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2018 | Buch

Handbuch Lokale Integrationspolitik

herausgegeben von: Dr. Frank Gesemann, Prof. Dr. Roland Roth

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Dieser Band bietet eine umfassende und problemorientierte Bestandsaufnahme der kommunalen Integrationspolitik in Deutschland sowie ihrer aktuellen Stärken und Problemzonen. Ihre Politikfelder, Themen und Akteure werden im Detail vorgestellt. Ein Blick auf internationale Erfahrungen erweitert den Möglichkeitshorizont. Die Beiträge dieser Veröffentlichung haben einen doppelten Anspruch. Sie informieren einerseits zuverlässig über den Stand der wissenschaftlichen Debatte und halten andererseits Reflexions- und Praxiswissen für die verschiedenen Akteure des Integrationsgeschehens bereit.Für die ökonomische, soziale und kulturelle Integration von Migrantinnen und Migranten sind Städte und Gemeinden als Orte des alltäglichen Zusammenlebens von zentraler Bedeutung. Die Erkenntnis, dass die Bundesrepublik zu einer Einwanderungsgesellschaft geworden ist, die von gelingender Zuwanderung profitieren kann, hat auf der kommunalen Ebene früh eingesetzt. Was oft als pragmatisches Improvisieren begann, wurde inzwischen an vielen Orten zu integrationspolitischen Gesamtkonzepten weiterentwickelt, in die alle kommunalen Handlungsfelder einbezogen sind.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Handbuch Lokale Integrationspolitik in der Einwanderungsgesellschaft
Einleitung

Mit der Zuwanderung von mehr als einer Million geflüchteter Menschen seit dem Herbst 2015 steht die kommunale Integrationspolitik im Zentrum des politischen Interesses Bürgerschaft, Kommunal-, Landes- und Bundespolitik sehen in der Integration der Geflüchteten die zentrale gesellschaftspolitische Herausforderung der nächsten Jahre In den Kontroversen um das zum geflügelten Wort gewordene Motto der Kanzlerin „Wir schaffen das“ kommt eine erhebliche Unsicherheit zum Ausdruck, die auch noch die kommenden Jahre prägen dürfte.

Frank Gesemann, Roland Roth

Kommunen zwischen Globalisierung und Lokalisierung

Frontmatter
Migration und Migrationspolitik in Europa

Der Beitrag zeichnet die vielschichtige Entwicklung internationaler Migrationen in, aus und nach Europa von den 1940er Jahren bis heute sowie die mit ihnen verknüpften demografischen und politischen Veränderungen nach Besonderes Augenmerk wird auf die räumlichen Muster von Migration und Migrationspolitik gelegt, die als Produkte und Medium sich wandelnder Migrationsregime verstanden werden.

Paul Gans, Andreas Pott
Deutsche Migrationsverhältnisse im europäischen Kontext seit dem Zweiten Weltkrieg

Die folgenden Ausführungen streben danach, Grundlinien der (bundes)deutschen Migrationsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg zu skizzieren und sie einzubetten in die Genese der europäischen Migrationsverhältnisse. Der Beitrag konzentriert sich auf die Bedingungen, Formen und Folgen der Etablierung eines europäischen Arbeitsmigrationsregimes seit den späten 1940er Jahren, geht aber auch auf neue Migrationsmuster nach dem Ende des „Kalten Krieges“ ein. Ziel ist es, durch die Auseinandersetzung mit langen, Jahrzehnte überblickenden Linien des historischen Wandels einen Beitrag zu leisten, die migratorischen Prozesse und Strukturen der Gegenwart in Deutschland und Europa verstehen und erklären zu können.

Jochen Oltmer
Politische Steuerung in der Stadt

Die kommunale Selbstverwaltung beinhaltet eine Vielzahl von Rechten und Pflichten für die Städte und Landkreise. Die politische Steuerung in den Kommunen ist Folge des Rechts der eigenverantwortlichen Gestaltung kommunaler Angelegenheiten, der staatlich gewährten Planungs- und der daraus folgenden Finanzierungsverantwortung. Politische Steuerung ließ sich lange Zeit als kommunale Umsetzung (Implementierung) und Finanzierung wie als Optimierung staatlicher Vorgaben beschreiben. Seit einiger Zeit ist ein Wandel zu beobachten, der zu einer Renaissance politischer Steuerung in der Stadt beiträgt. Dieser Wandel lässt sich ursächlich mit den Umbauarbeiten am Sozialstaat in Verbindung bringen, da ein wichtiges Prinzip der sozialstaatlichen Neujustierung die Dezentralisierungspolitik darstellt, die von den Kommunen verstärkte Anstrengungen im Bereich der Inklusion benachteiligter Bevölkerungsgruppen mit sich bringt. Die Dezentralisierungspolitik hat eine Diskussion über eine neue Verantwortungsteilung zwischen Politik und Bürger/innen ausgelöst. Die neuen kommunalen Leitbilder (wie bspw. Bürgerkommune, Zivilgesellschaft, bürgerschaft liches Engagements, Inklusion, Verwaltungsmodernisierung, Strategische Steuerung) sehen den Bürger nicht nur als Kunden kommunaler Leistungen oder als politischen Auft raggeber (im Rahmen von Wahlen und andern Partizipationsgremien), sondern neuerdings vor allem auch als Mitgestalter, als Durchführungsakteuer kommunaler (Sozial)Politik. Diese Entwicklung führt zu einer (nicht unproblematischen) Aufwertung und Neuausrichtung des freiwilligen, ehrenamtlichen Engagements der Bürger und Bürgerinnen sowie ihrer zivilgesellschaftlichen Vereinigungen.

Heinz-Jürgen Dahme, Norbert Wohlfahrt

Migration und Integration als Herausforderung für Staat und Gesellschaft

Frontmatter
Die Rolle der Kommunen in der bundesdeutschen Migrations- und Integrationspolitik

Der Beitrag diskutiert die strukturelle Stellung der Kommunen im Migrations- und Integrationsprozess vor dem Hintergrund ihrer Position im föderalen System in Deutschland. Mit den Reformen des Wohlfahrtsstaates und dem Wandel der bundesdeutschen Migrations- und Integrationspolitik ist den Kommunen eine veränderte Rolle für die Gestaltung einer aktiven und zielgerichteten Integrationspolitik zugefallen, die sie als Moderatoren der sozialen Integration von Migranten zur Steigerung lokaler Integrationspotenziale ausgestalten können. Der für die Erstauflage des Handbuchs im Jahr 2009 verfasste Beitrag ist nach wie vor aktuell und konzeptionell anregend. Wir haben ihn für die Neuausgabe dieses Handbuchs nur durch einige Anmerkungen und Literaturhinweise ergänzt [Die Herausgeber].

Michael Bommes
Zuwanderung und Integration in den neuen Bundesländern

War die Bundesrepublik von der ersten Stunde an ein Zuwanderungsgebiet, so war die DDR von Anfang an von Abwanderung geprägt. Zuwanderung unterlag so von Anfang an anderen Bedingungen, und diese Unterschiedlichkeit setzte sich auch nach der Wende fort. Der Beitrag zeichnet die Geschichte der Zuwanderung in die DDR und nach der Wende in die neuen Bundesländer nach und stellt die unterschiedliche Form dieser Zuwanderung als auch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen vor. Dabei hat diese spezifische Geschichte und Form der Zuwanderung auch besondere Integrationshürden, aber auch Integrationschancen hervorgebracht.

Karin Weiss
Auswirkungen von Zuwanderung auf die ökonomische Entwicklung von Kommunen

Die Zunahme der Migration nach Deutschland stellt erhebliche Anforderungen gerade an die Metropolregionen und ihre Städte Damit sich auch diese Zuwanderung, wie ähnliche in der Vergangenheit, für die Kommunen und alle ihre Bürger wirtschaftlich positiv auswirkt, sind nachhaltige Integrationsanstrengungen der Migranten selbst sowie der örtlichen Aufnahmegesellschaft erforderlich Durch diese Investitionen werden nicht nur die städtische Wirtschafts- und Finanzkraft sowie der örtliche Arbeitsmarkt gestärkt, sondern auch hohe ökonomische und gesellschaftliche Kosten der Nicht-Integration vermieden.

Hans Dietrich von Loeffelholz
Die kommunale Integration von Flüchtlingen

Der Artikel beschreibt die rechtlichen Rahmenbedingungen der Integration von Asylbewerbern und geduldeten Flüchtlingen sowie die Rolle der Kommunen im föderalen System der Flüchtlingsaufnahme. Untersucht werden zudem die verschiedenen Handlungsfelder einer kommunalen Flüchtlingspolitik. Am meisten herausgefordert sind Kommunen derzeit durch die Aufgabe der Wohnunterbringung. Die Gestaltungsmöglichkeiten variieren hier je nach Größe der Kommune und dem Zustand der kommunalen Wohnungsbaupolitik. Wichtige Handlungsfelder sind zudem die Integration von Geflüchteten durch Sprache und Bildung, die Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements sowie die Unterstützung beim Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung. Noch am Anfang stehen die Bemühungen, die Flüchtlingsaufnahme zu einem kohärenten und strukturierten kommunalen Politikfeld auszubauen, in das neben den klassischen Akteuren der Ausländerbehörde und des Sozialreferats auch weitere Ressorts und kommunalpolitische Akteure einbezogen werden.

Jutta Aumüller

Konzepte und Handlungsstrategien

Frontmatter
Leitbilder in der politischen Debatte: Integration, Multikulturalismus und Diversity

Die Integration von Zugewanderten wird im politischen Diskurs inzwischen als unabweisbares Erfordernis der Gesellschaftspolitik anerkannt. Der Integrationsbegriffbenennt jedoch keine präzise Zielsetzung, sondern verweist auf heterogene Sichtweisen der Herausforderung, die mit Zuwanderung einhergehen sowie uneinheitliche Vorstellungen darüber, wie Zusammenleben und Zusammenhalt in der Einwanderungsgesellschaft gestaltet werden können und sollen. Im vorliegenden Beitrag wird eine Klärung der unterschiedlichen Dimensionen vorgenommen, die der Integrationsbegriff umfasst. Zudem werden komplementäre und konkurrierende Konzepte in der Integrationsdebatte, ihre Voraussetzungen und Implikationen diskutiert.

Albert Scherr, Çiğdem Inan
Vielfalt als kommunale Gestaltungsaufgabe
Interkulturelle Öffnung und Diversity Management als strategische Antworten

Langfristige gesellschaftliche Veränderungsprozesse und aktuelle Globalisierungsfolgen führen zu weltweiten Wanderungsprozessen. Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge erweitern die bunte Vielfalt deutscher Kommunen um eine weitere Komponente. Deutschland hat sich Jahrzehnte lang schwer getan mit der Anerkennung, ein Einwanderungsland zu sein und damit Einwanderung gezielt zu gestalten. Aus der Kritik an der deshalb unzureichenden und ungleichen Behandlung der Eingewanderten in den kommunalen Versorgungssystemen hat sich der Ansatz der interkulturellen Orientierung und Öffnung entwickelt. Parallel haben die Kommunen beziehungs weise ihre sozialen, pädagogischen oder gesundheitsbezogenen Dienste auch für andere Zielgruppen wie Frauen oder Behinderte Gleichstellungsstrategien übernommen. In einem breiten Verständnis von Vielfalt wird mit dem Diversity-Konzept und dessen strategischer Umsetzung im Diversity Management die Verengung der bisherigen Arbeitsansätze auf einzelne Zielgruppen kritisiert. Im Folgenden werden die Ansätze Interkulturelle Öff nung und Diversity Management in ihrer Entstehungsgeschichte vorgestellt und miteinander verglichen. Es wird vorgeschlagen, beide Strategien zu verbinden: Einerseits kann so der ganzheitliche Ansatz des Diversity Managements mit seinen Erfahrungen und Instrumenten fruchtbar gemacht werden, andererseits darf auch der gesellschaftspolitische Gehalt der Querschnittspolitiken wie Interkulturelle Öffnung, Gender Mainstreaming oder Inklusion nicht verloren gehen. In der Zusammenschau der unterschiedlichen Strategien und erweitert um den Analyseansatzes der Intersektionalität werden die gegenseitigen Abhängigkeiten und Überschneidungen der Vielfaltsdimensionen deutlich. Es sollen abschließend Konturen einer kommunalen Diversitätspolitik skizziert und Vorschläge für deren Umsetzung gemacht werden.

Hubertus Schröer
Soziale Arbeit in der Einwanderungsgesellschaft – ihr (möglicher) Beitrag zu Integration und Partizipation

Der Beitrag skizziert den überproportionalen Bedarf von Zuwandererfamilien an der Versorgung mit sozialen Dienstleistungen. Neben einer Auswertung der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden in einem qualitativ typisierenden Verfahren kommunikationsbedingte wie strukturelle Zugangsbarrieren erörtert. Die Absenkung dieser Barrieren hat sich das Organisations- und Personalentwicklungsprogramm der „Interkulturellen Öffnung“ und „interkulturellen Kompetenzvermittlung“ zur Aufgabe gemacht. Der Artikel rekonstruiert Konzept und (Vor) Geschichte dieses Reformvorhabens und analysiert den Stand der Umsetzung exemplarisch an den Wohlfahrtsverbänden.

Stefan Gaitanides
Transnationale Soziale Arbeit vor Ort

In den letzten 25 Jahren hat innerhalb der Migrationsforschung das Konzept der Transnationalisierung immer mehr an Bedeutung gewonnen. Gemeint sind Lebensentwürfe, die sich über zwei oder mehr Nationalstaaten erstrecken. Das können z. B. Manager sein, die um den Globus fliegen, aber auch Migranten die aus wirtschaftlicher Not und wegen kriegerischer Auseinandersetzungen ihr Land zumindest temporär verlassen. Insbesondere die Gruppe der eher armutsgefährdeten Zuwanderer bildet das, in transnationale Bezüge eingebettete Klientel der Sozialen Arbeit. Doch Soziale Arbeit findet vor Ort statt. Zumindest lässt sich so ein Grundverständnis raumbezogener Ansätze in der Sozialen Arbeit zusammenfassen. Wie Soziale Arbeit durch ein immer größer werdendes transnationales Klientel herausgefordert ist und welche Ansatzpunkte des Umgangs mit Transnationalisierung sich für Soziale Arbeit ergeben, ist Gegenstand des Beitrags.

David H. Gehne, Sebastian Kurtenbach

Migration und Integration in Kommunen

Frontmatter
Entwicklung, Konzepte und Strategien der kommunalen Integrationspolitik

Kommunen haben sich recht früh mit den sozialen Herausforderungen der Zuwanderung auseinandergesetzt. In der Rekonstruktion kommunaler Integrationspolitiken lassen sich unterschiedliche Phasen mit typischen Deutungs- und Handlungsmustern zeigen, die im Kontext der lange Zeit unentschiedenen und widersprüchlichen staatlichen Politik zu analysieren sind. Mit dem Perspektivwechsel Ende der 1990er/Anfang der 2000er Jahre ist ein neuer ‚take-off ‘ in den kommunalen Integrationspolitiken in Richtung einer interkulturellen Stadtpolitik mit integrierten Gesamtkonzepten zu beobachten.

Dieter Filsinger
Integrationspolitik in Deutschland zwischen Markt und Plan: Bund, Länder und Kommunen

Integration gehört zum Kern kommunaler Politik, die Attraktivität von Städten und Gemeinden für Einwanderer wird im Standortwettbewerb immer wichtiger, Die Kommunen sind zwar von Vorgaben von Bund und Land abhängig, können aber durchaus eigene Akzente setzen und die Lebensqualität ihrer Bewohner steigern – in Stadtplanung, Wohnungsbau, Information und Bildung, Wirtschaftsförderung und der Art der Aufnahmeeinrichtungen. Einwanderer sollten Raum für ihre Initiativen bekommen und nicht durch planwirtschaftliche Vorgaben behindern werden.

Dietrich Thränhardt
Vielfalt als alltägliche Normalität: Interaktionen und Einstellungen in deutschen Städten

Dieser Beitrag untersucht die Beziehungen zwischen migrationsbezogener Vielfalt in Wohnvierteln, verschiedenen Formen sozialer Interaktionen zwischen alteingesessenen Deutschen und MigrantInnen sowie Diversitätseinstellungen und Vertrauen. Zugrunde liegt das Forschungsprojekt „Diversity and Contact“, in dem Daten zum Zusammenleben von Personen mit und ohne Migrationshintergrund in 50 Wohnvierteln mehrerer westdeutscher Städte erhoben und ausgewertet wurden. Es wird dargestellt, ob und wie sich eine kontextuelle Vielfalt von Nachbarschaften auf verschiedene Formen sozialer Interaktionen und auf Einstellungen zu einer in den Herkunftsbezügen ihrer Mitglieder heterogenen Gesellschaft auswirkt. Hohe Migrantenanteile in der Wohngebietsbevölkerung wirken sich positiv auf lockere Interaktionen aus; negative Auswirkungen etwa auf das gegenseitige Vertrauen wurden nicht festgestellt. Vielfalt ist in deutschen Städten heute eine weithin akzeptierte Normalität.

Karen Schönwälder, Sören Petermann
„Quartiersentwicklung für alle“?
Von Integrationsdiskursen und Quartierspolitiken

Die ökonomische Globalisierung, neue Migrationsformen und -ströme, der soziodemographische Wandel und zunehmende Fragmentierungstendenzen setzen die städtischen Gesellschaften und die kommunale Steuerung unter Handlungsdruck. Die Quartiersebene nimmt bei den Debatten um gelingende Integration von MigrantInnen inzwischen eine herausragende Stellung ein: Einerseits werden manchen stark segregierten Stadtvierteln parallelgesellschaftliche Strukturen zugeschrieben und deren Bewohnergruppen Abschottungstendenzen unterstellt, andererseits ist es zur gängigen Programmformel geworden, dass „Integration vor Ort“ beginne, also im sozialen Nahraum, in der Nachbarschaft, im Quartier. Der Beitrag skizziert die wesentlichen Diskurse und zeigt Widersprüche auf, die zwischen konzeptionellen und politischen Konzepten, Stadtentwicklungsprogrammen und der Alltagspraxis auftreten. Er endet mit Th esen für eine Weiterentwicklung quartiersbezogener Integrationspolitik.

Olaf Schnur
Behindern ‚Migrantenviertel‘ die Integration?

Der folgende Beitrag wurde für die erste Auflage dieses Buchs im Jahr 2009 verfasst. Eine Aktualisierung des Texts war Hartmut Häußermann nicht mehr möglich, aber seine Argumentation ist heute aktueller denn je. Denn inzwischen ist das europäische System der weitgehenden Abschottung gegen Asylsuchende (durch die Dublin-Vereinbarungen und die Erklärung von Herkunfts- und Transitländern zu sicheren Drittstaaten) unter dem Druck der Menschen, die vor den Bürgerkriegen in Syrien, Irak, Afghanistan und afrikanischen Ländern fliehen und die auf den Fluchtwegen ihr Leben aufs Spiel setzen, faktisch zusammengebrochen. Die Krise der Herkunftsländer und der europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik wird von Politik und Medien zur „Flüchtlingskrise“ Umgedeutet.Die aktuelle Debatte um die „Bewältigung“ der „Flüchtlingskrise“ kreist auch in Deutschland um die Frage, wie viele Flüchtlinge das Land aufnehmen und integrieren Könne.Dabei spielt die räumliche Verteilung der Flüchtlinge eine wesentliche Rolle. In der innenpolitischen Auseinandersetzung darüber wird wieder das Schreckensszenario der durch Migration erzeugten „Parallelgesellschaften“ in „ethnischen Kolonien“ eingesetzt. Mit ihm setzte sich Häußermanns Beitrag bereits vor der jüngsten Zuspitzung kritisch auseinander. Seine Unterscheidung zwischen ethnischer und sozialer Segregation und seine Kritik an der „Ethnisierung sozialer Probleme“ sind richtungsweisend für die Integrationsfrage.Martin Kronauer hat diese Vorbemerkung und einige ergänzende Literaturhinweise für den ansonsten unveränderten Beitrag beigesteuert.

Hartmut Häußermann
Integration in ländlichen Räumen – die Rolle der Landkreise

Während die Integration von Migranten in der Vergangenheit als eine Herausforderung angesehen wurde, der sich in erster Linie die größeren Städte zu stellen haben, geraten seit einiger Zeit – aktuell nicht zuletzt aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen – die ländlichen Räume wieder stärker in den Blick. Der nachfolgende Beitrag erläutert zunächst die besonderen Integrationsbedingungen in ländlichen Räumen und geht dabei insbesondere auf die Rolle der Landkreise ein. Auch im ländlichen Raum ist Integration vor allem eine Aufgabe der Kommunen. Neben die kreisangehörigen Städte und Gemeinden treten dabei die Landkreise. Den Landkreisen sind als Träger von Ausländer- und Sozialbehörden, von Jugendämtern und Jobcentern, im schulischen Bereich sowie bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen vielfach Aufgaben zugewiesen, die unmittelbare Berührungspunkte zur Integration von Migranten haben. Sie unterstützen aber auch die kreisangehörigen Kommunen in deren integrativen Bemühungen. Grundlage dafür sind die in vielen Landkreisen bereits vorhandenen Integrationskonzepte und eine strategische Ausrichtung der kreiskommunalen Integrationspolitik. Die starke Zuwanderung von Flüchtlingen zwingt dazu, diese Konzepte erneut auf den Prüfstand zu stellen.

Klaus Ritgen

Handlungsfelder der kommunalen Integrationspolitik

Frontmatter
Wenn der Staat mit seinem Deutsch (fast) am Ende ist…
Chancen und Grenzen der neudeutschen Mehrsprachigkeit bei der Überwindung der Politik zur einsprachigen Assimilierung

Angesichts der neuen sprachlich-kulturellen Vielfalt in der Bevölkerung sind die deutschsprachig organisierten Funktionssysteme in den Kommunen damit konfrontiert, für eine erfolgreiche Inklusion nicht deutsch sprechender Migrant_innen und ihrer Kinder die bisherige nationalstaatliche Doppelstrategie sprachlicher Zwangsassimilierung und Ausgrenzung von Minderheitssprachen überwinden zu müssen. Dazu soll die individuelle Mehrsprachigkeit durch das nur einsprachig deutsch qualifizierte Stammpersonal der lokalen Verwaltungs- und Bildungsinstitutionen „wertgeschätzt“ und als individuelles Potential bzw gesellschaftlich wertvolle Zukunft sressource vor Ort zum effektiveren Lernen der Zweitsprache Deutsch u. a. mit Hilfe von ehren- oder hauptamtlichen „Sprachmittler_innen“ genutzt werden. Dieser Sprachenreichtum ist jedoch langfristig in öffentlicher Verantwortung nur zu erhalten, wenn es innerhalb der lokalen Bildungslandschaft gelingt, im Elementarbereich, in Schulen und Weiterbildungseinrichtungen ein bedarfsgerechtes, qualifiziertes Angebot zum Erwerb der jeweiligen Minderheitssprachen auf dem Niveau „konzeptioneller Schriftlichkeit“ zu schaffen. Dazu fehlen jedoch in Deutschland die grundlegenden Voraussetzungen.

Helmuth Schweitzer
Kommunale Bildungs- und Integrationspolitik im Kontext regionaler, sozialer und migrationsbedingter Disparitäten

Städte, Landkreise und Gemeinden fördern die Bildungsbeteiligung der lokalen Bevölkerung durch vielfältige Angebote und Initiativen. Gute Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungseinrichtungen sind insbesondere für die Erschließung der Potenziale von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Fluchtgeschichte, aber zunehmend auch für die Konkurrenzfähigkeit und die Zukunft sperspektiven der Kommunen von zentraler Bedeutung. Sprachkompetenzen haben dabei eine Schlüsselbedeutung für alle weiteren Integrationsprozesse und weiterführende Bildungsabschlüsse sind von zentraler Bedeutung für die Chancen von Zugewanderten auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Der nachfolgende Beitrag thematisiert die bildungs- und integrationspolitischen Handlungsmöglichkeiten von Städten und Gemeinden vor dem Hintergrund regionaler, sozialer und migrationsbedingter Disparitäten.

Frank Gesemann
Lokale Willkommenskulturen für ausländische Studierende

Mit der Internationalisierung akademischer Bildung sind Hochschulen zu „Treibern“ für lokale gesellschaftliche Vielfalt und Integration geworden Angesichts des weltweiten Wettbewerbs um akademisch qualifizierte Arbeitskräfte sollen Hochschulen zum „Zugangstor“ für ausländische Absolventen werden, die nach dem Studium in Deutschland arbeiten möchten Der Übergang vom traditionellen „Study and go“ zu einem „Study and stay“ ist kein Selbstläufer, sondern erfordert die Kooperation und eine gemeinsame Strategie von Hochschulen, Wirtschaft , Zivilgesellschaft , Studentenwerken, Studierendenschaften und -organisationen mit den kommunalen Institutionen der Hochschulstadt Gemeinsames Ziel könnte eine lokale Willkommenskultur sein, deren Leitbild die gleichberechtigte Teilhabe am Gemeinwesen und den lokalen Arbeitsmärkten für alle Neubürgerinnen und Neubürger ist – nicht nur, aber auch für ausländische Studierende.

Roland Roth
Von der Verwaltung von Arbeitslosigkeit zur Fachkräftegewinnung: (Neue) Perspektiven kommunaler Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik

Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik haben sich die Rahmenbedingungen in den letzten zehn Jahren stark geändert. Dies betrifft auch die Kommunen; für einige von ihnen scheint sich das über viele Jahre dominante Problem der Bekämpfung einer strukturell verfestigten Arbeitslosigkeit als politische Aufgabe sogar weitgehend erledigt zu haben, stattdessen hat sich mit der Frage nach den genuin kommunalen Handlungsspielräumen für die Anwerbung und Gewinnung von Fachkräft en ein neues Handlungsfeld herauskristallisiert Stärker im Licht der Öffentlichkeit als die – regionenspezifisch höchst unterschiedlich ausfallende – Aufgabe einer kommunalen Fachkräft epolitik stehen derzeit allerdings die kommunalpolitischen Herausforderungen, die der hohe Zuzug von Flüchtlingen, von denen sich eine große Mehrheit im erwerbsfähigen Alter befindet, bringt.

Caroline Schultz, Holger Kolb
Die Bedeutung von Migrantenunternehmen für die Integrations- und Wirtschaftspolitik in den Kommunen

Die Zahl der von Migrantinnen und Migranten geführten Unternehmen ist enorm gestiegen. Doch im medialen Diskurs und in der Kommunalpolitik wird die Bedeutung der „Migrantenökonomie“ vielfach kritisch hinterfragt und mit ethnischer Abschottung in Verbindung gebracht Demgegenüber zeigt der Beitrag, dass berufliche Selbständigkeit die Chancen sozialer Mobilität und struktureller Integration erheblich verbessert Zudem leisten die Zugewanderten mit ihren Unternehmen einen beachtlichen Beitrag zur Arbeitsmarktintegration insgesamt sowie zur wirtschaftlichen Entwicklung, sei es auf lokaler oder überregionaler Ebene.

René Leicht
Wohnsituation und Wohneigentumserwerb von Migrantinnen und Migranten

Nach wie vor leben Zuwanderer häufig in schlechteren Wohnverhältnissen als Menschen ohne Migrationshintergrund. Ihre Wohnsituation kann sich durch die Wohneigentumsbildung allerdings deutlich verbessern, so dass in der Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen von Integration, Stadtentwicklung und Wohnen in jüngerer Zeit das Augenmerk auf die Wohneigentumsbildung von Zuwanderern gerichtet wird. Wie Zuwanderer in Deutschland wohnen und wie Wohnen und Wohneigentum als Handlungsfelder kommunaler Integrationspolitik qualifiziert werden können, wird im Beitrag ausgeführt.

Bettina Reimann
Gesundheitliche Chancen und Risiken von MigrantInnen: Handlungsmöglichkeiten einer kommunalen Gesundheitspolitik

MigrantInnen haben gesundheitliche Vor- und Nachteile gegenüber der Mehrheitsbevölkerung. Der Zusammenhang zwischen Migration und Gesundheit ist mehrdimensional, weitere (soziale) Faktoren müssen bei der Interpretation beachtet werden Erklärungsmodelle bilden die Komplexität des Zusammenhangs ab. Die zentralen Modelle haben eine Perspektive auf den gesamten Lebenslauf der Migranten (vor, während und nach der Migration). Sie helfen der kommunalen Gesundheitspolitik, geeignete Daten zu erheben und wirksame Interventionen zu entwickeln.

Oliver Razum, Jeffrey Butler, Jacob Spallek
Gesundheit für Flüchtlinge – das Bremer Modell

Das Bremer Modell geht davon aus, dass Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen über das Ausschließen von Infektionskrankheiten hinausgehen muss. Das Sprechstundenangebot in den Gemeinschaft sunterkünft en wird freiwillig wahrgenommen Die Erstuntersuchung der Flüchtlinge erfolgt nach den gesetzlichen Vorgaben. Darüber hinaus haben die durchführenden Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit, akuten Behandlungsbedarf an Ort und Stelle abzudecken. In der Anfangsphase können die Flüchtlinge die Sprechstunde in der Unterkunft wiederholt aufsuchen. Danach erhalten sie eine Gesundheitskarte, die ihnen einen begrenzten Zugang zur Regelversorgung ermöglicht. Die aktuell deutlich steigenden Flüchtlingszahlen wirken sich auf die Situation der Bremer Gesundheitsversorgung aus, sowohl bei Erwachsenen wie bei Jugendlichen. Trotz des Anstiegs konnte aber das Versorgungsniveau mithilfe der Gesundheitskarte gehalten werden. 2011 bis 2014 waren nach ICD-Klassifi kation „Faktoren, die zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“ mit 29,6 % am häufigsten. An zweiter bzw dritter Stelle lagen Krankheiten des Atmungssystems mit 18,1 % sowie unklare, andernorts nicht klassifizierte Symptome mit 16,9 % Krankheiten des Verdauungs-Systems mit 6,1 %, des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes mit 6 % sowie der Haut und Unterhaut mit 3,6 % folgten. 6 Personen mit HIV-Infektionen sowie 12 Personen mit Hepatitiden wurden im Erstuntersuchungsprogramm behandelt. Bei 10 Personen wurde Tuberkulose (zum Teil jedoch nicht ansteckungsfähig) oder Tuberkuloseverdacht diagnostiziert. Die Mehrzahl dieser Personen wurde 2014 behandelt.

Zahra Mohammadzadeh, Felicitas Jung, Monika Lelgemann
Kultur, Kunst und Kulturpolitik in der Einwanderungsgesellschaft

Shermin Langhoff erhält zusammen mit Jens Hillje den Theaterpreis der Stiftung Preußische Seehandlung 2016. Yared Dibaba begeistert Zuschauer und Zuhörer des NDR mit perfektem Plattdeutsch. Fatih Akin erhielt mit seinem Film „Gegen die Wand“ den Goldenen Bären der Berlinale. Yael Ronen wurde im Jahr 2016 mit ihrem Stück „Th e Situation“ mit der Einladung zum Berliner Theatertreffen und den Mülheimer Theatertagen ausgezeichnet.

Olaf Zimmermann
Religion als Hemmnis und Medium lokaler Integration

Religiöse Pluralität ist heute ein unverkennbarer und irreversibler Faktor, den jede Integrationspolitik in Rechnung stellen muss. Während die Gesellschaft weitgehend von Säkularisierungsprozessen geprägt ist, gewinnt gerade im Zusammenhang mit Migration Religion für viele Menschen an Bedeutung. Religion wirkt einerseits stabilisierend und integrationsförderlich, erzeugt oder verschärft aber andererseits auch Konflikte, indem transnationale oder globale Auseinandersetzungen auf die kommunale Ebene einwirken und religiös-normative Deutungen soziale Konfliktkonstellationen zusätzlich aufladen. Lokaler Integrationspolitik kommt hier die Aufgabe einer Konfliktmoderation zu. Sie kann durch die Einbeziehung neuer, noch nicht etablierter religiöser Akteure deren Potenziale nutzen und so zu einem friedlichen Zusammenleben beitragen. Dabei ist erforderlich, auch die spezifischen Strukturen und Positionen der jeweiligen Religionen in ihrer Vielfalt zu berücksichtigen. In Deutschland sind das vor allem Muslime, in einem zahlenmäßig geringeren Umfang aber auch Juden sowie Angehörige christlicher Freikirchen, christlich-orthodoxer Gemeinden und weiterer Religionen. Auch wenn die öffentlichen Debatten, bisherige wissenschaftliche Untersuchungen und damit auch folgenden Überlegungen stark auf den Islam fokussiert sind, ist es wichtig, die genannten weiteren Akteure ebenso in den Blick zu nehmen, auf die sich vieles analog übertragen lässt.

Hansjörg Schmid, Claus Leggewie
Integration durch politische Partizipation

Politische Partizipation gehört zu den randständigen Themen in der deutschen Integrationspolitik. Die politische Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund findet nur geringe öffentliche Aufmerksamkeit. Dies gilt in erster Linie für die rechtliche und faktische Gleichstellung von Eingewanderten in den Kerninstitutionen repräsentativer Demokratien, also die „direkte“ politische Beteiligung in Parlamenten, Parteien und bei Wahlen. Von einer gleichberechtigten und proportionalen Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund kann dort keine Rede sein. Stärkere Aufmerksamkeit erfahren stattdessen „indirekte“, d. h. assoziative, zivilgesellschaft liche und beratende Formen politischer Beteiligung, die vor allem auf kommunaler Ebene praktiziert werden. So erfreuen sich heute Migrantenorganisationen verstärkter öff entlicher Wertschätzung. Sie sind zu Ansprechpartnern geworden, wenn es um die Umsetzung öffentlicher Integrationsprogramme, besonders die Beratung und Betreuung von Neuzuwanderern, aber auch um politische Konsultationen geht. Zu dieser Wachstumszone gehört auch die Förderung des freiwilligen Engagements von Eingewanderten in Integrationsräten, Verbänden, Vereinen und lokalen Gemeinschaften. Sie tragen so zur demokratischen Vitalisierung einer vielfältiger werdenden Gesellschaft bei. Gleichzeitig können diese „indirekten“ Partizipationsformen vorenthaltene politische Bürgerrechte nicht kompensieren. Das integrationspolitische Potential politischer Partizipation ist erst noch zu entdecken.

Roland Roth
Kommunale Antidiskriminierungspolitik
Wege zu mehr Gleichbehandlung, Vielfalt und Inklusion in Kommunen

Kommunalen Antidiskriminierungspolitiken kommt hinsichtlich des Gelingens bei der Integration eine wichtige Rolle zu. Der Beitrag beleuchtet die Realität der Diskriminierung von Menschen aus Einwandererfamilien und stellt wichtige rechtliche Rahmenbedingungen vor. Exemplarisch wird am Beispiel von vier Kommunen die kommunale Antidiskriminierungspraxis skizziert sowie Erfolgsfaktoren und Herausforderungen für die Umsetzung formuliert. Bestehende Maßnahmen und Aktivitäten werden in einem Strukturaufriss systematisiert. Abschließend wird ein Weg zu einer verbindlicheren Umsetzung Positiver Maßnahmen aufgezeigt.

Andreas Merx, Timon Perabo

Instrumente und strategische Zugänge der kommunalen Integrationspolitik

Frontmatter
Kommunales Integrationsmanagement
Ansätze für eine strategische Steuerung der Integrationsarbeit

Vorbemerkung der Herausgeber: Der im Jahr 2008 entstandene Beitrag beschreibt die Entstehung und Konkretisierung eines neuen Paradigmas in der kommunalen Integrationspolitik. Das „Wirkungsmodell Integrationsmanagement“ ist von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) auf der Grundlage von strategischer Steuerung und des Wissens um Erfolgfaktoren entwickelt worden. Im Rahmen des von der KGSt im Jahr 2005 initiierten „Innovationszirkel Integration“ entstanden zudem Handreichungen, die für viele Kommunen zu einer wichtigen Grundlage für die Neuausrichtung und Weiterentwicklung ihrer Integrationsarbeit geworden sind. Dies macht die ungebrochene Aktualität dieses Beitrags aus.

Alfred Reichwein
Integrationsmonitoring

Im Kontext eines Perspektivwechsels in der Integrationspolitik des Bundes ist seit Mitte der 2000er Jahre eine eigene – in der Tradition der Sozialberichterstattung stehende (Filsinger 2014a) – Integrationsberichterstattung auf kommunaler, Landes- und Bundesebene aufgebaut Worden. Den Ausgangspunkt bildete die kritische Analyse, dass es in der Bundesrepublik Deutschland an einer systematischen, längsschnittorientierten Integrationsberichterstattung (Integrationspanel) als Voraussetzung für die Entwicklung und Bewertung von Interventionen fehle (vgl. Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration 2004). Überdies mahnte der Rat eine unabhängige Evaluation von Programmen und Interventionen an.

Dieter Filsinger
Die Entwicklung des strategischen Integrations- und Migrationsmanagements im Landkreis Osnabrück

Der häufig zitierte Satz „Integration findet vor Ort statt“ und der Wettbewerbstitel „Erfolgreiche Integration ist kein Zufall“ bezeichnen Eckpunkte einer wirksamen Politik in den Handlungsfeldern Migration, Integration und Teilhabe insbesondere für Landkreise (Bommes 2011; Bertelsmann Stiftung/ Bundesministerium des Innern 2005). Sie verweisen zum einen auf die Notwendigkeiten strategischer Planung, kontinuierlicher Steuerung und ausreichenden Ressourceneinsatzes, zum anderen darauf, dass jeweils die spezifischen lokalen Zusammenhänge von Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur zu berücksichtigen sind. Dabei spielen Mentalitäten und Konfessionen durchaus eine Rolle – ebenso wie die lokalen Arbeitsmärkte und ihre Aufnahmefähigkeit.

Michael Fedler, Frederike Heinke, Werner Hülsmann
Wi(e)der die Verführung zur Projektitis
Die Grenzen strategischer Steuerung interkultureller Stadtpolitik am Beispiel von 20 Jahren Praxis des Essener Modells

Die Fallstudie über die 20jährigen Erfahrungen mit dem Neuen Steuerungsmodell der Verwaltung zur interkulturellen Öffnung in der Stadt Essen zwischen 1996 und 2016 macht deutlich, in welcher Form die dabei benutzten Instrumente (u. a. deliberative Konzeptentwicklung, Zielverantwortung eines Geschäft sbereichsvorstandes, Steuerungsunterstützung durch eine Querschnittsdienststelle und ein interner Innovationsfond) gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen an die Grenzen des kommunalpolitischen Alltags stoßen, der u. a. durch den wahlbedingten Wechsel der Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung und den machtstrategischen Umgang dieser Amtsinhaber_innen mit konkurrierenden Partikularinteressen bzw. Ressortegoismen bestimmt wird.

Helmuth Schweitzer
Interkulturelle Öffnung und Willkommenskultur in Kommunen
Erfolgsfaktoren und Herausforderungen

Interkulturelle Öffnung und Willkommenskultur sind heute als Konzepte vielen Kommunalverwaltungen in Deutschland bekannt und haben in den vergangenen Jahren einen großen Aufschwung erlebt. Durch die demografische Entwicklung hat gerade auf kommunaler Ebene die Bedeutung des Themas zugenommen (Arslan 2014a: 140). Insbesondere die derzeitigen Migrationsbewegungen haben den Begriff der „Willkommenskultur“ von der politischen Verwaltungsebene in die bürgerliche Mitte der Gesellschaft getragen.

Bülent Arslan
Stuttgart. Die Interkulturelle Stadt. ANKOMMEN.BLEIBEN.MITGESTALTEN
Integrations- und Diversitätspolitik in Stuttgart

„Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ war wohl die erfolgreichste Länderwerbung bundesweit seit 2010. Dass die Schwaben, insbesondere in der Landeshauptstadt Stuttgart, auch Integration können, ist auch bundesweit bekannt. Das Welcome Center Stuttgart hat sich bereits einen Namen gemacht. Was die interkulturelle Stadt sonst noch macht und wie sie das angesichts der aktuellen weltpolitischen Herausforderungen meistert, soll in diesem Beitrag beispielhaft dargestellt werden.

Ayşe Özbabacan, Gari Pavkovic
Schwäbisch Gmünd – keine Insel der Seligen, doch zeigt es Flagge
„Der Gmünder Weg“ der Integration und Migration in einer Mittelstadt

Am Beispiel einer süddeutschen Mittelstadt (60.000 EW) wird deren Integrationsprozess, welcher auf Flüchtlinge und Migranten ausgerichtet ist, auch in schwierigen Situationen beschrieben Auf Reaktionen der Stadtgesellschaft, notwendige Strukturen, Orte und Projekte für eine gelingende Integration wird eingegangen Ein wesentlicher Bestandteil ist das freiwillige Engagement von Migranten. Die sieben Gelingens-Faktoren des Gmünder Wegs werden benannt Die gemachten Erfahrungen zur kommunalen Integration von Migranten werden in allgemeine Erkenntnisse für andere Mittelstädte mit hohem Migrantenanteil und auch für Großstädte zusammengefasst

Dieter Lehmann
Der Kommunale Qualitätszirkel zur Integrationspolitik

Der kommunale Qualitätszirkel zur Integrationspolitik ist ein Zusammenschluss von Integrationsbeauft ragten aus 30 Kommunen und Landkreisen und Experten der Landes- und Bundesbehörden, wissenschaftlichen Forschungsinstituten und Stiftungen, um den Informations- und Erfahrungsaustausch über innovative Maßnahmen und Initiativen zur lokalen Integrationspolitik zu fördern und damit zur Weiterentwicklung der kommunalen Integrationsarbeit beizutragen. Von 2006 bis heute hat der Arbeitskreis Handreichungen und Positionspapieren zu aktuellen Themenfeldern erarbeitet In diesem Beitrag werden ausgewählte Materialien vorgestellt, um einen Einblick in die Praxisarbeit des Arbeitskreises zu geben und aktuelle Entwicklungen der Integrationsarbeit auf kommunaler Ebene aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.

Gari Pavkovic, Ayşe Özbabacan
Erfahrungen aus der Beratung von Kommunen bei der Entwicklung von Integrationskonzepten

Wie können Städte, Kreise und Gemeinden dabei unterstützt werden, eine Integrationsstrategie zu entwickeln oder weiterzuentwickeln? Dieser Artikel reflektiert die Erfahrungen, die bei der Begleitung von Kommunen im Rahmen des Formats Integrationsworkshops für Kommunen gesammelt wurden Dieser Multi-Stakeholder Ansatz verbindet Instrumente strategischer Steuerung mit partizipativen Elementen und Methoden des interkulturellen Austauschs Am Schluss wird die Frage erörtert, ob dieser Ansatz auch auf aktuelle Fragestellungen der Willkommenskultur sowie der Flüchtlingspolitik übertragen werden kann.

Claudia Walther

Internationale Perspektiven

Frontmatter
Integrationspolitik in europäischen Städten: strukturelle Konvergenz und substanzielle Differenzierung

Dass Integration vor Ort stattfindet, aber nationale Regierungen dafür zentrale Rahmenbedingungen setzen, gehört zu den Binsenwahrheiten der Integrationsdebatte Übersehen wird dabei allerdings der Einfluss von transnationalen Städtenetzwerken auf lokale Konzepte und politische Strategien Dieser Beitrag widmet sich dieser oft vernachlässigten Ebene und zeigt, wie von der EU geförderte europäische Städtenetzwerke dazu beigetragen haben, lokale Integrationspolitik konzeptionell voranzubringen Der interkommunale Austausch und seine wissenschaft liche Begleitung haben das eigenständige Profil kommunaler Integrationspolitik geschärft und eine Konvergenz lokaler Strategien und Konzepte quer durch Europa unterstützt Die wissenschaftlichen und praktisch-politischen Erträge dieser horizontalen Zusammenarbeit erfahren in diesem Beitrag eine kritische Würdigung.

Rinus Penninx, Blanca Garcés-Mascareñas
Sanctuary Cities – Zufluchts-Städte

Trotz der Versuche, Einwanderung zu regulieren und aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzusetzen, werden Städte und Gemeinden auch von Migrant/innen bewohnt, die über keinen legalen Aufenthaltsstatus verfügen oder nur geduldet sind. Daraus resultieren besondere Handlungserfordernisse für die Kommunalpolitik, z. B. bei der Wohnraumversorgung und der schulischen Bildung Die Frage nach einem angemessenen Umgang mit Personen ohne gesichertes Aufenthaltsrecht verweist auf ein gesamtgesellschaft liches, aber nicht zuletzt auch auf ein kommunalpolitisches Konfliktfeld zwischen Behörden, Betroff enen und zivilgesellschaftlichen Initiativen. Der vorliegende Beitrag stellt das Konzept ‚Sanctuary City‘ als eigenständige kommunalpolitische Antwort nordamerikanischer und britischer Städte auf diese Herausforderungen vor, eine Antwort, die auch für deutsche Städte relevant ist.

Albert Scherr, Rebecca Hofmann
Cities of Migration – Erfahrungen mit einem internationalen Netzwerk

Migration ist ein globales Phänomen. Die aktuelle Flüchtlingssituation zeigt das einmal mehr in aller Deutlichkeit. Eine Antwort darauf ist daher eine globale Vernetzung, ein globaler Dialog zwischen Städten. Genau dies ist die Idee hinter Cities of Migration. Initiiert wurde dieses internationale Netzwerk im Jahr 2007 von der Maytree Foundation in Toronto in Kooperation mit fünf weiteren Stiftungen: Barrow Cadbury Trust in England, Bertelsmann Stiftung in Deutschland, The Tindall Foundation in Neuseeland, der J. M. Kaplan Fund in USA und der Fundacion Bertelsmann in Spanien.

Claudia Walther, Kim Turner
Backmatter
Metadaten
Titel
Handbuch Lokale Integrationspolitik
herausgegeben von
Dr. Frank Gesemann
Prof. Dr. Roland Roth
Copyright-Jahr
2018
Electronic ISBN
978-3-658-13409-9
Print ISBN
978-3-658-13408-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-13409-9