Zum Inhalt

Open Access 2025 | Open Access | Buch

Handbuch Mobilität und Gesellschaft

Sozialwissenschaftliche Verkehrs- und Mobilitätsforschung

herausgegeben von: Weert Canzler, Juliane Haus, Andreas Knie, Lisa Ruhrort

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Dieses Open-Access-Handbuch gibt einen aktuellen Überblick über die sozialwissenschaftliche Forschungslandschaft zum Thema Mobilität und Verkehr. Dabei wird deutlich, was die spezifische sozialwissenschaftliche Sicht auf das Thema ausmacht und wie sich diese von anderen disziplinären Zugängen (etwa der Verkehrsplanung oder der Verkehrsökonomie) abgrenzt. In der gesellschaftlichen, aber auch der wissenschaftlichen Diskussion über Mobilität und Verkehr dominieren bisher immer noch ökonomisch-individualistische Perspektiven auf der einen Seite und planerisch-technische Lösungsansätze auf der anderen Seite. Erst in jüngster Zeit gelingt es vermehrt, auch soziologische und politikwissenschaftliche Perspektiven prominent in die Debatte einzubringen. Das Handbuch will daher das konsolidierte Wissen der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung bündeln und kompakt zugänglich machen.

Jenseits dieser Konsolidierungsfunktion zeigt Handbuchs den Mehrwert sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse für eine Lösung gesellschaftlicher Krisenphänomene, insbesondere der Klimakrise, auf. Dazu soll auch deutlich werden, wie sich sozialwissenschaftliche Mobilitätsforschung über die rein disziplinär-akademische Forschung hinaus in gesellschaftliche Transformationsprozesse einbringt. Neben der Darstellung theoretischer Zugänge und bisheriger Erkenntnisse sollen die Beiträge daher möglichst pointiert Thesen dazu formulieren, unter welchen Bedingungen moderne Gesellschaften ihre Mobilitätssysteme zukünftig gezielt ökologisch und sozial verträglich umbauen können -oder was einem solcher Umbau möglicherweise im Wege steht. Explizit kritische Perspektiven sollen breiten Raum erhalten.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einführung - Handbuch „Mobilität und Gesellschaft“

Frontmatter

Open Access

Einleitung: Verkehr als gesellschaftspolitische Herausforderung
Zusammenfassung
Lange stand das Automobil für soziale Integration durch Motorisierung und Zugang zu materiellem und kulturellem Kapital. Dafür wurden dem Auto besondere Privilegien eingeräumt und die Verkehrsinfrastruktur systematisch und flächendeckend autogerecht ausgerichtet. Dies wird aber spätestens zum Problem, wenn das Paradigma der unbegrenzten Raumüberwindung an seine ökologischen und funktionalen Grenzen stößt. Die entscheidenden Fragen lauten: Kann eine moderne hocharbeitsteilige Gesellschaft auch mit weniger physischer Beweglichkeit auskommen oder wie kann eine gesellschaftspolitische Perspektive jenseits einer uneingeschränkten räumlichen Mobilität aussehen? Die Corona-Pandemie mit ihren Lockdown-Phasen hat unter anderem auch gezeigt: eine in ihren Mobilitätsoptionen stark eingeschränkte Gesellschaft vergrößert die soziale Ungleichheit und verstärkt tradierte Rollenbilder. Bisher galt eine Korrelation zwischen Wohlstandsniveau und räumlich-physikalischen Verkehr. Es ist eine empirisch offene Frage, ob sich mit höheren Anteilen digitaler Mobilität und einer zumindest partiellen Substitution physisch-räumlicher durch digitale Mobilität dieser Zusammenhang tatsächlich auflöst. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Ermöglichungsfunktionen des Automobils gelitten haben und teilweise gar nicht mehr bestehen bzw. von digitalen Optionen zunehmend abgelöst werden. Es könnte also sein, dass sich zumindest Teile der Gesellschaft von den angebotenen Verkehrsmitteln bereits emanzipiert haben. Das Verkehrskleid scheint insgesamt der modernen Gesellschaft nicht mehr recht zu passen.
Weert Canzler, Juliane Haus, Andreas Knie, Lisa Ruhrort

Mobilität als sozialwissenschaftliches Forschungsfeld

Frontmatter

Open Access

Sozialwissenschaftliche Mobilitätsforschung als interdisziplinäres Forschungsfeld
Zusammenfassung
Der Artikel umreißt anhand ausgewählter Fragestellungen die Konturen der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung als interdisziplinäres Forschungsfeld und zeigt dabei auf, wie sich die sozialwissenschaftliche Perspektive von planerischen, technischen und ökonomischen Ansätzen unterscheidet. Zugleich werden interdisziplinäre Schnittstellen zwischen den verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen und zu den Planungs- und Technikwissenschaften aufgezeigt. Abschließend gibt der Artikel einen Ausblick auf zukünftige zentrale Forschungsfragen.
Lisa Ruhrort

Open Access

Methodische Zugänge und Datengrundlagen der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung
Zusammenfassung
Der Beitrag befasst sich mit den Methoden der empirischen Sozialforschung zur Abbildung von Mobilitätsverhalten. Der Schwerpunkt liegt auf der Beschreibung der großen quantitativen Erhebungen in Deutschland sowie deren Stärken und Schwächen. Darüber hinaus werden die Methode des Wegetrackings, qualitative Erhebungsansätze sowie die Nutzung neuerer Datenquellen, wie z. B. Mobilfunkdaten, thematisiert. Die Bedeutung der Sozialwissenschaften ist es, den Daten über theoriebasierte Ansätze eine höhere Erklärungstiefe zu verleihen.
Claudia Nobis

Open Access

Kein Richtiges Leben im Falschen? Die Grenzen der Verkehrswende unter herrschenden Bedingungen
Zusammenfassung
Moderne Gesellschaften sind bewegungsintensiv, die wirtschaftlichen Verteilungsspielräume werden durch eine systematische Absenkung des Widerstandes des Raumes realisiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Verkehrsinfrastruktur für den Personen- und Güterverkehr. Während in den Sektoren Industrie, Landwirtschaft und private Haushalte eine Reduktion der Treibhausgase auch unter den herrschenden Bedingungen durch den Einsatz von technischen Innovationen möglich wurde, ist dies beim Verkehr – abgesehen von den Effekten der Corona-Pandemie – bislang nicht gelungen. Die Sozialwissenschaften haben verpasst, die Bedeutung des Autos für die Gesellschaftsbildung und ihre ökonomische und soziale Stabilisierung ausreichend deutlich zu machen und stehen deshalb jetzt unter Zugzwang, normative Ansätze in der Klimapolitik ins Machbare zu übersetzen und die Frage zu beantworten, was innerhalb der bestehenden Grundordnung an Veränderungen basaler Funktionselemente überhaupt möglich ist. Bislang sind die Versuche einer „Verkehrswende“ noch nicht wirklich gelungen. Die entscheidenden Fragen, wo und unter welchen Umständen sich Reformen überhaupt realisieren lassen und welche Rolle dabei auch die Sozialwissenschaften selbst spielen, sind erst noch zu beantworten.
Andreas Knie

Open Access

Modellierung und Simulation von Mobilität und Verkehr
Zusammenfassung
Der Beitrag liefert einen Überblick über die gängigsten Simulations-Frameworks, die die Verkehrswissenschaft nutzt, um Mobilität zu verstehen und Szenarien durch Simulationsexperimente zu überprüfen. Dabei wird auch auf die Methode der agentenbasierten Modellierung (ABM) zurückgegriffen, die es erlaubt, das individuelle Mobilitätsverhalten abzubilden. Der Beitrag stellt grundlegende Prinzipien und Methoden der ABM vor und zeigt, wie die Methode genutzt wird, um Strategien der nachhaltigen Transformation zu analysieren. Er setzt sich zudem kritisch mit einer kritischen Soziologie der Simulation auseinander.
Johannes Weyer

Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung

Frontmatter

Open Access

Mobilität aus modernisierungstheoretischer Sicht
Zusammenfassung
Mobilität ist ein modernes Basisprinzip. Verkehr ist dabei eine zentrale Dimension, die allerdings bis in die 1990er-Jahre und bis auf wenige Ausnahmen erstaunlich wenig bis gar nicht zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Diskurse wurde. Im Zeichen der Klimakrise hat sich dies geändert: Mobilität und vor allem Verkehr sind reflexiv geworden; die Risiken und Gefahren des bislang fast ungebremsten Verkehrswachstums stellen das lineare Modernisierungsparadigma in Frage. Positive Konnotationen von Freiheit, Fortschritt, Selbstbeweglichkeit, -bestimmung und -verwirklichung bestimmten den Mobilitätsdiskurs über mehr als ein Jahrhundert. Sie werden jedoch sukzessive von den negativen Auswirkungen und diskursiven Rahmungen einer globalen Massenmotorisierung abgelöst.
Vor diesem Hintergrund bleibt die gesellschaftspolitische Frage weiterhin aktuell, ob nicht nur eine „andere Moderne“ (Ulrich Beck), sondern auch eine andere Mobilitätspolitik möglich ist. Verfügen moderne Gesellschaften wie die bundesdeutsche über die Handlungspotenziale, Ressourcen, Instrumente und den Willen, das selbstzerstörerische Mobilitätskonzept der Industriemoderne neu zu definieren?
Der Beitrag kann die Komplexität dieser Fragen nicht umfassend bearbeiten, liefert aber Ansatzpunkte für ihre Beantwortung und weitere Forschung. Dazu wird Mobilität aus einer gesellschaftstheoretischen Perspektive analysiert. Dabei steht die Theorie der reflexiven Modernisierung im Vordergrund und somit die Ambivalenzen, Unsicherheiten und Ungewissheiten einer mobilen und mobilisierten Risikogesellschaft.
Sven Kesselring

Open Access

Mobilität aus historisch-materialistischer Sicht: Analyseperspektiven und Konturen einer Forschungsagenda
Zusammenfassung
Mobilität ist in der Forschung in historisch-materialistischer Tradition bisher ein eher randständiges Thema. Doch es gibt zahlreiche Anknüpfungspunkte zu verschiedenen Ansätzen und in jüngster Zeit wird in der marxistischen Theorietradition verstärkt das Zusammenspiel von sozialen und ökologischen Krisen adressiert. In diesem Kontext bietet es sich an, verstärkt nach den Artikulationsverhältnissen dieser multiplen Krisenkonstellation mit Mobilitätsthemen zu fragen. Der vorliegende Beitrag soll eine Bestandsaufnahme liefern und die Konturen für weitere Forschung umreißen.
Tobias Haas, Hendrik Sander

Open Access

Soziale Innovationen und die sozial-ökologische Transformation urbaner Mobilität
Die Neuaufteilung öffentlicher Räume als Schlüssel zu nachhaltiger Mobilität
Zusammenfassung
In diesem Beitrag untersuchen wir die Rolle sozialer Innovationen für die sozial-ökologische Transformation urbaner Mobilität. Wir verstehen darunter Veränderungen, die auf die Entwicklung neuer Alltagspraktiken und Organisationsmodelle abzielen, um Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu finden. Konkret untersuchen wir drei verkehrspolitische Maßnahmen, die zur Herausbildung und Stabilisierung neuer, weniger automobilorientierter Alltagspraktiken beitragen: (i) die Umgestaltung des öffentlichen Raums durch eine veränderte Nutzung und ggf. Verteuerung bisher für das Parken von Pkw genutzter Flächen, (ii) die Umwandlung von Pkw-Spuren auf Hauptverkehrsstraßen zu Fahrradspuren sowie (iii) die Schließung einer innerstädtischen Hauptverkehrsstraße für den Pkw-Verkehr. Insgesamt wird deutlich, dass die Zustimmung der Bevölkerung zu den genannten Maßnahmen – trotz öffentlichkeitswirksamer Proteste und Kampagnen dagegen – überraschend hoch ist. Dabei werden sowohl Unterschiede je nach Wohnviertel als auch je nach Mobilitätspraktiken und der individuellen Bereitschaft, die eigene Autonutzung zu reduzieren, erkennbar. Vielversprechend scheinen zukünftig von Wissenschaft und Praxis angestoßene partizipative Prozesse in urbanen Quartieren, um die Mobilitätswende weiter voran zu bringen.
Martin Lanzendorf, Annabell Baumgartner, Nora Klinner

Mobilität und Alltag

Frontmatter

Open Access

Mobilitätspraktiken in der Automobilgesellschaft: Zur Wechselwirkung von räumlichen, zeitlichen und verkehrlichen Strukturen
Zusammenfassung
Das eigene Auto ist ein fester Bestandteil des Alltags der Gegenwart im globalen Norden. Die automobil zurückgelegten Distanzen sowie die Zahl der zugelassenen Autos steigen nach der Covid-19-Pandemie weiterhin, obwohl der spürbare Klimawandel die Notwendigkeit unterstreicht, die Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren. Aus mobilitätssoziologischer Sicht ist das Auto nicht einfach ein Fahrzeug zur Distanzüberwindung, sondern ist tief in die Gesellschaft und den Alltag der Menschen eingelassen. Ein Verständnis der Integration des Autos in die Gesellschaft und der Verkehrspraktiken in den Alltag stellt eine Voraussetzung für eine mögliche Abkehr von der automobilen Verkehrsordnung dar. Durch die andauernde Befahrung der Straßen und automobilen Infrastrukturen durch Autos, durch die Affizierung, Unterscheidung und Hierarchisierung von Fortbewegungsarten, die Reproduktion und Aktualisierung des automobilen Wissens erhält sich Automobilität als normale Fortbewegungsart der Gegenwart. In diesen automobilen Praktiken werden die Elemente des Automobilitäts-Dispositivs verbunden: Verkehrsinfra- und Siedlungsstrukturen zusammen mit den individuellen sozialen Netzwerken bzw. gesellschaftlichen Einbindungen geben die Geographen des Alltags, also die Orte und Beziehungen vor, die wiederkehrend miteinander verbunden werden. Mobilitätspraktiken können entsprechend nur unzureichend als Ergebnis individueller Entscheidungen oder Wahlmöglichkeiten verstanden werden, vielmehr sind diese gesellschaftlich und räumlich vorgespurt. Für die Politik der Verkehrswende bedeuten diese Überlegungen, dass die Hegemonie des Automobils auf der Ebene der gesellschaftlichen Normalität, d. h. auf der Ebene der gebauten Umwelt und der sozialen Strukturen, der gesellschaftlichen Wissensvorräte, der Subjektivierungen und Identitäten sowie auf der Ebene der Praktiken des Alltags zunächst verstanden werden muss, um sie dann systematisch und jeweils praktikenspezifisch aufzubrechen. Eine sozial-ökologische Verkehrs- oder Mobilitätswende hätte entsprechend weitreichende Implikationen auf die weitere Alltagsorganisation, das Selbstverständnis, Konsumpraktiken, Vorstellungen über das „gute Leben“ und gesellschaftlich erforderliche Kompetenzen der Individuen.
Katharina Manderscheid

Open Access

Mobilitätspraktiken im Alltag: Konzepte, Methoden und empirische Einblicke
Zusammenfassung
Dieser Beitrag betrachtet die Rolle von Mobilität im Alltag und die damit verbundenen Bedeutungen, Kompetenzen und materiellen Bedingungen. Dabei erfahren praxistheoretische Zugänge sowie die Mobilitätsbiographienforschung (MBF) besondere Beachtung. Diese konzeptionell und methodisch innovativen Ansätze haben erheblich zum besseren Verständnis von Alltagsmobilität als Kombination von mehr oder weniger ressourcenintensiven und dynamischen sozial-räumlichen Praktiken beigetragen. Empirische Studien zu Themen wie Nichtradfahrende, Mobilität im Lebensverlauf und Mobilitätskulturen liefern konkrete Beispiele für inhaltliche, konzeptionelle und methodische Trends und Entwicklungen in der sozialwissenschaftlichen und interdisziplinären Mobilitätsforschung und verdeutlichen deren hohe politische und planungspraktische Relevanz.
Henrike Rau

Open Access

Berufsbezogene Mobilität zwischen Virtualisierung und Beschleunigung
Zusammenfassung
Im Kontext der Corona-Pandemie ist die berufsbezogene Mobilität vermehrt zum Gegenstand der öffentlichen Debatte geworden. Zentral ist die Ersetzung physischer durch digitale Mobilität, um Zeit, Emissionen und Ressourcen einzusparen. Basis dafür ist die zunehmende Verfügbarkeit von Arbeitsgegenständen in digitaler Form und die Möglichkeit virtueller Zusammenarbeit. Der Beitrag behandelt entlang aktueller Studienergebnisse, welche Konsequenzen die Herausbildung eines „Informationsraums“ für die räumliche Rekonfiguration von Arbeit birgt und geht Hinweisen nach, inwiefern physisch-räumliche Mobilität durch digitale Technologien ersetzt werden kann.
Mascha Will-Zocholl

Mobilität und Sozialstruktur

Frontmatter

Open Access

Der Einfluss räumlicher Ungleichheit auf nachhaltige Alltagsmobilität am Beispiel formal Höhergebildeter
Zusammenfassung
Um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen, ist es von großer Bedeutung, die Bevölkerung zu umweltfreundlichem Verhalten zu motivieren. Dies schließt die Alltagsmobilität ein. Sie zählt zu den größten Quellen von Treibhausgasemissionen. Bisherige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Personen mit höherem Bildungsniveau tendenziell umweltfreundlichere Mobilitätsmuster aufweisen, was in der Regel mit einem stärkeren Umweltbewusstsein erklärt wird. Wir untersuchen, inwieweit diese Verhaltensweisen durch sozial-räumliche Faktoren beeinflusst werden. Zum anderen gehen wir belastbaren Hinweisen auf Verhaltensänderungen zugunsten klimaschonender Mobilität nach. Dazu verwenden wir Daten zur Alltagsmobilität aus den Jahren 2002 und 2017, die eine repräsentative Stichprobe der deutschen Bevölkerung im Alter von 18 bis 65 Jahren umfassen. Mithilfe von Mehrebenen-OLS- und logistischen Regressionen sowie fractional multinomial logit-Modellen analysieren wir Veränderungen im Mobilitätsverhalten von Personen mit hohem Bildungsniveau über die Zeit. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Hochschulabsolventen nicht nur häufiger in Metropolregionen leben, sondern auch in den zentralen Vierteln dieser Regionen, was zu kürzeren täglichen Pendelstrecken führt. Folglich benötigen sie weniger Reisezeit und können langsamere und nachhaltigere Verkehrsmittel für ihre Arbeitswege, Besorgungen und Freizeitaktivitäten nutzen, ohne dabei höhere Zeitkosten für ihre Alltagsmobilität als andere soziale Gruppen zu haben. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, sozial-räumliche Ungleichheiten zu bekämpfen, um einer breiteren Bevölkerung einen nachhaltigen Lebensstil zu ermöglichen.
Sarah George, Katja Salomo

Open Access

Die Konzeptualisierung von Mobilität in den Sozialwissenschaften
Zusammenfassung
Das Konzept der Mobilität in den Sozialwissenschaften hat ein enormes Potenzial, wenn es gelingt, die räumliche, zeitliche und soziale Dimension des Phänomens in einem breiten und großzügigen Ansatz zu integrieren. Das sozialwissenschaftliche Mobilitätskonzept bietet einen ganzheitlichen Ansatz für die Analyse zeitgenössischer Gesellschaften. Es fungiert als Analyserahmen, der es ermöglicht, die Verflechtung verschiedener Mobilitätsformen zu untersuchen. Ein solcher Rahmen muss Bewegungen zwischen den verschiedenen Bereichen der Sozialwissenschaften sowie zwischen ihren unterschiedlichen Terrains und Themen erfassen können. So kann es gelingen, die großen Herausforderungen zu verstehen, mit denen moderne Gesellschaften konfrontiert sind, einschließlich des Klimawandels, der Globalisierung des Handels und des Anstiegs der Ungleichheiten.
Vincent Kaufmann

Open Access

Mobilität und Geschlecht: Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Mobilität
Zusammenfassung
Nachhaltige Mobilität umfasst neben ökologischen und ökonomischen Aspekten auch die soziale Dimension, um Mobilität möglichst für alle nutzbar zu machen und niemanden kategorisch auszuschließen. Insbesondere das Geschlecht einer Person hat einen signifikanten Einfluss auf den Alltag und damit auch auf die Mobilität. In diesem Beitrag werden Handlungsoptionen sowohl für die wissenschaftliche Arbeit als auch für die Praxis aufgezeigt, um Geschlechtergerechtigkeit in der sozialwissenschaftlichen Verkehrs- und Mobilitätsforschung und -praxis zu fördern und Diskriminierungen zu vermeiden.
Ines Kawgan-Kagan

Mobilität und Technik

Frontmatter

Open Access

Historische Entwicklung von Mobilitätssystemen: Vom Eisenbahnzeitalter zur Automobilgesellschaft
Zusammenfassung
Der Beitrag skizziert die Entwicklung der Verkehrs- und Mobilitätsgeschichte (West-)Deutschlands seit dem 19. Jahrhundert. Es wird gezeigt, dass bereits die Verkehrsmittel vor dem Auto (vor allem Eisenbahn, Dampfschiff und Fahrrad) Deutschland einen großen Wohlstandsgewinn gebracht haben. Die Analyse betont die verkehrsmittelunabhängige und kontinuierliche Zunahme der Verkehrsleistungen seit dem 19. Jahrhundert. Bezüglich der Verkehrswende könnte die historische Perspektive neue Akzente setzen: So wenig die Verkehrspolitik weiterhin das Auto bevorzugen sollte, so falsch wäre es, die Verkehrswende lediglich an einem veränderten Verhältnis zum Auto zu messen. Dies macht gerade die enorme Zunahme des Flugverkehrs deutlich. Zu adressieren wäre vielmehr, inwiefern unser Verhältnis zur Mobilität weiterhin vor allem durch „schneller“ und „weiter“ geprägt sein soll.
Ueli Haefeli

Open Access

Transformation des Verkehrssystems: Konflikte und Komplexität
Zusammenfassung
Die Transformation des Mobilitätssystems ist mehr als eine Antriebswende, die lediglich lokale Emissionsfreiheit anstrebt und damit verbundene Probleme des Extraktivismus ausblendet. Die Transformation ist notwendigerweise komplex, multiskalar und konfliktreich. Daher werden in diesem Kapitel die globale Verwobenheit und historische und kulturelle Einbettung von Mobilität thematisiert und Analogien zu anderen grundlegenden sozialen und ökonomisch-technischen Umwälzungen gezogen. Abschließend wird dafür plädiert, die dominante Automobilität als Voraussetzung für eine wirksame Transformation des Verkehrssystems zu überwinden.
Jens S. Dangschat, Wladimir Sgibnev

Open Access

Zukunftsbilder und Imaginaries der Mobilität
Zusammenfassung
Dieser Beitrag erörtert die Rolle von Technikzukünften und deren Einfluss auf moderne Gesellschaften, insbesondere im Mobilitätssektor. Aus Sicht der Science and Technology Studies (STS) und des Konzepts der soziotechnischen Imaginaries wird untersucht, wie kollektive Visionen einer wünschenswerten Zukunft durch Fortschritte in Wissenschaft und Technik geformt und gestützt werden. Dabei werden sowohl die Dynamik technologischer Entwicklungen als auch die Kontinuität bestehender Systeme beleuchtet, um zu verstehen, wie Gesellschaften ihre Mobilitätszukünfte konzipieren und realisieren.
Alexander Wentland

Open Access

Mobilitätskrisen und Große Technische Systeme
Zusammenfassung
Kommt eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene nicht zustande, dann werden sich im Zuge weiterer Erderhitzung zunehmend umfassende Mobilitätskrisen ereignen. Forschungen zum Umgang mit bisherigen Mobilitätskrisen – zu Unfällen, Unterbrechungen, Störungen, oder temporären Außerbetriebnahmen – rücken daher in den Mittelpunkt des Interesses. Im Anschluss an Forschungen über Große Technische Systeme (GTS) lassen sich im Umgang mit Störungen Muster identifizieren, die weiträumig und langfristig auf die Entwicklung dieser Infrastrukturen zurückwirken.
Jörg Potthast

Mobilität und Politik

Frontmatter

Open Access

Möglichkeiten und Grenzen politischer Steuerung in der Verkehrspolitik
Kontext, Akteure und Maßnahmen
Zusammenfassung
Wir diskutieren in dem Beitrag die Möglichkeiten und Grenzen politischer Steuerung in der Verkehrspolitik. Dabei wird betont, dass sich diese nicht allein aus den Eigenschaften des Politikfeldes und aus den programmatischen Präferenzen konfligierender Akteure ergeben, sondern auch aus den normativen wie auch wissenschaftlichen Perspektiven, mit denen Verkehrspolitik untersucht wird. Das Politikfeld Verkehr ist wesentlich durch seinen Zweck bestimmt, die Mobilität und Logistik von Personen und Gütern zu organisieren bzw. die entsprechenden technischen und regulativen Voraussetzungen zu schaffen. Das Politikfeld ist durch die eminente Bedeutung von raumbezogenen Infrastrukturen, eine allgemeine gesellschaftliche, gleichwohl sozial differenzierte Betroffenheit ebenso geprägt wie durch seine institutionelle Mehrebenen-Struktur. Kompetenzen und Ressourcen verteilen sich auf die Europäische Union, den Bund, die Länder und die Kommunen. Zudem ist das Politikfeld durch eine Vielzahl von Behörden und die Notwendigkeit gekennzeichnet, mit angrenzenden Politikfeldern zu interagieren. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Akteure in der Verkehrspolitik und ihre programmatischen Überzeugungen. Er stellt ein Set an Push- und Pull-Maßnahmen in der Verkehrspolitik vor. Inhaltlich wird das Politikfeld mit seinen Möglichkeiten strukturiert. Programmatisch plädieren die Autoren für eine empirisch-analytische und auch strategische, gegenstandsbezogene Reflexion und Untersuchung der Möglichkeiten und Restriktion in der Verkehrspolitik.
Detlef Sack, Holger Straßheim, Karsten Zimmermann

Open Access

Mobilität und Daseinsvorsorge zwischen Staat und Markt
Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird die Relation von Daseinsvorsorge und Verkehr nachgezeichnet: Von den Anfängen der begrifflichen Fassung der Daseinsvorsorge in den 1930er-Jahren über die Karriere des Konzepts in der alten Bundesrepublik und über den Versuch der konzeptionellen Harmonisierung mit dem französischen service public in der Europäischen Gemeinschaft/Union bis hin zu ihrer Renaissance in verschiedenen sozial- und wirtschaftspolitischen Kontexten im Angesicht von multiplen Krisen zu Beginn der 2020er-Jahre. Dabei wird argumentiert, dass eine begriffliche und inhaltliche Neufassung des Konzepts notwendig ist, um einerseits das existenzialphilosophische und politisch belastete Erbe des Begriffs abzuschütteln. Anderseits soll eine Neufassung unter dem Dach eines Existenzvorsorgegesetzes den aktuellen sozial- und krisenpolitischen Rahmenbedingungen besser gerecht werden und die verschiedenen Aspekte von Verkehr, digitaler Mobilität, sicherer Energieversorgung und Gesundheitspolitik aufeinander abgestimmt bündeln. Damit soll ein gesetzlicher Rahmen der wirtschaftlichen und politischen Kopplung der genannten Sektoren vorgegeben werden.
Martin Gegner

Open Access

The Local Politics of Green Mobility in San Francisco and Copenhagen
How Political Ideology Shapes Mobility Transitions in Cities
Jason Henderson

Open Access

Direktdemokratische und deliberative Bürgerbeteiligung in der Mobilitätspolitik
Zusammenfassung
Eine konsequent nachhaltigkeitsorientierte kommunale Mobilitätspolitik ist ohne eine aktive Akzeptanz der Bevölkerungsmehrheit in einer Demokratie nicht umsetzbar. Der folgende Beitrag baut auf dieser Erfahrung auf und präsentiert die jüngere Entwicklung sowie aktuelle Erfahrungen mit den deliberativen Bürgerräten und den direktdemokratischen Bürgerbegehren und -entscheiden zur kommunalen Mobilitätspolitik in Deutschland. Der Handbuchbeitrag zeigt, dass diese Verfahren die Möglichkeit bieten, zu kollektiv bindenden Entscheidungen in der kommunalen Mobilitätspolitik zu kommen und damit auch dazu beitragen, der zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung entgegenzuwirken und das Systemvertrauen in demokratische Steuerungssysteme zu stärken.
Bürgerentscheide, die sich in der Vergangenheit oft gegen kommunale Entscheidungen gewandt haben, haben sich in den vergangenen Jahren zu einem demokratischen Instrument gewandelt, welches Zukunftsentscheidungen ermöglicht und nicht bestimmte Entscheidungen verhindert. Dieser Wandel ist vor allem durch eine Kombination der Bürgerentscheide mit zufallsbasierten deliberativen Verfahren möglich geworden. Stakeholderbeteiligungen, so wichtig sie sind, bieten dagegen vor allem Raum für die Artikulation von Einzelinteressen, die sich zumeist gegen einzelne kommunalpolitische Maßnahmen richten.
Hans-Liudger Dienel, Sabine Schröder

Mobilität und Wirtschaft

Frontmatter

Open Access

Mobilität und Korporatismus: Die Transformation der Automobilindustrie und ihre Akteure
Zusammenfassung
Die Automobilindustrie ist seit den 1950er-Jahren das Herzstück der deutschen Wirtschaft. Aufgrund ihrer sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Prägekraft gilt sie als deutsche Schlüsselindustrie und Konjunkturlokomotive. Soziokulturell hält sich die Vorstellung vom Auto als dem inszenierten Statussymbol mit kulturellen Flexibilitätsvorteilen, womit sich soziale Teilhabe sowie die Befriedigung von materiellen Lebensbedürfnissen realisieren lassen. Im Kontext der Klimakrise ist die Privilegierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) zunehmend in die Kritik geraten. Inwieweit es zu der vieldiskutierten Verkehrswende kommt, bestehend aus alternativen Mobilitätsformen, der Reduktion des Individualverkehrs, dem Aufbau kollektiver Infrastruktur und gemeinschaftlicher Fortbewegungsmittel, hängt nicht zuletzt an den Gestaltungs- aber auch Vetoabsichten der tripartistischen Akteursgruppen, Kapital, Arbeit und Staat, ab. Ob eine Neujustierung der Automobilwirtschaft durch kooperatives Handeln der genannten Akteursgruppen gelingen kann oder ob die bestehenden akteursbezogenen Handlungspräferenzen eine Wende verlangsamen, wenn nicht sogar scheitern lassen, ist das Thema des vorliegenden Beitrags.
Wolfgang Schroeder, Frederic Speidel, Jannik Zindel

Open Access

Wirtschaftsverkehr – Logistik – Supply Chain Management
Zusammenfassung
Die sozialwissenschaftliche Wirtschaftsverkehrsforschung hängt der Personenverkehrsforschung hinterher. Obwohl viele Ansätze für eine nachhaltige Entwicklung von Logistik und Wirtschaftsverkehr identifiziert werden können, scheitert deren Umsetzung häufig an den jeweiligen Handlungsspielräumen der vielfältigen Akteure. Erforderlich ist eine systemische Betrachtung, bei denen die logistischen Strukturen von Städten und Regionen als Ganzes begriffen werden und zum Gegenstand systematischer, integrierter Strategien von Politik, Planung und Unternehmen gemacht werden.
Heike Flämig

Open Access

Die sozialen Kosten des Verkehrs: subjektive Wahrnehmungen und objektive Berechnungen
Zusammenfassung
Die privaten Kosten des Autos werden in Deutschland um ca. 5000 € pro Jahr unterschätzt. Die Wahrnehmung dieser Kosten würde eine Reduktion des Autoverkehrs zur Folge haben. Soziale Kosten des Verkehrs umfassen Staukosten, ungerechte Flächenverteilung, lokale Umwelt- und Gesundheitsfolgekosten sowie Klimafolgekosten. Die von der Gesellschaft getragenen Kosten der Automobilnutzung sind ebenfalls ca. 5000 € pro Jahr pro Auto und höher in der Stadt als auf dem Land. Eine höhere Kostentransparenz in der Autonutzung, eine Einpreisung der sozialen Folgenkosten und eine gerechtere Flächenverteilung in Städten würden sowohl dem Klimaschutz als auch dem Wohlergehen aller Menschen zu Gute kommen.
Felix Creutzig, Aneeque Javaid, Stefan Gössling

Transformationsperspektiven auf Mobilität

Frontmatter

Open Access

Konflikte und Koalitionen beim Umbau der Autogesellschaft
Zusammenfassung
Eine Verkehrswende ist viel mehr als nur ein neuer Antrieb. Sie greift etablierte Siedlungsmodelle und auf der Trennung von Funktionen beruhende Distributions- und Konsumstrukturen an. Gleichzeitig irritiert sie individuelle Handlungsroutinen und erschüttert lange unhinterfragte Gewissheiten. Denn jahrzehntelang war das Auto der Kernbestandteil gesellschaftlicher Fortschritts- und individueller Aufstiegsvorstellungen. Daher ist die Verkehrswende notwendigerweise mit Konflikten verbunden. Ein zentraler Problembereich beim Umbau der Autogesellschaft in der Stadt dreht sich um die Verteilung von vom privaten Auto dominierten öffentlichen Flächen. Mit der Neuverteilung dieser Flächen wird auch die Frage nach der Zukunft der Stadt aufgeworfen. Es geht also nicht mehr nur um Verkehrspolitik. Sie tritt sogar oft in den Hintergrund, wenn es um die Grundsatzfragen der Urbanität geht. Zugleich zeigt sich ein paradoxes Phänomen: Im Nachhinein verflüchtigen sich nicht selten Skepsis und Vorbehalte gegenüber der neuen Raumordnung und es wird ungläubig gerätselt, warum es nicht schon früher dazu gekommen ist.
Weert Canzler

Open Access

Lessons learned – drei Jahrzehnte automobilkritische sozialwissenschaftliche Mobilitätsforschung
Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert Eckpunkte des automobilkritischen, sozialwissenschaftlichen Mobilitätsdiskurses der letzten drei Dekaden. Dabei stehen folgende Fragen im Zentrum: Mit welchen zentralen Konzepten hat die sozialwissenschaftliche Mobilitätsforschung einen echten Mehrwert für das Verständnis von Mobilität und deren Veränderbarkeit geschaffen? Was an dieser Forschung hat konzeptuell und begrifflich eine Wirkung in Richtung eines innovativen Verständnisses von Mobilität geschaffen, das dazu beiträgt, die Hegemonie des automobilen Leitbildes zu überwinden? Dabei wird zunächst die Diskussion um unterschiedliche Definitionen von Mobilität und Verkehr rekonstruiert. Es wird auf den bis heute wirkmächtigen Begriff der Verkehrswende eingegangen, ebenso auf den techniksoziologischen Schlüsselbegriff Rennreiselimousine. Mit den Konzepten der Mobilitätskultur und der Mobilitätsstile sowie Folgerungen hinsichtlich einer zukünftigen transdisziplinären, die materielle Dimension stärker einbeziehenden Mobilitätsforschung schließt der Beitrag.
Konrad Götz

Open Access

Transdisziplinäre Experimentierräume als Forschungsstrategien in der Mobilitätswende
Zusammenfassung
Transdisziplinäre Forschungsformate, allen voran Reallabore, die gezielt weitere gesellschaftliche Akteursgruppen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einbeziehen, gewinnen stetig an Bedeutung. Ihr entscheidendes Potenzial liegt in der ko-produktiven Generierung von Ziel- und Transformationswissen durch die lösungsorientierte Zusammenarbeit heterogener Akteure. Transdisziplinäre Experimentierräume sind eine spezifische Form von Reallaboren, die Orte hervorbringen, an denen Alternativen erlebt und erprobt werden können. Sie produzieren empirische Anstöße für Irritationen tradierter Handlungsroutinen, schaffen neue Möglichkeits- und Erfahrungsräume und machen Konfliktarenen analysierbar. Sie bieten dabei vielfältige Chancen für einen bi-direktionalen Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Praxis. Kommunen bilden die Orte der Umsetzung von Experimentierräumen im Mobilitätsbereich. Die Betrachtung zentraler Rahmenbedingungen in Kommunen (z. B. rechtliche Handlungsspielräume und Ressourcen) erlaubt ein tieferes Verständnis für Herausforderungen und Potenziale der transdisziplinären Zusammenarbeit. Experimentierräume schaffen hierbei nicht nur empirische Zugänge zu relevanten Forschungsthemen, sondern geben zugleich vielfältige Anstöße für eine kritische Reflexion der Rolle von Wissenschaft bei der Bewältigung der anstehenden Transformationsherausforderungen.
Juliane Haus

Open Access

Zivilgesellschaft als Treiber der Mobilitätswende: Kiezblocks als Beispiel für Stadtgestaltung von unten
Zusammenfassung
Trotz eines übergeordneten gesellschaftlichen Konsenses mit Blick auf eine Mobilitätswende in Deutschland erhält die historisch geprägte korporatistische Politikkonstellation den Automobil-orientierten Status quo aufrecht. Unabhängig davon bleibt als Treiber fast nur die Zivilgesellschaft. Ihre Initiativen führen zu Beschlüssen auf kommunaler Ebene oder zu Gesetzen auf Länderebene, die eine Transformation der Verkehrsinfrastruktur verlangen. Diese werden nicht konsequent umgesetzt, was zu einer Kluft zwischen Ankündigungen und Erwartungen einerseits und Handlungen andererseits führt. Zivilgesellschaftliche Akteure fordern nichtsdestotrotz die Mobilitätswende ein. Im Berliner Beispiel der „Kiezblocks“ verfolgen sie zweigleisig eine politische und mediale Agenda-Setting-Strategie, um eine Mobilitätswende zumindest lokal herbeizuführen, mit Strahlkraft über Berlin hinaus.
Dirk von Schneidemesser, Nicolina Kirby
Metadaten
Titel
Handbuch Mobilität und Gesellschaft
herausgegeben von
Weert Canzler
Juliane Haus
Andreas Knie
Lisa Ruhrort
Copyright-Jahr
2025
Electronic ISBN
978-3-658-37557-7
Print ISBN
978-3-658-37556-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37557-7