Die Corona-Krise lässt das globale Lieferkettenmanagement in neuem Licht erscheinen. Nicht mehr der Kostenfaktor steht im Zentrum der Diskussion, sondern die Frage, wie optimierte Prozesse zu unternehmerischem Wachstum und gesellschaftlicher Wertschöpfung beitragen.
Die Corona-Krise hat gezeigt, das transparente Lieferketten Gold wert sein können - sofern Corporate Social Responsibility und Value Chain Management Hand in Hand gehen.
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Die Themen Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility haben mittlerweile einen festen Platz in unserer Wirtschaft und öffentlichen Diskussion. Durch die Covid-19-Krise und deren Auswirkungen auf die internationalen Lieferketten wird es noch deutlicher, dass die immensen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen neues integratives Managementdenken erfordern.
Dies zeigen auch Beispiele aus jüngster Vergangenheit. Beispielhaft hierfür ist die Fleischereiindustrie. Nach Aufklärung über die Zustände für Schlachttiere sowie das eigene Personal, hat der Skandal international Wellen geschlagen. So kam es auch, dass manche Unternehmen nach gründlicher Prüfung ihrer Produktionsstätten zunächst schließen mussten. Neben den breiten Diskussionen in den Medien zeigt sich auch in der Ertragslage, dass die betroffenen Unternehmen trotz großer Marktmacht über die letzten Jahre immer weniger Profit erzielten.
Supply Chain Management als unternehmerische Chance
Die Übernahme von Verantwortung (CSR) und Nachhaltigkeit wurde in der Managementliteratur zu lange als rein defensives Konzept gesehen und in der Praxis des Supply Chain Management als bloßer Kostenfaktor diskutiert. Dabei blieb die unternehmerische Perspektive auf soziale und ökologische Fragen und die damit verbundenen unternehmerischen Chancen regelmäßig unterbelichtet.
Zwar wurden in den letzten Jahren immer höhere betriebliche Nachhaltigkeitsziele definiert, um die Umwelt- beziehungsweise Sozialbelastung zu verringern, jedoch wurde der positive Beitrag dieser Verantwortungsübernahme oft nicht ausreichend für die Wertschöpfungsidee des Unternehmens genutzt. Vielmehr wurde Nachhaltigkeit oft als rein defensives und limitierendes Konzept, das die ökonomische Leistungsfähigkeit bremst, gesehen.
Wertschöpfung des Unternehmens für Gesellschaft erhöhen
Denkt man jedoch Nachhaltigkeit aus einer konsequent unternehmerischen Perspektive, geht diese weit über eine reine Vermeidungslogik hinaus. Denn für Unternehmer ist es insbesondere wichtig, die positiven Auswirkungen ihres Handelns zu managen beziehungsweise zu steigern. Bei dieser progressiven Sichtweise geht es nicht mehr zentral darum, den Schaden unternehmerischen Handelns zu minimieren, sondern die Wertschöpfung des Unternehmens für die Gesellschaft zu erhöhen. Anstelle des Paradigmas der Schadensvermeidung bedarf es daher des neuen Paradigmas der positiven Wertschöpfung – dieses neue Corporate-Social-Responsibility-Paradigma ist auch Basis für die notwendigen Innovationsprozesse in der Wirtschaft.
Es reicht somit im Supply Chain Management nicht mehr aus, die Wertschöpfungsketten rein auf Effizienz zu trimmen. Denn internationale Wertschöpfungsprozesse werden im Zuge der Globalisierung und der damit verbundenen verstärkt arbeitsteilig organisierten Wirtschaft zunehmend komplexer und fragiler. Zudem steigen die Transparenz unternehmerischen Handels sowie die Ansprüche der verschiedenen Stakeholder-Gruppen, wie etwa Kunden, Mitarbeiter oder NGOs, an die Unternehmen ständig.
Ein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickeln
Wertschöpfungsketten müssen vor diesem Hintergrund völlig neu gedacht und effektiv organisiert werden. Neben rein wirtschaftlichen Faktoren, spielen dabei ökologische und soziale Fragen eine immer größere Rolle. Nur wenn es Unternehmen schaffen, über ihre gesamte Wertschöpfungskette hinweg sowohl unternehmerischen als auch gesellschaftlichen Mehrwert zu generieren, können sie ein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickeln, welches auch für die Zukunft gewappnet ist.
Ein Beispiel welches zeigt, dass sich die Gesetzeslage im Lieferkettenmanagement verbessern muss, war eine Textilfabrik in Pakistan die im September 2012 abbrannte. Aufgrund von mangelnder Brandschutzmaßnahmen in der Fabrik starben mehrere Hundert Menschen. Hauptabnehmer der Waren vor Ort ist ein deutsches Textilkaufhaus. Zertifiziert wurde die Sicherheit des Fabrikgebäude durch eine italienische Firma.
Es zeigte sich 2017 im Rahmen eines Forschungsprojektes der Goldsmiths-Universität London, dass der Brand sich mit den europäischen Standards für Brandschutz hätte verhindern lassen können. So scheint die Forderung berechtigt, dass es auf EU-Ebene auch einheitliche Verordnungen für internationale Zulieferer geben sollte, um solche gesellschaftlichen Katastrophen zu verhindern beziehungsweise zu minimieren.
Generell wir durch die gegenwärtige Pandemie die Fragilität der internationalen Wertschöpfungsketten immer mehr bewusst, und es gilt in und nach der Pandemie, nachhaltige globale Wertschöpfungsketten sowie regionale Wirtschaftskreisläufe neu aufzubauen. Nachhaltigkeit und erfolgreiches Wirtschaften sind dabei kein Gegensatz, sondern bedingen einander.