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30.03.2020 | Handel | Infografik | Online-Artikel

Bis zu 64.000 Handelsunternehmen von Pleite bedroht

verfasst von: Eva-Susanne Krah

3:30 Min. Lesedauer

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Der Handel in Deutschland ist durch das Coronavirus im Alarmzustand. Geschlossene Ladenstraßen und Shops reißen große, teils existenzbedrohende Umsatzlücken. Der Paradigmenwechsel durch die digitale Transformation wird drastisch vorweggenommen.

Im Spannungsfeld zwischen Online- und stationärem Handel und den sich immer schneller verändernden Einkaufsgewohnheiten lassen sich für die stationäre Handelslandschaft drastische Rückgänge in verschiedenen Szenarien verdeutlichen: Bis 2030 prognostizieren die Experten des IFH Köln einen Verlust zwischen knapp 26.000 und 64.000 Handelsunternehmen in der Gesamtbranche. Das zeigt das Handelsszenario 2030 des Instituts. Es beschäftigt sich mit den künftigen Anbieterstrukturen und Handelsmodellen in verschiedenen Branchen. Hierbei wurden veränderte Rahmenbedingungen aufgrund der Coronakrise noch nicht veranschlagt. 

  • Ein Szenario könnte sein, dass die Handelslandschaft sich hin zum Onlinehandel und Plattformgeschäft als Versorgungs- und Discount-Kanal entwickelt. Dann gebe es laut IFH einen Rückgang bis 2030 um bis zu 36.000 stationären Geschäfte. 
  • Ein weiteres Szenario geht von einer zunehmenden Discount-Orientierung des stationären Handels aus. Dann läge der Rückgang stationärer Shops im gleichen Zeitraum laut IFH-Hochrechnung bei mehr als 19.000 Verkaufsflächen.

Kundenzentrierung als Chance

Das fortschreitende Ladensterben in deutschen Innenstädten hat mehrere Gründe. Teils sind es steigende Gewerbemieten, aber auch unzureichende Konzepte, die etwa den digitalen Wandel nicht berücksichtigen, der längst in allen Käuferschichten durch ein verändertes Kaufverhalten angekommen ist. Eine weiter abnehmende (Innenstadt-)Standortattraktivität sowie städtischer Wettbewerb werden durch eine zunehmende Anzahl an Schließungen angeheizt. In den innenstadtrelevanten Branchen könne es im Extremfall im Jahr 2030 bis zu 40.000 Einzelhändler weniger geben, warnen die Handelsexperten.

Neue Konzepte fehlen

Die dringend notwendige Transformation im Handel verschärft sich durch die Corona-Krise weiter. Neue Konzepte, die Kunden-Convenience, Erlebniskauf und lokale wie digitale Angebote verknüpft anbieten, sind dringend gefragt. "Mehr denn je sind wir im Handel jetzt gefordert, den Paradigmenwechsel vorzunehmen. Auf das Zeitalter der Perfektion von Prozessen rund um Beschaffung und Absatzoptimierung folgt ein neues Zeitalter, das die persönliche Nähe in den Fokus setzen muss. Es geht in der Zukunft darum, Handel immer mehr als Freizeitgut zu verstehen und so in der Branche eine komplett andere Wertewelt und ein neues Leistungsversprechen zu erschaffen", beschreibt Boris Hedde, Geschäftsführer des IFH Köln, die neuen Anforderungen an die Handelswelt.

Springer-Autor Gerrit Heinemann bestätigt im Kapitel "Die neue Kundenorientierung – Geschäftsmodelle und Geschäftssysteme der Zukunft im Einzelhandel" seines Buchs "Geschäftsmodelle in die Zukunft denken", dass stationäre Händler sich "digital neu erfinden müssen. Das gilt aus seiner Sicht auch für Shopping-Center, die zwar über bessere Voraussetzungen als Städte verfügten, allerdings auch selbst neue Konzepte voranbringen müssten, um der Entwicklung Rechnung zu tragen. Der Siegeszug des E-Commerce, der in der Corona-Krise weiter befeuert wird, unterstützt ebenfalls "neue Wettbewerbsformen mit Mehrwert für die Konsumenten." Zudem spielt Mobile Commerce eine wachsende Rolle. Neue Marktteilnehmer übernehmen in dieser Entwicklung klassische Handelsfunktionen, etwa Hersteller, neuartige Informationsintermediäre wie Suchmaschinen oder soziale Netzwerke sowie innovative Onlineanbieter und digitale Absatzmittler.

Dr. Susanne Eichholz-Klein, Mitglied der Geschäftsleitung am IFH Köln, glaubt: "Reales Wachstum finden wir lediglich in wenigen Handelszweigen und dieses ist innovations- oder bedarfsgetrieben. Die großen Entwicklungslinien sind klar erkennbar und nicht neu. Neu ist die zunehmende Geschwindigkeit des Strukturwandels." Das dokumentiert auch eine Verbraucherbefragung des IT-Unternehmens Comarch und des Marktforschungsinstituts Kantar TNS bei mehr als 3.000 Konsumenten: Danach glauben 60 Prozent der Teilnehmer, dass es künftig keine Verkäufer mehr in den Geschäften geben wird und die Kunden stattdessen von digitalen Ratgebern geleitet werden. Allerdings kommen nur 31 Prozent der Kunden, die von einem Onlineshop begeistert waren, zu ihm zurück. Das dokumentiert, dass das Internet eher als Beschaffungs- denn als Erlebniskanal dient.  

Konsumklima verschlechtert sich wegen Corona-Ängsten

Den dramatischen Umschwung in der Handelslandschaft signalisiert auch das Verbraucherverhalten: So prognostiziert die GfK in ihrem Konsumklimaindex für April 2020, der im März 2020 erhoben wurde, einen Wert von 2,7 Punkten und damit 5,6 Punkte weniger als im März dieses Jahres (revidiert 8,3 Punkte). Das ist der niedrigste Wert seit Mai 2009. Damals lag das Konsumklima während der Finanz- und Wirtschaftskrise bei 2,6 Punkten. Ebenso deutlich ist die schlechte Konsumlaune der Kunden: Der Indikator für die Anschaffungsneigung der Konsumenten geht 22,2 Zähler zurück. Damit sinkt er auf 31,4 Punkte. Ein noch niedrigerer Wert wurde zuletzt im Juni 2013 mit 31,1 Punkten gemessen.

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