Zigarettenkippen gehören nicht in die Umwelt. Doch jedes Jahr landen Milliarden davon auf Straßen, Wiesen und vor allem: in Gewässern. Sie sind eine giftige Gefahr für unsere Ökosysteme – mit weitreichenden Folgen, wie eine neue Studie zeigt.
Zigarettenkippen schaden der Umwelt und helfen Cyanobakterien beim Wachsen.
Oleg / stock.adobe.com / Generated with AI
Jedes Jahr werden weltweit rund 5 Billionen Zigaretten geraucht. Davon landen laut Studien etwa 4,5 Billionen achtlos in der Umwelt – damit sind Zigarettenstummel eine der häufigsten Abfallarten weltweit. Besonders problematisch: das darin enthaltene Nikotin. Es ist nicht nur für Menschen giftig, sondern auch für Wasserorganismen.
In Berlin hat ein Forschungsteam um Markus Venohr vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) die Nikotinkonzentration in verschiedenen Gewässern untersucht. Das Ergebnis: Nach Regenfällen stieg der Nikotingehalt in fast allen Proben deutlich an. Besonders betroffen waren Kanäle mit direktem Anschluss an die Kanalisation, wo die Konzentration im Durchschnitt um das 16-fache anstieg. Spitzenreiter war der Teltowkanal mit 1.470 Nanogramm Nikotin pro Liter nach Regen – ein Wert, der deutlich über dem liegt, was für Wasserlebewesen als unbedenklich gilt.
Warum Regen alles verschlimmert
Zigarettenstummel, die am Ufer liegen oder direkt ins Wasser geworfen werden, sind nur die Spitze des Eisbergs. Auch Kippen, die in der Straßenrinne landen, können über die Kanalisation in Flüsse und Seen gelangen. Da Nikotin sehr gut wasserlöslich ist, wird bereits nach 30 Minuten Regen etwa die Hälfte des Nikotins aus einer Zigarettenkippe herausgelöst. Das Gift fließt dann ungehindert in unsere Gewässer – mit fatalen Folgen für Fische, Krebse und andere Wasserbewohner.
Doch das ist nur ein Teil des Problems. Die IGB-Studie zeigt einen überraschenden Nebeneffekt der Zigarettenvergiftung: Giftige Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, profitieren indirekt von den Schadstoffen.
Wie das geht?
Erika Martinez-Ruiz und ihr IGB-Team „Disease Evolutionary Ecology" haben herausgefunden, dass die Chemikalien aus Zigarettenkippen auch sogenannte Chytridpilze – Parasiten, die normalerweise Cyanobakterien befallen und deren Wachstum kontrollieren. Fällt dieser natürliche Gegenspieler weg, können sich die giftigen Bakterien ungehindert ausbreiten. Damit steigt die Gefahr von Blaualgenblüten, die nicht nur ökologische, sondern auch gesundheitliche Risiken für Mensch und Tier bergen.
Komplexes Ökosystem in Gefahr
Ökotoxizitätstests konzentrieren sich oft auf einzelne Schadstoffe und ihre Wirkung auf bestimmte Arten. Die Umwelt ist jedoch komplexer: Schadstoffe treten fast nie isoliert auf, sondern in Mischungen, die ganze Artengemeinschaften beeinflussen. Die IGB-Studie zeigt, wie wichtig es ist, solche Wechselwirkungen zu verstehen, um die ökologischen Folgen von Umweltgiften besser abschätzen zu können.
Die Lösung beginnt bei uns allen (zumindest bei den Rauchern): Zigarettenstummel gehören in den Mülleimer, nicht auf den Boden. Strengere Umweltauflagen für die Entsorgung von Tabakprodukten und Aufklärungskampagnen könnten zudem helfen, das Bewusstsein für die unsichtbare Gefahr zu schärfen. Denn jede Kippe, die nicht in der Umwelt landet, ist ein kleiner Sieg für unsere Gewässer und die Artenvielfalt darin.