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29.04.2022 | Gewinn- und Verlustrechnung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Großunternehmen fürchten kriegsbedingten Umsatzeinbruch

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4:30 Min. Lesedauer

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Der Krieg in der Ukraine trifft deutsche Unternehmen hart. Die Erholung nach zwei Jahren Pandemie blieb aus. Nun belasten hohe Rohstoff- und Energiepreise die Umsätze, vor allem in der Industrie. Für eine wehrhafte Kostenstruktur kann ein resilienzorientiertes Controlling sorgen.

"Trotz der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs, insbesondere der steigenden Energie- und Rohstoffkosten, gehen deutsche Unternehmen branchenübergreifend davon aus, das laufende Jahr noch mit einem leichten nominalen Umsatzplus von 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr abzuschließen", erklärt Ralf Sauter, Partner beim Beratungshaus Horváth. Die steigende Inflationsrate lasse in diesem Jahr allerdings kaum ein reales Wachstum zu. 

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Prozesskostenmanagement in der Industrie

Wenn Unternehmen ihre Rentabilität sichern und dazu Kosten analysieren und steuern wollen, bedienen sie sich der Methodik des Kostenmanagements. Dazu stehen verschiedene Techniken zur Verfügung. Gerade für gemeinkostenverursachende industrielle Prozesse stellt sich das Prozesskostenmanagement als besonders geeignet heraus.

Zu diesem Kernergebnis kommt eine Sonderbefragung für die Studie "CxO Priorities 2022" unter 100 Topmanagern im März. Diese sind für Unternehmen ab 200 Millionen Jahresumsatz tätig, von denen rund die Hälfte in der Industrie angesiedelt ist.

Industrieunternehmen besonders betroffen 

Der Erhebung zufolge rechnete vor Kriegsbeginn nur jedes vierte Unternehmen für das laufende Jahr mit einem Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr. Aktuell geht fast jeder zweite Betrieb (47 Prozent) von schrumpfenden Umsätzen aus. Im Durchschnitt haben die Befragten ihre Umsatzerwartung um 3,7 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Im Industriesektor sind es sogar 7,5 Prozentpunkte. 

"Die Industrie ist von den negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs am stärksten betroffen", so Sauter. "Drei Viertel der deutschen Industrieunternehmen kämpfen mit steigenden Rohstoffpreisen, 70 Prozent sind von Lieferkettenunterbrechungen betroffen, etwa 60 Prozent machen die hohen Energiekosten stark zu schaffen." 

Weniger unter Druck geraten die Betriebe laut Umfrage durch den Verlust von Russland als Absatzmarkt, der offenbar kaum ins Gewicht fällt. "Es sind also vor allem die indirekten wirtschaftlichen Folgen des Kriegs, die die Wirtschaft eintrüben", weiß Sauter. Er rät den Unternehmen deshalb, "auf Sicht zu steuern" und "riskante Investitionen erst einmal zu vertagen". 

Kosten- und Ergebnisstruktur resilient aufstellen

Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine Optimierung der Kosten- und Ergebnisstruktur sollte im Fokus stehen. "Strategisch gilt es, Produktion und Wertschöpfung nachhaltig so aufzustellen, dass das Unternehmen möglichst resilient gegenüber geopolitischen Krisen und Verwerfungen in den Lieferketten wird."

Bereits die Corona-Pandemie hat offengelegt, wie verletzlich viele Geschäftsmodelle und wie brüchig komplexe Lieferketten in Krisensituationen sind. "In diesem Zusammenhang rückt Resilienz in den Fokus der betrieblichen Steuerung", schreibt auch Jennifer Kunz in der Zeitschrift "Controlling & Management Review" (Ausgabe 1 | 2022). Dabei lässt sich Resilienz durch nachhaltiges Controlling stärken, betont die Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Controlling an der Universität Augsburg.  

Um die relevanten Ansatzpunkte zur Gestaltung einer resilienten Organisation für das Controlling praktisch fassbar zu machen, gilt es zunächst, die grundlegenden Fähigkeiten resilienter Organisationen zu identifizieren", betont Kunz. 

Hilfreich seien hier zwei besondere Kernfähigkeiten: 

  • Erstens trägt ein hohes Maß an Widerstandsfähigkeit zur Resilienz bei. Hierunter versteht man die Fähigkeit, betriebliche Prozesse auch in Krisenzeiten aufrechtzuerhalten und sich schnell von solchen Ereignissen wieder zu erholen. 
  • Zweitens stärkt eine ausgeprägte Anpassungsfähigkeit die organisationale Resilienz. Organisationen, die über diese Fähigkeit verfügen, erkennen auch in Krisen Chancen sehr schnell, passen bestehende Pläne rasch an, ohne in chaotische Abläufe überzugehen, und adaptieren ihre Prozesse und Strukturen zügig an die neuen Gegebenheiten.

Slack-Ressourcen sorgen für Anpassung in der Krise

Beide Fähigkeiten werden durch bestimmte Ressourcen, materielle wie soziale, und Prozesse gefördert. "Zum Beispiel sind Situationen denkbar, in denen ein Unternehmen trotz Lieferengpässen über genügend Bestände verfügt, um zumindest zeitweise die Produktion aufrechtzuerhalten, oder in denen es trotz Umsatzeinbrüchen ausreichend Liquidität bereithält, um weiterhin bestehenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen", so die Controlling-Expertin. 

Aber auch sogenannte Slack-Ressourcen, wie etwa finanzielle Mittel "in angemessener Höhe" für Innovationen, die entgegen kurzfristiger Optimierungsplanung vorgehalten werden, können für die Anpassungsfähigkeit einer Organisation entscheidend sein. 

Informationen für resiliente Prozesse notwendig

Zudem sichern resilienzfördernde Prozesse der Professorin zufolge die Verfügbarkeit und gezielte Nutzung der materiellen und sozialen Ressourcen. "Dadurch tragen sie dazu bei, dass sich die beiden Kernfähigkeiten etablieren. Die Anpassungsfähigkeit wächst, wenn Unternehmensprozesse agil gestaltet sind, zum Beispiel, wenn sie ein iteratives und damit lernunterstützendes Vorgehen oder eine starke Mitarbeiterorientierung fördern." 

Hierfür nötig sei aber eine breite Informationsversorgung und die dadurch geschaffene Transparenz im Unternehmen. "Hier kommt das Controlling ins Spiel, denn seine Kernaufgabe ist die Beschaffung, Aufbereitung und Bereitstellung von steuerungsrelevanten Informationen", so Kunz. Dies könne zum Beispiel auf eine angepasste Balanced Scorecard zurückgreifen, die neben ökonomischen etwa auch soziale oder nachhaltige Aspekte berücksichtigt. 

Staatliche Hilfen erwünscht

Die Unternehmen selbst wünschen sich auch die Hilfe des Staates. Allerdings herrscht Uneinigkeit, wie das geschehen soll: So plädieren 42 Prozent für Entschädigungs- beziehungsweise Maßnahmen für Betriebe, die besonders hohe kriegsbedingte Preissteigerungen bewältigen müssen. 32 Prozent fordern Hilfen für die Unternehmen, für die die Ukraine ein besonders relevanter Markt war. Jeweils 30 Prozent sind für vereinfachte Regelungen zur Beschäftigung ukrainischer Fachkräfte beziehungsweise unbürokratische Sofort-Kredite wie in der Pandemie. Eine pauschale Unterstützung von Branchen, die stark vom Russlandgeschäft abhängig sind, befürworten nur 29 Prozent. 

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