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Erschienen in:

2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Haftung am Beispiel automatisierter Fahrzeuge

verfasst von : Lennart S. Lutz

Erschienen in: KI & Recht kompakt

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Anders als häufig vermutet ist Zentralgestalt des straßenverkehrsrechtlichen Haftungssystems in Deutschland nicht der Fahrer, sondern der Fahrzeughalter: Er haftet gem. § 7 Abs. 1 StVG verschuldensunabhängig grundsätzlich für sämtliche bei Betrieb des Fahrzeugs verursachte Schäden. Gleichzeitig schließt er gem. § 1 PflVG eine Haftpflichtversicherung (auch zu Gunsten des Fahrers) ab und trägt über seine Versicherungsbeiträge das primäre wirtschaftliche Unfallrisiko. Auch wenn beim autonomen Fahren kein Fahrer mehr als Haftungssubjekt zur Verfügung stehen wird, sind daher keine grundlegenden Änderungen des Haftungssystems erforderlich, Anpassungsbedarf besteht im Detail allerdings bei der Höhe der Haftungsgrenzen des § 12 StVG und bei den Mindestversicherungssummen in § 4 Abs. 2 i. V. m. Anlage Nr. 1a, b PflVG.

Bislang nicht abschließend geklärt ist demgegenüber, in welchen Fällen eine parallele Einstandspflicht des Herstellers autonomer Fahrzeuge besteht. Der Beitrag behandelt diesen Themenkomplex im Detail und zeigt auf, dass die bestehende Rechtsprechung des BGH als Maßstab eine Abwägung nahelegt, in der insbesondere das statistische Gesamtunfallrisiko und die (weiteren, nicht sicherheitsbezogenen) Vorteile des automatisierten bzw. autonomen Fahrens zu berücksichtigen sind.

Abschließend wird untersucht, ob und wie ggf. eine Haftungsverteilung zwischen den Beteiligten, insbesondere dem Hersteller und der Versicherung des Halters, vorzunehmen ist.

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Beispielsweise Hey, Die außervertragliche Haftung des Herstellers autonomer Fahrzeuge, S. 21, 63.

Relevant ist insofern insbesondere UNECE-Regelung 79, die bislang dem Einsatz automatisierter und autonomer Lenkanlagen entgegensteht. Änderungen werden auf UNECE-Ebene i.R.d. Arbeitsgruppe GRVA der WP.29 vorbereitet.

Näheres zur Erhöhung der Haftungssummen gem. § 12 StVG in Abschn. 3.4.2.

Vgl. dazu Kap. 2, Abschn. 2.3.2.

BGH, Urt. v. 03.12.1991, VI ZR 378/90; NJW 1992, 900, 902; BHHJJ, § 7 StVG, Rn. 5.

Zum weit ausgelegten Merkmal „Betrieb“ ausführlich etwa Hentschel/König/Dauer/König, StVG, § 7, Rn. 4 ff.

Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 17 Abs. 3 S. 1 StVG; s. insoweit Hentschel/König/Dauer/König, StVG, § 17, Rn. 30; Garbe//Hagedorn, JuS 2014, 287, 292.

Explizit bereits Lutz/Tang/Lienkamp, NZV 2013, 57, 60; ebenso Freise, VersR 2019, 66, 68; Greger, NZV 2018, 1; Jänich/Schrader/Reck, NZV 2015, 313, 315.

BGH, Urt. v. 19.04.1988, VI ZR 96/87; NJW 1988, 2802; Hentschel/König/Dauer/König, StVG, § 7, Rn. 14; BeckOGK/Walter, StVG, § 7, Rn. 3.

Vgl. BeckOGK/Walter, StVG, § 12, Rn. 2; Hentschel/König/Dauer/König, StVG, § 12, Rn. 1b; gleichzeitig soll so auch die vollständige Versicherbarkeit ermöglicht werden: RGZ 147, 353, 355 f.

Zur Erforderlichkeit dieser im Zuge der StVG-Novelle eingefügten, Erhöhung noch näher in Abschn. 3.4.2.

Ausführlich MüKo StVR/Halbach, VVG, § 116, Rn. 1–2; BHHJJ/Heß, StVG, § 18, Rn. 14.

Statistisches Bundesamt, Fachserie 8, Reihe 7, Verkehrsunfälle 2018, S. 49.

Ein derartiger Regelungsansatz scheint in England erwogen zu werden: Hansard, Volume 791, 5 Juni 2018, Abs. 1249; ausführlich dazu Schubert, RAW 2019, 18, 21 f.

Grundlegend bereits Mackworth, The Quarterly Journal of Experimental Psychology, 1948, 6–21; ausführlich und m. w. N. Warm et al., Human Factors 2008, 433–441.

Grundlegend bereits Lutz, NJW 2015, 119, 120; ähnlich Freise, VersR 2019, 65, 74.

Mit einer ähnlichen Darstellung und ausführlich Greger, NZV 2018, 1, 2 f.

Von besonderer Bedeutung ist hier das europäische Typgenehmigungsverfahren nach der RL 2007/46/EG, zukünftig VO 2018/858, die durch die EG-FGV in nationales Recht umgesetzt wird.

Wolfers, RAW 2017, 1, 4.

Mit einer starken Betonung des Merkmals jedoch BeckOK StVR/Will, § 1b, Rn. 20.

Weitgehend unberücksichtigt bleibt dieser Aspekt allerdings bei Greger, NZV 2018, 1, 2 f.

So sieht beispielsweise der finale Entwurf GRVA-06-02-Rev.4 der zuständigen UNECE Arbeitsgruppe zahlreiche Anforderungen an die Ausgestaltung des Übernahmevorgangs („Transition Demand“) vor.

Nicht überzeugend daher Hentschel/König/Dauer/König, StVG, § 1b, Rn. 7, der dem Fahrer sogar generell ein Ausschöpfen der Zeitreserve zubilligen will.

BT-Drs. 18/11776, S. 10.

BHHJJ/Heß, StVG, § 18, Rn. 8.

Greger, NZV 2018, 1, 2.

S. bereits oben 4.2.

Z. B. Greger: „schwer verständliche, systemwidrige Erhöhung“, NZV 2018, 1, 2.

S. bereits oben 4.2.

Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 18/11534, S. 5.

Darauf abstellend auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/11300, S. 15.

Huber, NZV 2017, 545, 547, zu den Deckungssummen unter Verweis auf eine Mitteilung des GDV. in Fn. 8.

Sehr nachdrücklich Huber, NZV 2017, 545 ff.

Etwa Borges, CR 2016, 272, 276 ff.

Siehe die Darstellung Kap. 2, Abschn. 2.3.3; im hier betrachteten Kontext ausführlich etwa Hey, Die außervertragliche Haftung des Herstellers autonomer Fahrzeuge, 4. Kapitel; allgemein z. B. BeckOK BGB/Fuchs, § 823, Rn. 681 ff.; Fuchs/Baumgärtner, JuS 2011, 1057–1063.

Allgemeine Meinung: BGH, Urt. v. 16.06.2009, VI ZR 107/08; NJW 2009, 2952, 2953, Rn. 12; MüKo BGB/Wagner, § 3, Rn. 3; m. w. N. BeckOGK/Goehl, StVG, § 3, Rn. 3.

Statistisches Bundesamt, Fachserie 8 Reihe 7, Verkehrsunfälle 2018, S. 49.

Lutz, NJW 2015, 119, 120; ebenso Gomille, JZ 2016, 76, 81.

BGH, Urt. v. 16.06.2009, VI ZR 107/08; NJW 2009, 2952, 2953, Rn. 12; BeckOGK/Goehl, StVG, § 3, Rn. 14.

Etwa BeckOGK/Spindler, BGB, § 823, Rn. 658 ff.; BeckOGK/Spindler, BGB, § 823, Rn. 635.

BGH, Urt. v. 16.06.2009, VI ZR 107/08; NJW 2009, 2952, 2953, Rn. 15; BeckOGK/Spindler, BGB, § 823, Rn. 634.

Kap. 2, Abschn. 2.3.3.

Zum Regelungsregime für neue Großserienfahrzeuge ausführlich Lutz, PHi 2016, 2 f.

Etwa BGH, Urt. v. 09.09.2008, VI ZR 279/06; NJW 2008, 3778, 3779; Urt. v. 07.10.1986, VI ZR 187/85; NJW 1987, 372, 373; BeckOK BGB/Förster, § 823, Rn. 695; Müko BGB/Wagner, § 823, Rn. 444 u. 815; Hey, Die außervertragliche Haftung des Herstellers autonomer Fahrzeuge, 53 f.; Spindler, CR 2015, 766, 771; a. A. Marburger, VersR 1983, 597, 602.

Müko BGB/Wagner, § 1, Rn. 44.

Ausführlich dazu Hilgendorf/Hötitzsch/Lutz, Rechtliche Aspekte automatisierter Fahrzeuge, 33, 48 f.; Lutz, Automatisiertes Fahren, 247 ff.

V. Hartmann, PHi 2019, 2, 10 f.; möglicherweise anders v. Bodungen/Hoffmann, NZV 2018, 97, 99.

So auch Siemann/Kaufmann, RAW 2019, 58, 64.

BGH, Urt. v. 16.06.2009, VI ZR 107/08; NJW 2009, 2952, 2953, Rn. 19; BeckOGK/Goehl, StVG, § 3, Rn. 31; MüKo BGB/Wagner, § 3, Rn. 39.

Vgl. Klindt/Handorn, NJW 2010, 1105, 1106.

BGH, Urt. v. 16.06.2009, VI ZR 107/08; NJW 2009, 2952, 2953, Rn. 16; BeckOGK/Spindler, BGB, § 823, Rn. 634.

BGH, Urt. v. 16.06.2009, VI ZR 107/08; NJW 2009, 2952, 2953, Rn. 16; BeckOGK/Spindler, BGB, § 823, Rn. 634; BeckOK BGB/Förster, ProdHaftG § 3, Rn. 31.

Vgl. V. Hartmann, PHi 2019, 2, 8.

BGH, Urt. v. 16.06.2009, VI ZR 107/08; NJW 2009, 2952, 2953, Rn. 17; MüKo BGB/Wagner, § 3, Rn. 39.

S. z. B. https://de.wikipedia.org/wiki/Erwartungswert. Zugegriffen am 15.07.2020.

Ähnl. Hartmann, PHi 2019, 2, 11.

BeckOGK/Spindler, BGB, § 823, Rn. 732; Wagner/Goeble, ZD 2017, 263, 266; Fleck/Thomas, NJOZ 2015, 1393, 1397.

Ebenso Zech, ZfPW, 2019, 198, 213, insb. Fn. 65; aus ethischer Sicht Ethik-Kommission Automatisiertes und Vernetztes Fahren, 2017, Regel 6, S. 11.

BGH, Urt. v. 16.06.2009, VI ZR 107/08; NJW 2009, 2952, 2954, Rn. 23.

Mit einer ausführlichen Darstellung Garbe//Hagedorn, JuS 2014, 287, 290 ff.

Allgemeine Meinung, etwa: BeckOK BGB/Lorenz, § 254, Rn. 55; Berz/Burmann/Grüneberg, Abschnitt 4. A., Rn. 124 f.; Hentschel/König/Dauer/König, StVG, § 17, Rn. 6.

Ebd.

M.w.N BHHJJ/Heß, § 17, Rn. 20; Garbe//Hagedorn, JuS 2014, 287, 292.

Gail, SVR 2019, 321, 325 f.

So auch Greger, NZV 2018, 1, 2.

§ 840 Abs. 1 BGB ist nach allgemeiner Meinung nicht nur auf die § 823 ff. BGB anwendbar, sondern auch auf spezialgesetzliche Gefährdungstatbestände, für alle etwa BeckOK BGB/Förster, § 840, Rn. 5 u. 7.

MüKo BGB/Wagner, § 840, Rn. 15.

Ebenso explizit Greger, NZV 2018, 1, 5; Hey, Die außervertragliche Haftung des Herstellers autonomer Fahrzeuge, 137 f.; wohl auch Gomille, JZ 2016, 76, 82; zweifelnd Koch, VersR 2018, 901, 904.

[1]

Bamberger/Roth/Hau/Poseck, Beck’scher Online Kommentar zum Bürgerliches Gesetzbuch, 52. Edition, 2019.

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Dötsch/Koehl/Krenberger/Türpe, Beck’scher Online Kommentar, Straßenverkehrsrecht, 2. Edition, 2018.

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Freise, Rainer, Rechtsfragen des automatisierten Fahrens, VersR 2019, 65.

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Wolfers, Benedikt, Selbstfahrende Autos: Ist das erlaubt?, RAW 2017, 1.

Titel: Haftung am Beispiel automatisierter Fahrzeuge
verfasst von: Lennart S. Lutz
Verlag: Springer Berlin Heidelberg
Buch: KI & Recht kompakt
Print ISBN: 978-3-662-61699-4

Electronic ISBN: 978-3-662-61700-7

Copyright-Jahr: 2020
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-61700-7_3

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