das Vorhandensein oder die bloße Anordnung, wohl aber eine bestimmte Ordnung der Elemente, durch welche Systeme als identisch charakterisiert werden können“ (Lüdtke 1994, S. 651–652).
 
51
Zu den theoretisch relevanten Merkmalen dieser Leistungsstrukturen zählen: „der Grad der technischen Vernetztheit und der organisatorischen Konzentration, die Intensität des Wettbewerbs zwischen den Anbietern (atomistisch, oligopolistisch, kartellisiert, Domänenabgrenzung, Monopol), die Art der Leistungsfinanzierung auf der Aufbringungsseite (Marktpreise, freiwillige oder gesetzlich vorgeschriebene Versicherungsbeiträge, Gebühren, Steuern) und auf der Verwendungsseite (einzelleistungsbezogene oder pauschalierte Honorierung, Budgetierung) und schließlich die Art der Inanspruchnahme (kaufkraftabhängig-freiwillig, subventioniert-freiwillig, kostenlos-freiwillig, Zwangskonsum)“ (Mayntz und Scharpf 1995c, S. 17).
 
52
Dieses Konzept wird genau im Abschnitt 3.2.2.2 erklärt. Es basiert hauptsächlich auf der bereits hier erläuterten Vorstellung von den Standardinteressen beziehungsweise den reflexiven Akteursinteressen innerhalb der Leistungsorganisationen.
 
53
Kleinsteuber (2011, S. 46) bedauert insbesondere, dass bei der juristischen Rezeption von Regulierung in Deutschland der Gedanke der Einbindung der Zivilgesellschaft verloren gegangen sei. Dieser Tatbestand wurde bereits unter 2.​4 und wird im Abschnitt 4.​2.​3 verstärkt thematisiert.
 
54
Auch die hier vorliegende Arbeit stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar. Wenn kein unmittelbarer Bezug auf die jeweilige Theorie beziehungsweise Ansatz erfolgt, wird die Bezeichnung Regulierung auch für Prozesse der Steuerung und Governance im Fließtext synonym verwendet.
 
55
Im Abschnitt 4.​4 werden die jeweiligen Grundüberlegungen der akteurzentrierten Steuerungstheorie sowie des akteurzentrierten Institutionalismus in dem Akteur-Struktur-Dynamiken Modell (Schimank 2007e) münden. Ferner werden die zentralen Überlegungen von Patrick Donges, übertragen auf den Rundfunk, mitberücksichtigt.
 
56
Die Bezeichnungen das politische beziehungsweise das politisch-administrative System werden in der Analyse synonym benutzt. Eine genaue Definition erfolgt weiter unten in diesem Abschnitt. Die akteurtheoretische Definition ist eng mit der Definition des (modernen) Staates verbunden. Dabei kommt es zu einer Abkehr von einer Definition, der Staat konstituiere eine Einheit von Staatsgebiet, Staatsvolk und souveräner Staatsgewalt (Benz 2009, S. 13).
 
57
Dies ist vor allem in Bezug auf das akteurtheoretische Verständnis der Steuerungsfähigkeit des politischen Systems im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Teilsystemen von Belang. Die Problematisierung der Steuerungsmöglichkeit beziehungsweise Steuerbarkeit der gesellschaftlichen Teilsysteme wurde im Abschnitt zuvor im Zusammenhang mit der systemischen Binnendifferenzierung behandelt.
 
58
Für eine ausführliche akteurzentrierte Auseinandersetzung mit Luhmanns Theorie der Politik vgl. insbesondere: (Lange 2003).
 
59
Bei den systemtheoretischen Versuchen Luhmannscher Prägung geht es, wie Patrick Donges (2002, S. 107) es erläutert, „in aller Regel nicht darum, die Leitdifferenzen anderer Systeme aufzuheben und sie dadurch zu zerstören. Bei der Frage nach den Steuerungsmöglichkeiten geht es vielmehr um die Steuerungsintentionen, die unterhalb der Schwelle der Zerstörung anderer Teilsysteme bleiben.“
 
60
Zu den jeweiligen Staatsfunktionen vgl: Willke (2014a, S. 25).
 
61
Für eine weitergehende Beschäftigung mit der systemtheoretischen Perspektive auf Steuerung aus der akteurtheoretischen Perspektive vgl. insbesondere: (Mayntz und Scharpf 2005; Schimank 2005, S. 195–197).
 
62
Die Bezeichnung „staatlich verwenden Mayntz und Scharpf (1995c, S. 16) dabei generell mehrdeutig – „zum einen im Sinne von zentralstaatlich im Gegensatz zu kommunal, dann aber auch im Sinne von öffentlich im Gegensatz zu privat; während es bei der ersten Dimension um Stufen in einer Hierarchie geht, geht es bei der zweiten eher um den Modus der Mittelautbringung“.
 
63
Im breiten Verständnis umfasst Governance auch staatliche Handlungen; vgl. Abschnitt 4.​1.
 
64
Die Annahme der systemischen Autopoiese durch die Systemtheoretiker ist mit dem Konzept der Verhandlungssysteme bzw. Policy-Netzwerke nicht vereinbar.
 
65
Die staatliche Handlungsfähigkeit wird durch das Aufkommen von Verhandlungssystemen jedoch nicht automatisch erhöht, (Donges 2002, S. 80).
 
Metadaten
Titel
Genese des akteurtheoretisch abgeleiteten Governance-Ansatzes
verfasst von
Magdalena Ploch
Copyright-Jahr
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-40693-6_3