Skip to main content

2017 | Buch

Handbuch Verkehrsunfallrekonstruktion

Unfallaufnahme, Fahrdynamik, Simulation

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Dieses Fachbuch vermittelt zusätzliches Wissen, welches die Analyse eines Verkehrsunfalls erfordert und welches im Normalfall nicht während des Studiums erlernt wird. Daher wird die Analyse von Verkehrsunfällen in der Regel von spezialisierten Sachverständigen vorgenommen. Das dazu nötige Wissen wurde Anfang der 80er Jahre bereits in einer früheren Auflage dieses Handbuchs veröffentlicht. 2007 hat ein Autorenteam die lange fällige Neubearbeitung erstellt. Die Autoren sind Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet und stellen die Arbeitsmittel in zeitgemäßer Darstellung bereit. Dabei werden computergestützte Arbeitsmethoden berücksichtigt. Erweiterungen in der inzwischen dritten Auflage betreffen die Auslesung von elektronischen Daten und die Spurensicherung mit einer speziellen Folie. Mehrere Hauptkapitel wurden überarbeitet und aktualisiert.

Inhaltsverzeichnis

Teil A: Grundlagen

A1 Allgemeine Anmerkungen zum Sachverständigenwesen

In dem Buch „Ein Bild des Sachverständigen in Geschichte und Gegenwart“ von Sanner ist der folgende Satz zu finden: „Die Gerechtigkeit ist die Mutter des Staates und der Sachverständige ist die Wurzel der Gerechtigkeit.“ Dieser Autor hat sich detailliert mit der Geschichte der Sachverständigen auseinander gesetzt. Danach haben wahrscheinlich schon in der Antike die Sachverständigen eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben gespielt.Was mag wohl geschehen sein, wenn in der Antike zwei Wagen zusammenstießen? Sicher wurden noch keine Berechnungen angestellt, aber es dürfte schon Sachkundige gegeben haben, die von den Rechtskundigen befragt wurden, ob eventuell einer der Wagenlenker einen Fehler gemacht haben könnte, oder ob ein Wagen handwerkliche Mängel oder übermäßigen Verschleiß aufwies usw.

A2 Unfallaufnahme und Datenerhebung

Unfälle ereignen sich in unterschiedlichen Schweregraden. Man unterscheidet zwischen Unfälle mit nur Sachschaden und in Unfälle mit Personenschaden. Gemäß Statistik [1] machten in Deutschland im Jahr 2013 Unfälle mit Personenschaden (291.105) etwa 12 % der Gesamtanzahl der polizeilich erfassten Unfälle (2.414.011) aus. In den amtlichen Statistiken sind nur polizeilich erfasste Unfälle enthalten. Eine größere Zahl von Unfällen, insbesondere leichtere Unfälle, wird offensichtlich polizeilich nicht gemeldet. Mit den Daten der Versicherungswirtschaft wird die Anzahl der Kfz-Schäden pro Jahr in Deutschland mit 9.247.000 angegeben [2].

A3 Messtechnik

Mit der allgemeinen Verringerung der Kosten elektronischer Bauteile sind auch Messgeräte in Preiskategorien gerutscht, die es dem Sachverständigen ermöglichen, sich solche Messgeräte anzuschaffen. Das bringt viele Vorteile mit sich, denn es ist jetzt leicht möglich geworden, auch komplizierte Fahrmanöver nachzufahren und messtechnisch zu erfassen. Die Bestimmung bzw. Messung von Parametern, die für die Rekonstruktion eines Unfalls erforderlich sind, ist eine wichtige Voraussetzung für die korrekte Rekonstruktion eines Unfalls. Einige Parameter können nur direkt an der Unfallstelle vermessen werden (Spurlängen etc.), oftmals ist es sogar möglich mit dem Unfallfahrzeug an der Unfallstelle Messungen durchzuführen (Reibwertbestimmung durch Bremsversuch), meist müssen jedoch Vergleichsmessungen herangezogen werden (z. B.: Crash-Versuche oder Fahrversuche).

A4 Systematik der Fahrzeugtechnik

In dem Kraftfahrtechnischen Taschenbuch, das von der Firma Robert Bosch GmbH herausgegeben wird, ist eine Gliederung der Kraftfahrzeuge vorgenommen worden, die international verbreitet und anerkannt ist. Diese Systematik ist nachstehend wiedergegeben und wird in diesem Buch weitgehend verwendet.In den einzelnen Ländern der Welt werden in den Straßenverkehrsgesetzen teilweise auch abweichende Kategorien und Einteilungen verwendet, auf die hier nicht eingegangen wird.

A5 Kinematik

Für die rechtliche Beurteilung eines Unfalls ist das Geschehen bis zur Kollision bedeutsam. Und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem die den Unfall herbeiführenden Umstände vorliegen, wie z. B. ein Überholbeginn, ein Abbiegebeginn oder das Auftauchen des Unfallgegners im Sichtbereich. Nicht die Kollision selbst ist für die rechtliche Beurteilung wichtig, sondern die Umstände, die dazu führten und diese liegen im Zeitraum davor. Im Anschluss an eine durchgeführte Kollisionsanalyse ist es daher notwendig, den relevanten davor liegenden Zeitraum zu analysieren.Die Verbindung von objektiven Unterlagen wie Schadenbilder der Fahrzeuge, Sichtweite und ähnliches mit den Aussagen der unfallbeteiligten Fahrzeuglenker und Zeugen ermöglicht vielfach eine Analyse des Unfallgeschehens, oder können zumindest Behauptungen als technisch möglich bestätigt oder widerlegt werden (Plausibilitätsprüfung von Aussagen). Eine Weg-Zeit- Analyse anzustellen heißt, den Zusammenhang zwischen Zeitpunkt und Position der beteiligten Fahrzeuge oder Fußgänger darzustellen.

A6 Kinetik

Die Dynamik (Kinetik) ist ein Teilgebiet der Mechanik und beschreibt im Gegensatz zur Statik und Kinematik die Änderung der Bewegungsgrößen (Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung) unter Einwirkung von Kräften im Raum.Die Dynamik ist die Fortführung der Erkenntnisse von Galilei und Newton. Galilei formulierte 1638 das Trägheitsgesetz. 1687 formulierte Newton seine Grundgesetze (siehe auch Kapitel A09), die die Zusammenfassung all seiner Erfahrungen und der Folgerungen daraus sind. Er verfasste damit die wissenschaftliche Begründung der Dynamik.Im Gegensatz zur Kinetik ist die Kinematik (griech.: kinema, Bewegung) die Lehre von der Bewegung von Punkten und Körpern im Raum, beschrieben durch die Größen Weg s (Änderung der Ortskoordinate), Geschwindigkeit v und Beschleunigung a, ohne die Ursachen einer Bewegung (Kräfte) zu betrachten.Die Position eines Punktes wird durch drei Koordinaten (Freiheitsgrade) im Raum definiert. Bei einem Starrkörper, also einer starr zusammenhängenden Gruppe von Punkten, kommen zu sdiesen drei Freiheitsgraden für die Position noch drei Freiheitsgrade für die Rotation (Drehungen im Raum) hinzu.

A7 Informationsaufnahme beim Kraftfahrer

Die Fahrzeuglenkung gehört zu den beliebtesten sensomotorischen Tätigkeiten des modernen Menschen, die ein uralter Traum realisiert. Der Automobilist vermag seinen Aktionsradius beträchtlich zu erweitern und sich von einem Ort zum nächsten rasch und bequem fort zu bewegen, ohne nennenswerte physische Anstrengung.Für die Beliebtheit des Pkw spricht auch die Verwendung des Kfzs als Mittel der Freizeitbeschäftigung. Etwa 50 % der Verkehrsleistung mit dem PW kommt im Rahmen des Individualverkehrs während der Freizeit zustande (BFS und ARE, Mikrozensus, 2007). Neben dem oberflächlichen Faktor „Freude am Fahren“ dürfte die Mobilität in tieferen Gründen verwurzelt sein. Für diese Annahme spricht die hohe Korrelation zwischen dem Verkehrsvolumen und dem Nationalsozialprodukt: Nimmt die Mobilität zu, steigt der nationale Wohlstand im gleichem Zeitraum ebenfalls (Schafer und Victor, 1997). Von der ermittelten Korrelation lässt sich auf die Ursächlichkeit nicht schließen. Kohler (1991) zeigte aber über längere Zeiträume, beginnend mit dem Einsatz von Dampfmaschinen auf den Schienen und in der Schifffahrt ab dem 19. Jahrhundert, dass eine erhöhte Verkehrsleistung eine Wohlstandsvermehrung zur Folge hat.

A8 Vermeidbarkeitsbetrachtungen

Wenn sich ein Unfall ereignet hat und der Sachverständige eine Rekonstruktion durchgeführt hat, dann tauchen die Fragen danach auf, wie denn der Unfall hätte vermieden werden können. Diese Fragen sind für die juristische Bewertung der Verantwortlichkeiten der Beteiligten oder für die Haftungsverteilung von großer Bedeutung. Teilweise ist es aus technischer Sicht durchaus schwierig und problematisch, eine sinnvolle Antwort zu geben. Eher unproblematisch ist die Beurteilung dann, wenn einer der Beteiligten zu schnell gefahren ist, und es wird die Frage gestellt, ob der Unfall bei Einhaltung der maximal zulässigen oder der angemessenen Geschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Schwierig ist es, wenn ein Beteiligter eine Vollbremsung gemacht hat und die Frage gestellt wird, ob der Unfall zu vermeiden gewesen wäre, wenn der Fahrer zusätzlich ausgewichen wäre. Daran schließt sich oft die Frage an, nach welcher Seite er hätte ausweichen können, um den Unfall zu vermeiden. Es kann auch so sein, dass ein Unfallbeteiligter auf einer Straße mit Gegenverkehr wegen eines seine Fahrspur kreuzenden Linksabbiegers ausgewichen und dann mit dem Gegenverkehr kollidiert ist. In einem solchen Fall könnte man fragen, ob der Unfall zu vermeiden gewesen wäre, wenn der Fahrer dem Rechtsfahrgebot folgend eine Vollbremsung gemacht hätte und auf seiner Fahrspur geblieben wäre. Solche Fragestellungen werden z. B. von den Parteien eines Rechtsstreits aufgeworfen und können dann auch beantwortet werden. Unter Umständen wird die Frage gestellt, wie wahrscheinlich es ist, dass nur gebremst oder gebremst und ausgewichen wird und gegebenenfalls nach welcher Seite.

A9 Kollisionsmechanik

Die Kollisionsrechnung spielt in der Unfallrekonstruktion eine zentrale Rolle und ist von besonderer Bedeutung. Über die Kollisionsrechnung erfolgt die Verknüpfung von Einlaufphase und Auslaufphase also der Bewegung der Fahrzeuge vor und nach der Kollision. Abhängig von der verwendeten Berechnungsmethode erfolgt diese Verknüpfung entweder von bekannten Daten nach der Kollision rückwärts in die Vorkollisionsphase (Rückwärtskollisionsrechnung) oder ausgehend von bekannten Daten vor der Kollision vorwärts in die Nachkollisionphase (Vorwärtskollisionsrechnung).

A10 Fußgängerunfälle

Fußgänger können auf sehr verschiedene Arten verunfallen. Fußgänger können ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer stürzen, sie können wegen Unebenheiten stolpern oder gegen Hindernisse laufen. Auch Fußgänger/Fußgänger-Kollisionen oder Fußgänger/Fahrrad-Kollisionen haben unter Umständen ernsthafte Folgen. Meistens sind jedoch von den Sachverständigen die Kollisionen von Fußgängern mit Kraftfahrzeugen zu rekonstruieren. Allgemein kann unter einem Fußgängerunfall jeder Körperkontakt eines Fußgängers mit unbewegten oder bewegten Hindernissen verstanden werden.

A11 Unfälle mit Zweirädern

Das Fahren mit Zweiradfahrzeugen ist sehr stark mit den fahrerischen Fähigkeiten und mit fahrpraktischer Übung verbunden. Eine solch starke Abhängigkeit zwischen Fahrzeug und Mensch ist bei keinem anderen Fahrzeug vorhanden. Es ist deshalb wichtig, die wissenschaftliche Erklärung des Phänomens zu kennen und bei der Unfallanalyse zu beachten.Nach Spiegel gewinnt der Begriff des Mesokosmos in der evolutionären Erkenntnistheorie immer mehr an Bedeutung. Mit Mesokosmos wird die „kognitive Nische“ der Menschen bezeichnet, in der Anschaulichkeit, spontane Verstehbarkeit und „angeborene Nachvollziehbarkeit“ herrschen. Das Überschreiten der Grenzen seines Mesokosmos ist uns Menschen zwar nicht grundsätzlich verwehrt, aber bei der Überschreitung entstehen erhebliche Anpassungsprobleme.

A12 Pkw-Pkw-Unfälle

Den Pkw-Pkw-Unfällen ist der Hauptumfang dieses Buches gewidmet. Was nur in geringem Maße besprochen wird, das ist der Straßenverkehr mit allen seinen Facetten, insbesondere aber das Unfallgeschehen auf unseren Straßen. Es werden deshalb hier einige wichtige Daten und Fakten aus der Amtlichen Unfallstatistik und aus anderen Quellen wiedergegeben. Die jeweils aktuellen Daten der Unfallstatistik sind per Internet unter www.destatis.de abrufbar.

A13 Unfälle mit Nutzfahrzeugen

Die Rekonstruktion von Nutzfahrzeugunfällen ist eine sehr komplizierte Angelegenheit. Nutzfahrzeuge haben eine aufwändigere Technik als Personenwagen, sie haben eine Ladung, die sehr verschieden sein kann und sehr unterschiedliche Effekte erzeugen kann. Die Reifenspuren, sofern es welche gibt, sind schwer zu deuten, Verzögerungen sind nur in großen Toleranzen abzuschätzen. Kollisionen sind mit den derzeit vorhandenen Modellen nicht besonders gut zu analysieren.Sehr wertvolle Informationen für die Unfallrekonstruktion liefern die Aufschriebe der Geschwindigkeit über der Zeit in den Tachographen. Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 to müssen mit Tachographen ausgerüstet sein. Diese dienen zwar in erster Linie der Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten, bieten aber auch genügend Informationen zur Ermittlung von Geschwindigkeiten. Ab 2006 werden Nutzfahrzeuge mit digitalen Tachographen ausgerüstet. Auch bei diesen Geräten werden Geschwindigkeiten mitgeschrieben. Wie sich diese Informationen für die Unfallrekonstruktion nutzen lassen werden, kann derzeit nicht beurteilt werden.

A14 Unfälle mit land- oder forstwirtschaftlichen Fahrzeugen

Unfälle mit land- oder forstwirtschaftlichen (lof-) Fahrzeugen im Straßenverkehr sind eher selten. Die Folgen solcher Unfälle sind dagegen meist erheblich. Das liegt auch an der aggressiven äußeren Gestaltung, an der sich allerdings kaum etwas ändern lassen wird, denn es handelt sich um Arbeitsmaschinen, bei denen auf Partnerschutz und Unfallsicherheit auf der Straße nur wenig Rücksicht genommen werden kann. Welchen Entwicklungsstand diese Maschinen im Sinne der Sicherheit beim Arbeitseinsatz haben, wird hier nicht behandelt.

A15 Überschlagsunfälle

Als Überschlag (Rollover) wird jede Fahrzeugrotation um die Längs- oder Querachse bezeichnet, bei der ein Rotationswinkel von 90 Grad oder mehr erreicht wird. Die Rotationsbewegung des Fahrzeugs führt insbesondere bei nicht angegurteten Insassen zu einer wesentlichen Relativbewegung der Insassen zum Fahrzeug, was bis zum Herausschleudern (Ejection) der Insassen aus dem Fahrzeug führen kann. Eine Untersuchung der ursprünglichen Insassenpositionen ist vielfach nur dann möglich, wenn die Fahrzeugbewegung rekonstruiert werden kann.

A16 Schienenfahrzeuge/Straßenbahnen

Die ersten Straßenbahnen wurden von Pferden gezogen. Sie waren das Mittel, um mit dem mit der Industrialisierung gestiegenen Personentransportbedarf fertig zu werden. Der geringe Rollwiderstand der Räder auf den Schienen erleichterte den Transport ganz erheblich. Berlin bekam 1865 eine Pferdebahn. Probleme entstanden in vielen Städten mit dem Pferdekot. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Pferdeantriebe durch Elektroantriebe ersetzt. Etwa um 1925 wurde die Netzspannung für Straßenbahnen mit 550 bis 600 V festgelegt, für Überlandbahnen mit 750 bis 1.500 V. Die Spurweiten sind meist 1.000 mm (Meterspur) oder 1.435 mm (Regelspur).

A17 Schadenaufklärung

Die nachfolgende Abhandlung zum Thema Schadenaufklärung wird in den Zusammenhang zu Schadenfällen gestellt, bei denen der Verdacht auf einen Versicherungsbetrug besteht. Ziel der Schadenaufklärung ist es, Grundlagen zu liefern, auf deren Basis weitergehende Entscheidungen getroffen werden können: Regulierung, Ablehnung der Leistung, Aufnahme des Zivilprozesses, Strafanzeige. Damit liegt der Zeitpunkt der Beauftragung meist im vorprozessualen Bereich, und es wird somit ein Parteigutachten erstellt. Dennoch gibt der Inhalt dieser Abhandlung auch wichtige Hinweise für eine sachgerechte Auftragserledigung, soweit eine Beauftragung durch eine Ermittlungsbehörde oder durch eine Bestellung in einem gerichtlichen Verfahren erfolgt. Versicherungsbetrug wird zwar von der Mehrheit der Befragten abgelehnt, aber gleichzeitig ist für die Hälfte der Befragten Versicherungsbetrug nur ein Kavaliersdelikt [1]. Nach derzeitigen Schätzungen belaufen sich die Forderungen aus betrügerischen Schadenfällen allein in Deutschland jährlich auf etwa 4 Milliarden Euro. Hiervon entfallen etwa 1 bis 1,5 Milliarden Euro auf Manipulationen im Kraftfahrzeugbereich. Damit wäre etwa jeder zehnte Verkehrsunfall manipuliert. Hieraus abgeleitet, werden etwa 8 bis 10 % der Versicherungsprämien der Kraftfahrzeug-Versicherer für manipulierte Schadenfälle ausgezahlt [2].

A18 Insassensimulation

Neben der Rekonstruktion der Bewegungen der Fahrzeuge vor und nach der Kollision sind in der Rekonstruktion eines Verkehrsunfalls oft weitere Fragestellungen hinsichtlich der Insassen zu beantworten. Zur Beantwortung dieser Fragestellungen werden eigene Insassensimulationsmodule meist Mehrkörpersimulationsmodule wie Adams, Madymo, ATB und das Insassenmodul in PC-Crash eingesetzt. In der Automobilindustrie werden die Mehrköpersimulationsprogramme von der Finite-Elemente(FE)-Berechnung abgelöst (Nastran, PAM Crash, Radioss, Dyna3D u. a.), auf Grund der hohen Rechenzeit und der zeitaufwändigen Handhabung sind diese Modelle jedoch derzeit in der Unfallrekonstruktion noch nicht in der Praxis brauchbare Mittel.

A19 Biomechanik

Die Biomechanik befasst sich mit Funktionen und Strukturen von Bewegungsapparat und Belastungen von biologischen Systemen. Die Wahl der Methoden beschränkt sich hierbei nicht nur auf die Darstellung mechanischer Eigenschaften (äußere Biomechanik), sondern befasst sich auch zunehmend mit sensomotorischen Regelungsprozessen (innere Biomechanik). Die Biomechanik für den Kraftfahrzeugingenieur beinhaltet die Kenntnis von den Belastungsgrenzen des menschlichen Körpers. Für den technischen Sachverständigen ist die Biomechanik ein Randgebiet der Unfallforschung. Bei der Konstruktion von Schutzeinrichtungen am und im Pkw zur Vermeidung von Verletzungen ist die Kenntnis von biomechanischen Zusammenhängen eine wichtige Grundvoraussetzung.

A20 Simulation und Animation

In zunehmendem Maße werden bei der Rekonstruktion und Analyse von Straßenverkehrsunfällen komplexe Rechenprogramme eingesetzt. Damit in Verbindung stehen neue Fachbegriffe und Verständigungsprobleme zwischen den Experten und den Empfängern von Gutachten. Technische Gutachten sollen verständlich und nachvollziehbar sein. Um dieser Forderung auch bei der neuen Technologie gerecht zu werden, muss bedacht werden, auf welchen Grundlagen die rechnerunterstützte Rekonstruktionstechnik basiert. Diese sind notwendigerweise: 1. Die Grundgesetze der Mechanik (Naturgesetze nach Newton, Impuls-, Drall- und Energiesatz). 2. Verschiedene Materialgesetze, welche z. B. die Eigenschaften von Reifen, das Deformationsverhalten von Fahrzeugen oder die Wirkung von Fahrtwind beschreiben. 3. Die im Rahmen eines Programms angewandten Approximationen, welche immer notwendig sind, da sich die Realität nicht in allen Details mathematisch vollständig wiedergeben lässt. 4. Der Computercode.

Teil B: Fallbeispiele

B1 Unfälle mit Tieren

Über Unfälle mit Tieren gibt es relativ wenige Unterlagen. Es sind solche Unfälle auch eher selten zu begutachten. Meist handelt es sich um Alleinunfälle mit Wildtieren, bei denen es dann um die Regulierung durch die Kaskoversicherung geht, also eher nicht um Unfallrekonstruktion. In solchen Fällen kann der Wildschadenkatalog von Kruse [1] helfen. Manchmal besteht Betrugsverdacht durch vorgetäuschte Kollisionen mit Wildtieren, dann kann eine Unfallrekonstruktion erforderlich werden. Die Notwendigkeit von detaillierten Rekonstruktionen besteht dann, wenn es sich um Tiere aus der Landwirtschaft oder aus dem Sportbereich handelt, die in Kollisionen mit Fahrzeugen verwickelt werden. Es ist dann oft der Tierhalter feststellbar, der vielleicht haftbar für die oft sehr hohen Schäden gemacht werden kann. Im Sportbereich sind meistens die Reiter mit betroffen, so dass auch in diesen Fällen rechtliche Bewertungen vorgenommen werden müssen. Aus diesem Bereich werden einige Fälle vorgestellt, von denen angenommen wurde, dass eine sinnvolle Rekonstruktion möglich war.

B2 Unfälle mit Fußgängern

Auf einer gut ausgebauten Straße im innerörtlichen Bereich wurde eine Fußgängerin von einem Pkw erfasst. Die Fußgängerin kam für den Pkw von links. Nach Aussage einer Zeugin lief sie hinter einem Brückenpfeiler hervor auf die Fahrbahn, vermutlich um einen Bus zu erreichen. Die Kollisionsstelle war am Pkw vorne rechts, in der Frontscheibe rechts unten war eine Beschädigung, die wegen Haaranhaftung einem Kopfaufprall zugeordnet werden konnte. Vom Pkw waren Bremsspuren entstanden. Die Endlage der Fußgängerin und die Endlagen von Gegenständen konnten markiert und vermessen werden. Von der Polizei war ein Sachverständiger an die Unfallstelle gerufen worden. Er fand den Pkw in Endstellung und die auf der Fahrbahn liegenden Teile vor. Die Fußgängerin war bereits abtransportiert worden, der Pkw-Fahrer ebenfalls (Schock). Der Pkw-Fahrer hatte seinen Wagen abgesperrt.

B3 Unfälle mit Zweiradfahrzeugen

Auf einer außerörtlichen Bundesstraße kam es in einem Baustellenbereich zum frontalen Anprall eines Pkw Ford Fiesta an die rechte Flanke eines Fahrrads, welches durch einen Fußgänger von links nach rechts, bezüglich der Fahrtrichtung des Pkw, geschoben wurde. Das Fahrrad und der Fußgänger wurden auf den Vorbau des Pkw aufgeladen und etwa 15 m weit geworfen. Der Fußgänger verstarb noch an der Unfallstelle.

B4 Unfälle mit motorisierten Zweirädern

Der Fahrer eines Pkw Opel Astra überquerte mit seinem Pkw von einer untergeordneten Einmündung kommend eine außerörtliche Bundesstraße in gerade Richtung. Dabei kam es zur Kollision mit einem sich von rechts vorfahrtsberechtigt annähernden Krad Suzuki RGV250. Der Anprall des Krades erfolgte mit dem Heck an die rechte Pkw-Flanke zwischen vorderem Radausschnitt und Fahrzeugecke. Der Krad-Fahrer, welcher sofort tot war und das Zweirad verklemmten sich am Pkw und verblieben relativ zu selbigem annähernd in Kollisionsstellung.

B5 Unfälle mit Pkw

Der Verkehrsunfall ereignete sich innerorts auf einer Kreuzung mit rechts vor links Regelung. Es galt dort die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h. Zur Unfallzeit war es hell und trocken. Die Fahrbahn hatte eine Schwarzdecke.Die Fahrerin eines Pkw VW Golf fuhr innerorts auf einer Seitenstraße, es galt rechts vor links. Von rechts kam der Fahrer eines Pkw Audi A3 und wollte die Straße geradeaus überqueren. Die Fahrzeuge stießen zusammen.

B6 Unfälle mit Kleintransportern

Auf einer außerörtlichen Bundesstraße geriet ein mit vier Personen besetzter Pkw Toyota Corolla aus letztlich nicht vollständig geklärten Gründen ins Schleudern. Nachdem sich das Fahrzeug beträchtlich entgegen dem Uhrzeigersinn ausgedreht hatte, prallte ein entgegenkommender Kleintransporter VW T4 frontal an die rechte Flanke des Toyota. Der Transporter wurde gedreht, ausgehoben und durch einen Pkw Ford Escort unterfahren. Alle Fahrzeuge kamen in Kollisionsortnähe zum Endstand. Die vier Toyota-Insassen wurden getötet. Aus den anderen Fahrzeugen wurden sechs Personen überwiegend schwer verletzt. Unbeteiligte Zeugen waren nicht vorhanden.

B7 Unfälle mit Nutzfahrzeugen

Nach Verlassen einer Autobahn befuhr der Fahrer eines Busses einen längeren Autobahnzubringer, welcher innerorts auf eine Bundesstraße mündet. Die Einmündung war ampelgeregelt. Zu dem Zeitpunkt, als der Bus die Einmündung erreicht hatte, war die Hauptfahrtrichtung (Bundesstraße) frei gegeben. Anhand der Spurlage war nachzuvollziehen, dass der Busfahrer mit Überschussgeschwindigkeit in die Einmündung einfuhr und hierbei ein starkes Lenkmanöver nach rechts entsprechend dem Fahrbahnverlauf durchführte. Dadurch kippte der Bus um und rutschte auf der linken Flanke in die Endlage. Während des Umkippens kam es zur Kollision mit mehreren Pkw, welche teilweise stark deformiert wurden. Zwei Businsassen erlitten tödliche Verletzungen, zahlreiche weitere Fahrgäste wurden zum Teil schwer verletzt. Die Insassen der Pkw trugen überwiegend nur leichte Verletzungen davon.

B8 Unfälle mit land- oder forstwirtschaftlichen Fahrzeugen

Der Unfall ereignete sich außerorts auf einer Landesstraße. Es galt dort die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung. Zur Unfallzeit war es hell und trocken. Die Fahrbahn hatte eine Schwarzdecke. Die Fahrerin eines Pkw VW Golf wollte einen Traktor überholen, dessen Fahrer nach links in einen Feldweg abbiegen wollte. Es kam zur Kollision der Fahrzeuge.

B9 Unfälle mit Schienenfahrzeugen

Auf einer viel befahrenen Kreuzung ereignete sich in der Winterzeit und gegen Mitternacht eine Kollision zwischen einer Straßenbahn (roter Pfeil) und einem Polizeifahrzeug (blauer Pfeil). Die Straßenbahn hat als schienengebundenes Fahrzeug gegenüber dem sonstigen Verkehr ein Vorrecht. Das Polizeifahrzeug war auf einer Einsatzfahrt zu einem Wohnungsbrand und hatte insoweit auch ein Vorrecht, da unstreitig Blaulicht und Signalhorn eingeschaltet waren. Das Gutachten war in einem Zivilprozess zu erstatten.

B10 Alleinunfälle

Bei Alleinunfällen erfolgt die Untersuchung des Unfalls im Zusammenhang mit der Frage, ob andere, am Unfall nicht beteiligte Fahrzeug oder Personen gefährdet wurden und ob statt der üblichen Fahrlässigkeit allenfalls Vorsatz bei der Begehung der Übertretungen im Spiel waren oder nicht. Um diese Frage beantworten zu können, muss die Spurensicherung nach Alleinunfällen den gleichen Qualitätsansprüchen genügen, wie bei einem normalen Unfall.

B11 Überschlagunfälle

Der Unfall fand auf einer Schnellstraße im Bereich der Mündung einer Autobahnausfahrt statt. Die Unfallzeit war August an einem Feiertag um etwa 17:30 Uhr, bei klarem Wetter und trockener Fahrbahn. Der Fahrbahnbelag war Asphalt. Der Expressweg war die Vorfahrtstraße und es galt ein Geschwindigkeitslimit von 90 km/h.Ein Landrover Defender befuhr die Schnellstraße. Neben dem Fahrer, 57 Jahre alt, war ein Insasse, 48 Jahre alt, anwesend im Landrover. Ein Pkw Ford Mondeo kam von der Autobahnausfahrt, rechts in der Fahrrichtung des Landrovers. Neben dem Fahrer (64 Jahre alt) war ein Insasse (66 Jahre alt) im Ford.Es kam zu einem frontalen Anprall des Pkw Ford Mondeo gegen die rechte Flanke des Landrover Defender im Bereich des rechten Hinterrads.

B12 Beispiele zu Insassenverletzungen

Straßenverkehrsunfälle mit unklarer Sitzposition stellen sowohl Polizeibeamte als auch technische und medizinische Sachverständige vor eine große Herausforderung. Einerseits besteht ein hohes öffentliches Aufklärungsinteresse beispielsweise dann, wenn im Rahmen des Unfallgeschehens Todesopfer zu beklagen sind. Andererseits bedarf es einer lückenlosen Beweiskette, um einer Person den Vorwurf zu machen, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls am Steuer gesessen hat.Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es oft nur durch die zeitnahe Zusammenarbeit von Sachverständigen verschiedener Wissenschaftszweige möglich war, ein umfassendes Gesamtbild hinsichtlich des Unfallablaufes liefern zu können.Oft scheint die Sache klar zu sein: Der Tote ist Halter des Fahrzeugs und liegt neben der Fahrertür. Der überlebende Zeuge, ebenfalls aus dem Fahrzeug geschleudert, schildert glaubhaft, er sei der Beifahrer gewesen. Eine auf diese Aussage aufbauende erste polizeiliche Feststellung der Fahrereigenschaft ist oft die Weichenstellung dahingehend, ob weitere strafprozessuale Maßnahmen eingeleitet werden oder nicht.

Teil C: Sonderthemen

C1 Aktive und passive Sicherheit

Im Bereich der Fahrzeugsicherheit wird mit dem Begriff „Sicherheit“ eine Situation beschrieben, bei der das erzielbare Risiko kleiner ist als das größte noch vertretbare Risiko (Grenzrisiko) eines bestimmten technischen Vorgangs oder Zustands. Dabei wird das Risiko durch eine Wahrscheinlichkeitsaussage beschrieben, d. h. durch die zu erwartende Häufigkeit des Eintritts eines zum Schaden führenden Ereignisses und das beim Ereigniseintritt zu erwartende Schadensausmaß. Auf Straßenverkehrsunfälle übertragen bedeutet dies beispielsweise die erwartete Häufigkeit von Unfällen nur mit Sachschäden oder die mit Personenschäden. Die Wahrscheinlichkeitsaussage ist die erwartete Häufigkeit von Unfällen und das Schadensausmaß der Sachbzw. der Personenschäden. Es ist nahe liegend, dass das Risiko, einen Unfall mit Sachschaden zu erleiden, ungleich höher ist als das Risiko für Unfälle mit Personenschaden. So wurden im Jahr 2005 in Deutschland insgesamt 1.917.373 Unfälle nur mit Sachschäden, jedoch nur 336.619 Unfälle mit Personenschäden registriert.

C2 Sicherheitsgurte

Spätestens seit Einführung der Bußgeld-Bewehrung für das Nicht-Angurten im August 1984 gilt unbestritten, dass das Gurtsystem eine wesentliche Sicherheitsverbesserung brachte. Dies kann abgelesen werden anhand des sprunghaften Anstiegs der Gurtanlege-Quote in Pkw von etwa 65 % vor Einführung auf mehr als 90 % danach. Damit einher ging der Rückgang von 11.732 Getöteten im Jahr 1983 auf 8.400 im Jahr 1985; das entspricht einer Reduzierung der Unfallopfer von 28,4 %. Im gleichen Zeitraum stieg infolge dessen die passive Sicherheit, gemessen am Sicherheitsindex PaSiX, sogar um 37,6 %. Die Gurtanlege-Quote in Pkw liegt heute bei 89,4 % bei Fahrern und auf der Beifahrer-Seite bei 87,8 %.

C3 Airbag-Systeme

Heutige Pkw sind zum Schutz der Insassen bei Frontalkollisionen zu etwa 90 % fahrerseitig und zu ca. 70 % auf der Beifahrerseite mit Airbags ausgestattet, während die Seiten-Airbags zum Schutz des Kopfes und des Thorax von Insassen bei Seitenkollisionen nur mit ungefähr 40 bis 50 % vertreten sind. Weitere Schutzmaßnahmen wie Fuß- und Fond-Airbags befinden sich im Entwicklungsstadium, ihr Einsatz in der Serie ist umstritten und wird sich, wenn überhaupt, nur in Einzelfällen durchsetzen. In Bild C3-1 sind Airbags dargestellt, die heute serienmäßig in Pkw anzutreffen sind.

C4 Schutzhelme

Bei Verkehrsunfällen mit Zweirädern (Fahrräder, Motorräder) ist die Untersuchung der Schutzhelme im Zusammenhang mit der Frage bedeutsam, ob und wie der Helm beim Unfall getragen wurde.Der Grund weshalb diese Frage beantwortet werden muss, sind die häufig sehr schweren oder tödlichen Verletzungen, die sich Zweiradfahrer bei Verkehrsunfällen zuziehen. Speziell falls während des Unfallverlaufs ein Helmverlust erfolgt, muss untersucht werden, ob der Helm getragen wurde oder ob es Anzeichen dafür gibt, dass z. B. der Kinnriemen nicht verschlossen war. Allenfalls ist zu beantworten, ob es zu einem spurenkundlich belegbaren Kontakt des Helms mit anderen Fahrzeugen oder Hindernissen oder der Fahrbahn kam.Falls diese zweite Frage bejaht werden kann, sind als zweites häufig die Kontaktstelle(n) zu identifizieren und spurenkundlich zu verifizieren. Dies geschieht durch die Untersuchung der vorhandenen Mikrospuren, allenfalls bei geformten Beschädigungen durch die Identifizierung des Kollisionsgegners.

C5 Reifen und Räder

Bei Verkehrsunfällen erfolgt die Untersuchung von Rädern und Reifen primär im Zusammenhang mit der Frage, ob die Räder/Reifen als Unfallfolgen beschädigt wurden oder ob unfallursächliche Schäden an den Rädern/Reifen vor dem Unfall vorhanden gewesen sein könnten.In diesem Kapitel werden nur unfallrelevante Spuren beschrieben, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstanden sind.Falls solche Frage beantwortet werden müssen, sind ebenfalls allfällige Kontaktstelle(n) im Bereich der Unfallstelle zu identifizieren und spurenkundlich zu verifizieren.Leider werden sehr häufig keine Spuren gesichert und insbesondere keine Mikrospuren von allfälligen Kontaktstelle(n) im Bereich der Unfallstelle. Das hängt damit zusammen, dass die Bedeutung solcher Mikrospuren nicht bekannt ist, dass die Mittel und Kenntnisse nicht vorhanden sind, um diese Mikrospuren sachgerecht zu sichern.Für die Untersuchung von Reifen oder Felgen bezüglich unfallursächlicher Materialfehler oder Produktionsmängel verweisen wir auf die entsprechende Fachliteratur und speziell auf die Reifenspezialisten bei den Reifenherstellern.

C6 Glühlampen

Bei Verkehrsunfällen erfolgt die Untersuchung von Beleuchtungssystemen im Zusammenhang mit der Frage, ob ein an einem Unfall beteiligtes Fahrzeug (z. B. Zweirad, Personenwagen oder Nutzfahrzeug) oder ein feststehendes Objekt (z. B. Kandelaber) beleuchtet war oder ob einzelne Statusanzeigelampen wie Blinker, Bremslichter o. Ä. im Kollisionsmoment aktiviert waren oder nicht.Um diese Frage beantworten zu können, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein, um den Beleuchtungszustand spurenkundlich zu identifizieren und allenfalls das erhaltene Resultat zu verifizieren.Leider werden sehr häufig die entsprechenden Glühlampen nicht gesichert oder lediglich ein Teil der interessierenden Glühlampen. Das hängt damit zusammen, dass die Bedeutung des Resultats solcher Untersuchungen nicht erkannt wird, dass die Mittel und Kenntnisse nicht vorhanden sind, um Glühlampen sachgerecht zu sichern oder dass die Möglichkeiten der Auswertung von Glühlampen nicht bekannt sind.

C7 Fahrzeugschüssel

Schlüsseluntersuchungen werden meist von Versicherungen oder Staatsanwaltschaften im Zusammenhang mit der Entwendung von Fahrzeugen in Auftrag gegeben. Neben der Aufgabe, die sichergestellten oder vom Versicherungsnehmer eingereichten Fahrzeugschlüssel auf Vollständigkeit des Schlüsselsatzes zu überprüfen, stellt sich meist die Frage, ob weitere Schlüssel durch Kopieren der Originalschlüssel für das betreffende Fahrzeug hergestellt wurden. Für die Regulierung eines Schadens kann es von Interesse sein, ob die vom Halter angegebene Laufleistung nachvollziehbar ist. Im Einzelfall können je nach Ausführung der Schlüssel weitere Feststellungen getroffen werden.

C8 Mikrospuren

Bei Verkehrsunfällen erfolgt die Untersuchung von Mikrospuren primär im Zusammenhang mit der Frage, ob es zwischen den am Unfall Beteiligten (Fahrzeuge, Zweiradfahrer, Fußgänger, Hindernisse oder feststehende Objekte etc.) zu einem spurenkundlich belegbaren Kontakt kam.Falls diese Frage bejaht werden kann, sind als zweites häufig die Kontaktstelle(n) zu identifizieren und spurenkundlich verifizieren.Leider werden sehr häufig keine Spuren gesichert und insbesondere keine Mikrospuren. Das hängt damit zusammen, dass die Bedeutung von Mikrospuren nicht bekannt ist, dass die Mittel und Kenntnisse nicht vorhanden sind, um Mikrospuren sachgerecht zu sichern und dass häufig die Möglichkeiten der Mikrospurenauswertung nicht bekannt sind.Neben dieser Frage kann es auch sein, dass zu identifizieren und spurenkundlich zu verifizieren ist, wer im Fahrzeug wo gesessen ist, respektive welcher Fahrzeuginsasse zum Unfallzeitpunkt der Lenker war.

C9 Elektronik im Kraftfahrzeug

Kraftfahrzeugen stark angestiegen. Dies betrifft neben den herkömmlichen Systemen wie Motor- und Getriebesteuerung insbesondere auch Systeme der Sicherheits- und Komfortelektronik. In Luxusfahrzeugen steuern heute bis zu 70 elektronische Steuergeräte, verbunden durch Bussysteme, die Wünsche des Fahrers. Der Anteil von Elektronikkomponenten im Fahrzeug beträgt bereits 20 bis 30 % der Herstellkosten und der Wertschöpfung. In den nächsten Jahren wird dieser Anteil nach Schätzungen von Experten die Marke von 40 % erreichen.Mit „Drive-by-Wire“-, „Shift-by-Wire“-, „Steer-by-Wire“- und „Brake-by-Wire“-Systemen werden zunehmend Hardwarekomponenten durch Software und Elektronik unterstützt bzw. ersetzt.Diese Entwicklung führt dazu, dass bei Ausfällen und Defekten neben den Hardwarekomponenten auch die Elektronik sowie die Funktionalität von Steuergeräten und deren Vernetzung geprüft werden muss. Hierzu ist ein erhebliches Fachwissen mit dem Umgang der Fahrzeugelektronik sowie mit entsprechenden Testgeräten und Diagnosetools notwendig.

C10 Zukünftige Methoden bei der Spurensicherung

Bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen werden seit Jahrzehnten photogrammetrische Methoden eingesetzt, um aus Bildern maßstäbliche Pläne herstellen zu können. Heute stehen zusätzlich die Lasertechnik zur Unfallstellenvermessung sowie 3D-Scanner und 3D-Photogrammetrie für die Unfallrekonstruktion zur Verfügung

C11 Biomechanische Daten

Die Analyse von Verkehrsunfällen mit Personenbeteiligung erfordert eine umfassende Behandlung, bei der mehrere wichtige Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. Bei Verkehrsunfällen beteiligte Personen sind meistens Fahrzeuginsassen, im geringeren Maße auch Fußgänger oder Benutzer anderer Verkehrsmittel.Im Verlauf eines Verkehrsunfalls unterscheidet man mehrere Phasen: die Phase vor dem Aufprall, die eigentliche Aufprallphase sowie die Phase nach dem Aufprall. Die Analyse der Situation nach dem Aufprall und die an den Fahrzeugen entstandenen Schäden ermöglichen eine mehr oder weniger sichere Rekonstruktion des Verlaufs der Fahrdynamik und der Handhabung des Fahrzeugs vor dem Aufprall sowie der Bedingungen beim Aufprall. In der Aufprallphase ist der Körper des Fahrzeuginsassen heftigen Belastungen ausgesetzt, die zu Verletzungen führen können. Der Verletzungsumfang wird von den Anfangsbedingungen in der Aufprallphase, der relativen Bewegung der Fahrzeuginsassen hinsichtlich der Fahrzeugbewegung sowie der passiven Sicherheitsstufe der Fahrgastzelle beeinflusst. Die Verletzungen sind teilweise auch individuell bedingt, da sich individuelle Eigenschaften, wie beispielsweise der Körperbau und das Alter des Insassen, auf die Entstehung und den Umfang von Verletzungen auswirken können.

C12 Bemerkbarkeit von Kleinkollisionen

Kleinkollisionen entstehen insbesondere bei Park-, Rangier-, Passier- oder Wendevorgängen mit geringen Fahrgeschwindigkeiten wenn der Fahrer abgelenkt ist, oder wenn die Raumverhältnisse nicht ausreichend sind. Die Beschädigungen der am Unfall beteiligten Fahrzeuge werden oftmals auf den ersten Blick als geringfügig eingeschätzt, oder sind mit dem Auge auf den ersten Blick nicht erkennbar. Der Geschädigte steht nun vor der Aufgabe, den Unfallverursacher und dessen Fahrzeug zu ermitteln. Im günstigsten Fall hat ein Zeuge den Unfallhergang beobachtet und das Kennzeichen des stoßenden Fahrzeugs notiert, oder dieses Fahrzeug befindet sich noch in der danebenliegenden Parklücke. In vielen Fällen sind jedoch nur wenige oder gar keine Anknüpfungstatsachen vorhanden, die auf die Spur des Verursachers führen. Wird der Verursacher ermittelt, dann ist in der Regel zu klären, ob der Tatbestand nach § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) erfüllt ist.

C13 Dunkelheitsunfälle

Die visuellen Aufgaben beim Führen eines Kfz lassen sich wie folgt einteilen ([1] zitiert nach[2]):- visuelle Aufmerksamkeit,- visuelles Wahrnehmen (Detektion),- visuelles Erkennen (Diskrimination),- Treffen der Entscheidung,- visuell gerichtete Reaktion.Visuelles Wahrnehmen (Detektion) bedeutet, der Beobachter wird gewahr, dass etwas vorhanden ist, ohne es genau identifizieren zu können, visuelles Erkennen (Diskrimination bedeutet, der Beobachter kann das Objekte identifizieren.Detektion und Diskrimination sind nur möglich, wenn das Objekt nicht geometrisch verdeckt ist.In diesem Kapitel wird die Frage des visuellen Erkennens (Diskrimination), vereinfacht auch als „Sichtbarkeit“ oder „sichtbar“ bezeichnet, behandelt.

C14 Stahlleitplanken

Die am Fahrbahnrand aufgestellten Leitplanken aus Metall müssen in kritischen Verkehrssituationen verhindern, dass Fahrzeuge von der Fahrbahn abkommen. Beim Verkehrsunfall muss die Leitplanke das beteiligte Fahrzeug zurück auf die Fahrbahn leiten bzw. standardgemäß im Bereich der plastischen Verformung der Metallleitplanke aufhalten. Die Art der Anordnung von Metallleitplanken und die Bedingungen (z. B. Anprall, Geschwindigkeit des Fahrzeugs beim Anprall usw.), unter denen die Leitplanken die Fahrzeuge im Straßenverkehr schützen sollen, sind in der Norm EN 1317 und der technischen Spezifikation für öffentliche Straßen festgelegt.Reelle Situationen von Fahrzeuganprallen in Leitplanken haben gezeigt, dass beim Anprall der Kontakt des Fahrzeugs mit der Leitplanke nur selten unter den vorgeschriebenen Bedingungen auftritt, wie sie in der Norm EN 1317 für die Eignungsprüfung von Leitplanken empfohlen werden.

Teil D: Begriffe, Tabellen

D1 Fachbegriffe nach DIN 75204 Straßenfahrzeuge
D2 Begriffe und Abkürzungen
D3 medizinische Fachausdrücke
Metadaten
Titel
Handbuch Verkehrsunfallrekonstruktion
herausgegeben von
Heinz Burg
Andreas Moser
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-16143-9
Print ISBN
978-3-658-16142-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-16143-9