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2004 | Buch | 4. Auflage

Gewöhnliche Differentialgleichungen

Einführung in Lehre und Gebrauch

verfasst von: Harro Heuser

Verlag: Vieweg+Teubner Verlag

Buchreihe : Mathematische Leitfäden

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Über dieses Buch

Dieses Buch ist aus Vorlesungen und Übungen entstanden, die ich mehrfach an der Universität Karlsruhe für Mathematiker, Physiker, Ingenieure und Informati­ ker gehalten habe. Es ist so geschrieben, daß es zum Selbststudium dienen kann: Die Gedankengänge sind ausgiebig motiviert, die Beweise detailliert, und an durchgerechneten Beispielen und gelösten Aufgaben herrscht kein Mangel. Bei der Abfassung schwebte mir vor, nicht nur ein theoretisches Gerüst aufzubau­ en, sondern auch eine Brücke zu den Anwendungen zu schlagen. Damit wollte ich zweierlei erreichen: erstens wollte ich ganz nüchtern und pragmatisch den Stu­ denten der Mathematik auf seine spätere Zusammenarbeit mit Naturwissenschaft­ lern und Ingenieuren einstimmen und im gleichen Atemzug auch dem "Anwen­ der" den Zugang zu den Differentialgleichungen erleichtern. Zweitens wollte ich - weniger nüchtern und weniger pragmatisch - den Leser auf etwas hinweisen, das zu den Wundern und Kraftquellen unserer Kultur gehört: auf die Tatsache, daß "reines" Denken, "Hirn-Gespinst" -eben Mathematik - die reale Welt nach­ zeichnen und umgestalten kann. Das Staunen hierüber hat denn auch alle Philo­ sophen ergriffen, die nicht bloß Schwadroneure waren. Und noch Einstein fragte verwundert: "Wie ist es möglich, daß die Mathematik, letztlich doch ein Produkt menschlichen Denkens, unabhängig von der Erfahrung, den wirklichen Gegeben­ heiten so wunderbar entspricht?" Die wissenschaftliche Revolution, die uns noch immer treibt und drängt und drückt, diese sehr revolutionäre Revolution, hat im 17. Jahrhundert begonnen, und ihre Bastillestürmer waren "Hirngespinste" par ex­ cellence: Newtonsehe Fluxionen und Leibnizsche Differentiale.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung
Zusammenfassung
In diesem Abschnitt sollen einige ständig benutzte Bezeichnungen und Sachverhalte dargelegt werden, um den Gebrauch des Buches zu erleichtern.
Harro Heuser
I. Zur Einstimmung
Zusammenfassung
Eine Gleichung zwischen einer gesuchten Funktion und einigen ihrer Ableitungen heißt eine Differentialgleichung. Differentialgleichungen gehören zu unseren mächtigsten Mitteln, Natur- und Kunstvorgänge zu beschreiben und zu beherrschen. Wir wollen diese Behauptung sofort durch Beispiele belegen und dabei auch sehen, wie man in konkreten Fällen Differentialgleichungen überhaupt aufstellt und welche interessanten und manchmal sogar vital wichtigen Erkenntnisse sich aus ihnen gewinnen lassen.
Harro Heuser
II. Differentialgleichungen erster Ordnung
Zusammenfassung
Wir betrachten im folgenden die explizite Differentialgleichung erster Ordnung
$${y}^{\prime}=f(x,y)$$
(3.1)
Harro Heuser
III. Existenz-, Eindeutigkeits- und Abhängigkeitssätze für Differentialgleichungen erster Ordnung
Zusammenfassung
Das vorangegangene Kapitel hat uns zwar gelehrt, zahlreiche Klassen von Differentialgleichungen zu beherrschen — und glücklicherweise gerade solche, die für die Praxis besonders wichtig sind -: einen tieferen Einblick in das Verhalten der allgemeinen Differentialgleichung erster Ordnung haben wir mit unseren ad hoc-Methoden allerdings nicht gewinnen können. Das gegenwärtige Kapitel wird diese empfindliche Lücke endlich schließen: Wir werden sehen, daß das Anfangswertproblem unter milden Bedingungen mindestens eine und unter etwas schärferen auch nur eine Lösung zuläßt.
Harro Heuser
IV. Lineare Differentialgleichungen höherer Ordnung mit konstanten Koeffizienten
Zusammenfassung
Ein Massenpunkt M mit Masse m sei an einer horizontalen Feder befestigt und liege auf einer ebenfalls horizontalen x-Achse. Bei ungespannter Feder befinde sich M im Nullpunkt (Gleichgewichtslage). Verschiebt man M, so übt die (ausgedehnte oder zusammengedrückte) Feder eine sogenannte Rückstellkraft K aus, die M in die Gleichgewichtslage zurückzutreiben sucht. Bei kleinen Auslenkungen x ist in guter Näherung K= −kx mit einer positiven Federkonstanten oder Federsteifigkeit k (Hookesches Gesetz; so genannt nach dem englischen Physiker Robert Hooke (1635–1703; 68), einem Zeitgenossen Newtons).
Harro Heuser
V. Lineare Differentialgleichungen höherer Ordnung mit variablen Koeffizienten
Zusammenfassung
Zu Beginn der Nr. 4 waren wir im Zusammenhang mit Wachstumsfragen auf die Differentialgleichung \(\dot{u}-\alpha (t)u=s(t)\) gestoßen. Ein Mikrofon in einem RLC-Kreis ist nichts anderes als eine ingeniöse Vorrichtung, die unter dem Einfluß von Luftschwingungen ihren elektrischen Widerstand ändert und so dieselben in elektrische Schwingungen übersetzt; die zugehörige Stromdifferentialgleichung hat dann bei konstanter EMK die Gestalt \(\ddot{J}+\frac{R(t)}{L}\dot{J}+\frac{1}{LC}J=0.\)
Harro Heuser
VI. Rand- und Eigenwertaufgaben
Zusammenfassung
Bisher hatten wir unser Augenmerk so gut wie ausschließlich auf Anfangswertprobleme gerichtet; unsere theoretische Arbeit jedenfalls war allein ihnen gewidmet gewesen. Hin und wieder jedoch hatten uns physikalische und technische Aufgaben auch Fragen ganz anderer Art aufgedrängt, Fragen, bei denen es darum ging, Lösungen von Differentialgleichungen zu finden, die nicht mehr vorgegebenen Anfangsbedingungen, sondern gewissen Randbedingungen genügen. In Nr. 18 hatten wir z. B. die Temperaturverteilung in einem Stab der Länge L studiert, wenn sein linkes Ende auf der konstanten Temperatur ϑ0, sein rechtes auf der ebenfalls konstanten Temperatur ϑ L , gehalten wird.
Harro Heuser
VII. Systeme linearer Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten
Zusammenfassung
Wir wollen zunächst durch einige Beispiele belegen, daB aus ganz verschiedenen Richtungen die Aufgabe an uns herantritt, zwei Funktionen u (t),v (t) so zu bestimmen, daß sie einem Differentialgleichungssystem der Form
$$\begin{array}{*{20}{c}} {\begin{array}{*{20}{l}} {\dot u = au + bv} \\ {\dot v = cu + dv} \end{array}}&{(a,b,c,d \in R)} \end{array}$$
und Anfangsbedingungen u(t 0 )=u 0 , v(t0)=v0 mit vorgegebenen Zahlen u 0 , v0 genügen.
Harro Heuser
VIII. Systeme linearer Differentialgleichungen mit variablen Koeffizienten
Zusammenfassung
Die in der Kapitelüberschrift genannten Systeme haben die Gestalt
$$\begin{array}{*{20}{l}} {{{\dot u}_1} = {a_{11}}(t){u_1} + \cdots + {a_{1n}}(t){u_n} + {s_1}(t)} \\ \vdots \\ {{{\dot u}_n} = {a_{n1}}(t){u_1} + \cdots + {a_{nn}}(t){u_n} + {s_n}(t)} \end{array}$$
(56.1)
mit reellwertigen a;k (t) und s; (t). Setzen wir
$$\begin{array}{*{20}{c}} {A(t): = \left( {\begin{array}{*{20}{l}} {{a_{11}}(t) \ldots {a_{1n}}(t)} \\ \vdots \\ {{a_{n1}}(t) \ldots {a_{nn}}(t)} \end{array}} \right),}&{u(t): = \left( {\begin{array}{*{20}{l}} {{u_1}(t)} \\ \vdots \\ {{u_n}(t)} \end{array}} \right),}&{s(t): = \left( {\begin{array}{*{20}{l}} {{s_1}(t)} \\ \vdots \\ {{s_n}(t)} \end{array}} \right)} \end{array},$$
so läßt sich (56.1) in der kompakten Form
$$\dot u = A(t)u + s(t)$$
(56.2)
schreiben. Und nun gilt der grundlegende
Harro Heuser
IX. Allgemeine Systeme von Differentialgleichungen erster Ordnung. Die Differentialgleichung n-ter Ordnung
Zusammenfassung
Wir nehmen an, eine Beutepopulation B lebe ausschließlich von einem unerschöpflichen Nahrungsvorrat N. Ihr einziger natürlicher Feind sei die Raubpopulation R, und diese wiederum lebe ausschließlich von B (man denke — mit Einschränkungen — etwa an Hasen und Füchse). Ohne B würde sich R wegen Nahrungsmangel nach dem natürlichen Abnahmegesetz \(\dot{R}(t)=-{{\alpha }_{1}}R(t)\) vermindern (α1>0). Die Anwesenheit von B ermöglicht jedoch eine Vermehrung von R, und zwar mit einer Rate, die von der Häufigkeit der Begegnungen zwischen Raub- und Beutetieren abhängen wird; versuchsweise unterstellen wir deshalb, sie sei proportional zu R(t)B(t), also = ß1 R(t)B(t) (β1> 0). Insgesamt wird man also für die Änderungsrate \(\dot{R}\) den Ansatz \(\dot{R}=-{{\alpha }_{1}}R+{{\beta }_{1}}RB\) machen. Analoge Überlegungen führen zu \(\dot{B}={{\alpha }_{2}}B-{{\beta }_{2}}RB\) (α2, β2>0). Die Wechselwirkung zwischen R und B wird somit beschrieben durch das System der sogenannten Lotka-Volterraschen Gleichungen
$$ {}_{\dot{B}={{\alpha }_{2}}B-{{\beta }_{2}}RB}^{\dot{R}=-{{\alpha }_{1}}R+{{\beta }_{1}}RB}\left( {{\alpha }_{K}},{{\beta }_{K}}positiveKons\tan ten \right) $$
(59.1)
Wenn wir diese Wechselwirkung zwischen den beiden Populationen zur Zeit t0 = 0 beginnen lassen und R0, B0 (>0) die Anfangsbestände sind, so ergeben sich die (theoretischen) Bestände R(t), B(t) zur Zeit t> 0 als Lösung des Systems (59.1) unter den Anfangsbedingungen R(0) = R0, B(0) = B0.
Harro Heuser
X. Qualitative Theorie. Stabilität
Zusammenfassung
Die bisher vorgeführte Theorie der nichtlinearen Differentialgleichungssysteme liefert schöne Einsichten — aber handliche Lösungsverfahren liefert sie nicht. Wenn man tatsächlich Lösungswerte benötigt, ist man in der Regel auf numerische Methoden angewiesen. Glücklicherweise genügt es aber in vielen Fällen, nur einige Auskünfte über das Lösungsverhalten zu erlangen — und diese kann man häufig ohne übermäßigen Aufwand dem System abgewinnen, ohne es (geschlossen oder numerisch) lösen zu müssen. Was mit einer solchen qualitativen Analyse gemeint ist, wollen wir an dem Lotka-Volterraschen Räuber-Beute-Modell (59.1) verdeutlichen, das wir diesmal in der Form
$$\begin{array}{*{20}{c}} {\begin{array}{*{20}{l}} {\dot x = - {\alpha _1}x + {\beta _1}xy} \\ {\dot y = {\alpha _2}y - {\beta _2}xy} \end{array}}&{({\alpha _k},} \end{array}{\beta _k} positive Konstanten)$$
(64.1)
schreiben. x(t) ist die Größe der Raubpopulation zur Zeit t≥0, y(t) die der Beutepopulation. Das System (64.1) ist bei vorgegebenen Anfangsbeständen x(0), y(0)>0 auf [0, ∞) stets eindeutig lösbar (s. A 60.1) — aber nie in geschlossener Form; eben deshalb haben wir in der letzten Nummer hilfsweise eine Runge-Kutta-Approximation hergestellt.
Harro Heuser
Backmatter
Metadaten
Titel
Gewöhnliche Differentialgleichungen
verfasst von
Harro Heuser
Copyright-Jahr
2004
Verlag
Vieweg+Teubner Verlag
Electronic ISBN
978-3-322-91796-6
Print ISBN
978-3-519-32227-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-91796-6