Immer online und erreichbar: Die Technik erlaubt es, jederzeit dort zu arbeiten, wo ein Internetzugang verfügbar ist. Doch diese Flexibilität hat negative Konsequenzen für die Gesundheit, belegt eine Studie.
Das digitale Zeitalter hat eine große Wirkung auf die Wahrnehmung und die Wichtigkeit der Gesundheit beim Menschen. Psychische Erkrankungen durch Reizüberflutung des Gehirns und durch die rasanten Veränderungen der digitalen und globalisierten Welt sind in den letzten Jahren deutlich auf dem Vormarsch."
Was Springer-Autorin Miriam Goos im Buchkapitel "Gesundheit im Zeitalter der digitalen Wirtschaft – Stress und Burn-out als Reaktion auf Veränderung" beschreibt (Seite 1115), hat jetzt die bislang größte und umfassendste Studie zum Thema bestätigt. Für die Untersuchung der Universität Augsburg mit dem Titel "Digitaler Stress in Deutschland" (PDF) wurden mehr als 2.600 Teilnehmer in unterschiedlichen Branchen, Berufen und Regionen in Deutschland befragt. Im Zentrum der Analyse steht die Frage, wie die fortschreitende Digitalisierung die Belastung am Arbeitsplatz verändert und welche Konsequenzen das für Beschäftigte hat.
Hoher digitaler Stress macht krank
Ein überraschende Ergebnis: Ausgerechnet die Gruppe der 25- bis 34-Jährigen, also die so genannten Digital Natives, fühlen sich durch die digitale Nutzung gestresster als andere Altersgruppen. Übergreifend lässt sich feststellen, dass digitaler Stress ein Gesamtphänomen ist, dass zu gesundheitlichen Problemen führt und die Arbeitsleistung mindert, wenn er überhand nimmt.
So leiden laut Studie mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer mit hohem digitalen Stress unter Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und allgemeiner Müdigkeit. Zudem verringere das Jonglieren mit vielen Tools die Arbeitszufriedenheit sowie die Bindung an den Arbeitgeber. Ein weiteres Kernergebnis ist, dass hoher digitaler Stress bis in das Privatleben wirkt, weil die Grenzen zwischen und Berufs- und Privatleben verwischen. Weitere Erkenntnisse der Studie:
- Der Digitalisierungsgrad des Arbeitsplatzes ist nicht alleine ausschlaggebend für das Stresserleben. Arbeitnehmer fühlen sich vielmehr dann überlastet, wenn die digitale Transformation am Arbeitsplatz weit fortgeschritten ist und ihre Kompetenzen damit nicht Schritt halten können.
- Digitaler Stress ist in allen Branchen zu finden.
- Mehr als ein Drittel der befragten Arbeitnehmer (37,5 Prozent) sind im Umgang mit digitalen Technologien verunsichert und erleben das als größten Stressfaktor.
Verantwortungsvoller Umgang mit Spielräumen in der digitalen Welt
"Beschäftigte verfügen heute tendenziell über mehr Spielräume, ihre Erreichbarkeit für die Arbeit selbst mitzubestimmen. Auf der anderen Seite müssen sie sich jedoch stets an den Anforderungen der Arbeitsorganisation orientieren, die an sie gestellt werden", schreibt Springer-Autor Hannes Strobel über den Wandel der Arbeitswelt. Doch nicht jeder Arbeitnehmer besitzt die Fähigkeit, verantwortungsvoll mit diesen Freiheiten und Möglichkeiten umzugehen. Daher empfiehlt die Medizinerin Miriam Goos, die sich auf Burnout-Prävention spezialisiert hat:
Unternehmen sollten die Vorteile einer digitalen Wirtschaftswelt auch nachhaltig für ihre Mitarbeiter nutzbar und genießbar gestalten, indem sie rechtzeitig präventive Methoden gegen Burn-out und Überforderung auf organisationaler Ebene einführen. Je mehr sie sich heute für die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter einsetzen, desto stärker kommen sie Überreizung und Burn-out zuvor und können länger mit Arbeitskräften rechnen, die eine Sinnhaftigkeit und Erfüllung in ihrem Tun sehen und gute Arbeit leisten. (Seite 1116)
In einem ähnlichem Tenor äußern sich die Studien-Autoren von der Universität Augsburg. So rät Studienleiter Henner Gimpel zu verhaltenspräventiven Maßnahmen, um Fehlbeanspruchungen durch digitalen Stress zu vermeiden. Dazu gehöre es nach Ansicht des Forschers, Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien und in der Bewältigung von digitalem Stress zu vermitteln. Bei der Umsetzung sind Unternehmen und insbesondere Führungskräfte in der Pflicht.