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2019 | OriginalPaper | Buchkapitel

7. Habitate visueller Kommunikation

verfasst von : York Kautt

Erschienen in: Soziologie Visueller Kommunikation

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Mit welchen Argumenten kann man spezifische soziale Phänomene als besonders relevante, formgebende Habitate visueller Kommunikation beschreiben? In der Entfaltung bestehender soziologischer Begriffe, Theorien und empirischer Befunde werden Phänomene wie Macht, Emotion, Wissen, Materialität oder auch kommunikative Gattungen und Funktionssysteme als omnipräsente soziale Umgebungen dargestellt, deren Strukturen auf visuelle Kommunikation Einfluss nehmen.

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Fußnoten
1
Sogar mediale Substrate visueller Kommunikation können von Formen institutionalisierter Macht bedingt sein: So wurde in der DDR das ressourcenschonende Gestaltungsprinzip der „endlosen Nutzung“ verfolgt, zu dem u. a. „Superfestgläser“ gehörten, die in den 1980er Jahren in Massenproduktion gingen. Da vergleichbare politische Vorgaben in der ‚freien Marktwirtschaft‘ bekanntlich weitgehend fehlen, verschwanden die Produkte nach der sogenannten Wende von 1989 vom Markt (vgl. Günter Höhne im Interview mit der Süddeutschen Zeitung 29.09.2015).
 
2
Eine der wenigen Ausnahmen hiervon ist die gewaltsame Inhaftierung von Personen: Gefängnisinsassen etwa können die Darstellungsgrenzen des Machthabers dauerhaft nicht überschreiten, sondern bestenfalls die Innenseite der Form durch einzelne Elemente (z. B. durch private Gegenstände in der Gefängniszelle) individualisieren. Wenn der chinesische Künstler Ai Weiwei einen Gefängnisraum als Kunstwerk rekonstruiert, in dem er selbst inhaftiert war (2013), handelt es sich daher um eine doppelte Re-Asymmetrisierung von Beobachtungsverhältnissen: Ai Weiwei macht nicht nur einen zuvor für andere nicht einsehbaren Raum sichtbar und lenkt so den Blick der Weltöffentlichkeit auf den Skandal seiner Festnahme. Das Zeigen der Zelle in einem Umraum (des Museums) macht zugleich deutlich, dass Ai Weiwei dem Setting entronnen ist und die Macht und die Kontrolle über das Arrangement der Sichtbarkeiten als Zusammenhang von Innen und Außen zurückerobert hat.
 
3
Eine Übersicht zu theoretischen Perspektiven, empirisch-analytischen Gegenstandsbereichen und Methodologien und Methoden der Körpersoziologie geben die Beiträge in Gugutzer, Klein und Meuser (Hrsg. 2017).
 
4
Goffman spricht an dieser Stelle von „Ausdruckselementen“ im Unterschied zu „semantischen Elementen“.
 
5
In der „ständigen Überprüfung der Vorstellung, die man sich von der Rolle des anderen macht“ (Turner 1976, S. 118), sind die „Mikro-Ausdrücke“ des Gesichtes am wichtigsten (vgl. Ekman 1989).
 
6
Hinsichtlich der ‚Anormalität‘ des Körpers ist die Differenz von Visibilität und Invisibilität praktisch entscheidend (vgl. Goffman 1967, S. 64). Das Ob der Sichtbarkeit bzw. Verhüllbarkeit und der Grad der ‚Aufdringlichkeit‘ determinieren die Interaktions- und Identitätskonsequenzen des korporalen Stigmas, einschließlich entsprechender kosmologischer Attributionen, die auf einen bestimmten Verhaltenskodex festlegen (vgl. Goffman 1967, S. 133 ff.).
 
7
Vgl. hierzu ausführlich Böhme (1995).
 
8
Die interdependente Beziehung zwischen Subjektivität und Naturbild hatten bereits die Romantiker reflektiert, wobei der ästhetische Genuss des Natürlichen aus der Reflexion der subjektiven Beziehung zwischen Mensch und Natur als eine Art Spiegel des Geistigen hervorgeht. In den „Lehrlingen zu Sais“ formuliert Novalis: „Drückt nicht die ganze Natur so gut, wie das Gesicht, und die Gebärden, der Puls und die Farben, den Zustand eines jeden der höheren Wesen aus, die wir Mensch nennen? Wird nicht der Fels ein eigentümliches Du, eben wenn ich ihn anrede? Und was bin ich anders, als der Strom, wenn ich wehmütig in seine Wellen hinabschaue und die Gedanken in seinem Gleiten verliere?“ (1969, S. 118).
 
9
Svetlana Alpers (1983) spezifiziert diese Diagnose im Hinweis darauf, dass die Malerei der südeuropäischen Renaissance nur vordergründig von der strengen Geometrie des Raumes und der naturalistischen Darstellungsweise geprägt ist. Albertis zentralperspektivische Konstruktionen seien nicht als spiegelähnliche ‚Fenster‘, sondern als „Bühnen“ zu begreifen, auf denen die dargestellten Menschen als Protagonisten narrativer Ereignisse agierten. Die sachlich-kühle Orientierung an der natürlichen Wahrnehmung sei vielmehr die Leitidee bildlicher Darstellungen im nordeuropäischen Raum – hier herrsche eine Sehweise vor, die mit dem ‚objektiven‘ Blick durch das Mikroskop korrespondiere. Das „perspektivische Raster“ der Renaissance, dessen Betonung von Rahmen und Beobachterstandpunkt, ist demnach trotz Ähnlichkeit vom „ptolemäischen“ bzw. „kartographischen“ Raster zu unterscheiden, welches das eigentlich modernistische ist.
 
10
Nadia Seremetakis spricht in diesem Zusammenhang von der reflexiven „Kommensalität“ der Ding-Erfahrungen: „Commensality can be defined as the exchange of sensory memories and emotions, and of substances and objects incarnating remembrance and feeling. Historical consciousness and other forms of social knowledge are created and then replicated in time and space through commensal ethics and exchange. […] In this type of exchange, history, knowledge, feeling and the senses become embedded in the material culture and its components: specific artifacts, places and performances.“ (Seremetakis 1994, S. 225).
 
11
Ein auf besagte Stimmungswerte eingestelltes Landschaftsbild wird keineswegs zufällig im neunzehnten Jahrhundert zu einem populären Sehnsuchtsort, also in einer Zeit, in der die Entstehung von Großstädten und die neuen, industrialisierten Arbeitsverhältnisse Naturerfahrungen für weite Teile der Bevölkerung aus dem Alltag zurückdrängen. Zum historischen Wandel der Natursemantik vgl. z. B. Luhmann (1995b). Darüber hinaus ist zu betonen, dass die Ästhetik des Landschaftsbilds neben den hier thematisierten Aspekten (Subjekt, Atmosphäre) freilich auch von gruppenspezifischen, historisch vorfindlichen Deutungsmustern geprägt ist (Klassen, Milieus, Subkulturen u. a.) – man denke nur an die Idealisierungen von lieblicher Natur und dem ‚einfachen‘ Landleben, die in Oberschichten schon vor der Industrialisierung beliebt sind.
 
12
Eine Konsequenz dieses Gedankengangs besteht ironischerweise darin, dass Benjamins These der „Zertrümmerung der Aura“ (1977 [1936]) durch die Fotografie einzuschränken ist, denn in eben diesen Beziehungsgefügen kann auch Fotografien eine Aura zukommen.
 
13
Dass das Erleben von Atmosphären im Mittelpunkt des computer-game-designs stehen kann, betonen Huberts und Standke (Hrsg. 2014) im Hinweis auf aktuelle Software-Beispiele.
 
14
Zu Stahl und Aluminium als neuerem Werkstoff mit Folgen für das Design und die Imaginationen des Modernen vgl. Sheller (2012) und Crang (2012).
 
15
Die Rekonstruktion der Fotografiegeschichte ist sehr lange und stark auf die Technik- und Kunstgeschichte festgelegt. Wie Starl (vgl. 1983) feststellt, kommt erst mit Helmut Gernsheims „Geschichte der Photographie. Die ersten hundert Jahre“ (1983 [1969]) eine kulturwissenschaftliche Dimension hinzu, wobei Studien zur sozialen Dimension der Fotografie rar bleiben. Auch in kultur- oder sozialwissenschaftlichen Mediengeschichtsschreibungen wird die Fotografie immer wieder ganz vergessen, oder sie nimmt nur einen marginalen Stellenwert ein. Den Kapiteln über den Buchdruck folgen häufig bruchlos solche über die „Elektronischen Medien“ (vgl. z. B. Dröge/Kopper 1991, North 1995). Auch Luhmann lässt in seinen geschichtlich systematisierten Abhandlungen über die „Verbreitungs- und Erfolgsmedien“ (1997) die elektronischen Medien direkt dem Buchdruck folgen. Zu einem detaillierten Überblick über die Theorien der Fotografie vgl. Stiegler (2006).
 
16
Vgl. Abschn. 4.​1; zum fotografischen ‚Realismus‘ auch Mitchell (2007).
 
17
Auch das politische Geschehen wird weltweit Tag für Tag durch das Vorhandensein indexikalischer Zeichenvehikel beeinflusst. Ein Beispiel geben die Folgen, die einige Kommentierungen des Ministerpräsidenten von Sachsen im Zuge rechtsextremer Ausschreitungen in Chemnitz im September 2018 hatten. Seine Aussage „Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd“ (SZ, 06.09.2018) stand in einem deutlichen Kontrast zu einem in social media verbreiteten Video. Dessen ‚Beweiskraft‘ ließ keine hermeneutische Umdeutung durch mächtige Akteure zu, ja führte das Anzweifeln der Authentizität dieser Bilder in einem Interview mit der „BILD“ durch den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (Hans-Georg Maaßen) zu dessen Entlassung. Dass sich der Einsatz indexikalischer Zeichen prinzipiell für Täuschungen und Manipulationen verschiedenster Art nutzen lässt, ist verständlich und immanenter Bestandteil schon der frühen Sozialgeschichte technischer Bildmedien, man denke etwa an inszenierte Fotografien im Krim-Krieg, die Augenzeugenschaft beglaubigen sollten.
 
18
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass zu den sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie von Anbeginn an die Reflexion auf ihren konstruktiven, manipulativen Charakter neben und mit ihrem Potenzial des ‚Abbildens‘ gehört. Eben dies zeigen die historischen Quellen zur Vergesellschaftung der Fotografie im 19. Jahrhundert deutlich (vgl. hierzu Kautt 2008, S. 36–58). Sozialwissenschaftliche Aufklärungsbemühungen gegen einen scheinbar gegebenen naiven Glauben an die ‚objektive‘ Darstellungsweise der Fotografie (vgl. z. B. Bourdieu u. a. 1983, S. 86) greifen daher zu kurz bzw. verkennen sie das sozial und kulturell wirkungsmächtige Folgeproblem technischer Bildmedien – das sich nämlich aus ihrem Doppelcharakter ergibt, indexikalische Spur und beobachterbezogene Konstruktion zugleich zu sein. Dass ein gleichsam naiver Glaube an die Objektivität fotografischer/filmischer Darstellungen vorkommt, ist damit nicht bestritten – Beispiele hierfür finden sich selbst in der Wissenschaft. Zur dramaturgisch-inszenatorischen Reflexion dieses und anderer Probleme im ethnografischen Film vgl. Marcus (1994) und Weiner (1994).
 
19
Vgl. hierzu ausführlicher Kautt (2015b).
 
20
Für den Zusammenhang von „Identität und Moderne“ vgl. ausführlich die Beiträge in Willems/Hahn (Hrsg. 1999); zu dem Zusammenhang von Medienwandel und bildbasierter Identitätsarbeit vgl. Kautt (2011). Hinsichtlich der Loslösung von Personendarstellungen aus gruppen- und klassenbezogenen Zusammenhängen ist der insbesondere in der Kultur- und Kunstgeschichte beschriebene Sachverhalt bemerkenswert, dass sich bereits zu Beginn der Neuzeit eine an der Darstellung von Individuen orientierte Bildkultur zu entwickeln beginnt. Schon im 16. Jahrhundert etabliert sich z. B. das als Geschenk funktionalisierte Freundschaftsporträt, womit ein Genre von Bildern gemeint ist, das eine Person oder mehrere Individuen als solche zeigt (vgl. Burke 1998, S. 156). Die Fotografie ist also keineswegs initiierender Generator der Entwicklung, sondern ein Medium, das auf den soziokulturellen Wandel eingestellt wird und diesen selbst mit seinen Darstellungsoptionen (Reproduzierbarkeit, ‚Realismus‘) forciert. Zu der Rekonstruktion fotografischer und filmischer Selbstdarstellungspraktiken unter den Bedingungen der computerisierten Medien sowie zu der Nutzung entsprechender Bildpraktiken als Generatoren von Freundschaft und Gemeinschaft, vgl. die Beiträge in Neumann-Braun/Autenrieth (Hrsg. 2011a und Hrsg. 2011b).
 
21
Frühe Beispiele hierfür sind die fotografischen ‚Dokumentationen‘ des Krim-Krieges (1853–1856) und des Nord-Südstaaten-Krieges in den USA (1861–1865), vgl. z. B. Kreimeier (2005) und für die Gegenwart Knieper/Müller (Hrsg. 2005).
 
22
Dazu gehören Bilder, die (z. B. (post-)koloniale) Herrschaftsverhältnisse zum Ausdruck bringen oder an der (De-)Stabilisierung derselben beteiligt sind (vgl. Avermaete/Karakayali/von Osten Hrsg. 2010).
 
23
Die hierfür nötige technische Entwicklung der Bildrasterung („Autotypie“) datiert auf 1881.
 
24
Die „Field Photography“ von Jacob A. Riis und Lewis W. Hines, die ab 1880 das Leben der Ärmsten New Yorks dokumentierten, gilt als ein Anfangspunkt dieser Entwicklung (vgl. Freund 1976, S. 117). In dieser Tradition steht dann auch eine ambitionierte Form des Bildjournalismus, die eine für jeden verständliche Sozialethik entwickelt und einen ersten Höhepunkt mit Edward Steichens Wanderausstellung „Family of Man“ 1955 erreicht (vgl. Neumann 1989, S. 72).
 
25
Ein Empowerment marginalisierter Gruppen wird seit den 1990erJahren in den Visual Studies mit Methoden wie der Foto-(Selbst-)Dokumentation betrieben (vgl. Wang/Burris 1997; zu einem Überblick Harper 2012, S. 188 ff.).
 
26
Zu dieser Diagnose an prominenter Stelle Simmel (1995 [1905]).
 
27
Fotografen wie Cecil Beaton machen die Modefotografie spätestens in den 1940er Jahren zu einer eigenständigen Kunstform. Die bildbasierte Eigenwertigkeit von Images geht nun weit über die Bebilderung des Modischen vorausliegender Jahrhunderte in den Printmedien (Zeitung, Illustrierte, Buch) hinaus.
 
28
Diese Ansicht formuliert etwa Baudelaire 1859 (1980) in einem medienkritischen Kommentar.
 
29
Einen Vergleichsrahmen bietet z. B. der historisch vorgängige Theater-Star, dazu Hickethier (1997).
 
30
Den Zusammenhang von Pornografie und Fotografie- und Filmgeschichte rekonstruiert z. B. Williams (1989).
 
31
Vgl. dazu ausführlicher Kautt (2008).
 
32
Zur problematischen Differenzierung von Hardware und Software vgl. Kittler (1989).
 
33
Vgl. dazu Gleiter (2008, insb. S. 43 ff.).
 
34
Zu einer Übersicht vgl. Spenger (2015) und Qusay (2018).
 
35
Zum Beispiel der Anpassung von Interface-Design an die Emotionen und Interessen von Nutzern vgl. Prendiger/Ishizuka (2011). Fraglos gewinnt mit dem Computer die von Ludwig Klagesʼ „Phänomenologie des Lebendigen“ (1950 [1913]) gestellte Frage, unter welchen Bedingungen uns etwas als lebendig erscheint, für das Design computerisierter (u. a. visueller) Kommunikation an Brisanz und Relevanz.
 
36
Karin Knorr Cetina beschreibt dies mit dem Konzept der „synthetischen Situation“ (2009). Dass der in den 1990er Jahren im Zuge spezifischer Technikanwendungen eingeführte Begriff der „Augmented Reality“ (vgl. z. B. Azuma 1994; Fahle 2006) inzwischen an Popularität verloren hat, mag u. a. daran liegen, dass die ‚Anreicherung‘ situativer Ereignisse durch mediatisierte (computerisierte) Kommunikationen inzwischen gewöhnlich ist. Zu einer phänomenologischen Einordnung von Augmented Reality-Anwendungen vgl. Liberati (2018).
 
37
Dass und inwiefern computerisierte Medienökologien derzeit die Turingssche Computability erweitern, aber zugleich von dieser strukturell bedingt bleiben, verdeutlichen am Beispiel des Smartphone, sich wechselseitig ergänzend, Warnke (2018) und Hagen (2018).
 
38
Zu einem Anwendungsbeispiel für Letzteres im Kontext fotografischer Selbstdarstellung siehe Manovich (2012). Zu einer Problematisierung von Big Data Diaz-Bone (2018) und Mützel, Saner, Unternährer (2018). Zu einer aktuellen Übersicht über Bild-Praktiken unter den Bedingungen computerisierter Kommunikation vgl. Gerling, Holschbach, Löffler (2018). Zum ‚digitalen Bild‘ weiterhin Mitchell (1992), Pias (2003), Freyermuth (2014) und Kohle (2017). Zu grundlegenden Fragen der computerisierten Indexierung und Archivierung von Bildern, die trotz beachtlicher Fortschritte in den letzten Jahren bei der algorithmischen Muster- und Typenbildung sowie der Verknüpfung adressierter Bilder durchaus offen sind, vgl. die Beiträge in Ernst, Heidenreich und Holl (Hrsg. 2003).
 
39
Die aristotelische Rhetorik und deren Emotions-Management gehören bis heute zu den praktisch nutzbaren Konzepten (vgl. Jörke 2010). Für den südasiatischen Subkontinent weist Ute Frevert auf die „elaborierte Theorie der Gefühle und des Gefühlsausdrucks“ der indischen Rasa-Lehre hin, „die die indische Dichtung, Musik und den Tanz bis in die Neuzeit hinein prägt.“ (Frevert 2010, S. 207)
 
40
Vgl. exemplarisch Senge/Schützeichel (Hrsg. 2013).
 
41
Vgl. exemplarisch Collins (1990), Flam (1999), Schnabel (2005) und Schützeichel (2010). Dass auch die Praxis der Wissenschaft und entsprechend ihre Ergebnisse (z. B. visuelle Texte) zu Emotionen in Beziehung stehen, zeigt z. B. White (2009).
 
42
Zu einer instruktiven Problematisierung des Konzepts vgl. Knape (2008).
 
43
Kleinginna/Kleinginna listen 1981 neunzig Definitionen auf (vgl. Ciompi/Endert 2011, S. 18).
 
44
Stimmungen werden hingegen als Gefühlszustände beschrieben, die sich zeitlich weniger genau eingrenzen lassen und durch eine stärkere Diffusität der Valenzen und der Auslöser gekennzeichnet sind. Zu einer Übersicht über emotionstheoretische Klassifikationskonzepte vgl. Turner (2000, S. 66–84).
 
45
Vgl. Tooby und Cosmides (2008). Die Hirnforschung geht von einer Eigenlogik gefühlsrelevanter Hirnfunktionen bzw. Hirnsysteme aus und spricht z. B. vom „Belohnungs-System“, „Angst-Panik-System“, „Interesse-Neugierde-System“, „Wut-Aggressions-System“ (Ciompi/Endert 2011, S. 34).
 
46
Vgl. Öhman/Mineka (2001).
 
47
Aus evolutionstheoretischer Sicht besteht eine Funktion von Mediendarstellungen und -narrativen darin, dass Individuen in gefahrlosen (‚virtuellen‘) Umgebungen für das eigene Leben lernen können (vgl. Schwender 2006).
 
48
Vgl. z. B. Ciompi/Endert (2011, S. 18).
 
49
Vgl. mit Belegen Müller/Kappas (2011, S. 314).
 
50
Zu diesem, auf die Arbeiten von Magda Arnold und Richard Lazarus zurückgehenden Konzept sowie zu der Darlegung empirischer Analysen, die dieses Modell stützen, vgl. z. B. Schachter (1964) und Scherer et al. (2006).
 
51
Der hier gemeinte Sachverhalt ist dementsprechend grundlegender als die historisch spezifische Selbst- und Fremdregulation von Gefühlen, die Elias mit dem Begriff des „Zivilisationsprozesses“ (1980 [1939]) fasst.
 
52
Hingegen ist dieser Zusammenhang unter dem praktischen Gesichtspunkt der systematischen Generierung überzeugender Darstellungen höchst relevant. Entsprechend reflektiert die Theorie des Theaters und der Schauspielkunst schon lange auf die Frage, ob, inwiefern und mit welchen Konsequenzen das innerliche Erleben von Gefühlen die Voraussetzung gelungener Emotionsdarstellungen ist. Zu einem Überblick siehe z. B. Risi/Roselt (Hrsg. 2009).
 
53
Diesen Eindruck bestätigt Hans Beltings „Bild-Anthropologie“ (2001). Dass auch die Bildgeschichte des Teufels als eine Anpassung an menschliche Selbstbilder mit zunehmend humanen Zügen rekonstruiert werden kann, zeigt Arasse (2012).
 
54
Für eine klassische Studie vgl. Ekman/Friesen (1969).
 
55
Studien mit dem „International Affective Picture System“ deuten dabei auf kulturunabhängige Auslöser wie die bereits erwähnten hin (vgl. Bradley/Lang 2007).
 
56
Zu den Pathosformeln des Fußballs vgl. Bredekamp (2007, S. 169–185).
 
57
Mit dieser Perspektive wird man bezweifeln dürfen, dass die Funktion der sozialdokumentarischen Fotografie von Lewis W. Hine bis Sebastião Salgado oder auch des (sozial-)dokumentarischen Films nur darin besteht, die Öffentlichkeit über Missstände aufmerksam zu machen (zur Geschichte des Genres vgl. z. B. Schmidt 2011). Ebenso wird man annehmen müssen, dass die Beimengung des Sozialdokumentarischen im Medienkontext von Lifestyle, Unterhaltung und Werbung einem emotional design im Sinne des Erhabenen dient – auch wenn dies nicht den Intentionen der Fotograf*innen (der Filmemacher*innen) entsprechen mag.
 
58
Wie Turner selbst feststellt, handelt es sich mangels empirisch-analytischer Überprüfbarkeit um eine These, die nur argumentativ bekräftigt, nicht aber ‚bewiesen‘ werden kann (Turner 2000, S. 154 f.).
 
59
Zu diesem Szene-Begriff vgl. Hitzler/Niederbacher (2010).
 
60
Vgl. z. B. Vogelgesang (1991).
 
61
Vgl. Frevert (2010).
 
62
Zu einigen Beispielen vgl. Willems/Kautt (2003, S. 416–419).
 
63
Hochschilds Begriff der feeling rules bezieht sich nicht nur auf die Regeln des emotional Erwünschten, sondern auch auf die davon ggf. abweichenden Einschätzungen von Situationen und dazugehörigen Gefühlen. So könne man aus Erfahrungen die Regel ableiten, dass es sich bei Partys um langweilige Ereignisse handle, während einem die Regel des ‚Spaß-Habens‘ auf solchen Veranstaltungen bekannt sei (vgl. Hochschild 1974, S. 564).
 
64
Die Notwendigkeit des inneren Fühlens werde von Goffmans Beschreibungen eines bloß oberflächlichen „impression managements“ übersehen, kritisiert Hochschild.
 
65
Besonders effektiv ist das Gesicht als Kommunikationsmedium deshalb, weil die Mimik weniger als das Sprechen auf Lernen angewiesen ist (vgl. Elias ebd., S. 353). Zu einer umfangreichen Darstellung der „facialen Gesellschaft“ im Blick auf die Rekonstruktion unterschiedlicher Kommunikationsmedien (z. B. Fotografie, Film) vgl. Löffler (2004).
 
66
Dass die Barker-Schule dazu tendiert, Verhalten allzu stark über Behaviour Settings zurückzuführen „und die Analyse von Sozialstruktur in Settinganalyse auflösen zu wollen“, notiert zurecht Saup (1983, S. 144). Entsprechend ist analytisch in Fallanalysen die spezifische Relevanz von Settings zu prüfen – z. B. im Beziehungsgefüge weiterer Strukturen (der Macht, der Identitäts- und Emotions-Semantiken u. a.).
 
67
Zur Gestaltung von Chefzimmern vgl. ausführlich Lachmayer (2011).
 
68
Hochschilds Konzept der feeling rules erklärt demgegenüber eher die Verhaltensanpassung von Individuen an thematisch variierende Situationen.
 
69
Dazu ausführlich Goffman (1986).
 
70
Vgl. Willems (1997, S. 112–127); zu einem Überblick über die Literatur im Themenzusammenhang Interaktion und Emotion vgl. von Scheve (2010).
 
71
Dass und inwiefern sich Elias´ Konzept im Hinweis auf kulturelle und ethnische Unterschiede oder auch hinsichtlich historisch unterschiedlicher Verlaufsformen der „multiple modernities“ (Eisenstadt 2000) mit guten Gründen kritisieren lässt (vgl. zu einer Übersicht z. B. Paul 2011), ist für die folgenden Überlegungen weniger entscheidend als der Sachverhalt, dass sich (noch) in der Gegenwarts(welt)gesellschaft unverkennbar Zivilisierungstendenzen ausmachen lassen.
 
72
Die Computerisierung der Gesellschaft im Sinne eines allgemeinen Wichtigerwerdens technischer wie (technisch basierter) sozialer Netzwerke (Internet) verleiht dieser These eine neue Aktualität. Dazu passt, dass nicht wenige Gesellschaftsdiagnosen derzeit die Konzepte Identität, Netzwerk und Kontrolle fokussieren und verknüpfen (vgl. z. B. White 1992, Castells 2009). Man denke auch an den Sachverhalt, dass sogenannte künstliche Intelligenz zunehmend genutzt wird, um Menschen durch vermeintlich rationalere und weniger durch Emotionen ‚fehlgeleitete‘ technische Aktanten abzulösen (z. B. im Bereich der Medizin oder des Militärs). Vielleicht kann man hierin die (vorläufige) Endstufe des Zivilisationsprozess erkennen: Der Mensch versteht und beschreibt sich selbst als nicht in wünschenswertem Maße zivilisierbar und überlässt – u. a. der Idee der (Selbst-)Kontrolle verpflichtet – den Maschinen die Kontrolle.
 
73
Dazu Gugler (2000).
 
74
Diese Logik des Zeigens und Verbergens ist in den medialen Inszenierungen der Koch- und Esskulturen der Gegenwartsgesellschaft im Themenbezug Fleisch sehr relevant. Dazu, sowie zu gegenläufigen Tendenzen im Kontext televisueller Koch-Shows, siehe Kautt (2010 und 2019).
 
75
Vgl. hierzu Elias (1969) und Selle (2002). Dass moderne Bäder zu halböffentlichen ‚Bühnen‘ mit Wohnraumcharakter entwickelt werden, widerspricht dem Zivilisationsprozess kaum – eher wird man hierin eine allgemeine Aufwertung des gestalteten Privatbereichs für vermögendere Individuen sehen können, der (der Privatbereich) sich zudem für „demonstrativen Konsum“ (Veblen 1997), d. h. für die Beeindruckung anderer, nutzen lässt.
 
76
Vgl. zur Zurückdrängung von Gewalt im Sport Elias (2003) und mit dem Blick auf aktuelle Entwicklungen im Fußball Naglo (2014, S. 258).
 
77
Dass man auf den reinen Körper mit verschiedenen Absichten Schmutz-Dekorationen aufbringen kann, spricht nicht gegen, sondern für diese Diagnose – denn es geht dann um das dramaturgische Spiel mit (Un-)Zivilisiertheit. Zur Analyse des zivilisierten Körpers im (Bilder-)Rahmen der Werbung siehe ausführlich Willems/Kautt (2003, S. 36 ff., S. 318–322 und S. 411 f.).
 
78
Vgl. hierzu die Beiträge in Schuegraf und Tillmann (Hrsg. 2012) und mit Blick auf die Werbung Kautt (2012).
 
79
Zivilisationstheoretisch lässt sich z. B. das Ideal des ‚feinen‘, emotionskontrollierten Benehmens deuten, das in vielen massenmedialen Narrationen (Unterhaltung, Werbung) auch und gerade über visuelle Kommunikationen als Kompetenz ‚vorbildhafter‘ und erfolgreicher Figuren zum Ausdruck gebracht wird. Wichtiges Merkmal ist überdies die virtuose Einpassung des Verhaltens moderner Subjekte in wechselnde Situationskontexte über die Beherrschung variierender „feeling rules“ (Hochschild 1979). Auch diesbezüglich spielen visuelle Kommunikationen, in lebenswirklichen Situationen wie in verschiedenen Medieninszenierungen, eine grundlegende Rolle.
 
80
Zur theoretisch verdichteten Darstellung des Arguments vgl. Luhmann (1984, insb. S. 23 ff.).
 
81
Für das Mittelalter zeigt das z. B. detailliert Wenzel (2008).
 
82
Andererseits können mit Schrift Formen der Bedeutungsvertiefung erreicht werden, die für visuelle Kommunikation (und z. T. für gesprochene Sprache) unerreichbar bleiben (vgl. Abschn. 5.​1).
 
83
Dass die Symbol- und Imagewelten der Werbung in den Lebenswirklichkeiten ankommen, wird wiederum an Romanen deutlich. So flicht bereits Irmgard Keun in ihrem Werk „Das kunstseidene Mädchen“ (1932) Markennamen ein, um die Bildwelten der Werbung bei der Lektüre assoziierbar zu machen.
 
84
Vor allem der (junge) Frauenkörper wird in der Werbung in den verschiedensten Zusammenhängen als ein liebes- und erotiksymbolisches Ausdrucksmedium modelliert. Das Frauengesicht ist dabei von größter Bedeutung: Mehr oder weniger geöffnete Münder, geschlossene Augen, herausgestreckte Zungen oder verklärte Blicke sollen erotische Involviertheit, Verzücktheit oder Ekstase darstellen (vgl. dazu ausführlich Willems/Kautt 2003, S. 392–397).
 
85
Dass und mit welchen Inszenierungsmustern die Werbung maßgeblich am öffentlichen Liebes-Diskurs Anteil hat zeigen Willems/Kautt (2003, S. 389–421) und Illousz (2003, S. 27–73).
 
86
Hierzu ausführlich Neckel (2014).
 
87
Vgl. hierzu Haubl (2009, S. 123–129).
 
88
Dem „spezialisierten Güterkonsum“ unterstellte Veblen in erster Linie die Funktion, die „finanzielle Macht“ desjenigen zu demonstrieren, der über die entsprechenden Produkte verfügt (1997, S. 79 f.).
 
89
Das zeigt u. a. die Entwicklung der deutschen Nachkriegszeit. Während etwa Mediengattungen wie die Werbung bis in die 1950er-Jahre bevorzugt den Alltag des Familien- und Berufslebens thematisieren, rückt in den Dekaden danach die Inszenierung außeralltäglicher und emotionsgenerierender Ereignisse stärker in den Mittelpunkt (vgl. z. B. Bau 1995). Neben ‚Spaß-Haben‘ bleibt die Auseinandersetzung mit Traurigkeit (wie auch mit anderen Emotionen) in den visuellen Kommunikationen der Gegenwartsgesellschaft durchaus ein Thema. Am Beispiel der Rezeption trauriger Filme vgl. z. B. Dohle (2011).
 
90
Vgl. Gutwald/Zons (2007). Diese ‚Macht‘ scheint z. T. auf tief liegenden, evolutionär bedingten Schemata von Wahrnehmungen und Kognitionen aufzuruhen. Folgt man psychologischen Studien, entsprechen z. B. die Präferenzen von Kleinkindern unter einem Jahr für bestimmte Gesichtsformen den Attraktivitätsbeurteilungen von Erwachsenen (vgl. Langlois et al. 1987; vgl. auch Menninghaus 2007).
In gewisser Weise kann man sagen, dass selbst die christliche Kirche der ‚Macht‘ der Schönheit unterliegt. Während in urkirchlichen Schriften, in denen auf die Hässlichkeit der Körpererscheinung Jesu wiederholt hingewiesen wurde, um zu betonen, dass Christi eben gerade nicht als Imperator und byzantinischer Herrschergott aufgetreten sei (vgl. Zons 2007, S. 23), ist kaum zu übersehen, dass sich die christliche (Auftrags-)Malerei seit der Neuzeit Jesus (fast) nie als einen hässlichen Menschen vorstellen konnte. Ganz im Gegenteil lässt sich ohne Übertreibung sagen, dass die Superiorität Jesu in zahlreichen Gemälden in seinem betonten ‚Gutaussehen‘ zum Ausdruck gebracht wird, das auffällig mit dem jeweiligen Aussehen der anderen gezeigten Personen kontrastiert.
 
91
Neben dem ‚Diktat‘ geschlechtsspezifischer Erwartungen, die fraglos an alle Menschen ungeachtet individueller Interessen, sexueller Orientierungen und genderbezogener Daseinslagen herangetragen werden, sind Macht und Gender vielfach verknüpft, sodass z. B. von der „männlichen Herrschaft“ (Bourdieu 2005) oder der „Diktatur der Heterosexualität“ (Kraß Hrsg. 2003) gesprochen wird.
 
92
Dazu Hakim (2011).
 
93
Siehe Reuser u. a. (Hrsg. 2006).
 
94
Vgl. Frey (1999), Hofmann (2005), Alexander/Bartmánski/Giesen (Hrsg. 2012).
 
95
Vgl. z. B. Borsó/Liermann/Merziger (Hrsg. 2010).
 
96
Siehe exemplarisch Ciarlo (2011).
 
97
Zu einem Überblick über entsprechende Theorien vgl. Lappenküper u. a. (Hrsg. 2003).
 
98
Dazu Führer/Hickethier/Schildt (2001).
 
99
Vgl. Dörner (2001), Meyer (2001), Pörksen und Krischke (Hrsg. 2013).
 
100
Zu dem hier referierten Konzept ausführlicher Popitz (1992).
 
101
Folgt man Agambens Beschreibung des „Homo Sacer“ (2002 [1995]) im Anschluss an Foucault, entwickelt sich mit modernen Machtformen wie dem Nationalstaat eine „Bio-Politik“, die die Verletzlichkeit des Körpers bzw. das „bloße Leben“ als Fundament der bürgerlichen Existenz ansieht und den Souverän zur Entscheidungs-Instanz über selbiges Leben macht – bis hin zur Herstellung einer „conditio inhumana“, z. B. im deutschen Faschismus (vgl. Agamben 2002, S. 151 f. und 175 ff.).
 
103
Architektur kann geradezu als verhaltensbestimmendes „behaviour setting“ (vgl. Barker 1960) gestaltet werden – man denke nur an Le Corbusiersʼ Konzept, Einbaumöbel (z. B. Sitzgelegenheiten) unverrückbar in Wohnungen buchstäblich einzubetonieren.
 
104
Zur historischen Entwicklung von Eigentum und Geld siehe grundlegend Luhmann (1991a). Wie Luhmann annimmt, ist die Entstehung der Sozialform Eigentum und später dann des Geldes als Lösung von Legitimitätsfragen und sozialen Konfliktlagen zu verstehen, die sich im sichtbaren Zugriff Weniger auf (knappe) Ressourcen ergeben. Insbesondere das abstrakte Tauschmedium Geld scheint sich offenkundig für die Legitimation unterschiedlicher Zugriffsrechte noch in der (Spät-)Moderne bestens zu eignen: Wenn der Preis einer Ware bezahlt werden kann, bleibt die Frage nach dem legitimen Erwerb des Zahlungsmittels unterdrückt, wie man an der Praxis alltäglich sich ereignender Zahlungsvorgänge erkennen kann.
 
105
Zu dem entindividualisierten Körper der Massen siehe Krakauer (1977, S. 51 ff.).
 
106
Zu den Voraussetzungen hierfür stellt Popitz fest: „Öffentliche Autoritäten entstehen, wenn viele Menschen die Distanz zu öffentlich sich darstellenden Akteuren überbrücken und diesen eigentümlich interaktionslosen Selbstbezug zustande bringen.“ (Popitz 1992, S. 126)
 
107
Vgl. dazu die „Süddeutsche Zeitung“ vom 28.12.2011.
 
108
In einem sehr allgemeinen – die verschiedenen historischen Gesellschaftsformen übergreifenden – Sinne sieht auch Elias im Kampf einen grundlegenden sozialen Prozess: „Gruppen im Aufstieg suchen ihre Lage zu verbessern im Kampf mit anderen, die ihnen den Aufstieg verwehren; bereits aufgestiegene versuchen das, was sie haben, gegen den Ansturm der neuen Gruppen zu behaupten; wieder andere steigen ab.“ (Elias 1983, S. 27)
 
109
Freilich variieren die Grade der Handlungsmächtigkeit erheblich und können – man denke nur an die Insassen „totaler Institutionen“ (Goffman 1973) wie Psychiatrien oder Gefängnisse – in Konstellationen weitestgehender Entmachtung münden. Doch selbst in diesen Kontexten bleiben Machtchancen bestehen, u. a. in Bezug auf andere Insassen.
 
110
So setzen sich in professionalisierten Handlungsfeldern, wie der Werbung, bestimmte Entwürfe u. a. durch, weil bestimmten Akteurinnen und Akteuren mehr Macht zukommt als anderen (vgl. Schmidt/Spieß 1994). Dabei können nicht nur die Gestaltungen selbst, sondern auch deren Interpretationen mit Machtasymmetrien variieren – so z. B. dann, wenn sich im Deutungskonflikt eines Röntgenbildes die Lesart des Chefarztes gegen die Perspektive untergeordneter Ärzte durchsetzt (zu diesem Beispiel Burri 2008a, S. 253).
 
111
Zum Beispiel der griechischen Antike vgl. Hölscher (2003). Für den Zusammenhang von Politik und (visueller) Performanz in der Gegenwartsgesellschaft vgl. z. B. Dörner (2001), Sarcinelli/Tenscher (Hrsg. 2003) und Hebel/Wagner (Hrsg. 2011).
 
112
Zur Inszenierung von Charisma am Beispiel Barack Obama vgl. Kautt (2015a).
 
113
Vgl. z. B. Hofmann (1999), Holert (Hrsg. 2000), Kröncke (2007) und Schaffer (2008).
 
114
Am Beispiel konfliktiv verhandelter Repräsentationsordnungen der australischen Aborigines zeigt dies Ginsburg (2002).
 
115
Entsprechend professionalisiert ist auf einem hohen Institutionalisierungsniveau von Macht die Arbeit gegen die „Visibilitätsreserven“ anderer Mächte – z. B. durch staatlich organisierte Spionage gegen andere Staaten (vgl. Münkler 1995, S. 227). Dazu gehört nicht zuletzt ein Management diskreditierender Bilder, die in öffentlichen (Bild-)Mediendiskursen wirksam werden und auch die internationalen politischen Beziehungen beeinflussen. Für das Beispiel der Folter-Bilder aus Abu Ghraib z. B. Hansen (2015).
 
116
Auch wenn der Begriff der Macht in Goffmans Arbeiten kaum vorkommt, zeigen seine Studien, dass und inwiefern Darstellungen und deren graduelle Akzeptanz durch Publika als basales ‚Kapital‘ aller Individuen anzusehen ist (vgl. z. B. Goffman 1969 u. 1986). Nicht zuletzt betont Goffman in seinen Analysen zum „Stigma“ (1967) die (Nicht-)Visibilität diskreditierender Eigenschaften als Quelle der Herstellung sozialer Identität und als Basis strategischer Image- und d. h. Machtarbeit.
 
117
Zur allgemeinen Funktion politischer Inaugurationszeremonien im Spannungsverhältnis zur Individualität von AmtsträgerInnen vgl. am Fall Barack Obama ausführlich Kautt (2015a).
 
118
Die medienwirksam inszenierten Marathon-Läufe von Joschka Fischer trugen ihrerseits zum Image seiner (Ausdauer-)Sportlichkeit bei.
 
119
Wie sich eine image- und d. h. machtdienliche Amalgamierung populärkultureller Sinnbestände an einem spezifischen Fall (dem „Hindenburg-Mythos“) vollzieht, zeigt von der Goltz (2009).
 
120
In der Verschränkung verschiedener Darstellungsfunktionen kann die Stabilisierung politischer Macht verdeckt bleiben. Das gilt z. B. für ägyptische Monumentalbauten, die – Jan Assmann zufolge – primär als Manifestationen eines geltenden Geschichtsbewusstseins und einer zeitbestimmenden Kosmologie zu verstehen sind: „Der Tempel […] versteht sich nach ägyptischer Auffassung als die irdische Realisierung eines himmlischen Buches, und zwar: als Bauwerk, das einen göttlichen Grundplan verwirklicht, als Dekorationsprogramm, das eine ganze Bibliothek in Stein wiedergibt, als Ritual, das den göttlichen Vorschriften folgt und als gebaute Erinnerung, d. h. Visualisierung eines Geschichtsbewusstseins, das die Gegenwart mit der mythischen Urzeit der Ursprünge verbindet.“ (Assmann 2002, S. 185) Obwohl Assmann hier wie an anderen Stellen (vgl. z. B. ebd. S. 177 f.) die kosmologische Funktion der Ästhetik besonders betont und die Machtfunktion gänzlich ausspart, führt er andernorts aus, dass der „monumentale Diskurs“, zu dem u. a. die Tempel als visuelle Ausprägungen gehören, auf einer Schriftkultur basiert, die ihrerseits eine Machttechnik, ja ein „Dispositiv der Macht“ (Foucault) darstellt (vgl. ebd., S. 268). Im Ganzen betrachtet ist der monumentale Diskurs daher ein „Medium, in dem der Staat zugleich sich selbst und eine ewige Ordnung sichtbar macht.“ (Ebd., S. 170)
 
121
Vgl. Goffman (1986); Luhmann (1997, S. 397 f.).
 
122
Zur Diskursivierung dieser und anderer Motive im Zuge der Schweizer Minarettverbot-Initiative vgl. Langenohl (2013).
 
123
Gewaltdarstellungen sind hier systematisch auf eine Affektlogik eingestellt, die man mit Begriffen wie „Angstlust“ (Balint 1972) oder dem Erhabenen in Verbindung bringen kann (s. o.).
 
124
Vgl. Dastgeer/Gade, P. J. (2016). Zum Beispiel der „visual politics“ im Israel-Palestina-Konflikt vgl. Abu Hatoum (2017). Dass die computerisierten Medien auch einem sozialwissenschaftlich initiierten Empowerment benachteiligter Bevölkerungsgruppen neue Machtpotenziale in der Nutzung technischer Bilder bieten, liegt auf der Hand (vgl. z. B. Wright/Darko/Standen, Patel 2010).
 
125
Zur Tradition der Bilderstürme, die gerade auch in der Geschichte der Religionen bzw. deren Institutionen verankert ist, vgl. Warnke (Hrsg. 1988).
 
126
Vgl. hierzu ausführlich Paul (2005). Der politische Ikonoklasmus ist in demokratischen Staaten freilich eingebettet in öffentliche Diskurse, in denen wiederum Machtverhältnisse wirksam werden – man denke nur an die Debatten zur Frage, ob und inwiefern der „Palast der Republik“ als kulturelles Erbe der DDR zu bewahren sei oder nicht. Zu Beispielen der Konfliktgeschichte des Denkmals vgl. die Beiträge in Speitkamp (Hrsg. 1997).
 
127
Zu den Folgen (bild-)medienbedingter Beschleunigung im Bereich des Militärs vgl. Virilio (1989).
 
128
Zu dieser Strategie moderner Kriegsführung siehe Beuthner/Weichert (2005).
 
129
Von einem allgemeinen Bedeutungsverlust des Bildes vor dem Hintergrund der Vermassung von Bildern spricht z. B. Boehm (1995). Auch der von Latour und Weibel diagnostizierte „Iconoclash“, im Sinne einer zunehmenden Ambiguität und Opazität öffentlich diskursivierter Bilder, gründet maßgeblich auf deren Vermassung unter den aktuellen Medienbedingungen (vgl. Latour und Weibel Hrsg. 2002, S. 33 ff.). Von einem subtilen Ikonoklasmus jenseits der Bildzerstörung kann man weiterhin insofern sprechen, als machtbezogene Regime des Sehens, Blickens und Angeblickt-Werdens Voraussetzungen dafür schaffen, was in einer Gesellschaft (un-)sichtbar ist (vgl. Guerlin 2015, S. 22 ff.).
 
130
Eine Zusammenstellung von Benthams Texten zum Panopticon bietet Bozovic (1995).
 
131
Untersuchungen, die sich mit (visuellen) Überwachungstechnologien befassen und seit einiger Zeit unter dem Begriff „surveillance studies“ zusammengefasst werden (vgl. z. B. Ball et al. 2014, Zurawski 2014), beziehen sich zumeist auf Benthams Panopticon als eine auf verschiedene Beobachtungstechniken anwendbare Metapher sowie auf Foucaults Analysen zur Macht. Zu Studien in diesem Bereich vgl. exemplarisch Norris/Moran/Armstrong (Hrsg. 1998), Sassen (2000), Lyon (2001) und Hempel/Metelmann (Hrsg. 2005). Zum Einsatz von Bodycams Timan (2016); zur Problematisierung der Einbezugnahme von Videodaten in der Rechtsprechung an einem Fallbeispiel Watson (2018).
 
132
Vgl. dazu ausführlich Foucault (1976, insb. S. 251–292).
 
133
Dass und inwiefern die Gemeinsamkeiten und Komplementaritäten der Werke von Foucault und Elias für eine figurationstheoretisch fundierte „Synthetische Soziologie“ erschlossen werden können, zeigt Willems (2012, insb. S. 440–479).
 
134
Schon im 19. Jahrhundert wird die Fotografie für die Zwecke von Machtinstitutionen erschlossen – z. B. in der Herstellung polizeilicher (Bild-)Archive von Straftätern, vgl. Edwards (2003) und Sekula (2003).
 
135
Zu einer empirischen Studie, die die Folgeeffekte der Einführung von Videokontrollsystemen in der BRD an einem regionalen Fallbeispiel untersucht, siehe Bornewasser (2005).
 
136
Dazu gehört die Lenkung von Menschenmassen ebenso wie die Ausarbeitung und Durchsetzung von Evakuierungsplänen bei Unwettern (vgl. New York Times, 12.03.2012).
 
137
Zu dem Versuch einer historischen Bestimmung skopischer Regime vgl. Metz (1977, S. 85 f.), und Jay (1992). Zur Kritik der Identifizierbarkeit „skopischer Ordnungen“ vgl. Alpers (1996).
 
138
Dazu exemplarisch Franck (1998).
 
139
Zu der Entfaltung eines Kampf um Images unter den Bedingungen der technischen Bildmedien vgl. ausführlicher Kautt (2015b).
 
140
Schon der Vollzug von Zeichen setzt Wissen voraus, denn nur mit Wissen kann Bezeichnendes und Bezeichnetes in Beziehung gesetzt und als solche Binnendifferenzierung (Signifikant/Signifikat) von allem anderen unterschieden werden.
 
141
Vgl. hierzu ausführlicher Berger/Luckmann (1969). Zur Objektivierung des Wissens über Zeichenbildung vgl. auch Schütz (1994, S. 331–342).
 
142
Auf eben jene Dimension schränkt Luhmann den Wissensbegriff ein, wenn er feststellt, dass sich Wissen notwendigerweise von bloß individuellen Erfahrungsbezügen emanzipiert: „Wo Handeln interferiert, muß man wissen, wer handelt und welche Interessen und Motive er einbringt. […] Das Wissen selbst hat seine Geltung dagegen in einer anonym konstituierten Welt. Es kann als Wissen nur überzeugen, wenn man es für prinzipiell gleichgültig hält, wer es erkennt (was im praktischen Leben natürlich nicht ausschließt, Wissensvorsprünge oder Irrtümer bzw. Unkenntnisse auszunutzen).“ (Luhmann 1992, S. 143)
 
143
Zu einem Überblick vgl. Knoblauch (2014).
 
144
Für eine ausführliche Darstellung der genannten Wissensformen in obiger Reihenfolge vgl. Schütz (1994, S. 133–136; S. 139–145; S. 331–342 [1974]).
 
145
Schütz schlägt vor, dasselbe entlang der Kategorien Vertrautheit, Bestimmtheit und Glaubwürdigkeit zu dimensionieren, vgl. Schütz (1994, S. 174–203).
 
146
Hierzu Luhmann in einer stark vereinfachenden Gegenüberstellung von ‚Objektwissen‘ und ‚Wissenschaftswissen‘: „Ein Objektwissen ist schon Wissen. Man weiß, wo man ist, wenn man in Bielefeld ist. Auch gibt es vorwissenschaftliche Begriffe, die im wesentlichen Objektklassifikationen leisten, zum Beispiel ‚Frauen‘ (im Unterschied zu Männernʼ) oder ‚Gärten‘ (im Unterschied zu nicht eingezäunten und weniger intensiv oder gar nicht bearbeiteten Flächen). Um Wissenschaft handelt es sich erst, wenn Begriffsbildung eingesetzt wird, um feststellen zu können, ob bestimmte Aussagen wahr (und nicht unwahr) sind, wenn also der Code des Wissenschaftssystems die Wahl der Unterscheidung dirigiert, mit denen die Welt beobachtet wird. Selbstverständlich wird dadurch das Objektwissen in vorbegrifflicher Form nicht entbehrlich. Wie sollte man sonst den Weg ins Labor finden oder auch nur ein Buch in der Bibliothek. Aber erst durch ihre elaborierte Begrifflichkeit unterscheidet Wissenschaft sich von normalen, sozusagen touristischen Wissenserwerben.“ (Luhmann 1992, S. 124 f.) Die Konditionierungen der Kommunikation, die Luhmann im Bereich des vorwissenschaftlichen Wissens im Blick hat, sind etwa Rollen, Professionalisierung, Organisation (vgl. Luhmann 1992, S. 133).
 
147
Vgl. Behr (2005).
 
148
Zu einem Überblick über die Hauptlinien der Wissenssoziologie vgl. Knoblauch (2014).
 
149
Dass und inwiefern das Primat der Wissenskategorie unter machttheoretischen Perspektiven zu relativieren ist, zeigt Iványi (1999).
 
150
Zur Abgrenzung der Rahmentheorie von der Schützschen Wissenssoziologie vgl. Goffman (1977, S. 13 ff.). Zu einer Einordnung in das Gesamtwerk Goffmans sowie zu einer Herausarbeitung von Komplementaritäten und Anschlussmöglichkeiten des Rahmen-Konzeptes zu Begriffen wie Deutungsmuster, Skript oder kommunikative Gattung vgl. Willems (1997).
 
151
Goffman spricht auch vom „Bilder-Rahmen“ als eigenem Rahmentyp (vgl. Goffman 1981, S. 45 ff.). Zu einer Reflexion auf die Praxis des Bilder-Rahmens in der ethnografischen Forschung vgl. Heng (2017, S. 78 ff.).
 
152
Dies gilt zumindest so lange, wie primäre Weltwahrnehmungen und Weltorientierungen ohne körperlich implementierte Medien entwickelt werden. Gedankenexperimentell kann durchaus eine soziale Wirklichkeit vorgestellt werden, in der technologisch gestützte Wahrnehmungen primären Rahmen immanent sind. Bereits realisierte Cyborg-Entwicklungen weisen in diese Richtung.
 
153
Zum generellen Problem der Einordnung von Ereignissen in Rahmen (Mehrdeutigkeiten, Rahmen-Irrtümer u. a. vgl. Goffman 1977, S. 331 ff.).
 
154
Dies gilt auch für eineiige Zwillinge und Klone, die bislang (noch) nicht zum „Menschenpark“ (Sloterdijk) gehören – denn die performative Phänomenalität von Lebewesen (erst recht komplexerer wie solchen des Menschen) ist mehr und anderes als ein Resultat genetisch bedingter Informationen, u. a. deshalb, weil sich situatives, empirisch vorliegendes Verhalten aus variierenden, je spezifisch vorliegenden Umgebungsbeziehungen ergibt.
 
155
Eben dies beschreibt u. a. Merleau-Ponty als wichtigen Ausgangspunkt der Entwicklung des Selbst (1986, S. 17–34). Zu einem Überblick über philosophische und literarisch-künstlerische Positionen zur Sichtbarkeit des Individuums für sich selbst und andere z. B. Müller (2017).
 
156
In Bezug auf identitätsbildende ästhetische Erfahrungen vgl. Alheit/Brandt (2006).
 
157
Dass und inwiefern Eigentum und später dann Geld als „symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium“ entwickelt werden, um soziale Konflikte im Kampf um knappe Ressourcen zu regulieren, zeigt ausführlich Luhmann (1991a). Dass beides, Eigentum und Geld, bis in die aktuelle Gegenwart als Medium der Verschleierung der Ungerechtigkeit der Ressourcenverteilung und d. h. als Reflexionsstopp der Legitimität von Verteilung funktioniert, ist sehr erstaunlich und verweist auf ein komplexes Zusammenspiel von Macht, Recht, Geld, Ästhetik (Performanz) und prozessualer Stratifikation.
 
158
„Die Solidarität, die aus Ähnlichkeiten entsteht, erreicht ihr Maximum, wenn das Kollektivbewußtsein unserer Bewußtsein genau deckt und in allen Punkten übereinstimmt: aber in diesem Augenblick ist unsere Individualität gleich Null.“ (Durkheim 1992, S. 181 f. [1893]).
 
159
Im Unterschied zur „Vergesellschaftung“, die für Weber gerade nicht mit identitären Zugehörigkeiten verknüpft ist: „‚Vergesellschaftung‘ soll eine soziale Beziehung heißen, wenn und soweit die Einstellung des sozialen Handelns auf rational (wert- oder zweckrational) motiviertem Interessenausgleich oder auf ebenso motivierter Interessenverbindung beruht.“ (Ebd.)
 
160
Und damit Potentiale der Identifikation schaffen, deren graduelles Gegebensein Jan Assman in den Begriff der kollektiven Identität einschließt: „Unter einer kollektiven oder Wir-Identität verstehen wir das Bild, das eine Gruppe von sich aufbaut und mit dem sich deren Mitglieder identifizieren. Kollektive Identität ist eine Frage der Identifikation seitens der beteiligten Individuen. Es gibt sie nicht ‚an sich‘, sondern immer nur in dem Maße, wie sich bestimmte Individuen zu ihr bekennen. Sie ist so stark oder so schwach, wie sie im Bewußtsein der Gruppenmitglieder lebendig ist und deren Denken und Handeln zu motivieren vermag.“ (Assmann 2002, S. 132).
 
161
Dass und inwiefern z. B. NGOs in der Entwicklungshilfe ein bildbasiertes Identitäts-Management betreiben zeigt Orgad (2013). Zu mediatisierten Selbst- und Fremdbiografisierungen im Rahmen von Bildern vgl. die Beiträge in Heinze/Hornung (Hrsg. 2013), Schwalbe (2009) und Breckner (2013).
 
162
Vgl. Kautt (2008).
 
163
Faulstich/ Korte (Hrsg. 1997).
 
164
Hitzler/Pfadenhauer (2006).
 
165
Raab (2008, S. 306–316).
 
166
Hebdige (1979), Klein/Friedrich (2003).
 
167
Vgl. z. B. Burkhart (2006), Misoch (2007), Kautt (2011b), Eckel/Ruchatz/Wirth (Hrsg. 2018), Reichert (2018).
 
168
Vgl. hierzu exemplarisch Butler (1991 [1990]; Laqueur 1992 [1990]).
 
169
Entsprechend unzureichend ist die – auch in vorliegender Arbeit verwendete – Binarisierung der Sprache, mit Folgen u. a. für die Methodologien und Methoden der Sozialwissenschaften (vgl. Compton/Meadow/Schilt Hrsg. 2018); zu einer Übersicht über (visuelle) queer identity politics siehe Hieber/Villa (Hrsg. 2007).
 
170
In den Leitsätzen zum Beschluss des Ersten Senats vom 10. Oktober 2017 (1 BvR 2019/2016) ist formuliert: „Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, werden in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt.“ Die hierin angesprochenen Grundrechte sind das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Letzterer „schützt auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts.“ (Ebd.).
 
171
Zu den Differenzierungen gehört u. a. die Reflexion auf die Gestaltung der materiellen Umwelt als „Gender Design“ (Brandes 2017).
 
172
Die Geschichte der Emotionskulturen der Geschlechter reicht weit zurück. Literarische und visuelle Darstellungen etwa der griechischen Antike ordnen Männern eher Gefühle wie Furchtlosigkeit, Ehrgefühl oder Einsatzbereitschaft zu, demgegenüber Frauen mit Scham assoziiert werden. Frevert zufolge hat die alte Alltagstheorie, dass Männer ihre Gefühle nicht zeigen sollen, in den tradierten Gefühlssemantiken nur insofern ein Modell, als die kulturellen Codes die Idee reproduzieren, dass sich Männer im Unterschied zu Frauen nicht von Gefühlen überwältigen lassen sollen (vgl. Frevert 2010).
 
173
Dass die Gender-Verhältnisse in der Gegenwartsgesellschaft auch in Sachen Mode unübersichtlicher sind denn je und auch der Markt die verschiedensten Milieus, Subkulturen und Geschmackspräferenzen bedient, ist damit freilich nicht bestritten. Ein kurzer Blick in Kleidergeschäfte verschiedener Kontinente zeigt indessen sehr schnell, dass die angedeutete Tendenz universal verbreitet ist.
 
174
Zu einer ausführlicheren Darstellung der hier angedeuteten Inszenierungsmuster vgl. Willems/Kautt (2003, S. 322 ff.).
 
175
Zu einer differenzierten Studie des Beziehungsgeflechts von Imaginationen und visuellen Kommunikationen von ‚Männlichkeit‘ vgl. Kosmala (2013). Hier werden nicht nur Vorstellungskomplexe jenseits des oben genannten rituellen Idioms, sondern auch die Verschränkungen von Gender und anderen sozialen Konstruktionen (Ethnizität, Klasse, Lifestyle u. a.) erörtert.
 
176
Exemplarisch für das London des 18. Jahrhunderts Connell (1995, S. 188).
 
177
Vgl. hierzu ausführlich Kautt (2017a).
 
178
Im Unterschied zum Begriff der Ideologie bringt der Begriff der Weltanschauung die prinzipielle Beobachtungsabhängigkeit sozialer Wirklichkeitskonstruktionen (z. B. von (Alltags-)Theorien) zum Ausdruck. Demgegenüber kann man Ideologien, Karl Mannheim folgend, „jene seinstranszendenten Vorstellungen“ nennen, „die de facto niemals zur Verwirklichung des von ihnen vorgestellten Gehaltes gelangen“ – wie etwa „die christliche Menschenliebe in einer […] auf Leibeigenschaft fundierten Gesellschaft“ (Mannheim 1978 [1929], S. 171).
 
179
Im Unterschied zu Bourdieu sieht Hochschild (ebd.) die Differenzierungen des Emotionsmanagements stärker durch die Erfordernisse verschiedener Arbeitsmärkte ausgeprägt, die die Einübung unterschiedlicher feeling rules erfordern und in diesem Sinne als Sozialisationsinstanzen des Emotionalen wirken (vgl. ebd., S. 570). Andererseits geht Hochschild (wie Bourdieu) davon aus, dass Klassenstrukturen stark über die Emotionskontrolle der Eltern den Kindern gegenüber reproduziert werden. Während die Mittelschicht in der Erziehung auf die Reflexion von (un-)angemessenen Gefühlslagen setze (u. a. mit der Reflexion auf die ‚Authentizität‘ von Gefühlen und ihrer Darstellung), gehe es in der „working class“ eher um die direkte Durchsetzung von Normen über Konsequenzen (z. B. Strafen; vgl. ebd.).
 
180
Vgl. hierzu Parsons (1940).
 
181
Zu einer ausführlicheren Darstellung dieses Zusammenhangs im Kontext der Werbung vgl. Willems/Kautt (2003, S. 477 ff.).
 
182
Zur Differenzierung aktueller Spielarten der Konsum-Präsentation im audiovisuellen Bilder-Rahmen von social media vgl. Bieling (2018).
 
183
Vgl. grundlegend zur Mode als Kommunikationsmedium Bohn (2000).
 
184
Schon Simmel, der der Kleidermode bereits im auslaufenden Mittelalter Individualisierungstendenzen bescheinigt, sieht im Wechselspiel von Nachahmung und Absetzbewegungen der Nachgeahmten ein Grundprinzip modischen Wandels (Simmel 1995 [1905], S. 11 ff.).
 
185
Zu dem soziokulturellen Wandel gehört auch, dass die ‚moderne‘ Kleidermode die Funktion erfüllen muss, Individuen in die diversen Situationen des Alltags einzupassen (Würtz/Eckert 1998, S. 181). Auch dies ist ein Indiz für den relativen Bedeutungsschwund von Schichtung als Ordnungsrahmen des Ästhetischen.
 
186
Zur (europäischen) Konsumgeschichte vgl. ausführlich Siegrist u. a. (Hrsg. 1997).
 
187
Noch einmal Veblen (1997, S. 95): „In der modernen Gesellschaft begegnen wir [..] einer Unzahl von Personen, die nichts von unserem privaten Dasein wissen – in der Kirche, im Theater, im Ballsaal, in Hotels, Parks, Läden usw. Um diese flüchtigen Beschauer gebührend zu beeindrucken, und um unsere Selbstsicherheit unter ihren kritischen Blicken nicht zu verlieren, muß uns unsere finanzielle Stärke auf der Stirn geschrieben stehen, und zwar in Lettern, die auch der flüchtigste Passant entziffern kann“.
 
188
Das setzt freilich politische Systeme voraus, die den Zugang zu Bildmedien nicht strikt unterbinden – der Hinweis auf medienbedingte „Demokratisierungsprozesse“ ist also nicht mit einer technikdeterministischen Argumentation zu verwechseln.
 
189
De Laborde in Wiegand (Hrsg. 1981). Bekanntlich hat dann später Walter Benjamin aus selbigen Gründen das Medium trotz der von ihm konstatierten „Zertrümmerung der Aura“ begrüßt (1977 [1936]).
 
190
Zu einem Überblick über die Kriegsfotografie und ihren Wandel vgl. z. B. Chouliaraki (2013).
 
191
Zu aktuellen Amateur-Praktiken im Umgang mit unterschiedlichen Filmformaten (Video-, Handyfilm u. a.) vgl. z. B. Holfelder und Schönberger (Hrsg. 2017).
 
192
Zu diesem Beziehungsgeflecht am Beispiel des Bildjournalismus siehe Wilke (2008).
 
193
Zum Wandel einer „repäsentativen Kultur“ hin zu einer „Kultur der Stellvertretung“ vgl. Weiß (1998, S. 121–151).
 
194
Die Positionen reichen hier von der (an Weber anschließenden) Annahme, dass Lebensstile gleichsam als Ausdrücke von Schichten oder Klassen zu verstehen sind (Bourdieu 1982; Vester 1993), bis hin zur Konzeption von Lebensstilen als weitgehend schichtunabhängigen Sozialstrukturen (Schulze 1992; Müller-Schneider 2000). Zu einer ‚mittleren‘ Position vgl. z. B. Müller 1992; Hradil 1996; Spellerberg 2002. Auch Diagnosen wie Wohlfahrts- (Berger/Hradil 1990), Wohlstands- (Bolte 1990) und Überflussgesellschaft (Galbraith 1958) beschreiben seit langem eine ‚entexklusivierte‘ Gesellschaft.
 
195
Vgl. Bude (2008, S. 246 f. und 258 ff.).
 
196
Zu zahlreichen Beispielen der Globalisierung von Bilderströmen, zu denen Hybridisierungen und (Neu-)Differenzierungen ebenso gehören wie global icons (der Kunst, der Werbung, des Kinos, der Bildpolitik u. a.) vgl. z. B. Haustein (2008) und die Beiträge in Baleva, Reichle und Schulz (Hrsg. 2012).
 
197
Zu einer Darstellung globalisierter Meta-Kulturen im Bereich der Inszenierung von Food (Kochen, Essen, Ernährung) vgl. Kautt (2019). Zur Standardisierung globaler Bildkulturen und Seh-Ordnungen im Zusammenhang mit Reiseführern vgl. (Müller 2012).
 
198
Zur Reflexion der Persistenz „feiner Unterschiede“ im Inszenierungs-Format des Hochzeitsfotos in diachroner Perspektive vgl. Pape, Rössel und Solga (2008).
 
199
Auch wird man sagen können, dass die faktische Operationsweise von „Funktionssystemen“ keineswegs nur von „Leitunterscheidungen“ und dazugehörigen Kriterienkatalogen bestimmt wird (Luhmann), sondern diese zugleich als „Felder“ (Bourdieu) beschrieben werden können, die durch die Ressourcen- und Anerkennungs-Kämpfe interdependenter Individuen und – damit zusammenhängend – von Klassenverhältnissen bestimmt werden. In umgekehrter Blickrichtung kann man feststellen, dass sich mit Bourdieus Klassentheorie die historische Ausdifferenzierung der Systeme und ihre relative Eigenlogik nicht rekonstruieren lässt.
 
200
So ist verständlich, dass die vertikale Dimension in der Lebensstilforschung nach wie vor bedeutsam ist. Gerhard Kleining spricht von der „versteckten vertikalen Dimension der Lebensstilmodelle“ (Kleining 1995a, S. 121).
 
201
Ein Hinweis darauf ist u. a. der häufige Gebrauch des Klassenbegriffs – z. B. in Werbetexten („Eine Klasse für sich“).
 
202
Milieus mit niederem sozioökonomischem Status werden nicht nur vom Design der Konsumgüter, sondern auch von massenmedialen Gattungen (Dokumentation, Unterhaltung, Werbung) angesprochen und thematisiert. Dies geschieht durchaus auch im Rahmen von Darstellungen, die die Hauptpersonen und deren Lebensstil achten und mit einem gewissen Prestige ausstatten. Vom „New Hollywood“ der 1960er bis hin zu aktuellen (z. B. US-amerikanischen) Serien gibt es ein breites Angebot der Inszenierungen von ‚echten‘ Menschen unterer Milieus, die u. a. als Sympathieträger(innen) fungieren (z. B. als „Helden des Alltags“). Dennoch ist nicht zu übersehen, dass Entwürfe eines guten, geglückten Lebens, die als eben solche in Erscheinung treten sollen, häufig mit idealisierten Mittel- und Oberschicht-Images umgesetzt werden, ein traditionelles Schichten-Status-Modell also als Maßstab fungiert.
 
203
Zu einer (u. a. milieu-)differenzierten Darstellung der Sozialfigur des „Prolls“ im aktuellen Berlin vgl. Ege (2013). Man kann vermuten, dass der dritte Stand unter den Bedingungen der Feudalkultur ebenso wenig Sympathien für die ästhetische Idealisierung und Mimesis des einfachen Landlebens durch Adelige (vgl. das Sujet der „Schäferidylle“) hatte wie manch(e) zeitgenössische(r) Beobachter(in) für die Diffusion des Prekariat-Outfits: „‚Privilegierte Kids sollen aufhören, die Arbeiterklasse zu fetischisieren‘, fordert der britische Publizist Dan Dawn Foster. Reiche sollen sich bitteschön wie Reiche kleiden.“ (Kia Vahland in Süddeutsche Zeitung, 24/25. 02.2018)
 
204
So spricht man auch alltagssprachlich gelegentlich von „Gefühlskultur“ oder den „Kulturen“ der Geschlechter, der Klassen und Milieus oder von „Wissens-Kulturen“.
 
205
„The term grid suggests the cross-hatch of rules to which individuals are subject in course of their interaction. As a dimension, it shows a progressive change in the mode of control. At the strong end, there are visible rules about space and time related to social roles; at the other end, near zero, the formal classifications fade, and finally vanish. At the strong end of grid, individuals do not, as such freely transact with one another. An explicit set of institutionalized classifications keep them apart and regulate their interactions, restricting their options“ (Douglas, 1978, S. 8).
 
206
Die Reflexion auf die ‚Kulturalisierung‘ des Todes bildet ein angemessenes Thema für das Schlusskapitel ihrer Studie „Reinheit und Gefährdung“ (1988 [1966]) – ist doch der Tod ein unaufhebbarer Widerstand gegen soziale Ordnungen, der sich weniger leicht in ein Gefüge bringen lässt wie Objekte, die als Schmutz und Müll dem Reinen gegenübergestellt werden können.
 
207
Zur Darstellung dieser Historie von Kultur vgl. auch Luhmann (1997, S. 586–592).
 
208
Und dementsprechend von Weber ins Stammbuch soziologischer Grundbegriffe eingetragen wurde (vgl. 1922, S. 20).
 
209
Die seit längerem stattfindende (aber keineswegs abgeschlossene) Neuordnung musealer Präsentationen der Kulturgeschichten des Menschen unter dem Einschluss der Kritik (post-)kolonialistischer und eurozentristischer Kulturauffassungen gibt hierfür ein Beispiel.
 
210
Vgl. hierzu ausführlicher Kautt (2019).
 
211
Vgl. Goffman (1977). Goffman hat indessen dem Begriff der Kultur kaum Beachtung geschenkt.
 
212
Vgl. Baecker (2001, S. 107 ff.).
 
213
Dabei hat die ‚Kulturalisierung‘ der Gesellschaft durch Vergleichsbeobachtungen ironischerweise selbst massiv Anteil an einer bestimmten Ent-Mystifizierung: „Bei so vielen dann doch verschiedenen Menschen, die kulturell bedingt unterschiedlich beobachten, kommen nicht-menschliche Beobachter, seien es Geister, Teufel und Götter oder Tiere, Pflanzen und Gestirne, nur noch in Form des Aberglaubens vor.“ (Baecker 2013, S. 202) Zur These der Wiederkehr der Religionen und dazugehörender Narrative vgl. die Beiträge in Zapf, Hidalgo und Hildmann (Hrsg. 2018).
 
214
Zu der mystifizierenden Denkform des Fetischismus notiert Marx: „Woher entspringt also der räthselhafte Charakter des Arbeitsprodukts, sobald es Waarenform annimmt? Offenbar aus dieser Form selbst. […] Das Geheimnißvolle der Waarenform besteht also einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältniß der Produzenten zur Gesammtarbeit als ein außer ihnen existirendes gesellschaftliches Verhältniß von Gegenständen. Durch dieß quid pro quo werden die Arbeitsprodukte Waaren, sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche Dinge. […] Um daher eine Analogie zu finden, müssen wir in die Nebelregion der religiösen Welt flüchten. Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eignem Leben begabte, unter einander und mit den Menschen in Verhältniß stehende selbstständige Gestalten. So in der Waarenwelt die Produkte der menschlichen Hand. Dies nenne ich den Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waaren producirt werden, und daher von der Waarenproduktion unzertrennlich ist.“ (Marx 1987 [1872], S. 103).
 
215
In diesem Zusammenhang ist an die von Odo Marquard (2003) reflektierte Beziehung von Ästhetik und Anästhetik zu erinnern.
 
216
Das allgemeine, gemeinsame Bezugsproblem aller symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien sieht Luhmann im Anschluss an Parsons darin, dass bei evolutionär zunehmender Systemdifferenzierung „jedes System seine Einzelbeziehung zu einem anderen System nach Maßgabe generalisierter Bedingungen der Kompatibilität mit den übrigen Systemen steuern können (muß). Die Vielzahl der Außenbeziehungen, die bei Systemdifferenzierung anfallen, muß daher durch symbolisch generalisierte Tauschmedien wie z. B. Geld vermittelt werden.“ (1974, S. 238) Luhmann verallgemeinert und respezifiziert diesen Ansatz jedoch, indem er nicht wie Parsons annimmt, dass hier nur ein (aus Systemdifferenzierung hervorgehendes) Bezugsproblem im Rahmen von Tauschbeziehungen (und wechselseitigen Bedürfnisbefriedigungen) vorliegt, sondern ein Bezugsproblem, das Kommunikation generell betrifft. Die Perspektive auf die Leistung der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien wird damit erneut auf die Frage nach der „Sicherstellung der erfolgreichen Abnahme von Kommunikationen“ (ebd.) zurückgeführt.
 
217
Vgl. Luhmann 1988b.
 
218
Vgl. Luhmann 1975.
 
219
Vgl. Luhmann 1996.
 
220
Vgl. Luhmann 1984b.
 
221
Vgl. Luhmann 1990.
 
222
Vgl. Luhmann 1995.
 
223
Vgl. Luhmann 1997.
 
224
Luhmann sieht in den symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien entsprechend eine Alternative zu Normen, die im Rahmen funktionaler Differenzierung zunehmend weniger in eine einheitliche Kosmologie integriert werden können bzw. an Verbindlichkeit verlieren. Das bedeutet für Luhmann jedoch nicht, dass die Frage „Gibt es in unserer Gesellschaft noch unverzichtbare Normen?“ (1993) durchweg negativ beantwortet werden könnte. Gemeint ist vielmehr, dass die themenorientierten Kommunikationen parallel zu Normen entstehen, sodass in vielen Bereichen der Gesellschaft Kommunikation im Verzicht auf diese gesteuert werden kann.
 
225
Dabei transformieren sie eher ein Problem, als dass sie es aus der Welt schaffen. Während die ursprünglichen Probleme (Ablehnungswahrscheinlichkeiten) minimiert werden, werden neue, nämlich auf das Medium bezogene, mit den symbolisch generalisierten Medien überhaupt erst erzeugt.
 
226
Entsprechend liegen schon früh schriftlich formulierte Werbe-Ratgeber vor, man denke an die Rhetorik der griechischen Antike oder die katholische Gegenreformation im 17. Jahrhundert, auf deren Organisationsbezeichnung der Begriff der Propaganda zurückgeht (Congregatio de Propaganda Fide). Zu einer Übersicht über die Werbungs-Historie vgl. Buchli (1962).
 
227
Ein Symptom hierfür ist der Sachverhalt, dass Formen der Überzeugungsarbeit, die die Kommunikation von Bildern nicht ins Zentrum ihrer Strategien stellen, mit anderen Begriffen belegt werden (z. B.: Marketing, Public Relations, Issue Management).
 
228
Zu diesem Ensemble gehören Institutionen wie das Kino, die Schule und das Feuilleton ebenso wie die Sozialisation bzw. Enkulturation von Rezeptionsmustern, die das ‚Dokumentarische‘ als solches identifizieren (z. B. im Unterschied zum ‚Fiktionalen‘).
 
229
Vgl. zur Ausarbeitung eines entsprechenden Theorie- und Analyse-Instrumentariums z. B. den „semio-pragmatischen“ Ansatz von Roger Odin (1995; zu einem Überblick hierzu Hißnauer 2011, S. 61–84).
 
230
Gerade neuere Dokumentarfilme pointieren dies besonders, wenn sie den Produktionsprozess offenlegen. Freilich kann man hierin eine paradoxe Forcierung des Dokumentarischen sehen: Indem der Film zeigt, dass und inwiefern er Realität konstruiert, forciert er die Vorstellung (den Wunsch), dass seine Konstruktion der Realität als dokumentierte Realität der Konstruktion akzeptiert wird.
 
231
Vgl. hierzu ausführlicher (Goffman 1977, S. 98–118).
 
232
Zu einem Überblick filmtheoretischer Dokumentarfilm-Begriffe und deren Einordnung in das unübersichtliche Feld (dokumentar-)filmischer Produktionen vgl. Heinze (2013). Zu einem Versuch der Klassifizierung unterschiedlicher Genres und Gattungen innerhalb des TV-‚Dokumentarismus‘ vgl. z. B. Hißnauer (2011).
 
233
Auch auf zeitgenössischen Festivals ist ein Gutteil der Filme von einem subjektiven Blick gekennzeichnet, der sich als solcher kenntlich macht und – vergleichbar etwa mit den Darstellungsformen der Kunst – der fotografischen Augenzeugenschaft keinen privilegierten Bezugsrahmen für die Auseinandersetzung mit ‚Realität‘ beimisst.
 
234
Vgl. zum Emotionsmenagement des Dokumentarfilms an einem Fallbeispiel Kautt (2017c) und für die (Re-)Konstruktion geordneter Strukturen fotojournalistischer Katastrophendarstellungen Ayaß (2018).
 
235
Insofern ist die Kunst mit ähnlichen Problemlagen konfrontiert wie die Geschichtswissenschaft oder die Ethnologie und die dazugehörige Ausstellungspraxis. Zur Diskussion der Performanz des (Post-)Kolonialen in diesen Beziehungsgefügen an einem Beispiel Muttenthaler (2002). Besagte Problemlagen werden neben und mit (kunst-)wissenschaftlichen Diskursen dabei seit längerem kuratorisch, d. h. in den Sichtbarkeiten der Artefakte und ihrer Relationierung, mithin im Medium des Ästhetischen selbst, reflektiert. Zu einem aktuellen Beispiel siehe die Ausstellung „Hello World. Revision einer Sammlung“ (Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, 28.04.2018–26.08.2018).
 
236
Zu einer ausführlichen Darstellung der Kunstsoziologie Bourdieus und deren Rezeption vgl. Wuggenig (2017).
 
237
Vgl. Luhmann (1995a, S. 348 ff.).
 
238
Allerdings kann für den Beobachtenden das eine oder andere Kunstwerk durchaus soziologisch aufschlussreicher sein als so manche soziologische Studie. Ein Grund hierfür dürfte in einem gängigen Methodenverständnis der (qualitativ orientierten) Soziologie liegen, das etwa Verfahren wie das (qualitative) Experiment (Kleining 1995b) oder die performativen Sozialwissenschaften (Denzin 2008; Gergen/Gergen 2010) kaum berücksichtigt und dadurch Chancen auf Erkenntnisgewinne vergibt. In umgekehrter Blickrichtung zeigt sich bei nicht wenigen Kunstwerken und kuratorischen Konzepten, dass die Behandlung ‚sozialer‘ (kultureller, gesellschaftlicher) Themen kaum mehr ist als eine Geste des Versuchs, einer Form einen (Erkenntnis-)Mehrwert zu vermitteln, der sich bei genauerer Betrachtung jedoch nicht zu erkennen gibt, ‚Tiefe‘ also gleichsam nur über Oberflächenimprägnierungen suggeriert wird.
 
239
Beispiele geben die Ausstellungen „Art meets Ads“ (Harten und Schirner Hrsg. 1992) oder „Ego Update. Die Zukunft der digitalen Identität“ (Bieber Hrsg. 2015).
 
240
Vgl. zu einem breiten Themenspektrum die Beiträge in Heintz/Huber (Hrsg. 2001) und Pauwels (2015, S. 280 ff.).
 
241
Vgl. Luhmann (1991b).
 
242
Zur didaktischen Nutzung des Bilderbuchs als Medium der Welterklärung für Kinder an einem populären Beispiel des 18. Jahrhunderts vgl. Chakkalakal (2014); zu Visualisierungen in den Kunst- und Geschichtswissenschaften sowie im Geschichtsunterricht vgl. die Beiträge in Krüger und Kranhold (Hrsg. 2018); zur Visualisierung volkskundlichen Wissens vgl. Schmoll (2005) und Hägele (2007). Zu beispielhaften Modellen der Wissenschaftspraxis vgl. Frankel/DePace (2012). Zur Unterscheidung des Diagramms als spezifischer Darstellungsform im bildwissenschaftlichen Kontext siehe Bucher (2007).
 
243
Zu dieser Unterscheidung siehe Tellmann (2013), die u. a. zeigt, wie Filme als Symptome ökonomisch bedingter Wirklichkeiten gelesen werden können, z. B. in Bezug auf dargestellte Schuldverhältnisse im Rahmen gegenwärtiger Finanzkrisen.
 
244
Zur Reflexion dingorientierter Wertbeziehungen im Lichte soziologischer ‚Klassiker‘ vgl. Appadurai (1986) und Miklautz (1996, S. 19 ff.). Bedeutsam ist nicht zuletzt der Sachverhalt, dass Bilder im Sinne von pictures (Flächenbilder, Filme) selbst ein Wirtschaftsgut sind – mit Rückwirkungseffekten auf die Bildproduktion in verschiedensten Themenbereichen und Gattungen (vgl. Bruhn 2003).
 
245
Zu den Valorisierungs-Ordnungen von Image vgl. Kautt (2008 und 2015b) und ferner Boltanski/Esquerre (2018).
 
246
Inklusive der Antizipation einer (guten) Zukunft der mit den jeweiligen Währungen identifizierten Nationalstaaten. So hatte die Schweizerische Nationalbank jüngst in einem Geld-Gestaltungswettbewerb dazu aufgerufen „ein heute noch nicht eindeutig absehbares Bild einer zukünftigen Schweiz zu entwickeln.“ (Renner 2013, S. 200) In der Verknüpfung zu politischen Regimen sind Währungen in jedem Fall analytisch unter anderem im Rahmen einer politischen Ikonografie zu untersuchen (zum Beispiel der deutschen D-Mark vgl. Gabriel 2011). Und es ist durchaus plausibel, wenn Priddat seine unterhaltsame Darstellung verschiedener (Klein-)Gelder mit Überlegungen zum Falschgeld und zum Begriff des Vertrauens beendet, ist doch bei aller Variation von Geld-Semantiken die (u. a. visuelle) Performanz des Vertrauenswürdigen eine Basis des ‚Funktionierens‘ auch von Klein-Geld (vgl. Priddat 2011. S. 263 f.).
 
247
Zu einer Reflexion der „Bildschirmökonomie“ im Anschluss an (welt-)gesellschaftstheoretische Konzepte vgl. Lim (2012).
 
248
Für den Zusammenhang von Recht und visueller Kommunikation siehe grundlegend Vismann (2007 und Hrsg. 2008). Zu bildlichen Darstellungen des Rechts auch Mulcahy (2017).
 
249
Auch dem Bildjournalismus sind rechtliche Grenzen gesetzt, vgl. Feldmann (2008).
 
250
Nicht zuletzt ermöglicht (zumeist kommerzialisierte) Software Laien zahlreiche Möglichkeiten, die Formensprachen von Bildung und Wissenschaft, Werbung, Unterhaltung oder Journalismus zu imitieren.
 
Metadaten
Titel
Habitate visueller Kommunikation
verfasst von
York Kautt
Copyright-Jahr
2019
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-22235-2_7