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2023 | Buch

Handbuch der Mathematikdidaktik

herausgegeben von: Regina Bruder, Andreas Büchter, Hedwig Gasteiger, Barbara Schmidt-Thieme, Hans-Georg Weigand

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieses Handbuch gibt einen aktuellen Überblick über Forschungsgebiete der Mathematikdidaktik. In 26 Kapiteln stellen führende Vertreterinnen und Vertreter der Disziplin Diskussionsstände zu Mathematik als Bildungsgegenstand, als Lehr- und Lerninhalt, als Denkprozess sowie zu Mathematik im Unterrichtsprozess und zur Mathematikdidaktik als Forschungsdisziplin dar. Seit der 1. Auflage des Handbuchs im Jahr 2015 hat sich die Forschung auf allen dargestellten Gebieten so weiterentwickelt, dass eine gründliche Überarbeitung und Erweiterung erforderlich wurde. An der 2. Auflage haben zahlreiche neue Autorinnen und Autoren mitgewirkt, einzelne Kapitel wurden ergänzt, Themengebiete der Primarstufe finden nun eine größere Beachtung und es wurde stärker auf historische bzw. fachliche und fachdidaktische Entwicklungen aus einer Metaperspektive eingegangen.

Das Handbuch wurde geschrieben

für im Studium fortgeschrittene Studierende als eine grundlegende und einführende Lektüre für ein Referat, eine Hausarbeit oder eine Abschlussarbeit in der Mathematikdidaktik;für Masterstudierende und angehende Promovierende zu Beginn einer eigenen Forschungsarbeit in der Mathematikdidaktik;für Lehrerinnen und Lehrer zum Kennenlernen forschungsbasierter Fragestellungen in der Mathematikdidaktik sowie als Grundlage für theoriegeleitete Reflexionen über eigenen oder fremden Unterricht;für Mathematikdidaktikerinnen und -didaktiker, die sich einen Überblick über zentrale Themen und derzeit aktuelle Forschungsfragen in verschiedenen Teilbereichen ihrer Disziplin verschaffen möchten.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Mathematik als Bildungsgegenstand

Frontmatter
Kapitel 1. Gesellschaftliche Bedeutung der Mathematik
Zusammenfassung
Dieses Kapitel beleuchtet die gesellschaftliche Bedeutung der Mathematik. Ausgehend von grundlegenden und philosophischen Fragen zum Wesen der Mathematik wird darauf eingegangen, wie der Wandel von Mathematik und Gesellschaft historisch Hand in Hand ging, welche Kultur von Wissen in der Mathematik gepflegt wird, wie Mathematik als Werkzeug angewandt wird und wie Mathematik in der Gesellschaft wahrgenommen wird.
David Kollosche, Andreas Loos, Günter M. Ziegler
Kapitel 2. Schulmathematik und Realität – Verstehen durch Anwenden
Zusammenfassung
Das Verhältnis von Schulmathematik und (außermathematischer) Realität wird im vorliegenden Kapitel von der Feststellung aus beleuchtet, dass Mathematik einen Beitrag zum Verstehen der uns umgebenden Welt leistet, der einzigartig ist und nicht gleichwertig durch Beiträge aus anderen Disziplinen ersetzt werden kann. Für die Klärung des anregenden Potenzials von Realitätsbezügen im Mathematikunterricht wird zunächst betrachtet, wie Mathematik historisch aus außer- bzw. vormathematischen Fragestellungen entstanden ist, und wie Mathematik genutzt wird, um Realität zu beschreiben, vorherzusagen, zu erklären und zu gestalten. Anschließend wird u. a. unter Heranziehen einschlägiger bildungstheoretischer Grundlagen diskutiert, welche Begründungen, Zielsetzungen und Konzeptionen es für einen realitätsbezogenen Mathematikunterricht gibt, bevor aktuelle Herausforderungen für einen entsprechenden Unterricht und die auf ihn bezogene mathematikdidaktische Forschung dargestellt werden. In einem Ausblick wird skizziert, inwiefern „Machine Learning“ ein neues Paradigma des Anwendens von Mathematik darstellt, und welche Konsequenzen hieraus für den Mathematikunterricht folgen können.
Sebastian Bauer, Andreas Büchter, Hans Wolfgang Henn
Kapitel 3. Bildungstheoretische Grundlagen des Mathematikunterrichts
Zusammenfassung
Bildung ist ein schillernder Begriff. Elmar Tenorth nennt viele Facetten: „‚Bildung‘ ist […] ein deutscher Mythos, ist pädagogisches Programm, politische Losung, philosophische Kategorie, Mechanismus gesellschaftlicher Distinktion, Schlüsselwort öffentlicher Debatten, Thema interdisziplinärer Forschung und Ideologie des Bürgertums zugleich.“ (Tenorth, 2020, S. 5). Pongratz und Bünger (2008, S. 114) sprechen sogar von einer „eigentümliche[n] Zerrissenheit“ zwischen Qualifikation und Kultur. Gleichwohl ist zu fragen: Was macht den Mathematikunterricht bildend? Mögliche Antworten erfordern eine gedankliche Bewegung von allgemeinen Charakteristika von Bildung zu bildungsrelevanten Aufgaben des realen Mathematikunterrichts.
Michael Neubrand, Katja Lengnink

Mathematik als Lehr- und Lerninhalt

Frontmatter
Kapitel 4. Arithmetik: Leitidee Zahl
Zusammenfassung
Zahlen gehören zu den Ursprüngen der Mathematik. Das Rechnen mit Zahlen ist eine unabdingbare Kulturtechnik in unserer Gesellschaft. Zahlen sind Grundlage jeder quantitativen wissenschaftlichen Erfassung, der Wirtschaft und der Neuen Technologien. Die Beschäftigung mit Zahlen dient der Erfahrung des logisch-arithmetischen Durchdringens von Zusammenhängen und damit der Entwicklung des mathematischen Denkens. Zahlen durchziehen deshalb die Curricula aller Schulstufen.
Lisa Hefendehl-Hebeker, Inge Schwank
Kapitel 5. Algebra: Leitidee Symbol und Formalisierung
Zusammenfassung
Die Algebra ist gekennzeichnet durch Denkweisen, die im Laufe der Geschichte die elementar-algebraische Formelsprache hervorgebracht haben. Diese gehört als grundlegendes Darstellungsmittel der Mathematik zu den klassischen Stoffgebieten an weiterführenden Schulen. Die Anbahnung algebraischer Denkweisen und die Behandlung der Formelsprache im Unterricht sind nach wie vor didaktische Herausforderungen.
Lisa Hefendehl-Hebeker, Sebastian Rezat
Kapitel 6. Analysis: Leitidee Zuordnung und Veränderung
Zusammenfassung
Das Denken in Zuordnungen und Veränderungen durchzieht die gesamte Mathematik vom Kindergarten bis zur Universität. Es findet eine wichtige Konkretisierung im Funktionsbegriff und ein interessantestes Anwendungsfeld in der Analysis. Die Ideen des funktionalen und des infinitesimalen Denkens bilden daher die Leitlinien dieses Kapitels.
Rudolf vom Hofe, Joachim Lotz, Alexander Salle
Kapitel 7. Geometrie: Leitidee Raum und Form
Zusammenfassung
Die Beschäftigung mit geometrischen Strukturen wie Figuren, Körpern und regelmäßigen Mustern gilt neben dem Zählen als Ursprung mathematischen Denkens. Innerhalb der Mathematik ist die Geometrie eine immer noch wesentliche Teildisziplin und außerdem eine der tragenden Säulen der Schulmathematik im Elementarbereich, der Grundschule und den beiden Sekundarstufen. Nach einer Unterscheidung von relationaler und deskriptiver Geometrie beschäftigt sich der Text mit dem Lehren und Lernen von Geometrie in historischer und curricularer Perspektive. Aspekte geometrischen Denkens (wie Raumvorstellung und räumliches Strukturieren, Begriffsbildung, Verwendung von Darstellungen, Problemlösen, Argumentieren und Beweisen und die Entwicklung geometrischen Denkens) werden detailliert behandelt. Vor einem abschließenden Fazit untersucht der Text noch die Rolle von Geometrie in der Visualisierung.
Mathias Hattermann, Sebastian Rezat, Rudolf Sträßer
Kapitel 8. Stochastik: Leitidee Daten und Zufall
Zusammenfassung
Die Leitidee Daten und Zufall (Stochastik) wird unter drei Perspektiven diskutiert: fachlich-epistemologische Aspekte, empirische Forschungen sowie theoretisch und empirisch gestützte Unterrichtsvorschläge. In epistemologischer Hinsicht werden die probabilistische und die statistisch-datenwissenschaftliche Perspektive gegenübergestellt, Kontroversen um die Anwendung der Inferenzstatistik diskutiert, sowie neuere Bildungskonzepte wie statistical und data literacy vorgestellt. Der Abschnitt zu empirischen Forschungen macht mit den wichtigsten Übersichtsartikeln und Forschungsthemen zu probabilistischem und statistischem Denken vertraut. Die Unterrichtsvorschläge und die darauf bezogenen Forschungen werden entlang der Schulstufen strukturiert und kritisch diskutiert. Schwerpunkte der Analysen sind dabei der Umgang mit Daten, Denken in Verteilungen, Beziehungen zwischen zwei Merkmalen, Wahrscheinlichkeiten als Modelle, Vergleiche von Modell und Daten, Gesetze der großen Zahlen, bedingte Wahrscheinlichkeit und stochastische Unabhängigkeit, informelles und formales Schließen aus Stichproben sowie das Potential digitaler Werkzeuge
Rolf Biehler, Joachim Engel, Daniel Frischemeier

Mathematik als Denkprozess

Frontmatter
Kapitel 9. Begriffe bilden
Zusammenfassung
Die Auseinandersetzung mit dem Ausdruck Begriff hat in der Philosophie und Wissenschaftsgeschichte eine lange Tradition (etwa Seiler, Begreifen und Verstehen – Ein Buch über Begriffe und Bedeutungen, Verlag Allgemeine Wissenschaft, 2001; Hischer, Grundlegende Begriffe der Mathematik – Entstehung und Entwicklung, Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-8348-8632-3, 2012). Ohne auf tiefere Hintergründe eingehen zu können (Vgl. hierzu (Hischer, Grundlegende Begriffe der Mathematik – Entstehung und Entwicklung, Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-8348-8632-3, 2012, S. 32 ff.) und die dort angegebene weiterführende Literatur.), beziehen wir den Ausdruck Begriff auf mathematische Objekte und deren Eigenschaften, auf Beziehungen zwischen Objekten sowie auf mathematische Tätigkeiten, Vorstellungen und Ideen.
Silke Ruwisch, Hans-Georg Weigand
Kapitel 10. Problemlösen lernen
Zusammenfassung
Probleme lösen zu lernen gilt als ein anspruchsvolles, aber auch als ein unverzichtbares Ziel mathematischer Bildung in der allgemeinbildenden Schule und in weiterführenden Bildungseinrichtungen. Die Fachdidaktik Mathematik hat über einen langen Zeitraum vielfältige Forschungsperspektiven auf das Lösen mathematischer Probleme und das Problemlösenlernen entwickelt. In diesem Beitrag werden solche Forschungsperspektiven mit ihren Zugängen und markanten Erkenntnissen vorgestellt, wobei der Schwerpunkt auf den Erwerb von Problemlösekompetenz im Mathematikunterricht gelegt wird.
Benjamin Rott, Regina Bruder, Frank Heinrich, Christina Bauer
Kapitel 11. Algorithmisches Arbeiten
Zusammenfassung
Das Konzept des Algorithmus gehört, ähnlich wie der Begriff der Zahl oder der Funktion, zu den wichtigsten fundamentalen Ideen der Mathematik. Algorithmen gibt es schon sehr lange. Erste schriftlich dokumentierte Beispiele, wie das babylonische Verfahren zum Wurzelziehen, sind etwa 4000 Jahre alt. Dieses Verfahren wird bis zum heutigen Tage in den modernsten Computern verwendet; es stellt (im Sinne des genetischen Prinzips) ein herausragendes Beispiel für die Kontinuität des Arbeitens in der Mathematik dar.
Das Arbeiten mit Algorithmen beinhaltet neben der rein inhaltlichen Seite aber auch wichtige methodologische und philosophische Aspekte. In wissenschaftstheoretischer Hinsicht ist es auf das Engste mit dem Konstruktivismus verbunden, denn Algorithmen sind detaillierte Konstruktionsbeschreibungen für (mathematische) Objekte und Problemlösungen aller Art. In methodologischer Hinsicht unterstützt das algorithmische Arbeiten wichtige Prinzipien (Konstruktivität, genetisches und operatives Prinzip, Elementarität, Vernetzung) der Didaktik der Mathematik. Das Kapitel wird abgerundet durch die Diskussion gesellschaftlicher Aspekte der Computertechnik – bis hin zu Digitalisierung, Cyberkriminalität und Künstlicher Intelligenz.
Jochen Ziegenbalg
Kapitel 12. Argumentieren, Begründen und Beweisen
Zusammenfassung
Mathematisches Argumentieren und seine spezifische Form des Beweisens sind unter verschiedenen Perspektiven zentrale Ziele und wesentliche Inhalte von Mathematikunterricht. In diesem Kapitel wird zunächst die Natur des mathematischen Beweises thematisiert. Anschließend werden unterschiedliche Beweiskulturen wie z.B. präformales und operatives Beweisen thematisiert, die sich herausbilden können, je nachdem, welche fachlichen Normen angelegt und welche Argumentationsbasis verwendet wird. Unter Heranziehung von Toulmins Argumentationstheorie wird die Beziehung von Beweisen und Argumentieren geklärt und es werden Entwicklungsdimensionen vorgestellt, die die individuelle Enkulturation in eine zunehmend mathematisch geprägte Argumentationskultur charakterisieren. Schließlich werden empirische Arbeiten zum Argumentieren aufgegriffen und Fragen hinsichtlich der individuellen Voraussetzungen für mathematisches Argumentieren sowie instruktionale Ansätze zur Förderung diskutiert. Abschließend formulieren wir offene Probleme in Forschung und Entwicklung.
Hans Niels Jahnke, Daniel Sommerhoff, Stefan Ufer
Kapitel 13. Mathematisches Modellieren
Zusammenfassung
Auf der Basis von Zielen für eine Behandlung von Modellieren im Mathematikunterricht (Abschn. 13.1) werden ausgewählte Aspekte der theoretischen Diskussion zum Modellieren in der Mathematikdidaktik dargestellt unter Bezug auf historische Entwicklungen (Abschn. 13.2), u. a. theoretische Perspektiven des Modellierens und Modellierungskreisläufe. Zwei Modellierungsprobleme aus der Sekundarstufe I und II exemplifizieren dann (Abschn. 13.3) unterrichtliche Möglichkeiten zur Behandlung von Modellierungsprozessen. Nach einer Diskussion zum Konstrukt von Modellierungskompetenzen aus theoretischer Perspektive werden Möglichkeiten zu deren Förderung im Unterricht dargestellt (Abschn. 13.4). Einer Erörterung von Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes digitaler Medien beim Modellieren (Abschn. 13.5) schließt sich ein Überblick über Ergebnisse von empirischen Studien zum Modellieren an (Abschn. 13.6), u. a. bzgl. der Effektivität ausgewählter Lehr-/Lernumgebungen. Abschließend (Abschn. 13.7) werden spezifische Lehraktivitäten wie Modellierungstage/-wochen beschrieben.
Gabriele Kaiser, Werner Blum, Rita Borromeo Ferri, Gilbert Greefrath
Kapitel 14. Darstellen und Darstellungen verwenden
Zusammenfassung
Jeder Mensch wird, wenn er mit Mathematik zu tun hat, mit Darstellungen konfrontiert. Darstellungen werden genutzt, um über Mathematik zu kommunizieren, um für Lernende neue mathematische Inhalte zugänglich zu machen oder um abstrakte mathematische Beziehungen zu erforschen und zu beweisen. Die Ausbildung tragfähiger Zugänge zur Mathematik wird maßgeblich beeinflusst vom individuellen Umgang mit Darstellungen und dem gemeinschaftlichen, interaktiven Aushandeln entsprechender (Be-)Deutungen von Darstellungen. Auf der Grundlage aktueller Forschungsarbeiten widmet sich das vorliegende Kapitel diesem anspruchsvollen Wechselspiel aus unterschiedlichen Perspektiven und kennzeichnet grundlegende didaktische Herausforderungen.
Alexander Salle, Barbara Schmidt-Thieme, Axel Schulz, Elke Söbbeke

Mathematik im Unterrichtsprozess

Frontmatter
Kapitel 15. Unterrichtsqualität und Instruktionsstrategien
Zusammenfassung
Welche Merkmale qualitativ hochwertigen Mathematikunterrichts auszeichnen, bemisst sich zunächst an den Ergebnissen des Unterrichts, also an seinen Auswirkungen auf die individuelle Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Hierbei stehen nicht allein kognitive Ergebnisse wie Wissen oder Fertigkeiten im Fokus, sondern auch affektiv-motivationale Faktoren wie das individuelle Selbstkonzept, Wertüberzeugungen zur Mathematik oder Formen der Lernmotivation. Erfolgreiches Lernen wird in der aktuellen Unterrichtsforschung aus kognitivistisch-konstruktivistischer Perspektive als ein aktiver, kumulativer und sozialer Prozess charakterisiert, bei dem Lernende aufbauend auf ihrem Vorwissen in ihrer Lerntätigkeit neues Wissen konstruieren oder ausdifferenzieren.
Stefan Ufer, Aiso Heinze, Frank Lipowsky
Kapitel 16. Aufgaben in Forschung und Praxis
Zusammenfassung
Aufgaben sind im schulischen Kontext allgegenwärtig. Sie konkretisieren Lernsituationen und Leistungsanforderungen und rahmen so das Denken und Handeln von Lehrenden und Lernenden. In den Fachdidaktiken konkretisieren Aufgaben eine fachspezifische Perspektive auf das Lehren und Lernen. In der fachbezogenen Lehr-Lern- bzw. Unterrichtsforschung bilden Aufgaben den Rahmen für die zu untersuchenden Lehr-Lernprozesse und operationalisieren Lernergebnisse. In der fachdidaktischen Entwicklungsforschung bildet die empiriegestützte Aufgabenentwicklung das Gerüst für die Erforschung von Lehr-Lernprozessen innerhalb von gestalteten Lernumgebungen. In den fachdidaktischen Anteilen der Lehrerprofessionalisierung erfüllen Aufgaben den Zweck einer Situierung fachdidaktischer Theorie und Praxis. Ziel dieses Beitrages ist es, hier einen Überblick zu geben, indem Konzepte und Befunde zu Aufgaben aus solchen Arbeiten zusammengetragen werden, die explizit und reflektiert auf ein Aufgabenkonzept als Forschungsgegenstand, als Forschungsinstrument oder als Unterrichtsinhalt zurückgreifen.
Timo Leuders
Kapitel 17. Digitale Medien
Zusammenfassung
Angefangen beim Taschenrechner in den 1970er Jahren über die ersten ‚Personal Computer (PC)‘ Ende der 1970er Jahre bahnten sich Graphik-Taschenrechner und ‚Taschencomputer (TC)‘ mit integrierten Computeralgebrasystemen (CAS) um 1995 ihren Weg in das Klassenzimmer. Auch wenn die Hard- und Softwarelösungen heute (mit Tablet-PCs, Smartphones und digitaler Werkzeugsoftware) andere sind, so sind die damit verbundenen Hoffnungen für und Erwartungen an den Mathematikunterricht doch recht ähnlich denen, wie sie in der Stellungnahme der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) vom 28. Februar 1978 zum „kontrollierten Einsatz von Taschenrechnern ab dem 7. Schuljahr aller Schulformen“ gefordert werden oder in den Bildungsstandards (etwa für die Allgemeine Hochschulreife) als Potenziale formuliert werden. Angesichts der sich stetig weiterentwickelnden Hard- und Software werden sie sowohl im Hinblick auf Schulformen, Klassenstufen und inhaltliche Bereiche des Mathematikunterrichts als auch die jeweils angestrebten Unterrichtsziele stets neu diskutiert – wie etwa im Rahmen der kürzlich veröffentlichten Bildungsstandards, in denen die Nutzung digitaler Medien und Werkzeuge im Mathematikunterricht bei diversen Kompetenzerwartungen stärker als zuvor eingefordert wird. Vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung digitaler Medien ist die Bildungsforschung im Allgemeinen und die Mathematikdidaktik im Speziellen gefordert, diese Diskussionen an die jeweiligen technologischen Neuerungen anzupassen. Damit erscheint ein gewisser zeitlicher Versatz zwischen der Verfügbarkeit dieser Technologien und ihrem theoriegeleiteten Einsatz in Bildungsinstitutionen notwendig. In diesem Artikel werden zunächst die theoretischen Grundlagen digitaler Medien beim Einsatz im Mathematikunterricht dargelegt, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten im internationalen Diskurs entwickelt haben. Dann werden unterschiedliche Bedeutungen aufgezeigt, die digitalen Medien in verschiedenen Unterrichtsphasen im Mathematikunterricht zukommen. Schließlich haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Forschungsbereiche ergeben, für die einerseits bereits empirische Ergebnisse vorliegen, für die sich aber andererseits auch neue weiterführende Fragen stellen. Hier geht es um die Voraussetzungen für den Einsatz digitaler Medien, um deren Wirkungen, um die Nutzungsweise von Lernenden im Unterricht, um den Einsatz in Lernstandserfassungen, um die Entwicklungen und Gestaltung von digitalen Medien und ferner um deren Einsatz in der Lehreraus- und -weiterbildung. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über den gegenwärtigen Forschungsstand zum Einsatz digitaler Medien im Mathematikunterricht gegeben, es wird aber stets auch der Blick auf mögliche oder zu erwartende zukünftige Entwicklungen und sich daraus ergebende Fragestellungen gelenkt, die es dann zu beantworten gilt.
Frank Reinhold, Daniel Walter, Hans-Georg Weigand
Kapitel 18. Sprache und Mathematiklernen
Zusammenfassung
Dem Konstrukt Sprache kann sowohl eine kommunikative Funktion, die fachliches Lernen im täglichen Austausch sowie im Rahmen von Bildungsprozessen stets mitkonstituiert, als auch eine kognitive Funktion, die fachliches Verstehen überhaupt erst ermöglicht, zugewiesen werden. Dies begründet die Forderung allgemeine und fachspezifische Sprachkompetenzen im Mathematikunterricht gezielt zu fördern.
Dominik Leiss, Kerstin Gerlach, Lena Wessel, Barbara Schmidt-Thieme
Kapitel 19. Diagnose und Förderung
Zusammenfassung
Diagnostizieren und Fördern gelten als Schlüsselkompetenzen von Lehrkräften, um Schülerinnen und Schüler erfolgreich zu unterrichten. In dem Beitrag werden auf der Grundlage von theoretischen Überlegungen und Forschungsergebnissen zentrale Merkmale diagnostischer Kompetenzen von Lehrkräften herausgestellt. Zudem wird das komplexe Verhältnis zwischen der Erfassung von Lernständen, deren Bewertung und der Förderung erörtert. Weiter werden verschiedene Konzeptionen unterrichtsbezogener Diagnose vorgestellt.
Elisabeth Moser Opitz, Marcus Nührenbörger
Kapitel 20. Differenzierung
Zusammenfassung
Schülerinnen und Schüler sind als Personen, aber auch als Lernende trotz vieler Gemeinsamkeiten sehr verschieden. Differenzierung im pädagogisch-didaktischen Verständnis versucht, dieser Verschiedenheit gerecht zu werden, zum einen indem sie ungleiche Lernvoraussetzungen in den Lernangeboten berücksichtigt und unterschiedliche Lernwege zu einem gemeinsamen Lernziel eröffnet, zum anderen indem sie die Verschiedenheit von Begabungen als einen Eigenwert versteht und fördert. In diesem Beitrag erfolgt eine Konzentration auf den Umgang mit unterschiedlichen mathematikbezogenen Lernvoraussetzungen im Mathematikunterricht, was auch als Binnendifferenzierung bezeichnet wird. Es werden strukturelle Differenzierungsaspekte zur Einordnung und zum Vergleich verschiedener Differenzierungskonzepte vorgestellt und exemplarisch Forschungsansätze insbesondere zur Entwicklung von differenzierenden Lehr- und Lernmaterialien im Rahmen einer „natürlichen Differenzierung“ diskutiert.
Regina Bruder, Helmut Linneweber-Lammerskitten, Beat Wälti

Didaktik der Mathematik als Forschungsdisziplin

Frontmatter
Kapitel 21. Zur geschichtlichen Entwicklung der Mathematikdidaktik als wissenschaftlicher Disziplin
Zusammenfassung
In diesem Beitrag werden wesentliche Linien der historischen Entwicklung der Mathematikdidaktik vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts dargestellt. Dabei werden auch die gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen und die soziologisch-strukturellen Entwicklungsschritte der Mathematikdidaktik (insbesondere ihre institutionelle Verankerung) berücksichtigt. – Es werden drei Zeitabschnitte mit jeweils einem charakteristischen Forschungsthema betrachtet: Die Zeit vor dem 1. Weltkrieg mit der Diskussion um die „Neuere Geometrie“, die Zeit zwischen den Weltkriegen mit der Diskussion um die Infinitesimalrechnung und die Zeit nach dem 2.Weltkrieg mit der Diskussion um die Abbildungsgeometrie. Herrn Professor H. J. Burscheid (Universität zu Köln) danke ich für viele Gespräche, Hinweise auf Literatur, Einschätzungen von historischen Entwicklungen und einer kritischen Durchsicht des Manuskriptes.
Horst Struve
Kapitel 22. Zur Etablierung der Mathematikdidaktik nach dem zweiten Weltkrieg – unter Berücksichtigung von Entwicklungen in der DDR
Zusammenfassung
Die Mathematikdidaktik hat sich in Deutschland und auch international in den letzten Jahrzehnten zu einer selbständigen Wissenschaftsdisziplin entwickelt und kann inzwischen auf eine vielschichtige historische Entwicklung zurückblicken. Für Forschende, die sich für einzelne fachdidaktische Themen interessieren, kann ein Rückblick auf die Zusammenhänge, in denen sie sich etablierte und sich fortgesetzt neue Forschungsrichtungen entwickeln, von Interesse sein, denn nicht immer ist alles neu, was heute diskutiert und beforscht wird. In diesem Beitrag werden einige markante Entwicklungen der Mathematikdidaktik in Deutschland mit ihren jeweiligen Rahmenbedingungen nach dem zweiten Weltkrieg bis Anfang der 2020er-Jahre dargestellt, wobei auf Entwicklungen in der DDR von den 1950er- bis zu den 1980er-Jahren gesondert eingegangen wird. Im abschließenden Fazit wird diskutiert, welche Impulse für die Weiterentwicklung der Diszplin aus ihrer Geschichte gewonnen werden können und wie die Wissenschaftsdisziplin Mathematikdidaktik ihr Verhältnis zur Praxis des Lehrens und Lernens von Mathematik gestalten kann.
Rudolf Sträßer, Regina Bruder, Andreas Büchter
Kapitel 23. Forschungsgegenstände und Forschungsziele der Mathematikdidaktik
Zusammenfassung
Die Mathematikdidaktik ist eine vergleichsweise junge Disziplin, deren wissenschaftlicher Charakter sich vor allem seit den 1960er Jahren entwickelt und profiliert hat (vgl. auch Kap. 20 und 21). Inzwischen zeichnet sich die Mathematikdidaktik durch eine große Vielfalt im Hinblick auf die Forschungsgegenstände und Forschungsziele aus. Trotz aller Ausdifferenzierungen ist der grundsätzliche Rahmen der mathematikdidaktischen Forschung aber wesentlich durch die übergeordnete Frage nach förderlichen Bedingungen für das Lehren und Lernen von Mathematik gekennzeichnet.
Tobias Rolfes, Maike Vollstedt, Stefan Ufer, Aiso Heinze, Kristina Reiss
Kapitel 24. Qualitative mathematikdidaktische Forschung: Das Wechselspiel zwischen Theorieentwicklung und der Adaption von Untersuchungsmethoden
Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten haben sich qualitative Methoden in den Sozial- und Humanwissenschaften zunehmend etabliert und entsprechend existiert mittlerweile eine recht umfangreiche Auseinandersetzung zur methodischen und methodologischen Diskussion als auch zur Entwicklung der qualitativen Forschung. In dem Kapitel zur qualitativen Forschung in der Mathematikdidaktik stellen wir daher zunächst allgemeine Aspekte qualitativer Forschungslogiken dar und fokussieren anschließend deren Umsetzung im Zusammenhang einer mathematikdidaktisch ausgerichteten Unterrichtsforschung. Als ein Beispiel für qualitatives Forschen in der Mathematikdidaktik stellen wir schließlich die Interpretative Forschung genauer vor – mit ihrem Anspruch der Theorieentwicklung, ihrer grundlegenden Methode der Interaktionsanalyse und ihrer für qualitative Forschung typischen Anpassung an den Forschungsgegenstand.
Birgit Brandt, Christof Schreiber, Marcus Schütte, Kerstin Gerlach (geb. Tiedemann)
Kapitel 25. Quantitative Forschungsmethoden
Zusammenfassung
Da Methoden der empirischen Bildungsforschung üblicherweise nicht Teil eines Lehramtsstudiums sind, stellen die Durchführung einer quantitativen Studie sowie die daran anschließende statistische Datenanalyse oft ein Problem für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler (Im Sinne einer gendergerechten Sprache wurden im Artikel meist Formulierungen der Art „Schülerinnen und Schüler“ verwendet. Sollte dies im Interesse einer besseren Lesbarkeit dar. Erfahrungsgemäß kann dies sogar nach einem Studium des Unterrichtsfaches Mathematik der Fall sein, in welchem Elemente der Stochastik und der Statistik behandelt werden.
Stefan Krauss, Georg Bruckmaier, Martin Brunner
Kapitel 26. Theorien und Theoriebildung in fachdidaktischer Forschung und Entwicklung
Zusammenfassung
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Mathematikdidaktik entwickeln und nutzen Theorien, um Phänomene und Probleme sowie Handlungsoptionen im komplexen Feld des Mathematiklehrens und -lernens zu beschreiben, zu verstehen oder zu erklären, um Ziele zu spezifizieren und zu erreichen oder Wirkungen möglicher Handlungsoptionen vorherzusagen. Diese verschiedenen Funktionen von Theorien sollen in diesem Kapitel erläutert werden.
Susanne Prediger
Metadaten
Titel
Handbuch der Mathematikdidaktik
herausgegeben von
Regina Bruder
Andreas Büchter
Hedwig Gasteiger
Barbara Schmidt-Thieme
Hans-Georg Weigand
Copyright-Jahr
2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-66604-3
Print ISBN
978-3-662-66603-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-66604-3

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