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2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

6. Gewalt und Unsicherheit. Auswirkungen auf Frieden und Entwicklung

verfasst von : Bettina M.E. Benzing

Erschienen in: Gewalt in den Anden

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Kapitel 6 diskutiert kommunikationstheoretische Überlegungen zu Vertrauens- und Misstrauenserwartungen, die mit einer Bedrohungskommunikation einhergehen. Argumentiert wird, dass eine für komplexe soziale Systeme übliche Vertrauenserwartung in Kommunikation ersetzt wird durch eine Misstrauenserwartung, welche versicherheitlichende Aspekte des Alltags mit sich bringt. Mithilfe eines differenzierungstheoretischen Arguments wird die Versicherheitlichung sozialer Räume und soziale Exklusionsmechanismen in Funktionssystemen aufgrund von Gewaltphänomenen und deren Auswirkung auf Entwicklung und Frieden erläutert.

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Fußnoten
1
In Abschnitt 2.​3.​2 auch von Koloma Beck/Schlichte 2017 ausgeführt.
 
2
Ein Faktor, der sich durch die ausgeprägte Korruption und Straflosigkeit reziprok verstärkt.
 
3
Gib keine Papayas.
 
4
„Glaubst du wirklich, dass wenn sie [die Regierung] eine gute Absicht hätten, sie dann in einem derart großen Stile Drogen produzieren würden? Warum sollten sie in Caguan sein? Bei einem früheren Friedensprozess der Regierung Pastrana, ein anderer Präsident, es ist der gleiche Prozess. Der Waffenstillstand dient der Stärkung der Guerilla. Die Regierung macht das so: sie stärken die Guerilla in diesem Moment. Es gibt einen Waffenstillstand, damit viele Drogen produziert werden können, die Guerilla wieder stärker wird und sich besser bewaffnen kann.“
 
5
„Der Regierung hier in Kolumbien fehlt es an einer harten Hand. Deswegen hilft der Friedensprozess dem Verbrechen, weil sie … ich kann da nicht mehr hinsehen, ein Typ hier in der Comuna hat eine Frau getötet: 40 Jahre, ein ganzes Leben verschwendet im Gefängnis. Keine Möglichkeit zu sagen, dass man etwas falsch gemacht hat. Es gibt die, die das machen, weil sie was falsches machen, andere, weil sie es mögen. Aber nun haben die FARC, die ELN tausende von Leuten getötet und gehen keinen einzigen Tag ins Gefängnis. Also, das sind Dinge, die dich zum Nachdenken bringen. Nun, wo ist da Gerechtigkeit? Es war nicht die Familie, die getötet hat, sondern ein paar Bauern. Da sie Bauern sind, passiert ihnen nichts. Niemand, solange sie nicht im Schuh eines anderen stecken, tut nichts. Wird das nicht … so weitergehen? Jahre werden vergehen und der Staat wird nie etwas tun.“
 
6
„Es ist mehr alle gegen die Streitkräfte. Gegen die gleichen Repräsentanten des Staates, sagen wir, die des Bürgermeisteramtes. Wir glauben nicht an sie, und sie glauben nicht an uns. Und gut, so bewaffnen sich die Akteure.“
 
7
Die Versicherheitlichung in intrastaatlichen Konflikten sowie die Effekte einer Versicherheitlichung auf friedensstiftende Maßnahmen und Statebuilding werden ausführlich in Bonacker et al. (2017) diskutiert.
 
8
Zur Erinnerung: Es ist nicht möglich nicht zu kommunizieren.
 
9
„Ich würde sagen, dass man in Cali von vielen Unsicherheiten umgeben lebt. Denn man weiß jedes Mal, dass man sich auf eine gewisse Weise bewegen muss, man muss sich schützen, zu gewissen Uhrzeiten ausgehen. Und wie ich Ihnen sagte, ich gehe immer in Begleitung meiner Engel vor die Tür, damit mir nichts passiert. Wenn man sehr früh vor die Tür geht oder allein, kann es einem passieren wegen seines Handys getötet zu werden. Wie man bei uns sagt, lerne mit den Unsicherheiten zu leben, weil du nichts riskieren solltest.“
 
10
„Weil für mich, zum Beispiel, es gibt viele Stadtteile Calis, die ich nicht kenne. Weil ich weiß, dass wenn ich in gewisse Teile der Stadt gehe, kann sofort was passieren. Also vermeidet man gewisse Gegenden.“
 
11
‚Nogal‘ ist ein Club in Bogotá, indem hohe Vertreter aus Wirtschaft und Politik verkehren. 2003 hat hier ein terroristischer Anschlag stattgefunden, zu dem sich die die FARC bekannt haben.
 
12
„Hier ist die Vorstellung von Gewalt, die wir in unseren Köpfen haben, das allgemeine Verbrechen. Man könnte letztlich alle Wahrnehmungen von Unsicherheit oder Sicherheit studieren, die Menschen würden sich doch unsicher fühlen. Sie denken, dass sie ihr Handy gestohlen bekämen; sie denken, dass ihr Fahrrad gestohlen wird. Man geht auf die Straße und spürt die Angst vor: ‚Nein, besser nicht ans Handy‘. Sagen wir, dass die Priorität in Friedensfragen hier nicht der Konflikt mit der FARC ist. Hier in Bogotá wurde dieser Konflikt nicht gelebt. Die einzige Sache war der Angriff auf das ‚Nogal‘, der 2003 war, falls ich mich nicht irre.“
 
13
Ein davon leicht abweichendes Verständnis von Weltgesellschaft ist in der Englischen Schule zu finden. Vergleiche hierfür: Buzan 2004, ferner Meyer 1999, 2014.
 
14
Siehe auch Luhmann 1997a; Albert 2016; Stetter 2019
 
15
Zur problematischen Auseinandersetzung mit der Moderne in Kolumbien siehe auch Palacios Rozo 2006.
 
16
Der Stein, um den es im Interview ging, stellte die Demarkationslinie zwischen zwei kontrollierten Gebieten dar, eine Frontera Invisible.
 
17
„Du wirst hier geboren, wirst als Estrato 1 geboren, und du bist Estrato 1. Ich weiß nicht bis wann du wechseln könntest in ein anderes Estrato.“
 
18
ehemaliger Bürgermeister von Bogotá, Senator und Präsidentschaftskandidat. Für das Zitat relevant in erstgenannter Funktion.
 
19
„Er versteht die Gewalt als eine Abgrenzung innerhalb der Stadt. Die Stadt differenziert sich, der gleiche urbane Raum, in verschiedene soziale Strata. Diese Dominanz der Strata, für mich hat das etwas willkürliches, etwas kontraproduktives, das, glaub ich, nur in Kolumbien existiert. Ich weiß nicht, in welcher anderen Weltregion es sowas wie ein Stratussystem gibt.Mit anderen Worten, es gibt Teile der Stadt, in denen du gezwungen bist, arm zu sein.“
 
20
„Im Fall von Soacha [Stadtteil im Süden Bogotás], dass das illustrativste von allen ist, dort gibt es BACRIM, organisierte Gruppen des Microtrafficking. Leute, die vorher bei den Paramilitares waren und jetzt bei den BACRIM sind und die intern Vertriebenen hassen. Sie wollen sie [die Vertriebenen] loswerden, das ist so kompliziert. Realistisch betrachtet sind das Dynamiken, wo Menschen nicht einmal oder zweimal, sondern drei- und viermal vertrieben wurden. Sie wandern dann von ihren Dörfchen in das Stadtgebiet, von der Innenstadt in die umliegenden urbanen Gebiete, und werden von dort auch immer weiter vertrieben bis sie drei- und viermal vertrieben wurden. Das ist es, was hier in Bogotá als innerstädtische Vertreibung bezeichnet wird.“
 
21
„90 % der Familien sind direkt oder indirekt von Vertreibung betroffen.“
 
22
Wenngleich die An-Alphabetenrate gering ist und wenigstens eine Grundbildung in weiten Teilen des Landes gewährleistet ist, bedingen soziale wie konfliktbedingte Faktoren (Flucht und Vertreibung), dass kein höherer Bildungsabschluss erreicht wird. Auch hat hier die hohe Geburtenrate in jungen Jahren (zwischen 13–17) bei Mädchen aus Schichten mit geringeren Einkommen und das oftmalige Fehlen des Vaters einen Einfluss auf die Bildungschancen dieser Mädchen.
 
23
„In diesem unteren sozialen Ambiente ist es wirklich schwierig. Was wird der Staat mit ihnen machen? Das ist die Millionen-Frage. Was wird er tun, um die Gesellschaft von dort aus zu verbessern. Denn die Leute aus einer mittleren ökonomischen Schicht, die gehen auf eine Schule, können studieren. Sie sind mehr oder minder abgesichert. Aber in den unteren Strata, dort wird zur Gewalt ermutigt. Dort sind Verbrecher, denen es egal ist, ob sie mit dem Messer auf jemanden losgehen oder erschießen. Denen muss man beikommen.“
 
24
„Daher, in diesen untersten Strata finden wir die meisten Probleme, aber in keinem Moment wollen wir sie für ihr sozioökonomisches Stratus stigmatisieren, nein. Denn dann würden wir für Diskriminierung und Stigmatisierung sorgen, wir wollen weder das eine noch das andere. Was wir wollen, wir müssen präsent haben, dass es bei ihnen ein niedriges Bildungsniveau gibt. Wo liegt aber das Problem des Zugangs zur Bildung, es liegt in der Motivation zur Bildung.“
 
25
Servicio Nacional de Aprendizaje
 
26
Information aus immer wieder informell geführten Gesprächen genommen
 
27
„Es beginnt sehr attraktiv zu werden für die jungen Frauen an der Seite eines Auftragsmörders zu sein. Anders ausgedrückt, sie verwandeln sich in den Typus Frau, den ein Sicario liebt und das ist üppig. Und sie weiß, dass er vielleicht nicht lang macht. Er stirbt schnell, aber es bleiben seine ökonomischen Ressourcen. Das ist ein eKalkulation, die junge Frauen machen. Sie sind eine zeitlang mit einem Auftragsmörder zusammen und bekommen dafür eine Belohnung. (freie Übersetzung zum besseren Verständnis im Deutschen)“
 
28
„Eines Tages sagte er mir: Wissen Sie was, das einzige, das ich brauche, ist eine Waffe und einen Schlafplatz. Mehr brauche ich nicht. Daher habe ich ihn dann gesagt, ok, alles klar. Möchtest du mehr erfahren zu anderen Optionen? Er sagte mir nein.“
 
29
„Schauen Sie sich diese Menge an Kindern ohne Zukunft an. Und all diese kriminellen Banden, diese Banditen, die diese Gruppen bilden, und die Kids hängen sich da dran. Und sie [die Kinder] haben keine Ausbildung, keine Mütter, und die Väter dieser Jungs geben ihnen keine Möglichkeit besser zu leben. Daher darf ich [Bürgermeister] diesen Jungs dann beibringen bessere Menschen zu sein. Das ist prinzipiell der Grund, warum sich diese kriminellen Banden in den Städten so stark verbreiten.“
 
30
„…während andere Leute aus dem Stratus 6 Zugang zu den besten öffentlichen Dienstleistungen haben. Diese städtische Segregation ist eine Art von Gewalt. Es gibt hier Leute, die in Estrato 1 geboren wurden und einfach nicht die Möglichkeit haben sich so zu entwickeln wie es ein Person kann, die in Estrato 5 oder 6 geboren wurde.“
 
Metadaten
Titel
Gewalt und Unsicherheit. Auswirkungen auf Frieden und Entwicklung
verfasst von
Bettina M.E. Benzing
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36285-0_6