1 Bedarf an gestaltungs- und anwendungsorientierter Forschung
2 Referenzmodellierung in der Telekommunikationsindustrie
2.1 Herausforderungen der Telekommunikationsindustrie
2.2 Referenzmodelle des TM Forums
3 Forschung für die Praxis am Beispiel der Telekommunikationsindustrie
3.1 Ablauf und Vorgehen
3.2 Darstellung des Artefakts
- Die Kundenzentrierte Domäne enthält alle Interaktionen, die direkt vom Kunden initiiert werden.
- Die Technologiedomäne umfasst die Realisierung und den Betrieb von Kommunikationsdiensten und Netzwerkressourcen.
- Die Produktdomäne reicht von der Produktentwicklung bis zur Produkteliminierung.
- Die Kundendomäne umfasst Interaktionen, die mit Kunden zu tun haben, aber nicht direkt vom Kunden initiiert werden (z. B. Marketingkampagnen).
- Die Supportdomäne umfasst allgemeine Unterstützungsprozesse (z. B. Finanz- oder Personalmanagement).
3.3 Anwendung in Praxisprojekten
Gegenstand | Vorgehen | Artefakt | Evaluation |
---|---|---|---|
Praxisprojekt 1: Verbesserung des Problembehebungsprozesses | |||
– Etabliertes TK-Unternehmen im Mittleren Osten (ehemaliger Monopolist) – Verstärkter Wettbewerb bei gleichzeitig sinkender Kundenzufriedenheit – Verbesserung des Problembehebungsprozesses als Bestandteil eines umfangreichen Transformationsprogramms | – Analyse der Ist-Prozesse basierend auf eTOM (Ebene 0–1) – Durchführung von Interviews zum Verständnis der aktuell implementierten Prozesse – Gestaltung der Soll-Prozesse basierend auf den eTOM-Referenzprozessabläufen (Ebene 3) – Zuordnung auf bestehende Organisationsstruktur – Anpassung an spezifische Anforderungen basierend auf Workshops | – Detaillierte Sollprozesse als konkretes Anwendungsmodell für das TK-Unternehmen – Insgesamt 35 Prozessdiagramme basierend auf eTOM | – Implementierung der Soll-Prozesse innerhalb von 8 Monaten – Konkrete Leistungsverbesserungen wurden nach der Implementierung gemessen, z. B. Reduktion der prozessbezogenen Arbeitszeiten um 39 %, Reduktion der gemeldeten Störungen um 23 % |
Praxisprojekt 2: Implementierung eines Network Operations Center | |||
– Afrikanisches TK-Unternehmen (Festnetz und Mobilfunk) – Gründung eines übergreifenden Network Operations Center (NOC) – Gestaltung von Zielprozessen für das neue NOC | – Durchführung in drei Phasen – Phase 1: Analyse der bestehenden Prozesse – Phase 2: Gestaltung eines Ordnungsrahmens für die Zielprozesse – Phase 3: Entwurf detaillierter Zielprozesse – Nutzung der Technologiedomäne von eTOM als Referenz in allen drei Phasen | – Komplettes Prozessdesign Ebene 0 bis 5 als Zielprozesse für das neue NOC – Anpassung der eTOM-Referenzabläufe basierend auf den spezifischen Anforderungen des TK-Unternehmens – Zuordnung von operativen Verantwortlichkeiten und Leistungskennzahlen | – Abstimmung aller Zielprozesse mit den verantwortlichen Personen – Unabhängige Zertifizierung aller Zielprozesse durch das TM Forum – Bestätigung der Qualität und Konformität durch das TM Forum |
3.4 Aktuelle Weiterentwicklung im TM Forum
- Phase 1: Auswahl der relevanten Geschäftsdimensionen
- Phase 2: Bewertung des aktuellen Reifegrades in den ausgewählten Geschäftsdimensionen
- Phase 3: Differenzanalyse zwischen bewertetem digitalen Reifegrad und digitalem Soll-Zustand
- Phase 4: Definition und Detaillierung konkreter Optimierungsmaßnahmen zur Schließung der identifizierten Lücken
- Phase 5: Priorisierung von Optimierungsmaßnahmen und Roadmap zur digitalen Transformation
- Phase 6: Projektmanagement und Überwachung der Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen
4 Diskussion des vorgestellten Forschungsansatzes
- Zusammenarbeit mit einem Industriegremium vereinfacht die Abstraktion von konkreten Problemstellungen.
- Fokussierung auf ein anerkanntes und bestehendes Referenzmodell schafft den anwendungsorientierten Rahmen für einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn.
- Kontinuierliche Anwendung in Praxisprojekten ermöglicht die iterative Validierung und Weiterentwicklung.
- Gemeinsame Veröffentlichungen in Forschung und Praxis fördern das gegenseitige Verständnis und damit auch den Austausch.
- Wahrnehmung der Relevanz der Problemdomäne variiert teilweise in Forschung und Praxis. Während in der Praxis die TK-Industrie mit den verbundenen Herausforderungen als eigenständiges Problemfeld unstrittig ist, ist ein industriespezifischer Fokus in der Wissenschaft durchaus erklärungsbedürftig.
- Balance zwischen Methode und Inhalt kann schwierig sein, da aus Praxissicht ein stärkerer Fokus auf den Inhalten liegt, während eine methodische Fundierung aus Forschungssicht unerlässlich ist. Eine zielgruppenspezifische Darstellung der Forschungsergebnisse kann dabei nützlich sein.
- Wissenschaftstheorie ist nur von einseitigem Interesse. Aus Forschungssicht ist die wissenschaftstheoretische Fundierung von existentieller Bedeutung. Aus Praxissicht wird die Bedeutung meist gering eingeschätzt.
- Darstellung von kontextspezifischen Anpassungen kann zu Missverständnissen führen. Nicht alle Gestaltungsentscheidungen der Praxisprojekte folgen einem objektiv nachvollziehbaren Vorgehen, wie es in einem wissenschaftlichen Rahmen gewünscht wäre. Trotzdem stellen die Praxisprojekte einen wichtigen Bestandteil sowohl aus Sicht der Relevanz als auch der Rigorosität dar.
- Dokumentation und Zugänglichkeit der Forschungsergebnisse unterscheidet sich in Praxis und Forschung. Die Forschungsergebnisse sind für Mitglieder des Industriegremiums frei verfügbar (darüber hinaus jedoch nicht), was aus Praxissicht unkritisch ist, in der wissenschaftliche Community teilweise zu Diskussionen führt. Außerdem ist die Dokumentation von Praxisprojekten ausschließlich in stark zusammengefasster und meist anonymisierter Form möglich.
- Iterative Weiterentwicklung eines anerkannten Referenzmodells wird teilweise unterschiedlich wahrgenommen. Während Nutzen und Relevanz in der Praxis gerade durch die Nutzung eines bestehenden Referenzmodells entsteht, variiert die Bewertung aus wissenschaftlicher Sicht. So erfüllen bspw. historisch gewachsene Strukturen des Referenzmodelles nicht den Anspruch eines strikt objektiven Vorgehens.
- Institutionalisierung des Forschungsansatzes ist innerhalb einer stark durch Drittmittel getrieben Forschungslandschaft schwierig. Aus Praxissicht stellt die Weiterentwicklung von eTOM – also die wissenschaftliche Forschung – eine Themenentwicklung dar, die von den Mitgliedsunternehmen durch gemeinsam erarbeitete Artefakte unterstützt wird. Grundsätzlich versteht sich das TM Forum als nicht-gewinnorientierte Organisation.