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2017 | Buch

Gruppen und Institutionen

Eine Ontologie des Sozialen

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Über dieses Buch

Was ist das Sein des Sozialen? Was konstituiert die Existenz von Gruppen und Institutionen, ihre Identität und Dauer in der Zeit? Dieses Buch resümiert den aktuellen Diskussionsstand der Sozialontologie und argumentiert für eine Ontologie des Sozialen, die sowohl formellen als auch informellen Institutionen gerecht wird. Es schlägt dafür eine Synthese aus Positionen vor, die in der gegenwärtigen Diskussion mit den Namen von John Searle und Margaret Gilbert verbunden sind.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Chapter 1. Was tun Sozialontologen?
Zusammenfassung
Oft wird beklagt, dass die Ontologie des Sozialen und, damit verbunden, die Bedeutung des Ausdrucks „sozial“ keine Probleme sind, für die die gegenwärtigen Sozialwissenschaften umfassende Theorien anzubieten hätten. Während die Gründergeneration der Soziologie sich noch genötigt sah, zur Legitimation ihrer neuen Wissenschaft auch deren Gegenstandsbereich zu bestimmen, machen ihre heutigen Nachfolger sich dieses Problem nur selten zu eigen.
Ludger Jansen
Chapter 2. Die Notwendigkeit von Sozialontologie
Zusammenfassung
Das Ende der Metaphysik – und damit der Ontologie – galt vielen Philosophen im 19. und 20. Jahrhundert als Selbstverständlichkeit. Die einstige „erste Philosophie“, wie Aristoteles die „Wissenschaft vom Seienden als solchem“ genannt (und wertgeschätzt) hatte, wurde abgelöst von neuen Leitdisziplinen – zunächst von der Erkenntnistheorie, dann von Sprachphilosophie und Wissenschaftstheorie. Galten für Kant metaphysische Probleme noch als unlösbar, aber notwendig, wurden sie beispielsweise von Carnap als bloße „Scheinprobleme“ deklassiert: Metaphysik erschien ihm einfach als ein unpassender Ausdruck von Lebensgefühlen, der „überwunden“ werden sollte.
Ludger Jansen
Chapter 3. Personenkollektive
Zusammenfassung
Sozialität impliziert Pluralität, aber nicht umgekehrt (Kap. 1.1). Pluralität ist daher das grundlegendere Phänomen, und deswegen werde ich von den beiden Hauptaspekten des Sozialen – der Pluralität und der Institutionalität – zunächst den Pluralitätsaspekt sozialer Entitäten untersuchen. Dieser Pluralitätsaspekt besteht zunächst in der Tatsache, dass soziale Entitäten die Existenz einer Pluralität von Handelnden voraussetzen.
Ludger Jansen
Chapter 4. Gruppenkonstitution durch objektive Merkmale
Zusammenfassung
Einer formalen Charakterisierung der Gruppenmitgliedschaft sind also enge Grenzen gesetzt. Wir müssen uns daher nach einer Alternative umsehen. Auch wenn die Element-von-Relation der Mengenlehre für die Analyse der Mitgliedschaftsrelation nicht ausreicht, kann uns die Mengenlehre doch auf die Idee bringen, Gruppen extensional zu charakterisieren: Wir zählen die Mitglieder auf. Dann bekommen wir Ausdrücke wie „die Gruppe, die aus Peter, Paul und Mary besteht“ oder einfach „Peter, Paul und Mary“.
Ludger Jansen
Chapter 5. Subjektive und intersubjektive Gruppenkonstitution
Zusammenfassung
Homans Hinweis auf jene „anderen Elementen, die ebenfalls in Rechnung zu stellen sind“, gibt uns Anlass, unsere Kandidatensichtung wie geplant mit den subjektiven und intersubjektiven Konstitutionskandidaten fortzusetzen. Nur wenige Seiten nach seiner Interaktions-Definition erwähnt Homans die „Gefühle der Gruppenmitglieder“ als ein solches weiteres Element: Solche Gefühle der Gruppenmitglieder füreinander oder für die Gruppe können auch in Interaktionspausen fortexistieren.
Ludger Jansen
Chapter 6. Kollektivpersonen
Zusammenfassung
Nach diesem Durchgang durch einige formale und materiale Relationen, die zur Gruppenkonstitution dienen können, stellt sich nun die Frage, wie aus mehr oder weniger willkürlich gebildeten Pluralobjekten soziale Gebilde mit stärkerer Einheit werden können. Ich will in diesem Kapitel zeigen, dass sich eine stärkere Einheit von Pluralobjekten z. B. dadurch ergibt, dass aus einem Kollektiv von Personen – einem Personenkollektiv – ein soziales Gebilde, das selbst personalen Status hat und, wie Ferdinand Tönnies es formuliert, „als eine Person nach Art der einzelnen selber, mithin als eine Kollektivperson“ angesehen werden kann.
Ludger Jansen
Chapter 7. Haben Kollektivpersonen intentionale Einstellungen?
Zusammenfassung
Staaten erklären anderen Staaten den Krieg, Fußballmannschaften spielen defensiv, und meine Familie kann mir helfen, meinen Wagen anzuschieben. Es scheint selbstverständlich zu sein, dass Gruppen handeln können. Und ebenso selbstverständlich scheint es zu sein, dass Handlungen entsprechende Absichten oder Intentionen voraussetzen, damit es sich wirklich um ein Handeln im Unterschied zu einem bloßen Verhalten handelt.
Ludger Jansen
Chapter 8. Konsequenzen sozialer Intentionalität
Zusammenfassung
Ich habe dafür argumentiert, dass unsere Praxis, Gruppen Handlungen zuzuschreiben, zumindest in denjenigen Fällen gerechtfertigt ist, in denen diese Gruppen Kollektivpersonen sind. In diesem Kapitel werde ich verschiedene Konsequenzen dieser Feststellung diskutieren. Denn Handlungsfähigkeit geht normalerweise einher mit Verantwortung, Rechtsfähigkeit, Schuldfähigkeit und Strafbarkeit. Ich werde zeigen, dass diese Konsequenzen keineswegs gegen eine Handlungsfähigkeit von Kollektivpersonen sprechen.
Ludger Jansen
Chapter 9. Institutionen und Statuszuweisungen
Zusammenfassung
Will man den ontologischen Status von Institutionen klären, stellt sich das Problem, was man mit dem Wort „Institution“ eigentlich meint. Das ist mehr als eine triviale Feststellung, denn dieses Wort wird in einer „kaum präzisierbarer Allgemeinheit“ verwendet. Um trotzdem angeben zu können, was Gegenstand dieses Kapitels ist, möchte ich mich dreier heuristischer Hilfsmittel bedienen.
Ludger Jansen
Chapter 10. Sprache und Kultur: Informelle Statusentitäten
Zusammenfassung
Bisher habe ich solche Statusentitäten betrachtet, die ihren Status einer expliziten Statuszuweisung verdanken. Solche Statusentitäten können wir „positive“ oder „formelle“ Statusentitäten nennen. Wenn man es mit einer formellen Statusentität zu tun hat, kann man ihr Entstehen zuverlässig datieren, wenn man weiß, wann der Akt der Statuszuweisung stattgefunden hat und was sein Inhalt war. Da viele formelle Statusentitäten ihre Existenz durch Gesetze, Verordnungen oder Verwaltungsakte erlangen, kann für diese Fälle der Slogan ausgeben werden, dass die Ontologie der Bürokratie folgt.
Ludger Jansen
Chapter 11. Warum Statusentitäten nicht mit ihrem Träger identisch sind
Zusammenfassung
Ich habe gezeigt, wie, ausgehend von Kollektivpersonen oder Personenkollektiven, Statusentitäten entstehen können. Eine Möglichkeit bestand darin, einem Träger einen Status zuzuweisen. Doch wie verhält sich die auf diese Weise entstandene Statusentität zu dem physikalischen Träger dieses Status? Ist z. B. ein Geldschein eine neue, von seinem papiernen Material verschiedene Entität? Oder ist er identisch mit dem Stück Papier, aus dem er besteht? John Searle schlägt vor, dass beide „one and the same object“ sind, das einmal als soziales Objekt und einmal als nicht-soziales Objekt beschrieben wird. Lynne Rudder Baker hingegen behauptet, dass Geldschein und Papier nicht miteinander identisch sind, sondern dass sie distinkte Entitäten sind, die durch die Relation der materiellen Konstitution miteinander verbunden sind.
Ludger Jansen
Chapter 12. Die zeitliche Dimension sozialer Entitäten
Zusammenfassung
Auch für die Sozialontologie gilt, was Niklas Luhmann mit Recht feststellt: Die Zeit ist ein „Thema, das alle Probleme multipliziert“. Die Mitglieder von Gruppen wechseln, Institutionen entstehen und vergehen, Kulturen verändern sich. Das setzt voraus, dass Gruppen, Institutionen und Kulturen durch die Zeit hinweg erhalten bleiben, persistieren, und auch Veränderungen überleben können.
Ludger Jansen
Chapter 13. Die Persistenz sozialer Kontinuanten
Zusammenfassung
Die Theorie der Persistenz, die ich in diesem Kapitel vorschlagen werde, ergibt sich aus der in Kap. 11 verteidigten Konstitutionstheorie sozialer Entitäten. Die Frage, warum es soziale Entitäten gibt, ist systematisch mehrdeutig: Mit einer solchen Frage kann entweder nach der causa essendi gefragt werden, dem „Seinsgrund“ eines Dinges, oder aber nach seiner causa fiendi, der Ursache der Entstehung, seinem Geneseprinzip (Kap. 11.4.4).
Ludger Jansen
Chapter 14. Schluss
Zusammenfassung
Am Ende eines Buches gilt es, zurückzuschauen und Bilanz zu ziehen: Was ist gezeigt worden? Was folgt daraus? Und was bleibt noch zu tun? Soziale Entitäten, so habe ich am Anfang dieser Untersuchung gesagt, sind solche Entitäten, die ihre Existenz aus metaphysischer Notwendigkeit einer sozialen Interaktion verdanken. Die Kartographierung der sozialen Entitäten habe ich mit den Gruppen begonnen: mit solchen Entitäten, auf die wir u. a. mit den Personalpronomen des Plurals Bezug nehmen können.
Ludger Jansen
Backmatter
Metadaten
Titel
Gruppen und Institutionen
verfasst von
Ludger Jansen
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-12130-3
Print ISBN
978-3-658-12129-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-12130-3