Skip to main content

2018 | Buch

Handbuch Qualitative Videoanalyse

herausgegeben von: Dr. Christine Moritz, Prof. Dr. Michael Corsten

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Das Handbuch bietet einen breiten und vollständigen Überblick über die derzeit wichtigsten qualitativen Methoden der Videoanalyse und Filmanalyse sowie deren Entwicklungen in den Sozialwissenschaften und schließt somit in einem Fachbereich, der durch hohe Diversität gekennzeichnet ist, eine noch immer bestehende Lücke. Zudem geht der Band forschungspraktisch auf die bestehenden methodischen und methodologischen Herausforderungen ein, differenziert und arbeitet auf diese Weise die bestehenden Anforderungen im Umgang mit dem besonderen Datentypus nachvollziehbar heraus.


Videos per App: Laden Sie die Springer Multimedia App kostenlos herunter - Abbildungen im Buch per App mit Handy oder Tablet scannen, um Videos zu streamen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

I. Positionen und methodologische Grundlagen

Frontmatter
„Well, it depends … “: Die mannigfaltigen Formen der Videoanalyse in der Qualitativen Sozialforschung. Eine Annäherung

Video-/filmbasierte qualitative Sozialforschung heute zeigt sich vor allem mannigfaltig: Eine Anzahl an mittlerweile sich fest etablierten Forschungsmethoden (TA 1 und 2) hat sich innerhalb einzelner Forschungsphasen (TA 2) und Verwendungsweisen (TA 3) positioniert. Eine Einheit oder gar ein Standard in den Fragen der Datenkonvertierung, der Gütekriterien oder des ethischen Umgangs mit dem Feld scheint sich jedoch in eine Antwort zu verlieren: „Well, it depends ….“. Der vorliegende Artikel möchte einen Beitrag dazu leisten, die Elemente, die zu einem überzeugenden Forschungsdesign führen, nachzuzeichnen und dabei mindestens drei Bereiche zu thematisieren, die eines grundlegenden Diskurses bedürfen: Die Frage der Transkription (Transformation) bewegter Audio-Visualitäten in ein schriftsprachliches Dokument (TA 4), die Frage der Ergebnisdarstellung video-/filmbasierter qualitativer Forschung (TA 5) und die Frage des Umgangs mit dem Datenschutz (TA 7) gerade bei hochsensiblen Daten, mit denen Forschende praktisch immer zu tun haben. Im Beitrag soll neben der einführenden Übersicht in die Thematik der Qualitativen Videoanalyse unter Bezugnahme auf aktuelle Literatur idB exemplarisch die Multikodalkonzeption mit Feldpartitur und erstmals der Feldpartitur Video Publisher vorgestellt werden (TA 3 und 4).

Christine Moritz
Die ethnografisch eingebettete Medienanalyse als interdisziplinäre Forschungspraxis
Perspektiven und Befunde aus soziologisch-medienwissenschaftlichen Projekten

Der folgende Beitrag zeigt auf, wie die Verbindung von interpretativ-rekonstruktiver Sozialforschung mit den Verfahren der Medienwissenschaft fruchtbare Erkenntnisse und ergänzende Perspektiven für die Analyse von audiovisuellen Texten generieren kann. Anhand zweier Beispiele aus der eigenen Forschungspraxis wird dargestellt, welchen Mehrwert die interdisziplinäre und ethnographisch eingebettete Medienanalyse für die Untersuchung von medialen Erzeugnissen bietet.

Andreas Dörner, Ludgera Vogt
Wissenssoziologische Videohermeneutik

Die Wissenssoziologische Videohermeneutik ist ein interpretatives Verfahren zur sozialwissenschaftlichen Analyse von Videodaten unabhängig von deren jeweiligen Inhalten und Erscheinungsformen. Der Beitrag stellt die zentralen methodologischen Grundüberlegungen des empirisch-analytischen Ansatzes vor und erläutert die aus diesen Prämissen sich ableitenden, konkreten Verfahrensschritte einer methodisch kontrollierten Videoanalyse.

Jürgen Raab, Marija Stanisavljevic
Bild- und Videoanalyse in der Dokumentarischen Methode

Die Videoanalyse im Rahmen der Dokumentarischen Methode nach Ralf Bohnsack zielt auf den genuin bildlichen Sinn von Bewegtbildkommunikation, der sich nicht unmittelbar in Sprache übersetzen lässt. Es handelt sich dabei um eine latente Bedeutungsebene, die auch Aufschluss über die Habitus der abgebildeten und abbildenden Bildproduzent*innen geben kann, von ihnen aber nicht bewusst hervorgebracht wird. Die Leitunterscheidung von impliziten, nicht- oder vor-sprachlichen Sinngehalten einerseits und expliziten und sprachlichen Sinngehalten andererseits ist für die Dokumentarische Methode konstitutiv. Durch die grundlagentheoretische Verortung der Dokumentarischen Videoanalyse in der Praxeologischen Wissenssoziologie bieten sich innerhalb des gleichen Paradigmas Triangulationsmöglichkeiten mit weiteren Untersuchungsperspektiven ohne methodologischen Bruch.

Burkard Michel
Methoden der Film- und Fernsehanalyse

Seit den 1960er-Jahren haben sich verschiedene methodologische Zugänge entwickelt, mit denen audiovisuelle Medien wie Film und Fernsehen analysiert werden. Grundlegend für eine Analyse, die nicht nur die Interpretationsleistung des Analysierenden hervorheben will, muss die Analyse des von den Medien ausgehenden Kommunikationsprozesses mit den Zuschauern sein. Filme und Fernsehsendungen strukturieren Aktivitäten der Zuschauer vor und bringen sie in spezifische Subjektpositionen. Die Beachtung einer Reihe von Arbeitsschritten kann die systematische Analyse erleichtern.

Lothar Mikos
Die Kunstlehre der wissenssoziologisch-hermeneutischen Videointerpretation

In diesem Beitrag wird eingangs die These ausgeführt und erläutert, weshalb Videos aller Art immer auch kommunikative Handlungen sind – weshalb sie auch als kommunikative Handlungen interpretiert werden können. Anschließend wird die Kunstlehre der wissenssoziologisch-hermeneutischen Videointerpretation mit der Unterscheidung von Handlung vor der Kamera und Kamerahandlung vorgestellt und begründet. Abschließend wird das Problem der für hermeneutische Analysen angemessenen Transkription von Videodaten diskutiert.

Jo Reichertz
Soziologische Videographie
Fokussierte Ethnographie und Sampling

Soziologische Videographie bedeutet die Analyse von Videodaten von den zu untersuchenden sozialen Interaktions-Situationen. Sie setzt deswegen eine ethnographische Erhebung in diesen Situationen voraus, die ihr Feld bilden. Die besondere Art dieser „fokussierten Ethnographie“ zur Erhebung ist Gegenstand dieses Beitrags. Die eigentliche Videointeraktionsanalyse, die daran anschließt, wird im Beitrag von Tuma (idB) erläutert. Beide Beiträge müssen als miteinander verbunden und aneinander anschließend betrachtet werden. Im Kontext dieser Darstellung werden wir praktische Probleme des Feldzugangs, der Aufzeichnung und des Samplings ansprechen und an einigen Beispielen erläutern.

Hubert Knoblauch, Theresa Vollmer
Grounding Visuals
Annotationen zur Analyse audiovisueller Daten mit der Grounded-Theory-Methodologie

Auf Videos und Filme wird mittlerweile in der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung häufig zurückgegriffen. Bislang wurden allerdings kaum Angebote zur Bearbeitung (audio-)visueller Daten aus dem Umfeld der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) unterbreitet, obschon nach deren Grundlegung durch Barney Glaser und Anselm Strauss in der mittlerweile 50jährigen Forschungstradition diverse Weiterentwicklungen zu verzeichnen sind. Angesichts zahlreicher Rückgriffe auf die GTM in Forschungsarbeiten einerseits und angesichts der Konjunktur audiovisueller Daten andererseits ist es aus unserer Sicht notwendig, über mögliche Potenziale, Anwendungsbereiche und Anwendungsfragen einer audiovisuellen Grounded-Theory-Methodologie nachzudenken. Ziel des Beitrags ist es daher, erste Anschlüsse für eine Analyse audiovisueller Daten unter Rekurs auf die GTM darzulegen und dabei elementare Schritte der Forschungsplanung wie Sampling und Fallkontrastierung sowie der Analyse mit Blick auf Segmentierung, Kodierung und Memoing zu reflektieren.

Marc Dietrich, Günter Mey
Selektion und Rekonstruktion
Herausforderungen und Möglichkeiten erziehungswissenschaftlicher Videographie

Das Problem der Notwendigkeit eines selektiven Bezugnehmens auf die beobachtete Situation wird in diesem Beitrag zum Ausgangspunkt einer methodologischen Reflexion videographischer Interaktionsanalysen gemacht. In einer rekonstruktiven Wendung dieses Problems wird vorgeschlagen, die Analyse auf die Kriterien des Auswählens zu fokussieren, an denen sich die Interaktionsbeteiligten im beobachteten Geschehen orientieren. Erziehungswissenschaftlich bedeutsam ist ein solcher videogestützter Blick auf die soziale Ordnung des Umgangs mit Selektivität, weil mit ihm das pädagogische Phänomen der Aufmerksamkeit als ein interaktiv hervorgebrachtes Geschehen empirisch erschließbar wird.

Jörg Dinkelaker
Mikrodispositive als Bindeglied zwischen ethnomethodologischer Videoanalyse und Dispositivanalyse

Der Beitrag stellt Deleuzes Begriff des Mikrodispositives als Konzept vor, das ethnomethodologische Videoanalyse mit der Analyse von Subjektivationsprozessen, die durch Dispositive gerahmt werden, verbinden kann. Mikrodispositive stehen nicht in Konflikt mit den Annahmen des methodologischen Situationalismus und erlauben es, die empirische Frage nach dem situierten Hervorbringen von Dispositiven zu stellen. Auf diese Weise soll einerseits die theoretische Voreingenommenheit der Dispositivanalyse überwunden werden, andererseits die Möglichkeit einer kritischen Thematisierung der Gesellschaft, die auf Videoanalyse basiert, eröffnet werden.

Marius Meinhof

II. Datenaufbereitung: Vorbereitung und Aufbereitung videoanalytischer Untersuchungen

Frontmatter
Ethnomethodologische Interaktionsanalyse

Der Beitrag stellt relevante Aspekte der Ethnomethodologie sowie der ethnomethodologischen Konversations- und Interaktionsanalyse dar. Anhand einer Interaktionssequenz, die ich bei einem Sehtest aufgezeichnet habe, führt er dann die Analyse von Videoaufnahmen von Interaktionssequenzen vor. Die Analyse zeigt, wie ethnomethodologische Forschung die Konstitution von Phänomenen aus der praktischen Perspektive der Teilnehmer analysiert. Der Beitrag endet mit kurzen Hinweisen auf die Beiträge der ethnomethodologischen Interaktionsanalyse zu soziologischen Debatten wie auch zu praktischen Fragestellungen.

Dirk vom Lehn
Zur Transkription und Repräsentation von Handlungskoordinierungen in Raum und Zeit
Am Beispiel von Wissenskommunikation im Trampolintraining

Der Beitrag diskutiert die methodologische Frage, wie eine gegenstandsangemessene und intersubjektiv nachvollziehbare Darstellung audio-visueller Daten erfolgen kann. Neben einem kursorischen Überblick zur Prozesshaftigkeit der Transkription als methodische Praxis bildet die Transformation audio-visueller Daten einen zentralen Problembezug. Am Beispiel eigener ethnomethodologischer Videoanalysen zur Wissenskommunikation von Trainer/innen und Athleten/innen im Trampolintraining wird eine am Gegenstand entwickelte visuelle Darstellung vorgestellt, die die räumlichen Bewegungsverläufe der turnenden Athleten/innen wie auch die koordinierten verbalen ‚Einwürfe‘ der Trainer/innen in einen zeitlich-sequentiellen Zusammenhang simultan ablaufender kommunikativer Handlungen integriert. Darauf basierend wird die Position entwickelt, bei der Darstellung audiovisueller Daten nicht nur standardisiert vorzugehen, sondern diese auch im Sinne eines „unique-adequacy-requirerment“ (Garfinkel und Wieder 1992) reflexiv an die Forschungskontexte zurückzubinden.

Ajit Singh
Zwischen klingenden Rohdaten und sprachlicher Transformation
Zur videobasierten Analyse von Klang und Bewegung bei der Untersuchung gemeinsamen Musizierens im Unterricht

Musikbezogene Forschungsfragen haben eine hohe Affinität zu Videodaten, da diese die musikalischen Interaktionen in ihrem Kern – Klang und Bewegung – einfangen und erforschbar machen. Musikimmanente Bedingungen wie die Nichtsprachlichkeit, die Zeitlichkeit und die ästhetische Dimension musikalischer Äußerungen erfordern jedoch im Analyseprozess einen weiten Sprung von den Videodaten zu sprachlichen Begriffen.Der Beitrag diskutiert anhand eines forschungspraktischen Beispiels aus der Musikpädagogik Merkmale und Herausforderungen dieses Kodewechsels, dessen methodologische Überlegungen auch für außermusikalische Forschungsthemen von Interesse sein könnten.

Bianca Hellberg
Tanz – Film – Schrift
Methodologische Herausforderungen und praktische Übersetzungen in der Tanzanalyse

Der Beitrag diskutiert methodologische Herausforderungen und mediale Übersetzungspraktiken in der Tanzanalyse insbesondere vor dem Hintergrund der Nutzung der Software Feldpartitur. Anhand des Solos aus Pina Bauschs Stück Como el musguito en la piedra, ay si, si, si … (2009), getanzt von Dominique Mercy, zeigt der Text exemplarisch auf, wie sich mediale Übersetzungsprozesse mithilfe einer softwaregestützten Tanzanalyse vollziehen. Dabei wird die These veranschaulicht, dass „Tanz“ in medialen Übersetzungen immer anders hervorgebracht wird, Übersetzungen also immer wieder neue Lesarten und kulturelle Deutungsmuster von „Tanz“ erzeugen.

Gabriele Klein, Elisabeth Leopold, Anna Wieczorek
Deskription und Rekonstruktion
Mit der Web-Applikation trAVis audiovisuelle Medienprodukte analysieren

In audiovisuellen Medienprodukten werden komplexe Sinnstrukturen in unterschiedlichen Bild-Text-Ton-Bezügen hergestellt. Mit der Web-Applikation trAVis kann das Zusammenspiel von Bild, Text und Ton/Musik differenziert transkribiert und auf dieser Basis umfassend analysiert und interpretiert werden. Musik kann als Notation festgehalten, Sprache und Gesang im Metrum der Musik notiert und die Montage der Bilder markiert werden. Am Beispiel von Musikvideos wird gezeigt, wie mit trAVis die Einzelebenen und die wechselseitigen audiovisuellen Korrespondenzen umfassend transkribiert und visualisiert werden können.

Daniel Klug, Klaus Neumann-Braun
Face to Screen
Eine techniksoziologische Betrachtung videographischer Forschungspraxis in bildschirmbasierten Situationen

In unserem Beitrag schlagen wir vor, videographische Datenerzeugung in bildschirmbasierten Situationen aus techniksoziologischer Sicht als auf Mensch, Maschine und Software different verteiltes Handeln zu betrachten. Wir diskutieren die analytischen Möglichkeiten dieser Perspektive anhand von videographischen Daten aus Skypesituationen in transstaatlichen Familien und Softwarearbeit in digitaler Postproduktion, welche je mit anderen Priorisierungen auf physische und informationelle Dimensionen der bildschirmbasierten Situationen zugreifen, um dem Forschungsgegenstand je gerecht zu werden. Ziel ist, durch die techniksoziologische Sichtbarmachung der heterogenen Gewichtungen im Zusammenspiel zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Instanzen in der Datenerzeugung, diese als gestaltbare Elemente der Forschung erkennbar zu machen.

Jagoda Motowidlo, Ronja Trischler

III. Methodologie und Methodik: Konkrete Fragen der Datenanalyse

Frontmatter
Seeing is Believing!?
Potenziale und Grenzen des vergleichenden Sehens im Video

Der Beitrag zeichnet die Verwendung visueller Aufzeichnungen in den Sozialwissenschaften, die Ausdifferenzierung und Trennung bild- und videoanalytischer Verfahren und die Varianten und Probleme in der Darstellung von Video und Videoanalysen in Texten nach. Mit Blick auf neue Ansätze in der Bildinterpretation und neue medientechnische Möglichkeiten der Videobearbeitung und Darstellung wird der Einsatz kurzer Animationssequenzen für die Videoanalyse und Videodarstellung in wissenschaftlichen Texten an einem Beispiel diskutiert.

Paul Eisewicht, Pao Nowodworski, Christin Scheurer, Nico Steinmann
„Massenfieber“ – Methodische Annäherungen an emotionale Intensität unter dem Aspekt der Nano-Kommunikation in großen Menschenansammlungen

Der folgende Beitrag fokussiert auf der Basis von Videodaten kollektive Kommunikationshandlungen in großen Ansammlungen unter dem Aspekt der sog. Nano-Kommunikation. Nach einer theoretischen und sozialtheoretischen Annäherung an den Gegenstand folgen Erläuterungen zur Forschungspraxis: In der Grounded Theory/HWS-(Teil-)Studie wurden Videodaten; ethnografische Erlebnisdaten und Interviews kombiniert und mit Feldpartitur ausgewertet. Zwischenergebnis ist das in diesem Beitrag in aller Kürze vorgestellte Massenfieber-Modell (Mass Intenseness), welches Makroprozesse, Mesoprozesse (Ko-Operation), Mikroprozesse (Ko-Ordinierung) und Nanoprozesse (Ko-Orientierung) in einen Zusammenhang stellt. Das Modell wird an einem exemplarischen Videodatum aus dem Bereich Fußball-Großveranstaltung empirisch aufgezeigt, und zu diesem Zweck eine Feldpartitur, welche die zeitlichen Abläufe als Strukturbild zeigt, veröffentlicht. Die Partitur ist als Bewegtbildapplikation beigefügt. Der Beitrag ermöglicht unter dem Fokus des forschungsmethodischen Vorgehens einen Einblick in die laufenden Forschungsarbeiten.

Christine Moritz
Das Aufzeichnungsmedium als Interaktant
Zur „Invasivität“ empirischer Forschung

Der Beitrag setzt sich mit dem Problem des „Beobachterparadoxons“ (Labov u. a. 1971a, b) in video- und audiographierten schulischen Interaktionen auseinander. Wird der Einfluss der Kamera auf beobachtete Interaktionen in der Unterrichtsforschung häufig bestritten, können empirische Untersuchungen doch „Invasivitätseffekte“ der Kamera in Lehr-Lern-Kontexten zeigen. Diese Erkenntnisse um die Perspektive erweiternd, dass Objekte von den Beteiligten mit in die Turn-Konstruktion einbezogen werden und so Interaktionsstatus (agency) haben, versucht der vorliegende Beitrag, die Kamera nicht nur als unbestimmten Einflussfaktor zu fassen, sondern hinsichtlich unterschiedlicher Invasivitätsdimensionen systematisch einzuschätzen, wie sich der Einfluss der Kamera auf die beobachteten Interaktionen auswirken kann.

Katrin Hee
Qualitative Daten quantifizieren
Videogestützte Analyse von Trainer*innenverhalten in Gesundheitssportkursen

Für die Entwicklung eines inhaltlich validen und reliablen Beobachtungsinstruments zur Analyse von motivationsrelevantem Trainer*innenverhalten im Gesundheitssport wurde in der vorliegenden Untersuchung ein fünfstufiger Prozess durchlaufen, in dem qualitativ-interpretative und quantitativ-analytische Arbeitsschritte so verknüpft werden, dass sich entdeckende und prüfende Forschungsphasen ergänzen. Das Instrument (Instructor Behavior Assessment Scheme: IBAS) wurde anhand von Videosegmenten von N = 7 Trainer*innen aus verschiedenen Gesundheitssportkursen entwickelt. In einem analytischen Prozess wurde zunächst ein theoretisch fundiertes Codesystem deduktiv entwickelt. Dieses wurde anschließend induktiv am empirischen Material feldbezogen ausdifferenziert. Im Fokus stand die Frage, wie motivationsrelevante Indikatoren im (reellen) Verhalten der Trainer*innen sichtbar werden. Die anschließende Kategorisierung und Quantifizierung der Verhaltensweisen steht im Dienste der Standardisierung, Ökonomisierung und Wiederholbarkeit. Abschließend wurde das Instrument einer empirisch-analytischen Qualitätsprüfung unterzogen. Die inhaltliche Validität kann auf der Grundlage zweier Studien aus der Perspektive von Trainer*innen sowie Teilnehmenden von Gesundheitssportkursen bestätigt werden. Sowohl die Interrater-(ICCunjust, einfakt. > 0,78) als auch die Intrarater-Reliabilität (ICCunjust, einfakt. > 0,93) werden als gut bis sehr gut eingestuft.

Julia Herb, Petra Gieß-Stüber
Anforderungen mobiler Interaktionssettings in der multimodal-ethnographischen Feldforschung

Der mobility turn in den Sozialwissenschaften bringt neben neuen Perspektiven auf bekannte Konzepte und der Eröffnung neuer Forschungsbereiche auch veränderte Anforderungen an Feldforscher mit sich. Um die Möglichkeiten des neuen Datenmaterials auszuschöpfen, reicht die einfache Kombination aus Tongerät und Videokamera auf Stativ nicht mehr aus. Mobile Interaktionssettings, insbesondere solche mit sich frei bewegenden Interagierenden, stellen in Hinblick auf die Datenerhebung erweiterte Anforderungen an Feldforscher/innen.

Maximilian Krug
Video-Interaktionsanalyse
Zur Feinauswertung von videographisch erhobenen Daten

Die Video-Interaktionsanalyse ist ein Verfahren um im Rahmen von Videographien (vgl. Knobauch und Vollmer idB) aufgezeichnete Interaktionen verstehend auszuwerten. Kern der Analyse ist die von der ethnomethodologischen Konversationsanalyse geprägte Sequenzanalyse, bei der die Handlungszüge der beteiligten Akteure nach und nach verstanden und somit das aufgezeichnete Interaktionsgeschehen rekonstruiert werden kann. Dieses Kapitel verortet die Video-Interaktionsanalyse in Bezug auf die zu untersuchenden Datensorten, vor dem Hintergrund ihrer Theorie- und Methodentradition und grenzt sie von anderen Verfahren zur Auswertung von Videodaten ab. An einem Beispiel wird das Vorgehen erläutert und die Verbindung mit der Videographie erklärt.

René Tuma
Automatisierte Videoanalyse

Die automatisierte Analyse von Videodaten basiert auf Methoden der digitalen Bildverarbeitung. Unterschiedliche Merkmale im Bild liefern in verschiedenen Szenarien relevante Informationen. Die zugrunde liegenden mathematischen Algorithmen und Modelle sind dem Feld des maschinellen Lernens zugeordnet. Zu den wichtigsten Merkmalen gehören Farbe und Kanten. Bestehende Grenzen können nur zum Teil mit rein technischen Mitteln gelöst werden.

Daniela Horn, André Ibisch, Marc Tschentscher
Der blinde Fleck
Ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen von Video- und Interviewdaten und ein Plädoyer für ihre Kombination im Zuge ethnographischer Forschung

In diesem Beitrag geht es darum, die Grenzen und Möglichkeiten von zwei häufig miteinander kombinierten Datenformen zu diskutieren, nämlich Interview- und videographisch aufgezeichnete Beobachtungsdaten im Rahmen ethnographischer Forschung. Als zwischen diesen Daten vermittelnde Größe wird die Subjektivität herausgestellt und ihre Rolle im Auswertungsprozess angerissen.

Richard Bettmann

IV. Ergebnisdarstellung: Probleme und deren Lösungen

Frontmatter
Videographie in der Musiktherapie und ihre datenschutzrechtlichen Implikationen

Die Musiktherapie ist im österreichischen Hochschulbereich ein relativ junger wissenschaftlicher Bereich, der aufgrund seiner Spezifika die Therapeutinnen und Therapeuten vor besondere Fragen und Herausforderungen stellt. Der Einsatz von Videographie zur Sichtbarmachung, Reflexion und Evaluierung der Musiktherapie ist äußerst zielführend, jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen zulässig. Diese Voraussetzungen sollen an dieser Stelle dem Nutzen gegenübergestellt und grundsätzlich beleuchtet werden.

Michaela Hörmann, Gerhard Tucek, Iris Zoderer, Patrick Simon
Das Interpretations-Bild
Über die Repräsentation audio-visueller Forschungsdaten in soziologischen Publikationen

Nachzeichnend überarbeitete Momentaufnahmen kommen heute in soziologischen Publikationen, die auf Forschungsergebnissen der Analyse von Video- und Filmdaten beruhen, in zunehmender Zahl zur Anwendung. Eine umfangreiche methodologische Reflektion dieser Praxis ist umso relevanter, da den LeserInnen solcher Publikationen die vorangegangen und anschließenden Momente des Ablaufs der betreffenden Videosequenz als Verstehenshilfen i.d.R. fehlen. Der vorliegende Beitrag versteht sich als ein erster Schritt in Richtung einer solchen Reflektion der Praxis nachzeichnender Überarbeitung und der Herstellung von Interpretations-Bildern. Dabei wird vor allem auf den repräsentativen sowie den analytischen Mehrwert dieser Praxis rekurriert. Mit dem Begriff des „präsentationalen Wissens“ (Wilke et al. 2017) wird darüber hinaus auf die wachsende Bedeutung von Visualisierungen für die Publikation von Forschungsergebnissen in der visuellen Soziologie hingewiesen. Ziel des Beitrags ist es, die nachzeichnende Überarbeitung als ein methodisches Teilverfahren der qualitativen Videoanalyse wie z. B. der Videographie (Tuma et al. 2013) näher zu bestimmen und zu einer methodologischen Reflektion dieser Praxis, sowohl im Forschungs- als auch im Publikationsprozess, anzuregen.

René Wilke

V. Anwendung: Forschungsgenerierte Videographie in der Schul- und Unterrichtsforschung

Frontmatter
Ethnographie des Unterrichts mithilfe von Videodaten

Unter der Perspektive von Ordnungs- und Interaktionsprozessen im Unterricht werden zwei audio-videographische Sequenzen (aus dem Sport- und dem Sachunterricht) beschrieben und kontrastiert. Neben der erwartbaren Frage der theoretischen Bezüge für eine so gefasste Analyse, rückt ein zentrales Darstellungsproblem in den Fokus: Wie kann das Arbeiten an videographischem Material textlich so abgefasst werden, dass intersubjektive Nachvollziehbarkeit gewährleistet ist? Die Antwort liegt in Dichter Beschreibung.

Kathrin Audehm, Michael Corsten, Peter Frei, Katrin Hauenschild
Pädagogisch-phänomenologische Videographie
Zeigen, Aufmerken, Interattentionalität

Dieser Beitrag stellt die methodologischen Grundlagen und die Praxis der pädagogisch-phänomenologischen Videographie dar. In einem ersten Schritt werden Grundzüge der phänomenologischen Erfahrungstheorie, der Theorie der Verkörperung, des Antwortgeschehens und einer phänomenologischen Theorie des Bildes dargelegt. Daran anschließend wird das Betrachten von Videodokumenten als responsive, teilnehmende Erfahrung bestimmt. Mit einem Überblick zur Epistemologie und Methodologie der phänomenologischen Betrachtungsweise wird der forschungsmethodische Teil eingeleitet. Hier werden an einem Beispiel die einzelnen Schritte einer phänomenologischen Videographie und Analyse exemplarisch skizziert. Dabei wird eine Perspektive auf Schulunterricht eröffnet, die ihn als interattentionales Antwortgeschehen fasst, in dem Zeigen als spezifisch pädagogische Verkörperung mit Aufmerken bzw. Aufmerksamkeit korrespondiert. Abschließend werden erste Forschungsergebnisse zu einer Typisierung von pädagogischen Zeigegesten präsentiert.

Malte Brinkmann, Severin Sales Rödel
Der sportunterrichtliche Spielplan
Die videographische Rahmenanalyse als methodisches Sehinstrument

Nicht nur in der Sportpädagogik und -soziologie, sondern disziplinübergreifend, ist es eine der großen Herausforderungen audio-visuelle Daten aufgrund ihrer Komplexität aufzubereiten und der Analyse zugänglich zu machen. Häufig zeigen sich über Verschriftlichungen oder Deskriptionen Transformationen und schließlich Verkürzungen des eigentlichen Datums. Der folgende Beitrag eröffnet die methodologische Argumentation sowie erste Ansätze der methodischen Vorgehensweise einer videographischen Rahmenanalyse. Entgegen etablierter Methodenkorsetts wird das Primat des laufenden Bildes ernst genommen, um eine mikrosoziologische Betrachtung der sozialen Praxis – hier im Sportunterricht – zu ermöglichen. Am Beispiel des sportunterrichtlichen Spielplans werden nach einer praxistheoretischen, ethnomethodologischen und rahmenanalytischen Grundlegung empirische Einblicke in die Umsetzung und den Mehrwert einer videographischen Rahmenanalyse gegeben. Ganz im Sinne einer angestrebten Etablierung werden im Anschluss erste Passungsverhältnisse herausgestellt.

Dennis Wolff
Bewegung und Zeit als formbildende Elemente im Video

In dem Beitrag werden audiovisuelle Eigenproduktionen von Kindern nach ästhetischen Strukturelementen und deren Anwendung untersucht. Anhand von drei Clipbeispielen mit ähnlichem Motiv wird das mikroprozessuale, zirkuläre Vorgehen der Untersuchung ausgeführt. Die Analyseergebnisse werden mit Theorien von Goodman und Deleuze kombiniert und schließlich exemplarisch an den Clipbeispielen ausgeführt.

Regine Hilt
Lesen und lösen – Prozessorientierte videobasierte Analyse der Bearbeitung von Leseverständnisaufgaben durch GrundschülerInnen

Dieser Beitrag fokussiert auf eine prozessorientierte Analyse des Bearbeitens einfacher Leseverständnisaufgaben. Das videographische Material stammt aus dem Projekt „Individuelle Erwerbsverläufe im sinnerfassenden Lesen“ zu Lesestrategien von GrundschülerInnen der zweiten Schulstufe, das Videographie als zentrale Erhebungsmethode einsetzte, um SchülerInnen beim Lesen kurzer Texte bzw. bei der Bearbeitung von Leseverständnisaufgaben zu beobachten und zu filmen. Ausgangspunkt der Studie war die Annahme, dass eine videographische Aufzeichnung von Leseprozessen wesentlich mehr und bessere Evidenz für individuelle Strategien und Schwierigkeiten bietet als ein rein ergebnisorientiertes Abtesten von Lesekompetenzen in Form gängiger produktorientierter Standardüberprüfungen.Abseits einer Beurteilung des Ergebnisses als „richtig“ oder „falsch“ ermöglicht die videographische Aufzeichnung und die multimodale Analyse des Verhaltens der Kinder den Zugang zu inneren Prozessen der Bearbeitung von Texten und Aufgaben. In den Aufnahmen wechseln stille Phasen der Bearbeitung mit Sequenzen, in denen die Kinder mit den ExploratorInnen über ihre Lösungen sprechen. Prozesse, die in den stillen Phasen des leise Lesens, Nachdenkens, Orientierens und der Selbstkorrektur ablaufen, werden durch die Videoaufzeichnung sichtbar. Es zeigt sich auch, wie objektiv „falsche“ aber aus individueller Sicht „richtige“ Lösungen zustande kommen und dass auch bei sehr kurzen Texten die Spannbreite möglicher Lösungen und Interpretationen beachtlich ist.Ein weiteres Ergebnis der Analyse und Interpretation der Daten ist auch, dass „Fehler“ bei der Bearbeitung von Leseverständnisaufgaben nicht nur in den Fertigkeiten der SchülerInnen, sondern oft auch in den Texten bzw. den Aufgabenstellungen selbst zu suchen sind. Insofern dient das Material nicht nur der Analyse von Leseprozessen und kindlicher Arbeitsstrategien, sondern auch der kritischen Beleuchtung gängiger Test- und Übungsformate zur Beurteilung von Lesekompetenzen. Dies ist sowohl für die Leseforschung als auch auch für die Unterrichtspraxis und die Gestaltung von Aus- und Fortbildungsangeboten für Lehrkräfte von Bedeutung.

Nadja Kerschhofer-Puhalo, Johanna Lalouschek, Werner Mayer
Videografie in Schule und Unterricht am Beispiel einer Interventionsstudie zur Erklärkompetenz von RealschülerInnen

Der folgende Beitrag skizziert den Einsatz von Videografie als Verfahren zur Datenerhebung in einem laufenden Forschungsprojekt der Deutschdidaktik. Dazu wird die Zielsetzung des Projektes, die Klärung von Möglichkeiten der Modellierbarkeit, Förderung und Messbarkeit von Erklärkompetenz erläutert und das Forschungsdesign mit Pre- und Posttest sowie Kontrollgruppenvergleich vorgestellt. Weiterhin wird die Methodik zur Erhebung des zentralen Untersuchungsgegenstandes, Erklärvideos von SchülerInnen der 9. Jahrgangsstufe, ausführlich dargelegt und ein Einblick in die Datenaufbereitung und das Auswertungsverfahren gegeben. Der Beitrag schließt mit erfahrungsbedingten Hinweisen zum Einsatz von Videografie in der Schule sowie möglichen Potenzialen, bei der Verwendung von Videos im Unterricht als Unterrichtmethode.

Jan Henning Maxin

VI. Anwendung: Film- und Fernsehanalyse

Frontmatter
Feldabgrenzung und Sampling bei der Analyse prozessproduzierter audiovisueller Daten

Feldabgrenzung und Sampling sind bei allen empirischen Arbeiten von großer Bedeutung. Für prozessproduzierte audiovisuelle Daten ergeben sich aber Besonderheiten, die in der Forschungspraxis häufig vernachlässigt werden. Der vorliegende Beitrag geht daher am Beispiel von Spielfilmen auf die theoretische und praktische Abgrenzung des Forschungsfeldes sowie das Sampling und sich daraus ergebende Generalisierungsmöglichkeiten ein.

Leila Akremi
Auf den ersten Blick – Das technisch vermittelte Lebensgefühl
Die theoretischen Grundlagen und das methodisches Vorgehen bei der Analyse verschiedener Filmgenerationen am Beispiel der Verfilmungen des „Tapferen Schneiderlein“

In diesem Beitrag werden Visualität und Gefühl unter besonderer Beachtung der technischen Entwicklung audiovisueller Medientexte in einen Zusammenhang gestellt. Es wird umrissen, wie die durch Audiovisionen erzeugten Atmosphären untersucht und gefühlsmäßig beschrieben werden können. Dabei richtet sich die Betrachtung auf die visuell-technischen Möglichkeiten einer Zeit und auf das in Filmen erzeugte Gefühl. Dazu werden die Verwendung von Technik zur Erzeugung eines Seheindruckes sowie die damit verbundene Sehtechnik untersucht. Im Zentrum des Beitrages steht zunächst die Darstellung des Erkenntnisinteresses und der theoretischen Grundlagen sowie die Präsentation des methodischen Vorgehens unter Verwendung der Dokumentarischen Methode nach Bohnsack und die Präsentation erster Ergebnisse der empirischen Fallstudie eines Filmvergleichs von vier Generationen des Märchens „Das tapfere Schneiderlein“.

Ines Eckardt
Blickregie durch Montage und Kameraführung

Bildung prägt Menschen, so auch ihren Wahrnehmungsapparat. Dieser hat in traditionsgebunden sozialen Milieus eine andere Struktur als in progressiv-aufgeschlossenen. Damit hängt die Produktion von Filmen zusammen. Filme können sowohl die Verwendung des Montageverfahrens nutzen, das Bilder unterschiedlicher Art schockartig aneinanderfügt, als auch stattdessen die Kameraführung gestalterisch in den Vordergrund stellen, wobei die Kamera in die Rolle des Menschen als sehendes Wesen schlüpft. Die Gegenüberstellung dieser zwei gegensätzlichen Regietypen, für die zum einen Walther Ruttmann (der Anregungen des russischen Avantgardisten Sergej Eisenstein aufgreift) und zum anderen Leni Riefenstahl stehen, machen die Unterschiede der filmischen Praktiken deutlich. Der Ungleichzeitigkeitsbegriff Ernst Blochs trägt zum Verständnis der Tatsache bei, dass beide – bis in unsere Gegenwart – nebeneinander existieren.

Lutz Hieber
Diskursive Deutungsangebote schwuler Zweierbeziehungen
Eine Serienanalyse

Serien stellen in der aktuellen Medienlandschaft ein bedeutendes audio-visuelles Produkt dar, welches die soziale Wirklichkeit (mit-)konstruiert. Ausgehend von dieser These konzentriert sich der Beitrag auf die Analyse der Inszenierungsstrategien schwuler Zweierbeziehungen in der Serie „Mit Herz und Handschellen“. Mithilfe von audiovisuellen Methoden wird ein fünfstufiges Verfahren für eine wissenssoziologisch-diskursanalytische Serienanalyse vorgeschlagen. Das Ziel der Analyse besteht in der Identifizierung diskursiver Deutungsangebote.

David Stiller
Interkulturalität im Wandel. Eine an der Grounded Theory orientierte Analyse der TV-Serie „Lindenstraße“

Für die TV-Serie „Lindenstraße“ wurde der Wandel der Darstellung von Interkulturalität untersucht. Unter Interkulturalität werden Interaktionen gefasst, an denen mindestens eine Person mit Migrationshintergrund in relevanter Weise beteiligt ist. Untersucht werden die medial konstruierten Interaktionen zwischen Figuren. Statt eines vermuteten Wandels von der Darstellung kultureller Differenzen hin zur Darstellung einer Kultur der Differenz zeigte sich ein Wandel von politischer Solidarität gegenüber MigrantInnen hin zu privater Fürsorge durch MigrantInnen. Methodische Herausforderungen waren die Auswahl der zu analysierenden Daten, Anpassungen der Grounded Theory sowie das Erschließen von Deutungsmustern.

Almut Zwengel

VII. Anwendung: Feldeigene Gebrauchsweisen von Video/Filmmaterialien in verschiedenen sozialen Settings

Frontmatter
Filmische Selbstdokumentationen als Datenmaterial

Dieser Beitrag reflektiert den Ertrag, der mithilfe von Videoanalysen der filmischen Selbstdokumentation für eine Untersuchung von Mikroprozessen sozialer Wirklichkeit gewonnen werden kann, wenn sie vom Standpunkt einer Theorie der symbolischen Praxis aus beurteilt werden. (Unter dem Wort Film soll hier jedwede Form der Aufzeichnung von Bewegtbildern verstanden werden. Die Begriffe Film und Video verwenden wir synonym.) Dazu werden die methodischen Zugänge der ethnomethodologischen Konversationsanalyse (Sacks 1984; Garfinkel 1967) und der Dokumentarischen Interpretation (Bohnsack 2010) auf die grundlegende Prämisse der Theorie symbolischer Praxis (sensu Bourdieu und Passeron 1970) bezogen (Kap. 1). Hierzu wird eine Sequenz eines Videos vom Treffen eines Film- und Fotoclubs analysiert (Kap. 2). Anhand dieser Analyse soll erörtert werden, welchen Ertrag der Feldzugang der filmischen Selbstdokumentation für die Analyse habitueller Diskursformen darstellt (Kap. 3).

Laura Maleyka, Sascha Oswald, Holger Herma, Michael Corsten
„Musik im Bilde“
Gedanken zu musiktherapeutischer Videoforschung unter Bezugnahme auf ein konkretes Praxisbeispiel

Der folgende Beitrag bietet eine Annäherung an das komplexe Thema der Videoforschung aus musiktherapeutischer Sicht. Relevante Begrifflichkeiten (u. a. „Musiktherapie“, „Multimodalität“) werden genauso behandelt, wie der prekären Notwendigkeit des „Übersetzens“ von Musik und Bild in Sprache zum Zwecke des wissenschaftlichen Analysierens kritisch begegnet wird. Entsprechende Möglichkeiten und Wege diesbezüglich sollen aufgezeigt und schließlich per Auszug und schrittweiser Anleitung in Form einer videographischen, (video-)hermeneutischen Analyse einer Sequenz praktisch zugänglich gemacht werden.

Eric Pfeifer
Entwicklung einer Methode zur Analyse interaktioneller Prozesse in der Kunsttherapie
Das Baukastensystem zur Beobachtung von Interaktionen mittels Videotechnik (BaBIVi-Kth)

Dieser Beitrag stellt die erste Version eines Instrumentes vor, das BaBIVi-Kth, das es ermöglicht, interaktionelle Prozesse bei der Entstehung von Gestaltungen in der Kunsttherapie, insbesondere mit der Methode Begleitendes Malen nach Helena Schrode zu betrachten und einer videobasierten Analyse zu unterziehen. Hierbei werden die besondere Sensibilität des Forschungsfeldes der Psychiatrie und die möglichen Reaktionen des Feldes auf den Einsatz von Videokameras in besonderem Maße berücksichtigt. Die Arbeit wird in Anlehnung an die Grounded Theory Methodology (Strauss und Corbin 1990) durchgeführt. Auf der Basis des Systems Feldpartitur wird ein spezielles Design für die Analyse der auf verschiedenen Ebenen ablaufenden Interaktionen beim Begleitenden Malen erstellt. Der vorliegende Beitrag behandelt Ergebnisse der Studie, welche in modifizierter Form auch für andere Formen der Kunsttherapie angewendet werden kann.

Susanne Schoppen
Symbolverstehen von Video-Eigenproduktionen

Ausgehend von der Annahme, dass Kinder und Jugendliche in der Lage sind, sich mit visuellen und audiovisuellen Medien auszudrücken, stellt der Beitrag einen lebensweltlich-hermeneutischen Ansatz der Analyse von Video-Eigenproduktionen dar. Neben den Grundformen der Forschung zu Video-Eigenproduktionen werden der symboltheoretische Hintergrund und ein mehrstufiges Verfahren zum Symbolverstehen vorgestellt. Der Beitrag plädiert für das Einbeziehen von Kontextwissen, um kinder- und jugendkulturelle Symbolmilieus zu explorieren.

Horst Niesyto

VIII. Resümee

Frontmatter
Videoanalyse – Quo vadis?

Der abschließende Beitrag benennt eine Reihe von grundlegenden Weichenstellungen, die bei der Arbeit mit qualitativen Methoden der Videoanalyse zu beachten, zu entscheiden und zu reflektieren sind. Es geht um Unterschiede des Einsatzes der Kamera(s) und ihrer Nutzer; um die möglichen Antworten auf die Kernfrage, was wir überhaupt unter einem Video verstehen können und sollen; um den Status von Videos als registrierendes und/oder rekonstruierendes Datenmaterial, um das Verhältnis von Aufgezeichneten zum Beobachteten und damit um das Verhältnis von Videographie und Ethnographie sowie um mögliche Kriterien für die Lösungen des methoden-technischen Problems der Aufbereitung von Videodaten. Zudem werden Analyseperspektiven und Forschungshaltungen gegenübergestellt, aktuell stark untersuchte Forschungsfelder sowie methodische Querschnittsthemen identifiziert.

Michael Corsten
Metadaten
Titel
Handbuch Qualitative Videoanalyse
herausgegeben von
Dr. Christine Moritz
Prof. Dr. Michael Corsten
Copyright-Jahr
2018
Electronic ISBN
978-3-658-15894-1
Print ISBN
978-3-658-15893-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-15894-1