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28.04.2025 | Gesundheitsprävention | Fragen + Antworten | Online-Artikel

Arbeitschutz erreicht neues Level

verfasst von: Stefan Ganzke

4:30 Min. Lesedauer

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Die Anforderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz steigen. Treiber sind die Digitalisierung und neue rechtliche Anforderungen. Das verändert auch die Rolle der Fachkräfte für Arbeitssicherheit in Betrieben. 

Welche Änderungen ergeben sich aus der aktualisierten DGUV Vorschrift 2 für Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SiFa) und Unternehmen?

Für die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und deren sicherheitstechnische Betreuung in den Unternehmen ergeben sich aus der aktualisierten DGUV Vorschrift 2 drei wesentliche Themenfelder: Neben der Ermittlung der Einsatzzeiten wurde eine Öffnung für die Nutzung von digitalen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten vorgenommen. Eine bedeutende Änderung ist die Erweiterung der fachlichen Abschlüsse, die nun eine Qualifizierung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit ermöglichen.

Welche Abschlüsse berechtigen jetzt eine Qualifizierung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit?

Bisher konnten in der Regel nur Techniker, Meister und Ingenieure eine Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit beginnen. Ausnahmeregelungen durch die Unfallversicherer erfolgten nur in seltenen Fällen. Durch die Aktualisierung der DGUV Vorschrift 2 ist der Kreis der anerkannten Abschlüsse deutlich erweitert worden. Ergänzend zu den technischen Voraussetzungen kann die Ausbildung nun auch mit Abschlüssen in Studiengängen wie Chemie, Physik, Biologie, Humanmedizin, Ergonomie, Arbeitshygiene, Arbeitswissenschaften sowie der Arbeits- und Organisationspsychologie absolviert werden.

Welche Gründe gibt es für die Öffnung der Qualifizierungen zur Fachkraft für Arbeitssicherheit?

Es gibt wahrscheinlich zwei wesentliche Gründe für die Öffnung: Zum einen macht der Fachkräftemangel auch vor dem Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht Halt. Viele Stellen können heute schon nicht mehr besetzt werden, und ein Festhalten an den bisherigen Voraussetzungen hätte wahrscheinlich keine Verbesserung gebracht. Zum anderen hat sich die Arbeitswelt kontinuierlich weiterentwickelt. Zahlreiche Studien zeigen, dass zwischen 65 und 95 Prozent aller Arbeitsunfälle auf Entscheidungen und Handlungen von Menschen zurückzuführen sind.

Das bedeutet, dass es mehr braucht als die klassischen technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen. Es erfordert einen deutlich stärkeren Fokus auf die systemische Weiterentwicklung der jeweiligen Organisation sowie die Befähigung aller - vom Management bis hin zu den Mitarbeitenden. Zudem steigen die krankheitsbedingten Ausfallzeiten durch psychische Belastungen weiterhin an, und auch Muskel-Skelett-Erkrankungen bleiben ein zentrales Thema. Gerade hier fehlt es technisch geprägten Fachkräften für Arbeitssicherheit häufig an den notwendigen Kompetenzen, um an diesen entscheidenden Stellschrauben effektiv zu arbeiten.

Welche Herausforderungen ergeben sich aus den neuen, interdisziplinären Anforderungen für den Arbeitsschutz?

Die neuen Anforderungen an Sicherheitsfachkräfte erfordern eine umfassende Anpassung bestehender Qualifikationsprofile. Neben der kontinuierlichen Vertiefung technischen Wissens sind auch Weiterbildungen in Bereichen wie Moderation, Coaching und Verhaltenssteuerung unabdingbar. Langjährig etablierte Fachkräfte stehen vor der Aufgabe, sich in diesen neuen Disziplinen weiterzuentwickeln, um den veränderten Ansprüchen gerecht zu werden. Gleichzeitig muss eine Balance zwischen technischen Vorgaben und der Förderung einer positiven Unternehmenskultur gefunden werden, was den Transformationsprozess im Arbeitsschutz vorantreibt.

Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus den neuen Qualifizierungsvoraussetzungen für Unternehmen?

Die Ursachen von Arbeitsunfällen und unsicheren Situationen lassen sich in der Regel durch eine systemische Organisationsentwicklung, die Befähigung von Menschen und einen gezielten Fokus auf Verhaltensweisen beeinflussen. Diese drei Themenfelder gehören jedoch nicht zum Standardrepertoire der bisherigen Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Auch der Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit e.V. (VDSI) hat diesen Trend erkannt und in seiner VDSI-Information 04/2024 Anforderungen an sogenannte Präventionskultur-Entwickler formuliert, zu denen auch Fachkräfte für Arbeitssicherheit zählen.

Aus dieser Perspektive bietet die Öffnung für andere Studienabschlüsse - insbesondere im Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie - wertvolle Vorteile für die Präventionsarbeit in Unternehmen. Besonders in mittelständischen Unternehmen und Konzernen, in denen mehrere Fachkräfte für Arbeitssicherheit tätig sind, kann eine Mischung der Kompetenzen einen erheblichen Beitrag zu einem wirksameren Arbeits- und Gesundheitsschutz leisten.

Ein gewisses Risiko besteht jedoch, wenn in einem Unternehmen oder bei überbetrieblichen Diensten nur eine Fachkraft für Arbeitssicherheit ohne technischen Hintergrund tätig ist. In solchen Fällen könnte das fehlende technische Verständnis dazu führen, dass konventionelle technische und organisatorische Maßnahmen nicht ausreichend wirksam umgesetzt werden.

Welche Veränderungen ergeben sich durch die Aktualisierung der DGUV Vorschrift 2 im Bereich der digitalen Medien?

Verständlicher, moderner und zielgerichteter - diese drei Ziele hat sich die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) bei ihrer Überarbeitung gesetzt. Im Bereich der digitalen Informations- und Kommunikationsmittel wurden dabei deutliche Fortschritte erzielt. So können Fachkräfte für Arbeitssicherheit in Unternehmen mittlerweile virtuell an Terminen teilnehmen. Dies umfasst sowohl Gespräche als auch - unter bestimmten Voraussetzungen –- die Teilnahme an Sicherheitsbegehungen. Was auf den ersten Blick unmöglich erscheint, wird bereits von einigen Fachkräften erfolgreich umgesetzt.

Allerdings gibt es klare Spielregeln für die digitale sicherheitstechnische Beratung. Zu Beginn ist eine fundierte Kenntnis der Rahmenbedingungen vor Ort erforderlich, um überhaupt eine Bewertung aus der Distanz vornehmen zu können. Gleichzeitig beschränkt die rechtliche Situation den Anteil der digitalen Beratung auf maximal ein Drittel der Einsatzzeit. Die Unfallversicherungsträger können diesen Anteil jedoch auf bis zu 50 Prozent erhöhen.

Trotz dieser Neuerungen bleibt der persönliche Kontakt zu den Menschen vor Ort unverzichtbar. Denn Arbeits- und Gesundheitsschutz beginnt in den Köpfen der Mitarbeitenden. Dafür braucht es weniger Regelwerke und mehr Beziehungsmanagement - von Mensch zu Mensch. Die neuen Regelungen zur digitalen Beratung dürfen nicht dazu führen, dass Entscheidungen noch häufiger ausschließlich aus dem Büro getroffen werden. Vielmehr sind mehr Beteiligung, Dialog und Diskussion mit den Betroffenen notwendig.

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Quelle:
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