Glücksprinzipien

In den letzten beiden Dekaden hat sich in der Psychologie ein neuer wissenschaftlicher Forschungsbereich etabliert, der Antworten darauf liefert, wie Leben besser gelingen kann und was Einfluss auf die Zufriedenheit und das Glücksgefühl der Menschen hat: die Positive Psychologie. Im Rahmen dieser Forschungen zeigen sich signifikante Zusammenhänge zwischen erlebtem Glück und beispielsweise Kreativität, Problemlöseverhalten, der Qualität des sozialen Netzwerks, der erfahrenen Unterstützung und sogar Gesundheit und einem längeren Leben. Die Forschungsergebnisse belegen inzwischen auf breiter Basis, dass unser Lebensglück und unsere Lebenszufriedenheit ganz eindeutig veränderbar sind und wir es mit den richtigen Haltungen und den geeigneten Techniken selbst in der Hand haben, unser Glück nachhaltig zu steigern.

Unsere Wahrnehmung ist der entscheidende Schlüsselprozess für die Gestaltung unseres Lebens. Nur ein winziger Bruchteil aller an unser Gehirn gemeldeten Informationen wird uns bewusst. Oftmals unterliegen wir Wahrnehmungstäuschungen und unsere subjektive Bewertung entscheidet schließlich, wie wir uns fühlen und was wir tun. Dieser Gesamtprozess erklärt auch, warum selbsterfüllende Prophezeiungen mit großer Wahrscheinlichkeit Realität werden. Wenn wir diesen Prozess verstehen, haben wir den Schlüssel in der Hand, bewusst ein glücklicheres Leben zu erschaffen. Die aktuellen Forschungsergebnisse zur Neuroplastizität zeigen deutlich, dass sich unser Gehirn physiologisch messbar an unsere Denkgewohnheiten anpasst. Ein weiterer wichtiger Befund der Forscher ist, dass wir uns insbesondere an materielle Güter und deren Vorzüge schnell gewöhnen, sodass diese keinen nachhaltigen Beitrag zu lebenslangem Glück leisten.

Unsere Haltungen sind ein entscheidender Faktor dafür, ob wir ein glückliches und erfolgreiches Leben haben. Die Positive Psychologie kennt inzwischen zahlreiche Haltungen, die uns unterstützen, glücklicher und zufriedener zu werden und ein gelingenderes Leben zu haben. Dieses Kapitel beschreibt 20 unterschiedliche Haltungen, die maßgeblichen Einfluss auf unsere Lebensqualität haben. Hierzu zählt beispielsweise die Konzentration auf die eigenen Stärken, das Erkennen der eigenen förderlichen und hemmenden Glaubenssätze, der erfolgreiche Umgang mit möglichen Widrigkeiten des Lebens, sich selbst treu zu bleiben und nicht die Erwartungen anderer zu erfüllen, der Umgang mit negativen Gefühlen, die eigenen Werte erkennen und sein Leben danach ausrichten oder auch den Weg aus der Opferhaltung hin zur Selbstbestimmtheit in seinem Leben finden. Bereits eine einzelne veränderte Haltung kann eine große Veränderung im Leben bewirken.

Welche ganz konkreten und wissenschaftlich fundierten Möglichkeiten zeigt die Positive Psychologie auf, um Lebenszufriedenheit und Glücksgefühle zu steigern? Dieses Kapitel beschreibt hierzu insgesamt 22 Wege und bietet somit eine große Auswahl ganz verschiedener Möglichkeiten. Dabei kann der Fokus auf (a) die Zukunft gelegt werden. Hier empfehlen sich Wege wie die eigene Lebensvision entwickeln, Lebensträume verwirklichen, Ziele setzen und expressives Schreiben. Legen wir die Betrachtung auf (b) die Gegenwart, dann gehören hierzu bereichernde Wege wie Genuss und dessen Auskosten, Flow, sich jeden Tag etwas Schönes gönnen und die Vermeidung von Grübeln. Betrachten wir (c) die Vergangenheit, dann sind Dankbarkeit, Vergebung und erfolgsgeprüfte Strategien, um mit Krisen besser umzugehen, entscheidende Wege. Wir Menschen sind durchweg soziale Wesen, deshalb ist (d) die zwischenmenschliche Dimension für unser Glück von entscheidender Bedeutung. Zu diesen Wegen gehören beispielsweise tiefe Freundschaften, Hilfsbereitschaft und Techniken, die die Qualität unserer Beziehungen erhöhen. Aus der Forschung zeigt sich, dass auch (e) der Bereich von Leib und Seele durch beispielsweise Sport, Meditation, Spiritualität und Religion auf unser Lebensglück wirkt. Schließlich gehört (f) unser Lebenssinn und die Ausrichtung unseres Lebens daran zu den entscheidenden Wegen hin zu einem erfüllten Leben.

Die Erkenntnisse der Positive Psychologie lassen sich nicht nur auf individueller Ebene anwenden. Interessant ist die Übertragung der Forschungsergebnisse auch auf die kollektive Ebene. Könnte die Steigerung des Wohlbefindens eine lohnende neue Ausrichtung unserer Gesellschaft sein? Welche Auswirkungen ergäben sich, wenn das oberste Leitprinzip unseres Wirtschaftssystems statt dem „leeren“ Prinzip der Gewinnmaximierung künftig dem beseelten Prinzip des Wohlbefindens für alle folgt? Die Übertragung der Erkenntnisse der Positive Psychologie hätte starke Auswirkungen auf die Arbeitswelt, die Politik und beispielsweise auch auf die Schulen. Aus der Arbeitswelt gibt es bereits konkreten Beispiele, aus denen deutlich wird, dass ein solcher Ansatz überaus erfolgreich ist. Rückt das Wohlbefinden in den Mittelpunkt, dann zeigen auch die klassischen wirtschaftlichen Erfolgskennzahlen eine deutliche Steigerung.