Parallel verlaufende Klima-, Pandemie- Energie- und Lieferkettenkrisen belasten die Wirtschaft aufs Äußerste. Trotz allem bleibt neoklassisches Wachstumsmanagement dominant, findet aber keine nachhaltigen Lösungen. Wie systemisches Denken Abhilfe leistet.
Wachstum hat seine Grenzen. Oft sind Krisen ein limentierender Faktor dafür.
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Globale Vernetzung von Konsum- und Investitionsgütern durch Transport und Logistik erfolgt rund um den Erdball. Datenaustausch findet in Bruchteilen von Sekunden durch elektronische Kommunikationssysteme statt, von fast jedem Ort auf der Erde zu einem anderen, wie entfernt voneinander sie auch sein mögen. Globalisierende Prozesse verfolgen uns bis in den kleinsten Winkel unserer Erde – und diese ist endlich.
Die Begrenztheit unseres Planeten zeigt sich nicht nur durch seine äußere Schutzgrenze, die nur wenige Kilometer dünne Ozonschicht, sondern vielmehr auch durch die ebenso begrenzten Ressourcen im Erdinneren und in der Biosphäre. Der ökonomische Schnellzug der Globalisierung hat auf fundamentale Begrenzungen resilienter Lebensbereiche auf der Erde wenig Rücksicht genommen.
Fehlgeleitete Führung in Krisenzeiten?
In Zeiten komplexer gesellschaftlicher Umbrüche, in denen unerwartete Ereignisse großen Einfluss auf die Dynamik des Geschehens besitzen, sind Voraussagen über langfristige Ziele oft zu Makulatur verdammt. Trotzdem versucht sich das Führungsverhalten innerhalb eines neoliberalen, an Wachstumsmaximierung ausgerichteten, Management genau daran – und scheitert letztlich am eigenen Unvermögen. Warum?
Es wird nicht erkannt, dass Managementstrategien und nachfolgende operative Prozesse, die innerhalb einer dynamischen komplexen Umwelt stattfinden, mit linear-kausalen Wenn-Dann-Lösungen nur kurzsichtig fehlgeleitet erfolgreich sein können. Von Nachhaltigkeit – erst recht im ursprünglichen, forstwirtschaftlichen, sozialen-ökologischen-ökonomischen, Sinn kann keine Rede sein.
Es zeigt sich vielerorts, dass klassische lineare Managementstrategien ihre Ziele und Shareholder-Ansprüche dadurch versuchen zu verwirklichen, indem sie Komplexität als Problem erkennen und demzufolge reduziert, um Probleme samt Lösungen überschaubarer zu gestalten. Welch ein Irrtum. Denn Physik lässt sich nicht verbiegen, weil:
Komplexität an einem Ort zu reduzieren, erhöht sie an einem andern.
Führung im Management, mit vorausschauendem Blick auf nachhaltige, strategische und operative Ziele, bleibt nur die Wahl:
Komplexität als weitsichtige Chance zur unternehmerischen Stärkung und Überlebensfähigkeit aktiv zu nutzen, statt sie als Problem zu begreifen.
Resiliente Führung benötigt Bewusstseinswandel
Wenn in krisengeplagten Zeiten Manager ihr Führungsverhalten mit über Jahrzehnte erworbenen mentalen Modellen mit denselben Routineabläufen auch für neue strategisch-operative Prozesse nutzen, ist Scheitern vorprogrammiert. Es ist schlicht eine Tatsache, dass nicht mit denselben methodischen mentalen Modellen und strategisch-operativen Handlungen, durch die Probleme und Folgeprobleme entstanden sind, diese auch – erst recht nachhaltig – gelöst werden können. Nicht zuletzt aus dem Grund bewahrheitet sich die Aussage von Carl Friedrich von Weizsäcker, gerade in heutigen gesellschaftlichen und ökonomischen Krisenzeiten:
Bewusstseinswandel ist notwendig, wenn die Probleme der Lösbarkeit nähergeführt werden sollen, die sich heute einem sorgfältigen Blick als politisch (ökonomisch, d. A.) unlösbar am Horizont der Zukunft darstellen.
Bewusstseinswandel bedeutet auch, zu reflektieren, ob andauernde, auch erfolgreiche Managementstrategien im Ergebnis den tatsächlichen ganzheitlichen Wert eines Ergebnisses gerecht werden – oder doch nur dessen monetären, oft kurzzeitigen fehlgeleiteten Gewinn widerspiegeln. Abbildung eins gibt ein praktisches Beispiel über die Macht der mentalen Routine.
Abb. 1 Die Macht ökonomischer Routine (A) im neoklassischen Wachstumsmanagement und die Notwendigkeit einer Änderung des mentalen Modells der Routine (B) für das Ziel der Nachhaltigkeit im ursprünglichen Sinn des Wortes.
E. W. Udo Küppers
Der Routinekreislauf unter A zeigt das klassische ökonomische Vorgehen, bei dem ein monetärer Auslösereiz in eine Routine leitet, die als Belohnung Wachstum und schnelles Geld verspricht, also das Verlangen nach kurzfristiger Wert-, präziser: Geldwertschöpfung beschreibt. Dieses lineare, teils exzessive Materialmanagement geschieht jedoch auf Kosten begrenzter Naturressourcen. Eine Änderung dieses Routine-Prozesses, der weitreichende ökologische, gesellschaftliche, aber auch ökonomische Folgen nach sich zieht, kann nur durch einen Routinewechsel erfolgen, wie beispielsweise im Routinekreislauf unter B gezeigt wird.
Mit Hilfe einer zirkulären statt linearen Fortschrittsstrategie wird der exzessive Ressourcenabbau durch einen extensiven, nachhaltigen Ressourcenabbau ersetzt. Dieser gewährleistet ebenso Wachstum und Gewinn aber auf eine weitaus naturschonende und Folgen beziehungsweise Folgekosten vermeidende Art.
Langjährige Erfahrung und Erkenntnis im Materialmanagement zeigen jedoch auch die enorme Schwierigkeit, über Jahre etablierte Routinen in mentalen Modellen zu ändern, so notwendig und zukünftig zielführend sie auch sein mögen.
Menschen tun sich leichter, die Folgen eingetretener – auch unerwartet eingetretener – Probleme beziehungsweise Katastrophen zu beseitigen, als im Voraus mit dem Unerwarteten problemvorbeugend zu rechnen.
Empfehlungen für das Krisenmanagement
- Die Notwendigkeit systemisch zu denken und zu handeln
- Komplexe Situationen als Chance, nicht als Problem begreifen
- Handlungsoptionen vernetzt und ganzheitlich statt linear kausal analysieren
- Rechnen mit dem Unerwarteten, Berücksichtigung kleinster Fehler, die sich kaskadenartig zu Katastrophen ausbreiten können
- Die Natur lehrt: kooperatives Verhalten stärkt nachhaltigen Fortschritt gegenüber konfrontativen Verhalten.