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2021 | Buch

Hans J. Morgenthau und die Twenty Years‘ Crisis

Das realistische Denken eines Emigranten im Lichte seines deutschen Erfahrungshintergrundes

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Über dieses Buch

Alexander Reichwein stellt in diesem Buch die realistische Theorie Hans J. Morgenthaus in den Kontext der deutschen Geschichte. Dabei vertritt er die These eines sinnstiftenden Zusammenhangs zwischen der Sozialisation und dem Denken des in Frankfurt promovierten Völkerrechtlers und späteren Politikwissenschaftlers. Reichwein argumentiert, dass erst das Wissen um Morgenthaus soziales und intellektuelles Umfeld, seinen persönlichen und akademischen Werdegang und die politischen Ereignisse in Europa in den Zwischenkriegsjahren den Schlüssel zum Verständnis seines Weltbildes bieten, das sich nicht auf ein affirmatives Verständnis von Macht reduzieren lässt. Morgenthaus Denken offenbart liberale Grundüberzeugungen, einen normativen Kern und Lehren aus der Vergangenheit, die in seiner Kritik an der US-Außenpolitik sowie in seinen Arbeiten zur Demokratie in Amerika zum Ausdruck kommen. Und die sich wie eine Warnung vor einer kriegerischen Außenpolitik, Nationalismus und einem zweiten Weimar lesen lassen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung: das Realismus-Idealismus-Puzzle
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit widmet sich dem wissenschaftlichen Werk des deutsch-amerikanischen Völkerrechtlers und Politikwissenschaftlers Hans J. Morgenthau. Es geht darum, den normativen und liberalen Kern und das kritische Potential in Morgenthaus realistischem Denken herauszuarbeiten. Beides kommt insbesondere in seiner Kritik an der US-Außenpolitik und in seinen Arbeiten über die Demokratie in Amerika zum Ausdruck. Diese Kritik wirft allerdings eine Reihe an Fragen und gibt auch Rätsel auf. Diese lassen sich, so meine These, erst vor dem Hintergrund seines deutschen Erfahrungshintergrundes auflösen. Die Arbeit bringt folglich Autor, Text und Kontext in einen unmittelbaren Sinnzusammenhang. Die Einleitung buchstabiert diese Rätsel und einen Fragenkatalog aus. Dann wird argumentiert, wie man Morgenthau wieder lesen sollte. Schließlich wird skizziert, wie ich in dieser Arbeit Morgenthau und sein Denken rekonstruieren, dabei eine Forschungslücke füllen und so mit den Rätseln umgehen werde.
Alexander Reichwein
Kapitel 2. Morgenthaus Denken: konservativ – liberal – kritisch?
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird die große Bandbreite an unterschiedlichsten Lesarten Morgenthaus und unterschiedlichsten Interpretationen seines Denkens vorgestellt. Nicht wenige und vor allen Dingen ältere Arbeiten offenbaren eine Reihe an Missverständnisse, die es auszuräumen gilt, will man der realistischen Denktradition und ihrer Genese auf den Grund gehen und Morgenthau gerecht werden. In den letzten Jahren sind neuere Arbeiten über den realistischen Vordenker erschienen, die genau dies tun und dabei ein facettenreiches Bild eines Denkers zeichnen, der in historischen, politischen und intellektuellen Kontexten verortet und entsprechend gelesen und interpretiert wird. Die Reise durch die Morgenthau-Rezeptionsgeschichte nimmt in den Blick, wie die Interpret*innen mit Morgenthaus Kritik an der US-Außenpolitik und mit seiner Sorge um die amerikanische Demokratie umgehen. Stellen die Autor*innen einen Zusammenhang zwischen der Kritik und Morgenthaus Erfahrungshintergrund her?
Alexander Reichwein
Kapitel 3. Wie Morgenthau wieder lesen: zur Kontextualisierung
Zusammenfassung
In diesem Kapitel stelle ich meine Überlegungen über das Denken in Kontexten, die dieser Arbeit zugrunde liegen, vor. Ich führe aus, was ich unter einer Kontextualisierung Morgenthaus verstehe. Und ich führe aus, wie man dadurch Brüche und Kontinuitätslinien im Leben und Denken eines Menschen nachvollziehen kann, der durch die erzwungene Emigration mehrfach seinen Standort und seine akademische Fachdisziplin wechseln und sich immer wieder mit neuen persönlichen, beruflichen und politischen Rahmenbedingungen arrangieren und an diese anpassen musste. Dazu greife ich auf Karl Mannheims Konzept der Standortgebundenheit des politischen Denkens, auf Ludwig Flecks Konzepte des Denkkollektivs und des Denkstils sowie auf Franz L. Neumanns Typologie transatlantischer Denkstile zurück. Diese wissenssoziologischen Konzepte, reformuliert von Ned Lebow, erweisen sich als äußerst hilfreich, um die Genese des politischen und theoretischen Denkens bei Morgenthau herausarbeiten, einzuordnen und verstehen zu können.
Alexander Reichwein
Kapitel 4. Puzzleteile: Morgenthaus Kritik an der US-Außenpolitik
Zusammenfassung
In diesem Kapitel stelle ich das Realismus-Idealismus-Puzzle, also das vermeintliche Spannungsverhältnis zwischen einem machtpolitisch-strategischen und einem normativ-liberalen Kern in Morgenthaus Denken, detailliert dar. Dazu rekapituliere ich Morgenthaus Kritik an der seines Erachtens falschen US-Außenpolitik unter Bezugnahme auf seine zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten und politischen Stellungnahmen in den Medien. Das Puzzle wird anhand von drei Teilen illustriert: Morgenthaus Kritik an Wilson und dessen Interventionismus, Morgenthaus Opposition gegen den Vietnamkrieg und seiner Israelposition. Das Kapitel zielt zum einen darauf ab, Aspekte von Morgenthaus Macht-, Moral- und Demokratieverständnis herauszuarbeiten. Es zielt zum anderen darauf ab, zu spezifizieren, was genau an Morgenthaus Kritik die Rätsel sind, und woran sich diese festmachen lassen, und was keine Rätsel sind. Welche Positionen sind in sich kohärent? Wo liegen Spannungen, Widersprüche und gegebenenfalls Brüche in seiner Argumentation?
Alexander Reichwein
Kapitel 5. Morgenthau im Lichte seines deutschen Erfahrungshintergrundes
Zusammenfassung
In diesem Kapitel präsentiere ich meine kontextualisierte Wiederbeschreibung Morgenthaus im Lichte seines deutschen Erfahrungshintergrundes. Ich arbeite heraus, woher sein Denken kommt und woher seine Kritik an der US-Außenpolitik rührte. Dabei gebe ich Antworten auf die Fragen, wie sein Schweigen über seine Vergangenheit, seine Moral- und Wertebezüge oder seine ideologischen und moralisierenden Haltungen ins realistische Bild passen. Und in welchem Verhältnis sein theoretischer Anspruch und seine Politikinterventionen stehen. Und was ihn zu seiner Kritik antrieb. Es soll verdeutlicht werden, inwieweit der Rückgriff auf Morgenthaus Sozialisation und Erfahrungshintergrund dabei hilft, mit dem Puzzle umgehen und die Spannungen und Widersprüche, die in seinem Denken genuin angelegt sind und ganz offensichtlich sein Werk durchziehen, einordnen und die Rätsel wenn möglich auflösen zu können. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Synthese aus altem europäischen und neuem amerikanischen Denken und auf den Brüchen und den Kontinuitätslinien bei Morgenthau.
Alexander Reichwein
Kapitel 6. Morgenthaus Hinterlassenschaft
Zusammenfassung
Diese Arbeit hat das wissenschaftliche Werk von Hans J. Morgenthau in den Blick genommen. Die Lektüre ergibt ein facettenreiches Bild eines Menschen, der ein bewegtes Leben führte. Morgenthau war ein Wissenschaftler, der an unterschiedlichen Standorten in unterschiedlichen Denkkollektiven und unter sich ständig verändernden Rahmenbedingungen von diversen Persönlichkeiten intellektuell und akademisch geprägt und durch einschneidende historische Epochen und politische Ereignisse sozialisiert wurde. Das Schlusskapitel fasst den Interpretationsspielraum, den Morgenthau bietet, zusammen. Es geht nochmal auf die These vom sinnstiftenden Zusammenhang zwischen Sozialisation und Denken sowie auf die Synthesen und Kontinuitäten in Morgenthaus Leben ein: Das kritische Potential und Morgenthaus normativ-liberalen Kern, die in seiner Auseinandersetzung mit der amerikanischen Außenpolitik und Demokratie zum Ausdruck kommen, ergeben erst Kontext seines Erfahrungshintergrundes Sinn. Und das Kapitel erinnert an Morgenthaus Hinterlassenschaft für die Disziplin IB und unsere demokratische Gesellschaften.
Alexander Reichwein
Backmatter
Metadaten
Titel
Hans J. Morgenthau und die Twenty Years‘ Crisis
verfasst von
Alexander Reichwein
Copyright-Jahr
2021
Electronic ISBN
978-3-658-34518-1
Print ISBN
978-3-658-34517-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-34518-1