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2024 | Buch

Handbuch Kulturpolitik

herausgegeben von: Johannes Crückeberg, Julius Heinicke, Jan Christopher Kalbhenn, Katrin Lohbeck, Henning Mohr, Friederike Landau-Donnelly

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Das Handbuch bietet einen Überblick über den aktuellen Stand der Kulturpolitik und Kulturpolitikforschung in Deutschland. Aus verschiedenen Perspektiven werden die historischen Entwicklungen, Theorie(n) der Kulturpolitik und aktuelle Herausforderungen der Praxis erörtert. Darüber hinaus informiert das Handbuch über die Methoden der Kulturpolitikforschung und Positionen in unterschiedlichen Wirkungsfeldern.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Theorien und historische Linien der Kulturpolitik

Frontmatter
Von der kolonialen Entwicklung zur postkolonialen Transformation: Kulturpolitik als Weltaufgabe

Der Artikel versucht die gegenwärtigen kulturpolitischen Wandlungsprozesse zunächst vor dem Hintergrund des Paradigmenwechsels von ‚Entwicklung‘ zu ‚Transformation‘ nachzugehen, hinter welchem sich weiterhin koloniale und postkoloniale Strategien verbergen. So wird mit Blick auf G.W.F. Hegels Werk einerseits deutlich, wie sehr Kulturpolitik in abendländisch-koloniale Hierarchien und Degradierungen verstrickt ist, andererseits mittels ihrer ästhetischen Bezugs- und Handlungsräume Potenziale eröffnet, diese zu dekonstruieren. Im letzten Teil wird dieses Vermögen der Kulturpolitik mit Rückgriff auf Begriffe ‚Aushandlung‘, ‚Mitgestaltung‘ und ‚Entähnlichung‘ betrachtet und ein postkolonialer Weg skizziert, der Kulturpolitik nicht mehr nur als Gesellschaftspolitik versteht, sondern vielmehr als Weltaufgabe begreift, da ihr Wirkungsrefugium vermehrt in Bereiche der globalen Transformationen und Nachhaltigkeit hineinragt.

Julius Heinicke
Eine Konflikttheorie der Kulturpolitik

Der Beitrag skizziert, wie Dynamiken kulturpolitischer Produktion, Präsentation, Planung und Steuerung vor dem Hintergrund politischer Theorien von Konflikt betrachtet werden können. Durch die Darlegung ausgewählter empirischer Konfliktlinien wird eine konfliktorientierte Forschungsperspektive auf Kulturpolitik vorgestellt. Wir rahmen Kulturpolitik als Arena agonistischer Aushandlungsprozesse zwischen diversen Akteur*innen, um ein konfliktsensibles Verständnis von Kulturpolitik als gesellschaftspolitisch und demokratietheoretisch relevantes Forschungs- und Handlungsfeld zu etablieren (Das Forschungsprojekt Agonistische Kulturpolitik (AGONART), in dessen Kontext dieses Kapitel erstellt wurde, wurde unterstützt durch Fördergelder des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank (Projektnummer: 18453)).

Friederike Landau-Donnelly, Anke Schad-Spindler, Stefanie Fridrik, Oliver Marchart
Legitimationsnarrative der Kulturpolitik

Die Legitimation von Kulturpolitik wird bestimmt von Narrativen, die in allgemeine Diskurse eingebettet sind, wobei zwischen gesellschaftsbezogenen ideell-normativen und ökonomisch-orientierten Narrative zu unterscheiden ist. Für erstere steht Bildung als umfassendes Konzept emotionalen, moralischen und ästhetischen Kompetenzgewinns im Zentrum. Kulturpolitik mit Bezugnahme auf Bildung kann emanzipatorischen Zwecken dienen, wie auch Distinktion und Abgrenzung zum Ziel haben. Wirtschaftlicher Mehrwert ist das zentrale Argument der ökonomisch-orientierten Narrative: Kulturpolitik dient dem Wirtschaftswachstum. In der ästhetischen Ökonomie droht Kulturpolitik als Variante von Wirtschaftspolitik obsolet zu werden.

Annette Zimmer
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik

Der Beitrag diskutiert die Programmformel „Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik“ im Kontext eines Rückblicks auf die Entwicklung der Reformkonzeption „Neue Kulturpolitik“ in der alten Bundesrepublik Deutschland. Er erinnert an die emphatischen Grundideen, die damit verbunden waren, und verweist auf Widersprüche und Paradoxien, Vereinnahmungen und Komplizenschaften, die als neoliberale „Modernisierungsfalle“ gedeutet werden. Schließlich wird angesichts aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen die Notwendigkeit aufgezeigt, für eine neue Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik zu argumentieren.

Norbert Sievers
Kulturpolitik und Cultural Governance

Seit der Veröffentlichung des Schlussberichts der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages Kultur in Deutschland im Jahr 2007 hat sich ‚Cultural Governance‘ zu einem Leitbegriff der Kulturpolitik entwickelt. Diese Begrifflichkeit erfasst Regelungs- und Steuerungsmechanismen des Zusammenspiels von Akteuren aus Öffentlicher Hand, (Kultur-)Wirtschaft und Zivilgesellschaft bzw. Öffentlichkeit. Ausgehend von einer kurzgefassten Begriffsgeschichte der Kulturpolitik wird Cultural Governance als Element einer aktivierenden Kulturpolitik, als Faktor des kooperativen Kulturföderalismus und als Motor der Selbststeuerung kulturpolitischer Akteure reflektiert. Die kulturpolitische Wirkungsweise von Cultural Governance wird schließlich am Praxisbeispiel der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 und dem komplexen Zusammenspiel der daran beteiligten diversen Akteursstrukturen exemplifiziert.

Oliver Scheytt
Ökonomie und Kulturpolitik

Kultur und „die Wirtschaft“ werden oftmals als diametral anderes angesehen, was nicht selten zu Berührungsängsten zwischen Akteur*innen aus Kultur, Wirtschaft und Kulturpolitik führt. Nichtsdestotrotz haben sich die unterschiedlichsten Verbindungen und Einflussnahmen zwischen der Kultur, Kulturpolitik und Ökonomie gebildet. Dieser Beitrag stellt zentrale und besonders interessante Erkenntnisse aus praxisnaher und wissenschaftlicher Literatur zusammen, die die Instrumente der ökonomischen Theorien und Analysen auf Probleme der Kunst und Kultur und insbesondere auf die Kulturpolitik anwendet.

Hellen P. Gross, Maren Rottler
Kulturpolitik bis 1945

Der vorliegende Artikel untersucht Kulturpolitik in Deutschland bis Ende des Zweiten Weltkriegs aus einer doppelten Perspektive: Zum einen wird die vielfältige Auseinandersetzung mit den Begriffen ‚Kultur‘ und ‚Kulturstaat‘ seit Ende des 18. Jahrhunderts skizziert, zum anderen werden Schwerpunkte staatlichen Handelns auf dem Feld der Kultur beleuchtet. Der Aufsatz gliedert sich in drei historische Phasen, die die Entwicklung dieser beiden Perspektiven strukturieren: 1800–1914 die Etablierung eines „Kulturstaats“ in Preußen einschließlich der Konsolidierung und Erweiterung auf die Kolonialpolitik; 1918–1933: neue Weichenstellungen in der Weimarer Republik mit der Umwandlung der Hof- in Staatstheater und einer zunehmenden Erhöhung der öffentlichen Förderung für bestimmte Formen der Kultur; 3) 1933–1945 eine gleichgeschaltete Kulturpolitik, die als Kampfbegriff und Schlüsselwort der NS-Zeit diente.

Christopher Balme
„Die Kunst gehört dem Volke“: Kulturpolitik in der DDR

Die Kulturpolitik in der DDR ist mit der staatlichen Existenz der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) verbunden. Diese endete mit dem Beitritt der wieder eingerichteten neuen Länder zur Bundesrepublik Deutschland nach fast 41 Jahren am 3. Oktober 1990. Hinzugerechnet werden die vier Jahre der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zwischen 1945 und 1949. Betrachtet man das Feld dieser Kulturpolitik, zerfallen die 45 Jahre in verschiedene Phasen. Von daher lässt sich nicht pauschal von der Kulturpolitik in der DDR sprechen, auch wenn grundlegende Bildungs- und Erziehungsprinzipien, die im Marxismus-Leninismus wurzeln und auf die Erziehung der „sozialistischen Persönlichkeit“ zielen, nie in Frage gestellt wurden. Im Folgenden werden Entwicklungslinien nachgezeichnet und tragende Aspekte sowohl der staatlichen Kulturpolitik als auch der Kultur in der DDR dargelegt.

Birgit Wolf
Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

Die Geschichte der Kulturpolitik in der BRD teilt sich in zwei Abschnitte: in die Zeit vor und nach der Propagierung der „Neuen Kulturpolitik“ bzw. der „Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik“, um die Mitte der 1970er-Jahre. Einführend wird auf die begriffliche Besonderheit der „Kultusministerien“ eingegangen, mit denen die Ressorts der staatlichen Kulturpolitik zunächst überwiegend bezeichnet wurden. Daraus leitet sich die Verquickung von Bildungspolitik, Kulturpflege und Repräsentation ab, die die erste Phase geprägt hat und am traditionellen Wertekanon bürgerlicher Kultiviertheit orientiert ist. In ausdrücklicher Abgrenzung dazu wird in den 1970er-Jahren unter dem Motto „Kultur für alle“ eine Kulturpolitik gefordert und dann auch sehr weitgehend praktisch durchgesetzt, die auf die Teilnahme aller Gesellschaftsschichten am kulturellen Leben im Sinne eines „weiten Kulturbegriffs“ abzielt.

Henning Fülle
Kulturpolitik nach der Wiedervereinigung

Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 war einschneidend. Die zuvor gegründeten fünf neuen Länder, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, traten der Bundesrepublik Deutschland bei. Dem eigentlichen Akt, dem Beitritt gemäß Art. 23 Grundgesetz, gingen die Verhandlungen und Abschlüsse von Vertragswerken voraus: In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, welche kulturpolitische Wirkung von der Wiedervereinigung ausging.

Olaf Zimmermann

(Trans)Disziplinäre Zugänge und Konzepte der Kulturpolitik

Frontmatter
Kulturpolitik und Kunstfreiheit

Kulturpolitik zielt darauf ab, das kulturelle Leben zu fördern und zu gestalten. Die Kunstfreiheit ermöglicht Künstler*innen, kreativ zu arbeiten und gesellschaftliche Themen kritisch zu hinterfragen. Die Debatte um Kunstfreiheit betrifft sowohl individuelle Künstler*innen als auch partizipative und pädagogische kulturelle Praktiken. Kunstfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht, das international und in nationalen Gesetzen verankert ist. Allerdings gibt es Unterschiede in der Auslegung und Umsetzung. Einschränkungen der Kunstfreiheit können aus verschiedenen Gründen auftreten, zumeist in Bezug auf die Wahrung der öffentlichen Ordnung. In der Folge wurden verschiedene Schutzmechanismen für Künstler*innen geschaffen. Eine sorgfältige Abwägung der Interessen ist wichtig, um die Kunstfreiheit zu schützen und gleichzeitig andere Grundrechte zu wahren. Die Förderung von Toleranz und Akzeptanz im kulturpolitischen Kontext sowie Bildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen sind entscheidend, um ein tieferes Verständnis von Freiheitsrechten und den Dialog dazu zu fördern.

Daniel Gad
Kulturpolitik und aktivistische Allianzen

Der Beitrag zeigt auf, wie kulturpolitische Allianzen als Bündnisse zwischen Akteur*innen aus Politik und Verwaltung sowie zivilgesellschaftlichen Gruppierungen aus dem Kulturfeld entstehen. Er diskutiert anhand des Fallbeispiels der Berliner Koalition der Freien Szene, wie staatliche und nicht-staatliche Akteur*innen Prozesse von Kulturförderung, -evaluation und -reform gemeinsam gestalten können. Der Begriff „Allianz“ wird konflikttheoretisch betrachtet, und unterstreicht, dass Zusammenschlüsse stets kontextgebunden, machtumwoben und daher von mannigfaltigen Spannungen durchzogen sind.

Friederike Landau-Donnelly
Behinderte Teilhabe im Kultursektor
Plädoyer für eine Kulturpolitik der Zugänglichkeit

Dieser Artikel untersuchtIn diesem Artikel untersuche ich, wo Behinderung, Zugang und Inklusion in der deutschen Kulturpolitik stehen, und warum Behinderung ein wesentlicher Bestandteil bei der Entwicklung von Kulturpolitiken ist. Ich überprüfe die aktuellen bundesdeutschen Richtlinien und die zugehörige Literatur, die zu diesem Thema verfügbar sind und gebe Beispiele für Antworten von behinderte Künstler*innen und Gruppen innerhalb des Sektors. Abschließend gebe ich einige Handlungsempfehlungen, wie Kulturpolitik eine zugänglichere Zukunft für die Künste besser ausgestalten könnte.

Kate Brehme
Kulturpolitik und Digitalität

Digitalisierung und Digitalität stellen die Kulturpolitik vor zahlreiche grundlegende Herausforderungen. Auf einer pragmatischen Handlungsebene besteht weitreichender Konsens über die großen Baustellen der Digitalisierung des Kultursektors – beispielsweise die Notwendigkeit des Ausbaus digitaler Infrastrukturen für den Kulturbereich, die Ausbildung entsprechender Kompetenzen bei Kulturakteur*innen und den Ausbau digitaler Kulturvermittlungsbemühungen. Jenseits der praktischen Anwendungsebene zeichnen sich jedoch weitere Aufgaben ab: So müssen für das Zeitalter der Digitalität neue Modi und Prinzipien der Kulturproduktion und -nutzung erprobt und etabliert werden. Den problematischen Auswirkungen der neuen Technologien müssen Ansätze entgegengesetzt werden, damit die Kultur als gesellschaftliche Ressource zugänglich und verfügbar bleibt. Dieser Beitrag versucht, zentrale Aspekte dieser kulturpolitisch-digitalen Entwicklung überblicksartig darzustellen.

Christian Holst
Kulturpolitik und Diversität

Nach einer Einführung zum Begriff Diversität werden kulturpolitische Entwicklungen bezogen auf die „Kerndimensionen“ von „Diversity“ nach der EU Grundrechtcharta in einer retroperspektivischen Betrachtung bis heute kurz skizziert. Daraus werden grundsätzliche kulturpolitische Umsetzungsebenen im Kontext von Diversität abgeleitet und ein abschließendes Fazit im Hinblick auf künftige Herausforderungen, Chancen und Grenzen von Kulturpolitik und Diversität gezogen.

Susanne Keuchel
Kulturpolitik, Migration und Flucht

Dieser Artikel untersucht die Reaktionen von Kulturpolitik auf Migration und Flucht. Er argumentiert, dass kulturpolitische Akteur*innen Migration und Flucht als Teil eines integrationsorientierten Diskurses über kulturelle Vielfalt behandeln. In diesem Ansatz wird Interkulturalität als ein Schlüsselkonzept zur Erleichterung der kulturellen Integration angesehen. Der Artikel untersucht das Zusammenspiel zwischen dem Diskurs über migrationsbedingte Vielfalt einerseits und der Interkulturalität als dialogbasiertm Begriff zur Förderung der kulturellen Integration von Migrant*innen und Geflüchteten andererseits.

Özlem Canyürek
Allgemeine Nachhaltigkeitskultur – Neuorientierung der Kulturpolitik im Horizont von Klimawandel und UN Agenda 2030

Geht es bei einer Neuorientierung der Kulturpolitik im Zeichen der Nachhaltigkeit einfach um ein neues kulturpolitisches Thema, zusätzliche Aufgaben und eine Veränderung von Förderkriterien? Oder steht ein grundlegend anderes oder erweitertes Verständnis von Kulturpolitik mit einem neuen kulturpolitischen Leitbild an? Ausgehend von der bisherigen Entwicklung und dem aktuellen Stand der nationalen Kultur- und Nachhaltigkeitspolitik zeigt der Beitrag kosmopolitische Perspektiven einer am Klimawandel und der UN-Agenda 2030 orientierten Kulturpolitik auf.

Ralf Weiß
Kulturpolitik und Transkulturalität

Dieser Text gibt einen Überblick über die Genese des Begriffs Transkulturalität und zeigt das Potenzial des Konzepts für die Kulturpolitik. Im Rahmen einer Begriffsgeschichte werden verschiedene Transkulturalitätskonzepte skizziert. Anschließend werden grundsätzliche Gemeinsamkeiten dieser Konzepte insbesondere im Unterschied zu Konzepten der Inter- und Multikulturalität vorgestellt. Der Fokus auf kulturelle Verflechtungen und Zwischenräume, der für Transkulturalität zentral ist, hat Konsequenzen für die Kulturpolitik, die das Potenzial kultureller Verflechtungen und Zwischenräume bisher kaum nutzt, obwohl die Gesellschaft transkulturell geprägt ist. Sowohl Programme etablierter Kulturinstitutionen als auch die Grundsätze teilhabeorientierter Kulturvermittlung werden durch einen transkulturellen Ansatz verändert.

Alexander Pähler
Queer-feministische Perspektiven auf Kulturpolitik und Kulturpolitikforschung

Dieser Beitrag beschreibt anhand von queer-feministischen Kulturveranstaltungen („Ladyfest“ und „Girls* Rock Camp“) heteronormativitätskritische Strategien der Intervention in Kultur. Ebenso wird diskutiert, dass jene Projekte über „Diversität“ mit einer widersprüchlichen Inklusion in hegemoniale Kulturinstitutionen konfrontiert sind. Der Beitrag schlägt vor, dass Kulturpolitik und Kultureinrichtungen jene Widersprüche nicht einhegen, sondern in die eigene Praxis integrieren sollten, um gesellschaftskritische Perspektiven auf programmatischen und strukturellen Ebenen der Kulturpolitik zu ermöglichen.

Sara Paloni
Kulturpolitik und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Die Bedeutung von Kultur und Kultureinrichtungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dient häufig als primäres Legitimationsargument für öffentliche Kulturförderung. Bei näherem Hinsehen erscheint die Darstellung von Kultur als ein schier unerschöpflicher Motor des Zusammenhalts jedoch als fragwürdig. In diesem Kapitel soll das Verhältnis von Kultur und sozialer Kohäsion ausgeleuchtet werden, um anschließend die Verbindungslinien zwischen Kulturpolitik und gesellschaftlichem Zusammenhalt nachzuzeichnen.

Johannes Crückeberg, Peter Dirksmeier

Rahmen- und Förderbedingungen künstlerischer Produktionen

Frontmatter
Künstliche Intelligenz und Kultur(-Politik)

Wo stehen wir heute im Bereich der Kunst und Kultur in puncto KI? Der vorliegende Beitrag begreift sich als eine Bestandsaufnahme. Er bietet sowohl einen ersten Überblick über die Anwendung dieser Technologie in diesem Sektor, als auch den Versuch einer Zukunftsperspektive. Die Möglichkeiten in der künstlerischen Produktion ebenso wie der Einsatz im Kulturmanagement können als Chance für die Kulturlandschaft begriffen werden, und zwar nicht nur in der Entlastung von Kulturschaffenden. Bis zu einer flächendeckenden Arbeit mit KI sind aber noch wichtige Vorarbeiten zu leisten, etwa im Umgang mit Kulturdaten und Digitalität. Nicht zuletzt bedeuten diese Möglichkeiten auch Verantwortung – von der Weiterentwicklung kultureller Infrastrukturen bis hin zur (Mit-)Gestaltung einer lebenswerten Zukunft mit dieser Technologie.

Leila Zickgraf, Tabea Golgath
Öffentliche Literaturförderung

Kulturpolitik wird im folgenden Beitrag als Akteur*in verstanden, die v. a. durch Literaturpreise, -stipendien, Residenzen sowie durch Unterstützung des Veranstaltungswesens das literarische Feld mitgestaltet und die Entstehung zeitgenössischer Literatur fördert. Es wird im Folgenden diskutiert, inwieweit Instrumente der Autor*innenförderung die Entstehung von Literatur unterstützen, die den Interessen und Ästhetiken einer diversen Gesellschaft Rechnung tragen und wie die wettbewerbliche Orientierung vieler Förderprogramme als Prekaritätsbeschleunigung für Kulturproduzent*innen wirken kann.

Svenja Reiner
(Post)Digitalität in den Künsten

Vom Gesundheitswesen bis zur Biotechnologie, von Künstlicher Intelligenz (KI) und artifizieller Technologie bis hin zur Kunst und Kultur ist das Digitale zu einem inhärenten Merkmal unserer Lebenswelt geworden. Das Postdigitale versucht diesen Zustand zu charakterisieren, in dem die Logik des Digitalen untrennbar mit unserer menschlichen Existenz verbunden ist. Der vorliegende Text reflektiert die Bedeutung einer postdigitalen Transformation für die Künste. Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Debatten zeigt der Beitrag exemplarisch kulturpolitische Rahmenbedingungen auf, gefolgt von einem Ausblick auf zukünftige Handlungsfelder von postdigitaler Kultur.

Mara-Johanna Kölmel, Denise Helene Sumi
Museen und Sammlungen

Der Beitrag beschreibt das kulturpolitische Feld der Museen und Sammlungen von seiner Geschichte bis zu aktuellen Kontroversen um eine neue Museumsdefinition. Grundlegende Kritikpunkte an der Institution des Museums werden dabei in den Blick genommen. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Innovationspotenzial einer selbstkritischen und permanent lernenden Haltung für ein Changemanagement zur Erhöhung der gesellschaftlichen Relevanz von Museen sowie für eine Diversifizierung von Programm, Publikum und Personal.

Anna Greve
Theater und Darstellende Künste

Die deutsche Theaterlandschaft ist vielschichtig aufgebaut. Die größte Gruppe umfasst die 140 öffentlichen Theater, die als Staats-, Stadt- und Landestheater mit festem Ensemble und Personal ihr täglich wechselndes Repertoire-Programm anbieten und mit ihren ca. 50.000 festen und freien Künstler*innen wesentlich zu einer der dichtesten Theaterlandschaften der Welt beiträgt. Als zweite Gruppe agieren ca. 150 private Theater, die aus einer starken Tradition kommend, die öffentlichen Theater programmatisch ergänzen. Mit gewachsener Bedeutung gewinnen als weitere Gruppe auch die Freien Darstellenden Künste an Gewicht, zu ihnen gehören bis zu 5000 freie professionelle und Laien-Künstler*innen, Gruppen, Festivals und Produktionshäuser. Die Entwicklung der deutschen Theaterlandschaft wird wesentlich geprägt durch die Geschichte der Theater, aber vor allem durch die Herausforderungen für ihre Zukunft. Da Theater kreativ mit künstlerischen Formaten auf gesellschaftlich akute Themen reagieren, sind diese bereits auf den deutschen Bühnen präsent. In der Kulturpolitik und im Management der Theater fehlt allerdings noch zu oft das Bewusstsein für die Umsetzung von Zukunftsthemen und Reformen in den Theater-Organisationen selbst.

Thomas Schmidt
Von der kulturellen zur wirtschaftlichen Filmförderung in Deutschland

Die Filmförderung in Deutschland hat sich gewandelt von einer kulturellen zu einer wirtschaftlichen, die stark beeinflusst wurde vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Bei der kulturellen Filmförderung ging es um die Unterstützung unabhängig produzierter Filme und die Gelder wurden zum Teil in Eigenverwaltung von Filmbüros vergeben. Bei der wirtschaftlichen Filmförderung steht die Unterstützung des Medienstandorts im Vordergrund, die durch die Förderung prestigeträchtiger und vom Budget teurer Produktionen erreicht werden soll. Es hat zwar eine Professionalisierung der Branche stattgefunden. Die jährlichen Budgets sind auf insgesamt über 300 Mio. € gestiegen, ohne dass sich dies jedoch – von ein paar Ausnahmen abgesehen – in Erfolgen für den deutschen Film, beim hiesigen Publikum oder auf internationalen Festivals niedergeschlagen hätte.

Kay Hoffmann
Musikclubs als Kulturorte – Zu den kulturpolitischen Rahmen- und Förderbedingungen von Clubkultur

Die Clubkultur und Musikclubs sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil der popkulturellen Landschaft. Jedoch findet ihre kulturelle und soziale Relevanz kaum Anerkennung in (kultur)politischen Diskursen. Zu den Gründen zählen der Mangel einer politisch anerkannten und trennscharfen Definition der Begrifflichkeiten, die Anerkennung der kulturellen Relevanz sowie der Status Quo der Förderlandschaft und -bedingungen. Nach der Beleuchtung dieser Aspekte soll abschließend ein Ausblick auf die Förderung von Clubkultur und Musikclubs im Sinne einer zukunftsgerichteten Kulturpolitik gegeben werden.

Anna Blaich
Kulturpolitische Rahmen- und Förderbedingungen für das Musikleben in Deutschland

Das Musikleben als wesentlicher Teil der großen Kulturellen Vielfalt in Deutschland basiert auf einer traditionsreichen und komplexen Förderlandschaft. Im folgenden Beitrag werden die kulturpolitischen Rahmen- und Förderbedingungen für die Musik in Deutschland skizziert: von der öffentlichen und privaten Musikförderung bis hin zum zivilgesellschaftlichen Engagement. Zugleich werden die kulturpolitischen Handlungsfelder und Herausforderungen vorgestellt, die im Zentrum aktueller Debatten über eine nachhaltige Kultur- und Musikförderung stehen.

Christian Höppner, David Maier
Soziokultur und soziokulturelle Praxisformen

Einst als Gegenentwurf zur restaurativen Kulturpolitik der 1968er-Jahre entstanden, hat das „Prinzip Soziokultur“ (Knoblich 2001, S. 7) bis heute Bestand. Und vielmehr: Soziokulturelle Grundprinzipien der partizipativen Gestaltung des Miteinanders mit künstlerisch-kulturellen Mitteln haben inzwischen in zahlreichen Kulturfeldern Einzug gehalten. Soziokulturelle Akteurskonstellationen bringen Menschen in von Vielfalt geprägten Stadtzentren zusammen, erproben neue Konzepte der Landlebensgestaltung und stellen sich mit innovativen Ideen und großem Engagement mit ihren Projektaktivitäten dem, was die Menschen vor Ort bewegt. Trotz aller Erfolge und zukunftsweisenden Modelle ist die finanzielle Situation der meisten Akteur*innen der Soziokultur jedoch nach wie vor als prekär zu beschreiben. Ein Großteil der Einrichtungen und Initiativen finanziert seine gesellschaftsgestaltende Kulturarbeit nach wie vor mit einem mehr als abenteuerlichen Mix risikobehafteter Finanzierung. Nach wie vor fehlt es an kulturpolitischen Konzepten, dem Abbau bürokratischer Hürden und der Allianzen zur gemeinsamen Zielerreichung zwischen Kulturmacher*innen, Politik und Verwaltung.

Beate Kegler
Kulturpolitische AspektevonKunstin öffentlichen Räumen
Fragmentarisierte Forschungund postdisziplinäre Praxis

Kulturpolitikforschung zu Kunst in öffentlichen Räumen findet bis heute nur selten statt. Umso wesentlicher erscheinen angrenzende Forschungszusammenhänge und korrespondierende Themen wie Demokratie, Teilhabe oder Stadtentwicklung. Ein systematischer Überblick zur Skizzierung des Feldes wird durch viele rasch wechselnde Parameter erschwert. Allgemeingültigkeit und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen scheitern häufig an sehr unterschiedlichen, oft historisch gewachsenen, Bedingungen vor Ort. Aus Defiziten und Erfolgen bestehender Programme und Projekte lassen sich jedoch begünstigende kulturpolitische Rahmenbedingungen für Kunst in öffentlichen Räumen ableiten.

Thomas Kaestle
Tanz als eigenständige Kunstform

Mit Anfang des 20. Jahrhunderts emanzipierte sich das Ballett aus dem Kontext der Oper. Zugleich entsteht der freie Tanz außerhalb der Theaterhäuser. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert entwickeln sich die Selbstorganisation der Tanzschaffenden und damit auch Bestrebungen, die Sichtbarkeit als eigenständige Kunstform zu stärken. Heute zeigt sich der künstlerische Tanz in großer ästhetischer Vielfalt, getragen von den festen Ballett- und Tanztheaterensembles, freien Ensembles und Kollektiven und 15.000 Tanzschaffenden. Durch die Verbände und Institutionen der Tanzszene entwickelt sich seit den 1990er-Jahren ein kontinuierlicher, kulturpolitischer Dialog, der zum Aufbau weiterer tanzspezifischer Institutionen und Förderstrukturen beigetragen hat und heute im Zusammenwirken der Tanzakteur*innen mit der Kulturpolitik in Kommunen, Ländern und beim Bund vorangebracht wird.

Michael Freundt
Künstler*innenmobilität und Residenzen

Residenzprogramme sind heute fester Bestandteil kulturpolitischer Maßnahmen, die die Mobilität von Künstler*innen weltweit fördern. Ihre Vielzahl und Heterogenität bedürfen immerwährend einer kritischen Analyse. In Zeiten globaler Herausforderungen wie Kriege, Klimawandel, Migration, Digitalisierung, Ungleichheit und Pandemien unterliegen Residenzprogramme einem ständigen Prozess der Transformation, um den neuen individuellen und gesamtgesellschaftlichen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht zu werden.

Annika Hampel
Games und die Kulturpolitik des Bundes

Computer- und Videospiele wurden von der Kulturpolitik in Deutschland über viele Jahre kaum beachtet. Erst mit der sogenannten „Killerspiel“-Debatte Ende der 1990er-Jahre bekam das noch im Vergleich junge Medium mehr Aufmerksamkeit. Allerdings standen hierbei vor allem mögliche Gefahren im Mittelpunkt. Dies änderte sich erst später, was unter anderem an der Gründung des Deutschen Computerspielpreises und der Stiftung Digitale Spielekultur deutlich wird. Zuletzt hat sich der Blick auf Games in der bundesdeutschen Politik stark ins Positive verändert, was vor allem auch die Einführung einer bundesweiten Games-Förderung in Millionenhöhe zeigt.

Felix Falk
Öffentliche Bibliotheken als transformative Orte in der Krise

Der Beitrag geht auf die Rolle von Öffentlichen Bibliotheken in der Krisenbewältigung ein. Ausgehend von einer Definition des Krisenbegriffs wird die Perspektive von Bibliotheken als zentrale Orte der gesellschaftlichen Transformation und der kulturellen Teilhabe beschrieben. Dabei werden schlaglichtartig mehrere Projekte und Vermittlungsformate vorgestellt, die die herausragende Funktion von Öffentlichen Bibliotheken in Zeiten der Krise deutlich machen.

Daniel Deppe

Kulturpolitik als Querschnittsagentin

Frontmatter
Zum Verhältnis von Kulturmanagement und Kulturpolitik

In dem Artikel wird das Verhältnis von Kulturmanagement und Kulturpolitik betrachtet. Dabei wird die These vertreten, dass Kulturmanagement um so mehr kulturpolitischen Einfluss ausüben kann, je weniger staatliche Kulturpolitik überprüfbare Ziele in der Kulturförderung vorgibt. Auffällig im internationalen Vergleich ist die hohe institutionelle Förderung in Deutschland bei gleichzeitig geringer Interventionstiefe der Kulturpolitik in die Arbeit der geförderten Kulturorganisationen, etwa in Hinblick auf Teilhabegerechtigkeit der Bevölkerung. Kulturmanagement hat deshalb eine hohe Verantwortung, diese Handlungsspielräume auch in Hinblick auf gesellschaftliche Herausforderungen und Ziele auszufüllen.

Birgit Mandel
Cultural Leadership als Schlüsselbegriff transformativer Kulturpolitik

Der Begriff des Cultural Leaderships prägt seit einigen Jahren auch den deutschen Diskurs über Führungskonzepte im Kultursektor. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Begriffsgeschichte, ordnet ein, inwiefern Cultural Leadership sich als Konzept von anderen Führungsverständnissen unterscheidet, und diskutiert abschließend einige zentrale Themen des aktuellen Diskurses zum Begriff sowie seine Implikationen für eine transformative Kulturpolitik.

Marlene Troidl, Martin Zierold
Kulturentwicklungsplanung als Starthilfe transformativer Kulturpolitik. Ein Rück- und Ausblick

Dieser Artikel befasst sich mit dem Instrumentarium der Kulturentwicklungsplanung (KEP), dem umfänglichsten und weitreichendsten kulturpolitischen Planungs- und Beteiligungsinstrument. Neben einem kurzen historischen Rückblick werden entsprechende Methoden, Themen und Herausforderungen fokussiert und der Versuch einer Einordnung unternommen, inwieweit es gelingt, kulturelle Entwicklungen sehr viel breiter zu diskutieren und zu verankern, als dies vielerorts bislang der Fall ist. Abschließend werden Anforderungen an eine zeitgemäße Kulturplanung formuliert.

Patrick S. Föhl
Kulturpolitik als Arbeitspolitik

Ziel dieses Beitrags ist es, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen sowie die damit verbundenen Probleme der sozialen Sicherung von Künstler*innen und Kulturschaffenden in den Kontext allgemeiner Entwicklungen der Arbeitswelt zu stellen und auf Basis der Literatur zu Künstler*innenarbeitsmärkten und der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Arbeit in den sogenannten Cultural Industries zu charakterisieren. Besonderes Augenmerk wird auf aktuelle Entwicklungen und Debatten gelegt, die am Beispiel der Darstellenden Künste und im Hinblick auf kulturpolitische Implikationen diskutiert werden.

Axel Haunschild
Kulturelle Bildung
Eine Kernaufgabe von Kulturpolitik

Im folgenden Beitrag wird aufgezeigt, was es heißen könnte, Kulturelle Bildung als Kernaufgabe von Kulturpolitik zu bestimmen. Die These ist, dass ein Ausbau von kulturellen Bildungsstrukturen wesentlich dazu beiträgt, eine Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik in Deutschland zu etablieren. (Siehe hierzu in diesem Sammelband Norbert Sievers, „Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik. Zur Geschichte und aktuellen Bedeutung einer Programmformel“). Der Artikel skizziert ausgehend von den Aufgaben einer Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik sowie der Bestimmung der Potenziale einer modernen Kulturellen Bildung Herausforderungen für eine Kulturpolitik der Zukunft in Deutschland.

Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss
Kulturvermittlung im institutionellen Kulturbetrieb

Ausgehend von der Annahme, die Kulturbetriebe müsse sich verändern, um weiterhin zu bestehen, beschäftigt sich der Artikel mit der Rolle der Kulturvermittlung in Bezug auf die Relevanz öffentlich geförderter Kulturinstitutionen.Trotz guter Verankerung in Theorie und Praxis und hoher Methodenkompetenz im Umgang mit Vertrauensauf- und Barrierenabbau, trotz vielseitiger Formate zur Erzielung unterschiedlicher Wirkungsabsichten von Institutionen bleiben Kulturvermittler*innen im Betrieb oft hierarchisch nachgereicht. Anhand von exemplarischen Ansätzen werden Vermittler*innen als prädestinierte Change-Manager*innen im Kulturbetrieb beschrieben und gleichzeitig mögliche Gründe für die vielerorts anhaltende mangelnde Handlungsmacht derselben in Bezug auf Budget, Programm und Personalentscheidungen erörtert.

Susanne Wolfram
Kulturelle Teilhabe
Zentrale kulturpolitische Handlungsmaxime

Kulturelle Teilhabe ist ein völkerrechtlich verbrieftes Menschenrecht. Insbesondere seit den 1970er-Jahren hat sie sich v. a. im Kontext von „Kultur für alle“, „Bürgerrecht Kultur“, „kulturelle Grundversorgung“ und „Kulturelle Bildung“ zur kulturpolitischen Handlungsmaxime entwickelt. Im Rahmen von Kulturnutzer*innen-Studien erhobene Daten geben Aufschluss über die Teilhabe der Bevölkerung und einzelner Gruppen am kulturellen Leben. Die beschleunigte Transformation des kulturellen Nutzungsverhaltens stellt die Kulturpolitik vor neue Herausforderungen, kulturelle Teilhabe im 21. Jahrhundert zu ermöglichen.

Aron Weigl
Kulturpolitik und Kreativwirtschaft
Wahlverwandtschaften und Spannungsfelder

Der Beitrag beleuchtet das Verhältnis von Kulturpolitik und Kultur- und Kreativwirtschaft. Ausgangspunkt ist die empirische Beobachtung, dass sich deren Beziehung im Laufe der Jahrzehnte mehrfach verändert hat. Ziel ist es die begrifflichen Konjunkturen der Kreativwirtschaft in ihrer Relation zur Kulturpolitik zu charakterisieren und ihre Diskursformationen herauszuarbeiten. Hierfür wird auf ein kultursoziologisches Verständnis von Kulturpolitik sowie auf eine soziologisch orientierte Diskursanalyse zurückgegriffen. Dargelegt werden Auseinandersetzungen um legitime Sichtweisen auf die Aufgaben der Kulturpolitik im Wandel der Zeit.

Alexandra Manske
Alter spielt (k)eine Rolle! Kulturpolitik für ältere Menschen

In der Kulturpolitik wurde in den letzten Jahren erkannt, dass es notwendig ist, sich mit einem weiten Verständnis von Diversität auf den unterschiedlichen Ebenen des kulturellen Lebens auseinanderzusetzen. Obwohl die Anforderungen einer generationengerechten Kulturpolitik angesichts des demografischen Wandels und einer alternden Bevölkerung spätestens seit der Jahrtausendwende eindringlich diskutiert wurden (Stiftung Niedersachsen, Hrsg. 2006. „älter – bunter – weniger“. Die demografische Herausforderung an die Kultur. Bielefeld: transcript; Hippe, Wolfgang, und Norbert Sievers. 2006. Kultur und Alter. Kulturangebote im demografischen Wandel. Essen: Klartext), spielt das Alter unter den Diversitätsdimensionen, die momentan im Fokus kulturpolitischen Handelns stehen, immer noch eine eher marginale Rolle. Nach einem kurzen Überblick zu den gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen des kulturpolitischen Engagements für ältere Menschen richten wir den Blick auf die kulturelle Teilnahme, Teilhabe und Teilgabe älterer Menschen. Wir zeigen, mit welchen praktischen Maßnahmen diese kulturpolitisch gefördert werden können, aber auch wie Altersdiskriminierung in der Kulturförderung entgegengesteuert werden kann und schließen mit einem Ausblick auf innovative kulturpolitische Maßnahmen im Feld.

Almuth Fricke, Miriam Haller

Kulturpolitikforschung und Methoden

Frontmatter
Status Quo der Kulturpolitikforschung
Eine Disziplin zwischen den Welten und das Potenzial von inter- und transdisziplinären Designs

Da Kulturpolitik auf den unterschiedlichsten politischen, künstlerischen, pädagogischen, sozialen und kulturellen Ebenen agiert, erscheint die Etablierung der Kulturpolitik(-forschung) als eine Disziplin unmöglich. Vielmehr ist neben interdisziplinären Ansätzen ein transdisziplinäres Design vielversprechend, da innerhalb dessen unterschiedliche Methoden nicht nur nebeneinander, sondern miteinander in einem kulturpolitischen Fokus zusammengedacht werden und somit das komplexe Interagieren zwischen kulturell-künstlerisch-ästhetischen und politisch-pädagogisch-sozialen Wirkungsweisen betrachtet werden kann. Der Artikel entwickelt ausgehend von Mixed-Methods-Ansätzen und anderen transdisziplinären Studien wie den Gender und Postcolonial Studies Vorschläge für eine kulturpolitische Forschungsmethodik: Hierfür grundlegende Elemente sind einerseits die Definition einer begrifflich-diskursiven Klammer und andererseits eine konsequente methodische Beachtung des kulturpolitischen Spannungsfelds, in welchem die Wirkungsweisen von Kunst und Ästhetik eine bedeutende Rolle spielen, die innerhalb der Kulturpolitikforschung tendenziell marginalisiert werden.

Julius Heinicke, Johannes Crückeberg
Politikwissenschaftliche Zugänge zur Kulturpolitik

Das vorliegende Kapitel stellt die politikwissenschaftliche Perspektive auf den Bereich der Kulturpolitik dar. Dabei wird aufgezeigt, dass die politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema bisher eher marginal war und zahlreiche Desiderate bestehen. Hierbei werden vier Zugänge für politikwissenschaftliche Forschung in diesem Feld unterschieden: Politische Inhalte der Kulturpolitik, politische Prozesse der Kulturpolitik, politische Formen der Kulturpolitik und Kulturpolitik in der politischen Theorie.

Johannes Crückeberg, Anke Schad-Spindler
Eine geographische Perspektive auf Kulturpolitik

Das vorliegende Kapitel befasst sich mit Geografie und Kulturpolitik. Da dieses Thema in der geografischen Forschung bisher eher unsystematisch thematisiert wurde, geht es darum, inhaltliche Bezüge der Geografie und den Wert einer geografischen Perspektive auf Kulturpolitik aufzuzeigen. Dies umfasst die Auseinandersetzung mit dem Kulturpolitikbegriff, die räumlichen Ebenen, in denen Kulturpolitik wirkt, Herausforderungen und Potenziale von Kulturpolitik in diesem Zusammenhang sowie mögliche geografische Forschungsfelder im Hinblick auf Kulturpolitik.

Jonas Birke
Relationale Kulturpolitikforschung – von Art Worlds zu Netzwerkdomänen

Dieser Beitrag stellt einen nordamerikanischen Ansatz der Kultursoziologie vor, der sich schon vor vierzig Jahren mit dem Beziehungsgeflecht von Akteur*innen der Kulturproduktion befasste. Er leitet zur Relationalen Soziologie über, die vielversprechend erscheint, um diesen Ansatz weiterzuentwickeln und gleichzeitig eine theorie- und empiriegeleitete Kulturpolitikforschung zu stärken. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Beschäftigung mit Kommunikationsbeziehungen und ihrem Wert beziehungsweise ihrer Funktion für Kulturpolitik.

Robert Peper
Empirische Methoden in der Kulturpolitikforschung

Im noch überschaubaren Feld der deutschsprachigen Kulturpolitikforschung stehen überwiegend aktuelle kulturpolitische Phänomene im Forschungsinteresse. Vor diesem Hintergrund spielen empirische Forschungsmethoden eine wichtige Rolle, denn nur durch Beobachtung der Realität sind diese Phänomene erforschbar. In diesem Beitrag werden die methodischen Grundlagen der empirischen Kulturpolitikforschung dargestellt und das Spannungsfeld zwischen quantitativem und qualitativem Interesse ausgelotet. Abschließend wird diskutiert, wie praktische Verwertungsinteressen von Kulturpolitik und Verwaltungen auch methodische Entscheidungen beeinflussen.

Thomas Renz
Herausforderungen der quantitativen Kulturpublikumsforschung zur Messung von Kultureller Teilhabe
Anregungen für eine methodische Vereinheitlichung und inhaltliche Neuausrichtung

Möchten Kulturpolitik, -verwaltungen sowie Kultureinrichtungen Kulturelle Teilhabe-Strategien entwickeln, benötigen sie eine solide Datengrundlage zu Besucher*innen und Nichtbesucher*innen von Kulturangeboten. Bei den drei Hauptdatenquellen in der quantitativen Kulturpublikumsforschung handelt es sich um Besuchsstatistiken, Besucher*innenbefragungen und Bevölkerungsbefragungen für die Erforschung von (Nicht-)Besucher*innen. Für alle drei Datenquellen werden für ein adäquates Abbilden von Kultureller Teilhabe Anregungen für eine methodische Vereinheitlichung und auch inhaltliche Neuausrichtung gegeben.

Vera Allmanritter
Kulturstatistik in Deutschland
Status quo, Herausforderungen, Weiterentwicklung

Der Beitrag gibt einen in Einblick die Entwicklung der Kulturstatistik in den letzten Jahrzehnten der Bundesrepublik, stellt ihren aktuellen Status quo dar und beschreibt die Herausforderungen und Bedarfe zur Weiterentwicklung der Kulturstatistik in Deutschland.

Ulrike Blumenreich, Raimund Bartella
Vergleichende Kulturpolitikforschung

Dieses Kapitel befasst sich mit vergleichender Kulturpolitikforschung. Der Beitrag wirft zu Beginn einen kritischen Blick auf das Vergleichen als hegemoniale Praxis. Entsprechend der beiden großen Bezugsdisziplinen von Kulturpolitikforschung werden daraufhin u. a. mit Verweis auf die Systemtheorie kulturwissenschaftliche Ansätze diskutiert. Danach wird auf politikwissenschaftliche vergleichende Zugänge (Lijphart, Am Polit Sci Rev 65: 682–693, 1971) verwiesen. Anschließend werden systematisch Beispiele aus der vergleichenden Kulturpolitikforschung vorgestellt. Im Ausblick werden Entwicklungsperspektiven für vergleichende kulturpolitische Forschung im Raum zwischen kultur- und politikwissenschaftlichen Zugängen entworfen.

Anke Schad-Spindler

Akteur*innen und Handlungsräume

Frontmatter
Kommunale Kulturpolitik

Kommunale Kulturpolitik ist in der Policy-Forschung ein marginaler Untersuchungsbereich. Dabei ist sie im Kulturföderalismus Deutschlands die größte Ebene von aktiv gestalteter Kulturpolitik – Praxis und Forschung klaffen weit auseinander. Zudem besteht ein immenser Nachholbedarf im Bereich einer vergleichenden Kulturstatistik, mit der sowohl Kulturpolitiker- wie auch Wissenschaftler*innen verlässlich und umfassend arbeiten können. Zur Forschungslage sowie zu den -potenzialen und politikwissenschaftlichen Erkenntnissen über die kulturpolitische Praxis gibt dieser Beitrag einen Einblick.

Kilian Lembke
Kulturpolitik in ländlichen Räumen

Kulturpolitik auf kommunaler und staatlicher Ebene steht vor vielfältigen Aufgaben, wenn sie Kulturangebote und kulturelle Aktivitäten in ländlichen Räumen ermöglichen, erhalten und fördern möchte. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und strukturellen Diversität ländlicher Räume diskutiert der Beitrag produktive und hemmende Spannungsfelder in der Kulturpolitik sowie aktuelle kulturpolitische Strategien und Governance-Ansätze für die Förderung von Kultur in ländlichen Räumen.

Christine Wingert
Kulturpolitik als Stadt(entwicklungs)politik

Weltweit dienen Kunst und Kultur als Motor, um städtische Räume für die Entwicklung als Wohn- und Wirtschaftsstandort zu aktivieren, zu erneuern und aufzuwerten. Die Ambivalenzen und Widersprüche dieser entpolitisierten Kulturpolitik als Stadtentwicklungspolitik und deren sozioökonomischen und sozialräumlichen Konsequenzen werden dabei nicht adressiert. Sie führen aber immer öfter zu Auseinandersetzungen mit Künstler*innen um eine andere Stadt- und Kulturpolitik. Dieser Beitrag diskutiert die verschiedenen Phasen der Kulturalisierung von Stadtpolitik und Ökonomisierung von Kulturpolitik und argumentiert für die Notwendigkeit einer räumlich orientierten und differenzierten Kulturpolitik.

Janet Merkel
Kulturpolitik und Regionalentwicklung
Die Bedeutung von Kultur für Regionen und die Regionalentwicklung

Kultur erfüllt für die Regionalentwicklung unterschiedliche Funktionen: Innovation, Kreativität, Wirtschaft und Soziales. Grundlegend für die Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Kultur und Regionalentwicklung sind drei Verständnisse: das instrumentelle, das integrierte und das differenzierte. Bisher werden die Themenspektren Kultur und Regionalentwicklung in der Literatur getrennt betrachtet. Daraus resultiert ein interdisziplinärer Forschungsbedarf.

Maria Rammelmeier
Kulturpolitik der Länder

Im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland ist Kulturpolitik Aufgabe der Länder (Art. 30 GG) bzw. der Gemeinden (Art. 28 GG). Vor dem Hintergrund jahrhundertealter Traditionen und entsprechender juristischer normativer Regelungen realisiert sie sich von Bundesland zu Bundesland durch ganz unterschiedliche Konzepte und Praktiken.

Armin Klein
Die Kulturpolitik des Bundes: Strukturen & Aufgaben

Die Bundesrepublik ist ein föderal organisierter Staat, was die Dezentralisierung der wichtigsten kulturpolitischen Aufgaben und somit eine weitgehende Eigenständigkeit der nachgeordneten Verwaltungsebenen (u. a. Bundesländer und Kommunen) in der Kunst und Kultur bewirkt. Die deutsche Kulturpolitik besteht somit aus drei aufeinander aufbauenden und miteinander in Wechselwirkung stehenden Ebenen: der kommunalen, der Landes- und der Bundesebene, die durch das Prinzip des kooperativen Föderalismus miteinander verbunden sind. Die wichtigsten Institutionen auf Bundesebene sind die Beauftragte für Kultur und Medien (BKM) im Bundeskanzleramt und das Auswärtige Amt (AA) sowie die zuständigen Ausschüsse im Deutschen Bundestag. Eine bedeutende Rolle spielen auch die nachgeordneten Kulturorganisationen und Stiftungen auf der nationalen, sowie das Goethe-Institut und das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) auf der internationalen Seite. Die Strukturen sind auf die Förderung öffentlicher Bereiche der Kultur ausgerichtet, eine Unterstützung der freien Künstler*innen und Gruppen fand verstärkt über das Programm Neustart Kultur in den Jahren 2020 und 2021 statt.

Thomas Schmidt, Vanessa Hartmann
Europäische Kulturpolitik

Nachdem Kultur in der EG lange Zeit keine Rolle gespielt hat, arbeiten die Mitgliedstaaten der EU heute zunehmend im Kulturbereich zusammen. Die kulturpolitischen Ziele haben eine inhaltliche Ausweitung erfahren, was sich durch Förderchancen für den Kreativ- und Kultursektor in den verschiedensten EU-Programmen ausdrückt. Knackpunkte dabei sind die Inkongruenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Förderprogramme, gefährdete Prinzipien wie Staatsferne und Kunstfreiheit aufgrund der Vulnerabilität des Sektors, sowie die Dichotomie zwischen innen und außen.

Antonia Blau
Internationale Kulturpolitik der UNESCO

Der vorliegende Beitrag beleuchtet die internationale Kulturpolitik der UNESCO. Zuerst wird der Kulturbegriff der UNESCO definiert sowie dessen Entstehungskontext reflektiert. Anschließend wird das kulturelle Erbe als UNESCO-Thema in den Fokus gerückt. Es folgt eine kritische Würdigung der Kulturpolitik der UNESCO und ein Ausblick.

Roman Luckscheiter
Kulturpolitik zwischen den Gewalten – Zur Prüftätigkeit von Landesrechnungshöfen in öffentlich geförderten Kulturbetrieben

Die Rolle der Rechnungshöfe in der Kulturpolitik und die Auswirkungen ihrer Prüfungen auf die Kulturarbeit sind im deutschsprachigen Raum weitestgehend unerforscht. In der BRD übernehmen sowohl der Bundes- als auch die Landesrechnungshöfe die Funktion, das Finanzgebaren der öffentlichen Verwaltung und konkret ihre Haushalts- und Wirtschaftsführung zu kontrollieren. Ihre Prüftätigkeit beeinflusst die Politikgestaltung auch im öffentlichen Kultursektor. Der Aufsatz analysiert die veröffentlichten Prüfungen der bundesdeutschen Landesrechnungshöfe im öffentlichen Kultursektor im Zeitraum von 2011 bis 2021.

Julia Glesner
Politik der Verbände

Der Beitrag präsentiert einen Analysezugang zur Politik der Verbände im Kulturbereich im Spannungsfeld von Soziologie und Politikwissenschaften. Es werden drei konzeptuelle Zugänge identifiziert: (1) Kulturverbände und Zivilgesellschaft, (2) Kulturverbände und Arbeitspolitik, (3) Kulturverbände und Lobbypolitik. Argumentiert wird, dass die Verbändeforschung im liberalen Modus der Politikwissenschaft beheimatet ist und sich in jüngerer Zeit gewissermaßen ‚soziologisiert‘ hat. In politisch-praktischer Hinsicht wird herausgearbeitet, dass sich Kulturverbände zu Beginn der 2020er-Jahre zumeist als zivilgesellschaftliche Akteur*innen verstehen, die ihre Interessen im Kern mittels kulturpolitischer Lobbyarbeit vertreten.

Alexandra Manske
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) ist neben der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik die dritte Säule deutscher Außenpolitik. Sie gestaltet die internationalen Kulturbeziehungen Deutschlands im Ausland und fördert somit interkulturellen Austausch, den Dialog und Kooperationen mit Partnerländern. Ihre Implementierung erfolgt dezentral über das Auswärtige Amt, welches Maßnahmen in den Bereichen Kultur, Bildung, Forschung und Soziales initiiert, koordiniert und finanziert. Für die Umsetzung der AKBP sind sogenannte Mittlerorganisationen verantwortlich, die Zielvereinbarungen mit dem Auswärtigen Amt abschließen.

Meike Lettau, Anna Kaitinnis

Recht

Frontmatter
Kultur im Völkerrecht

Das Völkerrecht regelt zwischenstaatliche Sachverhalte und beteiligt dabei internationale Organisationen. An vielen Stellen im Völkerrecht geht es auch um Kultur. Der Beitrag erläutert zunächst die Besonderheiten des Völkerrechts als politiknahes Rechtsgebiet und stellt sodann die völkerrechtlichen Teilgebiete vor, die kulturpolitische Materien behandeln. Abschließend wird der Blick auf aktuelle Herausforderungen und Diskussionen im Völkerrecht hinsichtlich Kultur und kultureller Vielfalt gerichtet.

Anna Laura Askanazy, Jan Christopher Kalbhenn
Kultur im Recht der Europäischen Union

Das Recht der Europäischen Union beeinflusst heute einen Großteil mitgliedstaatlichen Lebens. Davon ist auch der Kultursektor nicht ausgenommen, womit die Rolle des Unionsrechts auch in kulturpolitischen Zusammenhängen in den Fokus rückt. Die insofern einschlägigen Themenfelder sind nicht selten komplex und umstritten. Dies zeigt sich bereits hinsichtlich der Frage, welche Befugnisse die EU im Bereich der Kulturregulierung hat, da hier ihre „beschränkte Kulturkompetenz“ auf die Kulturhoheit der Mitgliedstaaten trifft. Darüber hinaus offenbart es sich in Fragen der Kulturförderung, die sowohl im EU-Beihilfenrecht als auch im Recht der EU-Grundfreiheiten in einen Zielkonflikt zwischen dem Schutz der kulturellen Vielfalt in der EU und der Gewährleistung eines funktionierenden Binnenmarktes gerät.

Tobias Brings-Wiesen
Die Kunstfreiheit im Grundgesetz

Das Grundgesetz ist der verfassungsrechtliche Rahmen jeden staatlichen Handelns. In Art. 5 Abs. 3 GG ist die Freiheit der Kunst garantiert. Der Beitrag beleuchtet die abwehrrechtliche Dimension als Kern der Kunstfreiheit. Daneben enthält die Kunstfreiheit auch einen Gewährleistungsauftrag des Staates, für eine kulturelle Infrastruktur zu sorgen. Abschließend geht der Beitrag auf aktuelle Diskussionen zur Kunstfreiheit ein, etwa zur gerichtlichen Untersagung von Literaturzeitschriften.

Jan Christopher Kalbhenn, Anna Laura Askanazy
Rechtsprechung als Kulturpolitik

Der Beitrag geht der Frage nach, von welchen Faktoren es abhängt, dass es sich bei Rechtsprechung um Kulturpolitik handelt. Spannend wird diese Frage deshalb, weil aus rechtswissenschaftlicher Sicht eine strenge Trennung des politischen Bereichs und des Bereichs gezogen wird, der sich mit der Rechtsarbeit beschäftigt. Dabei wird die Frage, ob es sich bei der Rechtsprechung um Kulturpolitik handelt, vor allem davon abhängig sein, wie die Rolle der rechtlichen Entscheidungsfindung gesehen wird. Um die These besser verdeutlichen zu können, wird sie anhand einer Entscheidung erörtert. Der Beitrag kommt zu dem Schluss, dass es von der theoretischen Perspektive und der Einschätzung der Rolle der Rechtsdogmatik abhängig ist, ob Rechtsprechung Kulturpolitik ist, oder nicht.

Daniel Arjomand-Zoike
Das föderale Gefüge: Kommunalrecht, Landesrecht und Bundesrecht

Die Kulturpolitik in Deutschland orientiert sich an den Kriterien der Dezentralität und Staatsferne (Klein 2018, S. 1). Diese Grundsätze sind auch in den rechtlichen Vorgaben zur Kulturpolitik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene reflektiert. Das Verständnis des Kulturförderalismus definiert sich aber nicht ausschließlich über die formaljuristischen Kompetenzabgrenzungen zwischen Bund und Ländern oder auch zwischen öffentlichen und privaten Instanzen (Wiesand 2021, S. 425). Denn der Gesetzgeber beschränkt sich auf die Vorgabe einiger rechtlicher Rahmenbedingungen, statt detaillierter normativer Anforderungen. Der Beitrag stellt die Rechtsgrundlagen im föderalen Gefüge überblicksartig dar und konzentriert sich dabei auf ein Kulturverständnis der Bereitstellung künstlerischer Werk- und Wirkungsebenen, ohne Schul- und Hochschulrecht, Filmförderung und Rundfunk.

Hannah Ruschemeier
Kulturfördergesetze

In letzter Zeit werden in verschiedenen Bundesländern der Ruf nach einem Kulturfördergesetz laut, welches den gesamten Bereich der Kulturförderung einem einheitlichen Regelungsregime unterwerfen und insbesondere zu mehr Transparenz und Nachhaltigkeit staatlicher Kulturförderung beitragen soll. Der Beitrag gibt einen Überblick zu den (verfassungs-)rechtlichen Hintergründen der Kulturförderung sowie bestehenden Kulturfördergesetzen in Deutschland und Österreich.

Winfried Kluth, Pascal Walter Haß
Gesetzliche Kulturförderung im Buch- und Verlagswesen

Ein Buch ist sowohl Ware als auch Kulturgut. Diese Doppelnatur spiegelt sich in dem geltenden rechtlichen Rahmen wider. Eine dauerhafte, strukturelle Förderung für Bücher und Verlage gibt es in Deutschland bisher nicht, vielmehr wird das Buch- und Verlagswesen vor allem durch günstige gesetzliche Rahmenbedingungen unterstützt, die im Kontext des allgemeinen Wettbewerbsrechts privilegierende Ausnahmen zugunsten des Buches als Kulturgut schaffen. Der Beitrag stellt dies anhand des Buchpreisbindungsgesetzes dar und vergleicht dieses mit den für Presseprodukte geltenden Wettbewerbsregeln.

Luisa Braun
Gesetzliche Kulturförderung in der Filmwirtschaft

Das Filmförderungsgesetz (FFG) ist die einzige deutsche Filmförderung, die durch Bundesgesetz geregelt ist. Die Fördermittel werden durch die Filmbranche selbst finanziert, die in den Gremien der Filmförderungsanstalt im Wege der Selbstverwaltung organisiert ist. Dadurch nimmt das FFG in der Förderlandschaft eine besondere Rolle ein, aufgrund derer es die Leitlinie für die übrigen Filmförderungsinstrumente in Deutschland darstellt. Der Beitrag stellt den verfassungs- und europarechtlichen Rahmen des FFG sowie die Systematik dessen Förderung dar.

Markus Siebert
Der Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk vermag kulturelle Inhalte angesichts seiner Breitenwirkung und Suggestivkraft wie kaum ein anderes Medium zu verbreiten. Er leistet einen wesentlichen Beitrag für die Schaffung und Wahrnehmung von Kultur in der Gesellschaft. Der folgende Beitrag stellt den besonderen Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dar und bietet einen Überblick über die kulturellen Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Bereich des Fernsehens, des Hörfunks und der Onlineangebote.

Christian Schepers
Urheberrecht als Instrument kulturpolitischen Interessenausgleichs

Der kreative Schaffensprozess und die anschließende Verbreitung der entstandenen Werke ist ein komplexer Prozess mit einer Vielzahl an Beteiligten. Das moderne Urheberrecht bildet diesen Prozess ab und ordnet den Beteiligten Rechte und Pflichten zu. Es ist dabei alles andere als ein eindimensionales und auf den wirtschaftlichen Schutz dieses Prozesses bedachtes Rechtsgebiet. Das Urheberrecht bringt eine Vielzahl an Indiviualinteressen mit kulturpolitischen Allgemeininteressen in Ausgleich. Der Beitrag bietet einen Überblick zur Systematik des Urheberrechts und ordnet es als Instrument des kulturpolitischen Interessenausgleichs ein. Dies ist angesichts der Netz- und Plattformökonomie eine hochaktuelle Aufgabe des Urheberrechts, wie der Überblick zu aktuellen Herausforderungen zeigt.

Jan Christopher Kalbhenn
Kultur und Wettbewerb
Umgang mit öffentlichen Mitteln und Vergaberecht

Der Beitrag befasst sich mit der häufig erforderlichen Anwendung des Vergaberechts für Kulturinstitutionen und -akteur*innen sowie den damit verbundenen Auswirkungen. Ziel ist die Vermittlung des darüber geführten Diskurses. Schwerpunkt des Beitrags sind die für Kulturbetriebe regelmäßig problematischen Aspekte. Das sind zum einen die relevanten Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, zum anderen die Darstellung der kulturpolitischen und -wissenschaftlichen Positionen zur Frage der Notwendigkeit der Schaffung eines Vergabewettbewerbs bei künstlerischen Leistungen. Weiterer Betrachtungsgegenstand ist die Komplexität von Vergabeverfahren und die Auswirkungen auf die meist beschaffungsintensive und von künstlerischen Entscheidungen geprägte kulturelle Praxis.

Swantje Stephan Rechtsanwältin
Die Künstlersozialkasse als Instrument der Kunst- und Kulturförderung

Der folgende Beitrag widmet sich der Künstlersozialversicherung mit ihrer kulturpolitischen Bedeutung aus einem juristischen Blickwinkel und ordnet sie in die Systematik des Sozialversicherungsrechts ein. Es werden exemplarisch die wesentlichen Aufgaben der Künstlersozialkasse in ihren Grundzügen aufgearbeitet und rechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Künstlersozialversicherung aufgezeigt.

Anna-Katharina Klus
Stiftungsrecht

Im Bereich der Kulturfinanzierung spielen Stiftungen eine signifikante und tendenziell wachsende Rolle in der Bundesrepublik. Der Beitrag stellt das Stiftungsrecht vor und ordnet die Rolle von Stiftungen im Kulturbereich anhand von empirischen Befunden ein. Vertiefend behandelt werden die Grundprinzipien des Stiftungsrechts. Dies sind Stiftungszweck, Stiftungsvermögen, Stiftungsorganisation und Stiftungsaufsicht.

Stefan Stolte
Rechtsformen von Kulturinstitutionen

Bei der Wahl der passenden Rechtsform für die Gründung und den Betrieb von Kulturinstitutionen stellt die deutsche Rechtsordnung ein breites Spektrum vor allem privatrechtlicher Organisationsrechtsformen zur Verfügung, die sich hinsichtlich des Gründungsaufwands, des Mindestkapitals und der Governance unterscheiden. Der Beitrag bietet dazu einen Überblick und formuliert Auswahlkriterien.

Winfried Kluth
Antidiskriminierungsrecht und Kulturpolitik

Die Schlagwörter Diversität, Diskriminierung, und Machtmissbrauch spielen in kulturpolitischen Entscheidungen über die Besetzung neuer Intendant*innenposten genauso wie in Kampagnen von Künstler*innen für bessere Arbeitsbedingungen eine immer wichtigere Rolle. Der Beitrag untersucht am Beispiel von Theaterinstitutionen, welches Potential das zivilrechtliche Antidiskriminierungsrecht für die Verhinderung von Diskriminierung und Machtmissbrauch hat. Er kommt zu dem Schluss, dass die bestehenden rechtlichen Instrumente einerseits sowohl bei den Betroffenen als auch den Kulturinstitutionen noch nicht bekannt genug sind und andererseits Lücken im Diskriminierungsschutz bestehen.

Sonja Laaser, Nora Auerbach
Denkmalschutz und Denkmalpflege

Denkmalschutz und Denkmalpflege beschreiben alle Tätigkeiten, die auf die Erhaltung des materiellen Kulturerbes gerichtet sind. Dieser zentralen kulturstaatlichen Aufgabe tragen die 16 Denkmalschutzgesetze der Länder Rechnung. Der nachfolgende Beitrag skizziert die Entwicklung des deutschen Denkmalrechts und stellt die wichtigsten Begriffe und Verfahren anhand der aktuellen Rechtsprechung vor.

Dimitrij Davydov
Kunstfreiheit und Propaganda aus Sicht des Völkerrechts

Der Beitrag befasst sich mit dem völkerrechtlichen Verbot der Propaganda und Anstiftung zu Gewalt in Bezug auf Meinungsäußerungen in Kunstform. Nach dem Umriss der aktuellen Rechtslage untersucht der Beitrag an einem Fallbeispiel, ob das Völkerrecht einen wirksamen Präventions- und Sanktionsmechanismus gegen Russlands Kriegspropaganda bietet. Der Beitrag kommt zum Schluss, dass eine Verbesserung des Rechtsrahmens sowie neue Ansätze für die Rechtsprechung notwendig sind, um die Produktion und Verbreitung der raffinierten Propaganda in Kunstform zu verhindern, und macht diesbezüglich rechtspolitische Vorschläge.

Olga Batura, Dariia Opryshko
Metadaten
Titel
Handbuch Kulturpolitik
herausgegeben von
Johannes Crückeberg
Julius Heinicke
Jan Christopher Kalbhenn
Katrin Lohbeck
Henning Mohr
Friederike Landau-Donnelly
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-34379-8
Print ISBN
978-3-658-34378-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-34379-8