2020 | OriginalPaper | Buchkapitel
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geschlecht_transkulturell
Im Beitrag wird den Verschränkungen der Kategorien Kultur und Geschlecht sowie den Interrelationen von nationalkultureller und geschlechtlicher Identität in der zeitgenössischen transkulturellen Migrationsliteratur nachgegangen. Am Beispiel des Romans Der Echsenmann (2001) von Dariusz Muszer werden die in der deutsch-polnischen Literatur häufig zu beobachtenden Strategien der Selbstorientalisierung und Ironisierung bestehender Kulturklischees aufgezeigt, die diese mimikrierend dekonstruieren und als Form der Selbstermächtigung aus einer migrantischen Außenseiterposition führen können. In der Darstellung der symbolischen Kastration des männlichen Helden werden der Konnex von kultureller und sexueller Subalternität und das Aufeinanderprallen west- und osteuropäischer Kultur- und Geschlechterbilder sichtbar. Sowohl seine Integration in die deutsche Gesellschaft, als auch seine Verbindungen zum anderen Geschlecht scheitern. Letztlich führen weder die Strategie der Selbstorientalisierung, noch die Flucht in das Reich der Phantasie zu einer positiven Entwicklung, implizieren aber massive Kritik an den kolonialen Implikationen der aktuellen Diskurse zu Integration und deren geschlechterspezifischen Aspekten.
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Der Begriff der „Intersectionality“ wurde von der amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw (
1989) entwickelt und bezieht sich auf eine Subjekttheorie, die Identität auf Kreuzungen von Differenzierungslinien lokalisiert.
Günther Stocker (
2009) hebt die andere literarische Sozialisation von Migrationsautor_innen aus Osteuropa, ihr distanziertes Verhältnis zur deutschen Sprache sowie die Differenzen in den unterschiedlichen literarischen Traditionen hervor, wie beispielsweise das weitgehende Fehlen von Geschichtenerzählen in der modernen österreichischen Literatur.
Uffelmann verweist in seinem Aufsatz
Konzilianz und Asianismus. Paradoxe Strategien der jüngsten deutschsprachigen Literatur slavischer Migranten (
2003) auf die rhetorischen Strategien von Konzilianz und Asianismus, die er den beiden, die Einwanderungs- und Multikulturalitätsdebatten prägenden Paradigmen zuschreibt: Assimilation und Integration der Konzilianz, Differenz dem Asianismus. Es sei die Spannung zwischen diesen beiden Polen, „die Spannung von Versöhnung und Provokation, von puristischer Anpassung an die Sprache des Einwanderungslandes und rhetorischer Normverletzung, welche die deutsche Literatur slavischer Migranten nach 1999 kennzeichnet.“ (Uffelmann
2003, S. 395).
Uffelmann verweist allerdings auch darauf, dass diese Strategie, sobald sie aufgrund von Erfolg am Literaturmarkt verbreitet und damit anverwandelt wird, die Position der Subalternität verlassen wird.
„Von gelegentlichen Jobs (als Abwäscher oder Werbezettelverteiler) abgesehen, beziehen sie [hier meint Höge die Autoren Muszer und Litanischwili, ebenso wie die Protagonisten in deren Texten] Sozialhilfe. In depressiven Phasen sehen sie sich als Versager und Sozialschmarotzer. Beide Autoren kämpfen mit der Sinnlosigkeit. […] Ansonsten haben sie verwickelte Onaniertechniken entwickelt. In ihren Büchern reden sie bisweilen mit einem Leidensgenossen, der ihnen – als letzter ‚Freund‘ – verblieben ist. Darum geht es den Autoren gerade: die ganze Arschlochhaftigkeit ihrer Existenz herauszuarbeiten – ohne dabei Deutschland etwas zu schenken! Keine Peinlichkeit bzw. peinigende Wahrheit wird ausgelassen.“ (Höge
2000).
Auch bei Helbig-Mischewski muss die Problematik der biographistischen Intepretation kritisch vermerkt werden, wenn sie etwa schreibt: „Der Sarkasmus und der Hang zum Absurden tun den polnischen Migranten-Schriftstellern gut. Sie machen ihre Frustration produktiv und wandeln Aggression in Kreativität um […].“ (Helbig-Mischewski
2014, S. 41 f.).
Als Beispiel kann Olga Grjasnowas Romandebüt
Der Russe ist einer, der Birken liebt (2012) angeführt werden.
Zurück zum Zitat Ahrends, Martin. 2005. Anschwellender Nachhall. Laudatio auf Dariusz Muszer. http://dariusz-muszer.de/blog/martin-ahrends-anschwellender-nachhall/. 31. Juli 2019. Ahrends, Martin. 2005. Anschwellender Nachhall. Laudatio auf Dariusz Muszer.
http://dariusz-muszer.de/blog/martin-ahrends-anschwellender-nachhall/. 31. Juli 2019.
Zurück zum Zitat Bereska, Henryk. 1996. Nachwort. In Zwischen den Linien: Eine polnische Anthologie, Hrsg. Sylvia Geist, 180–184. Hannover: Postskriptum. Bereska, Henryk. 1996. Nachwort. In
Zwischen den Linien: Eine polnische Anthologie, Hrsg. Sylvia Geist, 180–184. Hannover: Postskriptum.
Zurück zum Zitat Bürger-Koftis, Michaela, Hrsg. 2008. Eine Sprache – viele Horizonte…: Die Osterweiterung der deutschsprachigen Literatur. Wien: Praesens. Bürger-Koftis, Michaela, Hrsg. 2008.
Eine Sprache – viele Horizonte…: Die Osterweiterung der deutschsprachigen Literatur. Wien: Praesens.
Zurück zum Zitat Csorba, Anett, Marcell Grunda, Christa Gürtler, Julia Hargaßner, Eva Hausbacher, Andrea Horváth, Eszter Pabis, und Sándor Trippó, Hrsg. 2018. Grenzgängerinnen: Migrationsgeschichten in der Gegenwartsliteratur. Wien: Praesens. Csorba, Anett, Marcell Grunda, Christa Gürtler, Julia Hargaßner, Eva Hausbacher, Andrea Horváth, Eszter Pabis, und Sándor Trippó, Hrsg. 2018.
Grenzgängerinnen: Migrationsgeschichten in der Gegenwartsliteratur. Wien: Praesens.
Zurück zum Zitat Crenshaw, Kimberle. 1989. Demarginalizing the Intersection of Race and Sex. A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics. The University of Chicago Legal Forum 140: 139–167. Crenshaw, Kimberle. 1989. Demarginalizing the Intersection of Race and Sex. A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics.
The University of Chicago Legal Forum 140: 139–167.
Zurück zum Zitat Faryn, Petra. 2015. Echse mit Werwolf-Qualitäten. http://dariusz-muszer.de/blog/petra-faryn-echse-mit-werwolf-qualitaeten/. 30. Juli 2019. Faryn, Petra. 2015. Echse mit Werwolf-Qualitäten.
http://dariusz-muszer.de/blog/petra-faryn-echse-mit-werwolf-qualitaeten/. 30. Juli 2019.
Zurück zum Zitat Haines, Brigid. 2008. The Eastern turn in contemporary German, Swiss and Austrian literature. Journal of Contemporary Central and Eastern Europe 16 (2): 135–149. CrossRef Haines, Brigid. 2008. The Eastern turn in contemporary German, Swiss and Austrian literature.
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Zurück zum Zitat Hausbacher, Eva. 2009. Poetik der Migration. Transnationale Schreibweisen in der zeitgenössischen Literatur. Tübingen: Stauffenburg. Hausbacher, Eva. 2009.
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Zurück zum Zitat Helbig-Mischewski, Brigitta. 2013. Emigration als Kastration. Polnische Männerliteratur in Deutschland. In Polnische Literatur in Bewegung. Die Exilwelle der 1980er Jahre, Hrsg. Daniel Henseler und Renata Makarska, 161–176. Bielefeld: transcript. Helbig-Mischewski, Brigitta. 2013. Emigration als Kastration. Polnische Männerliteratur in Deutschland. In
Polnische Literatur in Bewegung. Die Exilwelle der 1980er Jahre, Hrsg. Daniel Henseler und Renata Makarska, 161–176. Bielefeld: transcript.
Zurück zum Zitat Helbig-Mischewski, Brigitta. 2014. Das polnische Patriarchat und die Krise der Männlichkeit. Jahrbuch Polen, 37–50. Helbig-Mischewski, Brigitta. 2014. Das polnische Patriarchat und die Krise der Männlichkeit.
Jahrbuch Polen, 37–50.
Zurück zum Zitat Höge, Helmut. 2000. Total frustrierte Männer über sich. Gründeln über die eigene existenzielle Sinnlosigkeit im Spiegel wenig beachteter Emigrationsromane. http://dariusz-muszer.de/blog/helmut-hoege-total-frustierte-junge-maenner-ueber-sich/. 30. Juli 3019. Höge, Helmut. 2000. Total frustrierte Männer über sich. Gründeln über die eigene existenzielle Sinnlosigkeit im Spiegel wenig beachteter Emigrationsromane.
http://dariusz-muszer.de/blog/helmut-hoege-total-frustierte-junge-maenner-ueber-sich/. 30. Juli 3019.
Zurück zum Zitat Isterheld, Nora. 2017. „In der Zugluft Europas“. Zur deutschsprachigen Literatur russischstämmiger AutorInnen. Bamberg: University of Bamberg Press. Isterheld, Nora. 2017.
„In der Zugluft Europas“. Zur deutschsprachigen Literatur russischstämmiger AutorInnen. Bamberg: University of Bamberg Press.
Zurück zum Zitat Kałążny, Jerzy. 2012. Schriftsteller im Spagat. Zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur von Autoren polnischer Herkunft. Aussiger Beiträge 6 (6): 119–131. Kałążny, Jerzy. 2012. Schriftsteller im Spagat. Zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur von Autoren polnischer Herkunft.
Aussiger Beiträge 6 (6): 119–131.
Zurück zum Zitat Kazecki, Jakub. 2016. The mimikry of The lizard Man: Dariusz Muszerʼs Narratives of migration in the (Post-) Colonial Context. In Postcolonial slavic literatures after communism, ed., Klavdia Smola and Dirk Uffelmann, 433–451. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Kazecki, Jakub. 2016. The mimikry of
The lizard Man: Dariusz Muszerʼs Narratives of migration in the (Post-) Colonial Context. In
Postcolonial slavic literatures after communism, ed., Klavdia Smola and Dirk Uffelmann, 433–451. Frankfurt a. M.: Peter Lang.
Zurück zum Zitat Makarska, Renata. 2015. „Nackt wie ein heiliger Türke“. Textuelle Mehrsprachigkeit in der polnischen Literatur in/aus Deutschland. Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 6 (2): 119–133. Makarska, Renata. 2015. „Nackt wie ein heiliger Türke“. Textuelle Mehrsprachigkeit in der polnischen Literatur in/aus Deutschland.
Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 6 (2): 119–133.
Zurück zum Zitat Mannheimer, Olga. 2015. Was darf die Literatur, was darf sie nicht? http://dariusz-muszer.de/blog/olga-mannheimer-was-darf-die-literatur-was-darf-sie-nicht/. 30. Juli 2019. Mannheimer, Olga. 2015. Was darf die Literatur, was darf sie nicht?
http://dariusz-muszer.de/blog/olga-mannheimer-was-darf-die-literatur-was-darf-sie-nicht/. 30. Juli 2019.
Zurück zum Zitat Muszer, Dariusz. 1999. Die Freiheit riecht nach Vanille. Roman. München: A1 Verlag. Muszer, Dariusz. 1999.
Die Freiheit riecht nach Vanille. Roman. München: A1 Verlag.
Zurück zum Zitat Muszer, Dariusz. 2001. Der Echsenmann. Roman. München: A1 Verlag. Muszer, Dariusz. 2001.
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Zurück zum Zitat Muszer Dariusz. 2004. Jestem chłop. Szczecin: Biblioteka “Pograniczy”. Muszer Dariusz. 2004.
Jestem chłop. Szczecin: Biblioteka “Pograniczy”.
Zurück zum Zitat Riedel, Monika. 2017. Die deutschsprachige interkulturelle Gegenwartsliteratur russischer Einwanderer und ihrer Nachfahren. In Handbuch des Russischen in Deutschland. Migration – Mehrsprachigkeit– Spracherwerb, Hrsg. Kai Witzlack-Makarevich und Nadja Wulff, 569–583. Berlin: Frank & Timme. Riedel, Monika. 2017. Die deutschsprachige interkulturelle Gegenwartsliteratur russischer Einwanderer und ihrer Nachfahren. In
Handbuch des Russischen in Deutschland. Migration – Mehrsprachigkeit– Spracherwerb, Hrsg. Kai Witzlack-Makarevich und Nadja Wulff, 569–583. Berlin: Frank & Timme.
Zurück zum Zitat Rogacka-Michels, Katarzyna. 2015. Und es passiert noch ein Mord. http://dariusz-muszer.de/blog/katarzyna-rogacka-michels-und-es-passiert-noch-ein-mord/. Zugegriffen: 30. Sept. 2019. Rogacka-Michels, Katarzyna. 2015. Und es passiert noch ein Mord.
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Zurück zum Zitat Stocker, Günther. 2009. Neue Perspektiven. Osteuropäische Migrationsliteratur in Österreich. LebensSpuren: ein Projekt des Österreichischen Bibliothekswerks. http://www.lebensspuren.net/medien/pdf/Guenther_Stocker.pdf. Zugegriffen: 13. Aug. 2019. Stocker, Günther. 2009. Neue Perspektiven. Osteuropäische Migrationsliteratur in Österreich.
LebensSpuren: ein Projekt des Österreichischen Bibliothekswerks.
http://www.lebensspuren.net/medien/pdf/Guenther_Stocker.pdf. Zugegriffen: 13. Aug. 2019.
Zurück zum Zitat Trepte, Hans-Christian. 2013. Zwischen den Sprachen und Kulturen. Sprachverweigerung, Sprachwechsel und Mehrsprachigkeit von Schriftstellern polnischer Herkunft vor und nach 1989/90. In Polnische Literatur in Bewegung. Die Exilwelle der 1980er Jahre, Hrsg. Daniel Henseler und Renata Makarska, 269–285. Bielefeld: transcript. Trepte, Hans-Christian. 2013. Zwischen den Sprachen und Kulturen. Sprachverweigerung, Sprachwechsel und Mehrsprachigkeit von Schriftstellern polnischer Herkunft vor und nach 1989/90. In
Polnische Literatur in Bewegung. Die Exilwelle der 1980er Jahre, Hrsg. Daniel Henseler und Renata Makarska, 269–285. Bielefeld: transcript.
Zurück zum Zitat Uffelmann, Dirk. 2003. Konzilianz und Asianismus. Paradoxe Strategien der jüngsten deutschsprachigen Literatur slavischer Migranten. Zeitschrift für Slavische Philologie 62 (2): 277–309. Uffelmann, Dirk. 2003. Konzilianz und Asianismus. Paradoxe Strategien der jüngsten deutschsprachigen Literatur slavischer Migranten.
Zeitschrift für Slavische Philologie 62 (2): 277–309.
Zurück zum Zitat Uffelmann, Dirk. 2009. Selbstorientalisierung in Narrativen polnischer Migranten. Zeitschrift für Slavische Philologie 66 (1): 153–180. Uffelmann, Dirk. 2009. Selbstorientalisierung in Narrativen polnischer Migranten.
Zeitschrift für Slavische Philologie 66 (1): 153–180.
Zurück zum Zitat Zaimoğlu, Feridun. 1995. Kanak Sprak: 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft. Rotbuch: Hamburg. Zaimoğlu, Feridun. 1995.
Kanak Sprak: 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft. Rotbuch: Hamburg.
- Titel
- Geschlechterkonstruktionen in der deutschsprachigen Literatur osteuropäischer Autor_innen (Dariusz Muszer Der Echsenmann)
- DOI
- https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_9
- Autor:
-
Eva Hausbacher
- Sequenznummer
- 9