Fraunhofer-Forscher haben einen großen Fortschritt im Bereich der Halbleitermaterialien erzielt. Mit Aluminiumyttriumnitrid sollen technische Innovationen in der Elektronik möglich sein. Was kann das Halbleitermaterial?
Aluminiumyttriumnitrid (AlYN) hat das Interesse verschiedener Forschungsgruppen weltweit geweckt. Es ist ein Halbleitermaterial, das eine Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Minimierung des Energieverbrauchs verspricht. Zum einen weist es sehr gute Materialeigenschaften auf. Jüngste Forschungen haben bereits Ferroelektrizität nachgewiesen. Zum anderen punktet es mit seiner Anpassungsfähigkeit an Galliumnitrid (GaN). So lässt sich die Gitterstruktur von AlYN optimal an GaN anpassen und die AlYN/GaN-Heterostruktur verspricht wesentliche Vorteile für die Entwicklung zukunftsweisender Elektronik.
Allerdings stellt das Wachstum des Materials eine große Herausforderung dar. Bislang ist es nur gelungen, AlYN mit dem Magnetron-Sputter-Verfahren abzuscheiden. Jetzt haben Forschende des Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF) es geschafft, das neue Material mithilfe der MOCVD-Technologie (metallorganische chemische Gasphasenabscheidung) herzustellen. Das soll neue, vielfältige Anwendungen ermöglichen.
Von der Schicht zur Heterostruktur
Bereits 2023 ist es der Forschungsgruppe am Fraunhofer IAF gelungen, eine 600 nm dicke AlYN-Schicht abzuscheiden. Die Schicht mit Wurtzit-Struktur habe eine bis dato unerreichte Yttrium-Konzentration von über 30 % enthalten, so die Forscher. Nun sei es gelungen, AlYN/GaN-Heterostrukturen mit präzise einstellbarer Yttrium-Konzentration herzustellen, "die sich durch hervorragende strukturelle Qualität und elektrische Eigenschaften auszeichnen", heißt es. Die neuartigen Heterostrukturen verfügen über eine Yttrium-Konzentration von bis zu 16 %.
Die Fraunhofer-Forschenden hätten bereits für den Einsatz in elektronischen Bauteilen interessante elektrische Eigenschaften von AlYN messen können. "Wir konnten beeindruckende Werte für den Schichtwiderstand, die Elektronendichte und die Elektronenbeweglichkeit beobachten", berichtet Dr. Stefano Leone, Wissenschaftler am Fraunhofer IAF im Bereich Epitaxie. Diese Ergebnisse hätten das Potenzial für den Einsatz in energieeffizienter Hochfrequenz- und Hochleistungselektronik für Informations- und Kommunikationstechnologien gezeigt.
Anpassungsfähigkeit an Galliumnitrid
Aufgrund seiner Wurtzit-Kristallstruktur soll sich AlYN bei geeigneter Zusammensetzung sehr gut an die Wurtzit-Struktur von Galliumnitrid anpassen lassen. Eine AlYN/GaN-Heterostruktur verspreche die Entwicklung von Halbleiterbauelementen mit verbesserter Leistung und Zuverlässigkeit. Zudem soll AlYN die Fähigkeit zur Induktion eines zweidimensionalen Elektronengases (2DEG) in Heterostrukturen besitzen. Neueste Forschungsergebnisse des Fraunhofer IAF würden optimale 2DEG-Eigenschaften in AlYN/GaN-Heterostrukturen bei einer Yttrium-Konzentration von etwa 8 % zeigen.
AlYN soll sich auch in Transistoren mit hoher Elektronenbeweglichkeit (HEMTs) einsetzen lassen. Die Forscher hätten einen signifikanten Anstieg der Elektronenbeweglichkeit bei niedrigen Temperaturen beobachten (mehr als 3000 cm²/Vs bei 7 K) können. Das Team habe bereits Fortschritte bei der Demonstration der epitaktischen Heterostruktur erzielen können, die für die Herstellung erforderlich sei, und erforsche den neuen Halbleiter weiter im Hinblick auf die Herstellung von HEMTs.
Auch für die Autoindustrie relevant
Auch die industrielle Nutzung könnte möglich sein: Bei AlYN/GaN-Heterostrukturen, die auf 4-Zoll-SiC-Substraten gewachsen sind, hätten die Forscher eine Skalierbarkeit und strukturelle Gleichmäßigkeit der Heterostrukturen demonstrieren können. "Die erfolgreiche Herstellung von AlYN-Schichten in einem kommerziellen MOCVD-Reaktor ermöglicht die Skalierung auf größere Substrate in größeren MOCVD-Reaktoren", heißt es. Diese Methode gelte als die produktivste für die Herstellung großflächiger Halbleiterstrukturen und unterstreiche das Potenzial von AlYN für die Großserienfertigung von Halbleiterbauelementen.
Wichtig könnte AlYN auch für die Automobilindustrie sein. So hätten die Forscher das Potenzial des Halbleitermaterials für Elektrofahrzeuge im Blick. Jedoch stehe die Forschung noch am Anfang und es werde noch lange dauern, bis konkrete Ergebnisse anwendbar seien.
Oxidationsanfälligkeit von AlYN
Fest steht aber: Aufgrund seiner ferroelektrischen Eigenschaften eignet sich AlYN sehr gut für die Entwicklung nichtflüchtiger Speicheranwendungen. Ein weiterer wichtiger Vorteil sei, so die Forscher, dass das Material keine Begrenzung der Schichtdicke aufweise. AlYN-basierte Speicher könnten nachhaltige und energieeffiziente Datenspeicherlösungen vorantreiben, was besonders für Rechenzentren relevant sei.
Doch es gibt eine wesentliche Hürde für die industrielle Nutzung von AlYN, und zwar seine Oxidationsanfälligkeit, die die Eignung des Materials für bestimmte elektronische Anwendungen beeinträchtigt. "In Zukunft wird es wichtig sein, Strategien zur Minderung oder Überwindung der Oxidation zu erforschen. Dazu könnten die Entwicklung hochreiner Vorläuferstoffe, die Anwendung von Schutzbeschichtungen oder innovative Herstellungstechniken beitragen", so Leone.