Skip to main content
Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 5/2022

Open Access 18.08.2022 | Schwerpunkt

Herausforderungen in der Gestaltung der interorganisationalen Zusammenarbeit in IIoT-Ökosystemen – Eine Fallstudie im Maschinen- und Anlagenbau

verfasst von: Nico Walleser, Laura Schmiedle, Dimitri Petrik, Martin Rost

Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Ausgabe 5/2022

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Zusammenfassung

IIoT-Ökosysteme ermöglichen unter anderem Unternehmen aus der produzierenden Industrie ihren Kunden ein Wertangebot zu schaffen, das ohne die Zusammenarbeit mit Partnern und Wettbewerbern nicht realisierbar wäre. Besonders im Business-to-Business (B2B) Markt ist die Zusammenarbeit im Rahmen von IIoT-Ökosystemen bislang noch unzureichend erforscht. Wir untersuchen deshalb in einer empirischen Einzelfallstudie die Zusammenarbeit in einem IIoT-Ökosystem im B2B-Kontext. Im Fokus steht dabei ein europäisches Maschinenbauunternehmen, welches in der Rolle des Orchestrators im Ökosystem agiert. Die Ergebnisse der Interviewstudie zeigen, dass besonders die Herausforderungen fehlendes Vertrauen, Ausbalancieren von Interessen, Informationsflüsse, unklare Zuständigkeiten, Integration von externen Partnern und das Geschäftsmodell die Zusammenarbeit in Ökosystemen erschweren. Mit Hilfe eines Expertenworkshops konnten Gestaltungsempfehlungen zur Adressierung dieser Herausforderungen erarbeitet werden. Der Beitrag legt dar, welche Herausforderungen in der Zusammenarbeit innerhalb von IIoT-Ökosystemen auftreten und wie diese durch geeignete Gestaltungsempfehlungen bewältigt werden können

1 Einleitung

Der Megatrend der industriellen Digitalisierung, geprägt durch ein konstant hohes finanzielles Wachstum, erfasst zahlreiche Branchen. Aktuell beträgt der Marktwert des weltweiten Industrial Internet of Things Marktes ca. 324 Mrd. US-Dollar. Experten prognostizieren sogar ein Wachstum um mehr als das Doppelte in den nächsten sechs Jahren (Placek 2022). So verändert die Digitalisierung auch die Wettbewerbsbedingungen im Maschinenbau, gemessen an der Beschäftigtenzahl, Umsatz und Ausgaben für Forschung und Entwicklung, einer der bedeutendsten Domänen der deutschen Industrie. In dieser Branche bieten digitale, mehrwertstiftende Services eine Möglichkeit, um sich vom Wettbewerbsdruck über die Lösung komplexer werdender Kundenprobleme abzugrenzen. Für Anbieter dieser digitalen Services stellt sich die Frage, wie sie die neuen digitalen Wertschöpfungsmöglichkeiten realisieren und im Markt etablieren können. Digitale Plattformen in industriellen Business-to-Business (B2B) Märkten stellen eine Möglichkeit dar, die Wertschöpfungsaktivitäten der beteiligten Partner zu koordinieren und gemeinsam Lösungen für die Kunden zu entwickeln. Insbesondere im Maschinenbau hilft die Digitalisierung komplexe Kundenprobleme bezogen auf die Flexibilisierung der Fertigung, die Wartung oder Finanzierung von Maschinen zu lösen. Dabei stellen digitale Plattformen, die dem Kunden ein einfaches Plug-and-Play verschiedener Systeme (ERP, CAD etc.) und Hardwarekomponenten (z. B. Maschinen) von unterschiedlichen Herstellern ermöglichen, die architekturelle Basis dar, um komplexe Kundenprobleme zu adressieren. Digitale Plattformen im industriellen Kontext sind auch als Internet of Things (IIoT)-Plattformen bekannt. Sie stellen eine interoperable digitale Infrastruktur zur Konnektivität und unternehmensübergreifendem Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen industriellen Assets dar (Mineraud et al. 2016). Das Internet of Things stattet physische Produkte mit Sensoren, Aktuatoren und Vernetzung aus, um Daten zu generieren und diese automatisiert auszutauschen. Dieses Prinzip lässt sich auch in den industriellen Kontext übertragen. Gemäß dem Industrial-Internet-of-Things-(IIoT)-Paradigma ermöglichen Sensoren, Aktoren und die Vernetzung in Werkzeugmaschinen eine unternehmensübergreifende Informationsteilung zur Realisierung innovativer Geschäftsmodelle (Gubbi et al. 2013). IIoT zielt darauf ab, Mehrwert auf Basis der Vernetzung und der Verarbeitung industrieller Daten zu erzeugen. Dabei sind die zur Umsetzung des IIoT-Paradigmas nötigen Technologien vielfältig und komplex, sodass ihre erfolgreiche Realisierung kaum von einzelnen Unternehmen im Alleingang erbracht werden kann. Demnach gelten kooperative Organisationsformen als effektive Lösungsansätze zur Realisierung komplexer Kundenlösungen. Grund hierfür ist, dass in weltmarktorientierten Branchen, wie dem Maschinenbau, die Integration externer Ressourcen in die Wertschöpfung ermöglicht werden. In diesem Kontext unterstützen digitale IIoT-Plattformen den Austausch zwischen Produzenten, Konsumenten und Komplementoren und fördern die unternehmensübergreifende sowie multilaterale Wertschöpfung in Ökosystemen (Jacobides et al. 2018). Trotz dieser Vorteile haben IIoT-Ökosysteme nach wie vor erhebliche Akzeptanz- und Skalierungsprobleme. Zwar hat die aktuelle Ökosystemforschung allgemeine Problemquellen der Ökosystemetablierung bereits erkannt, bietet jedoch kaum Erkenntnisse über die domänenspezifischen Herausforderungen hinsichtlich der Zusammenarbeit in Ökosystemen oder wissenschaftlich fundierte Empfehlungen zu ihrer Adressierung (Jacobides et al. 2018). Eine Übertragung der Erfahrungen und Gestaltungsempfehlungen aus bereits durch Plattformen mediierten B2C-Märkten in industrielle Domänen scheint nur unzureichend möglich zu sein. Ein zu B2C-Märkten analoges Vorgehen kann sich bei der Etablierung von Ökosystemen in B2B-Märkten sogar destruktiv auf ihre Entwicklung auswirken (Pauli et al. 2021). Ziel dieser Studie ist es deshalb, zentrale Herausforderungen der Zusammenarbeit in IIoT-Ökosystemen im B2B-Kontext herauszuarbeiten. Aus dieser Zielsetzung wird die folgende Forschungsfrage abgeleitet: Welche Herausforderungen ergeben sich für Unternehmen in der Zusammenarbeit in IIoT-Ökosystemen im industriellen Kontext und mit welchen Lösungsansätzen können diese bewältigt werden?

2 Theoretische Grundlagen

IIoT-Plattformen
Die fehlende Interoperabilität von industriellen Assets bildet eine der Besonderheiten im IIoT-Kontext, was eine skalierbare und erweiterbare digitale Infrastruktur erforderlich macht. Eine solche Infrastruktur stellen digitale industrielle Plattformen dar, die in der Praxis auch als IIoT-Plattformen bekannt sind. Technisch bieten sie eine interoperable Infrastruktur für den Datenaustausch zwischen industriellen Assets und sonstigen Systemen und sorgen für eine unternehmensübergreifende Datendurchgängigkeit. Darüber hinaus vereinen IIoT-Plattformen in sich die Prinzipien einer Innovationsplattform, bspw. bieten sie i. d. R. eine modular erweiterbare Architektur. Im IIoT-Kontext können Komplemente aus Hardware und Software bestehen und hybriden Leistungsbündeln ähneln, weshalb sie architektonisch komplexer sind als reine Softwareapplikationen in B2C-Domänen (z. B. Smartphone Betriebssysteme). Inzwischen können sogar mehrere Archetypen von marktgängigen IIoT-Plattformen unterschieden werden, die im Spannungsfeld zwischen der Konnektivität, der Datenverarbeitung und der Entwicklung von Komplementen unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen (Arnold et al. 2022).
Obwohl IIoT-Plattformen auf dem Markt überwiegend proprietär sind, ermöglichen die Meisten den komplementären Partnern Innovationen auf der eigenen Plattform, indem technologische Bausteine und Schnittstellen für den Datenaustausch bereitgestellt werden, um die Entwicklung der Komplemente zu fördern (Arnold et al. 2022). Im Vergleich zu einer Entwicklung ohne eine solche Plattform werden bessere Time-to-Market-Werte erzielt (Pauli et al. 2021). Es lässt sich beobachten, dass die in den Benchmarks führenden IIoT-Plattformanbieter relativ niedrige Hürden für die Plattformnutzung setzen, sodass eine symbiotische Arbeitsteilung zwischen dem IIoT-Plattformanbieter und den komplementären Wertschöpfungspartnern erreicht wird. So wird auf Basis einer IIoT-Plattform das Ökosystem-Konstrukt generiert, da zueinander kompatible plattformbasierte Module und Technologien von Dritten zu komplexen Lösungen zusammengesetzt werden können (Mineraud et al. 2016). Dementsprechend fördern IIoT-Plattformen die Zusammenarbeit in IIoT-Ökosystemen.
IIoT-Ökosysteme
Im Zeitalter der Digitalisierung kommen traditionelle dyadische Unternehmensbeziehungen an ihre Grenzen. Die Organisationsform der Ökosysteme gilt als eine Ausrichtungsstruktur multilateraler gegenseitig abhängiger Partnergruppen für die kooperative Entstehung eines Wertangebots aus komplementären Bestandteilen (Adner 2017; Jacobides et al. 2018). Im Vergleich zu traditionellen Wertschöpfungsnetzwerken erreichen Ökosysteme einen höheren Standardisierungsgrad und sind durch Konkurrenz, Generativität sowie Netzwerkeffekte gekennzeichnet (Petrik und Schüler 2021). Daher sind Ökosysteme im Vergleich zu traditionellen Kooperationsformen dynamischer und bieten für Ökosystemakteure weniger Planungssicherheit. Die im wissenschaftlichen Diskurs dominieren Ökosystemtypen wie Businessökosysteme, Innovationsökosysteme und plattformbasierte Ökosysteme können auch im IIoT-Kontext vorkommen. Gemäß der Taxonomie für die Gestaltung intelligenter Werkzeugmaschinen (Scharfe und Wiener 2020) können unterschiedliche Wertschöpfungspartner, Technologien oder Baugruppen für jede der Architekturdimensionen beisteuern (z. B. Maschinenkomponenten, Datenverarbeitungsinfrastruktur, Applikationen), um eine IIoT-Lösung zu realisieren. Entsprechend ermöglicht die Organisation in Ökosystemen die Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen, die im Maschinenbau insbesondere die Herstellung von Maschinen aus Baugruppen und die Optimierung der Fertigungsprozesse betreffen. Plattformbasierte Komplemente einer IIoT-Lösung können zusätzlich bei industriellen maschinenbetreibenden Endkunden eingesetzt werden, um bspw. durch die Intelligenz der Fabriken Effizienzvorteile in der Produktion zu erhalten. Es ist davon auszugehen, dass in Bezug auf bestimmte Materialien oder Fertigungsprozesse sich IIoT-Ökosysteme bilden, um digitale Geschäftsmodelle abbilden und erbringen zu können.
Aufbauend auf den Erkenntnissen von Iansiti und Levien (2004), wird häufig angenommen, dass Ökosysteme von fokalen Akteuren (sog. Keystones) gebildet werden. Keystone-Unternehmen können bspw. eine dominante Technologie einbringen, um externe Partner für eine kollaborative Wertschöpfung zu gewinnen. Gleichzeitig sind Keystones in einer Orchestratorenposition und sind so in der Lage die Zugangspunkte zum Ökosystem und die Wertverteilung im Ökosystem zu regulieren (Jacobides et al. 2018). In der Vergangenheit haben Plattformanbieter versucht eine sog. Plattformführerschaft zu etablieren, um die Entwicklungsrichtung im Ökosystem (z. B. in Bezug auf die Standardisierung) zu steuern (Gawer und Cusumano 2013). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage wie es Unternehmen des Maschinenbaus schaffen können, Ökosysteme aufzubauen und welche domänenspezifischen Herausforderungen mit Fokus auf die unternehmensübergreifende Arbeitsorganisation es zu überwinden gilt. Frühere Ökosystemforschung hat bisher einige Erkenntnisse zu kritischen Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren beim Aufbau von Ökosystemen aus der Orchestratorenperspektive präsentiert (Saarikko 2016). Dennoch beziehen sich diese Arbeiten primär auf B2C-Domänen und sind daher auf industrielle Ökosysteme wie z. B. in der Domäne des Maschinenbaus nur bedingt übertragbar (Pauli et al. 2021). Auch die Forschungsarbeiten zur Zusammenarbeit in B2B fokussierten sich vor allem auf die durch Plattformen mediierte Zusammenarbeit. Erkenntnisse über die Herausforderungen im Kontext des Maschinenbaus können wiederum in die konkrete Gestaltung von IIoT-Ökosystemen überführt werden, um die Entscheider in der Praxis bei der Etablierung der Orchestratorenrolle zu unterstützen und zum Ökosystemaufbau positiv beizutragen.

3 Methodik

3.1 Anwendungsfall

Das in der Fallstudie betrachtete Unternehmen ist ein global agierender Maschinen- und Anlagenbauer mit mehr als 10.000 Mitarbeitern. Das Unternehmen wurde aufgrund der vielfältigen Geschäftsfelder (Maschinen, Services, Beratung u. a.) sowie der Vision, sich von einem Produkt- hin zu einem Lösungsanbieter (intelligente und automatisierte Systeme einer intelligenten Fabrik anstelle von Einzelmaschinen) zu wandeln, ausgewählt. Zur Realisierung eines solch komplexen Lösungsangebots benötigt das Maschinenbauunternehmen Kompetenzen und Ressourcen außerhalb des eigenen Kerngeschäfts. Dies erfordert Teillösungen, die gemeinsam durch die Zusammenarbeit von Partnern im Rahmen von Ökosystemen (bspw. im Kontext von IIoT) erschaffen werden. Im Anwendungsfall nimmt das Unternehmen die Orchestratorrolle ein. Somit wird in der Studie die Zusammenarbeit eines orchestrierenden Unternehmens mit seinen Partnern im IIoT-Ökosystem analysiert. Ziel des IIoT-Ökosystems ist es, Maschinen von Wettbewerbern bzw. Drittanbietern über geeignete Schnittstellen (bspw. Application Programming Interfaces [API’s]) und eine modular gestaltete Softwarearchitektur miteinander zu verknüpfen und so einen vernetzten und interoperablen industriellen Hallenboden (sog. Shopfloor) auf Kundenseite zu ermöglichen. Zur Realisierung dieser Teillösung auf dem Weg zum Lösungsanbieter bedarf es einer Zusammenarbeit in Form eines IIoT-Ökosystems zwischen dem Maschinenbauunternehmen mit Partnern, bspw. aus der Softwarebranche. Die vergangenen Erfahrungen des Unternehmens aus verschiedensten Projekten zeigen jedoch, dass bei der Zusammenarbeit im Rahmen von Ökosystemen auch einige Herausforderungen aufgetreten sind.

3.2 Datenerhebung und Datenauswertung

Die bei der Zusammenarbeit im Ökosystem entstehenden Herausforderungen wurden in einem dreistufigen Forschungsprozess herausgearbeitet.
Im ersten Schritt wurden zahlreiche informelle Gespräche mit Unternehmensvertretern geführt und Dokumente gesichtet, um zu verstehen, wie das betrachtete Unternehmen mit Kooperationspartnern im IIoT-Ökosystem zusammenarbeitet, welche Projekte dazu initiiert wurden und welche Abteilungen sowie Personen daran beteiligt waren. Auf dieser Grundlage wurden neun Experten ausgewählt, die die Herausforderungen des Unternehmens bei der Zusammenarbeit mit Partnern aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben sollten. Die Experten waren alle in Entwicklungsprojekte zum Aufbau von einem IIoT-Ökoystem eingebunden und arbeiten im Bereich für Forschung und Entwicklung.
Im zweiten Schritt wurden mit den Experten halbstrukturierte Interviews (zwischen 45 und 65 min) zu den Herausforderungen bei der Zusammenarbeit in IIoT-Ökosystemen im industriellen Kontext geführt. Dabei beschrieben die Experten aktuelle Herausforderungen im Maschinen- und Anlagenbau und resultierende Auswirkungen sowie Projekte, in denen sie mit den Kooperationspartnern in IIoT-Ökosystemen zusammenarbeiten. Zusätzlich beschrieben sie ihre Interaktion mit den Kooperationspartnern, die insbesondere zum Erfolg oder Misserfolg der Zusammenarbeit im IIoT-Ökosystem beigetragen haben. Mit der Abfrage von erfolgskritischen Situationen werden reale Situationen und Verhaltensweisen aus dem Organisationskontext rekonstruiert (Flanagan 1954).
Die Daten wurden mit einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Gioia et al. (2012) ausgewertet. Dabei werden Textstellen mit Bezug zur Forschungsfrage aus den Interviews ausgewählt, zusammengefasst und schließlich zu zehn zentralen Herausforderungen der Zusammenarbeit in IIoT-Ökosystemen aggregiert: Kulturelle Herausforderungen, Geschäftsmodell, Ausbalancieren von Interessen (intern/extern), Vertrauen, Informationsflüsse, technische Herausforderungen/Schnittstellenmanagement, Integration von externen Partnern, Wertangebot definieren, Abstimmung (intern/extern) und unklare Zuständigkeiten.
Im dritten Schritt wurden die aus den Interviews abgeleiteten Herausforderungen im Sinne einer Delphi-Studie validiert und priorisiert. Dazu wurde ein Expertenworkshop von 120 min Dauer mit jeweils drei Wissenschaftlern aus den Bereichen Wirtschaftsinformatik und Organisationsforschung und drei Managern aus dem Unternehmen der Fallstudie durchgeführt. Dabei wurden zunächst die aus der Interviewstudie abgeleiteten Herausforderungen präsentiert und anschließend von den Experten bewertet. Für die folgenden sechs in der dargestellten Reihenfolge am höchsten priorisierten Herausforderungen wurden in einem weiteren Schritt Lösungsansätze diskutiert: Vertrauen (1), Ausbalancieren von Interessen (2), Informationsflüsse (3), unklare Zuständigkeiten (4) Integration von externen Partnern (5) und Geschäftsmodell (6).
Aus Gründen der Übersichtlichkeit findet im Ergebnisteil eine Fokussierung auf diese am höchsten priorisierten sechs Herausforderungen statt.

4 Ergebnisse

Vertrauen
Vertrauen wurde im Rahmen des Expertenworkshops als die relevanteste und damit am höchsten priorisierte Herausforderung klassifiziert. Das Vertrauen der Ökosystemakteure in das gemeinschaftliche Projekt muss in einer frühen Phase hergestellt und in der weiteren Zusammenarbeit vertieft werden, um Daten und Wissen gemeinsam teilen und nutzen zu können. Die empirische Studie hat gezeigt, dass vor allem der Datenschutz ein wichtiger Aspekt darstellt. Aus den Interviews geht hervor, dass oftmals nicht klar ist, wem die geteilten Daten innerhalb eines Ökosystems gehören und wie Datenschutzerklärungen sowie die Datensouveränität gestaltet werden sollen. „Auch mit Daten ist das eine Schwierigkeit, weil man meistens nicht Herr über die Daten ist. […] Da ist es auch schwierig mit den Datennutzungserklärungen, aber auch die Datensouveränität, wem gehören die Daten und wo liegen die und kann man die Daten zusammenführen oder nicht?“ (Interviewpartner [IP] 5). Neben der Herausforderung von Datenschutz und Datensouveränität zeigt sich in der Zusammenarbeit von Ökosystemakteuren, die im Wettbewerb zueinanderstehen, die Angst, ihr Wissen mit anderen Akteuren zu teilen. Dies wurde von einem Interviewpartner wie folgt beschrieben: „Dadurch war das gekaufte [Partnerunternehmen A] immer kritisch irgendwelche Informationen an [Partnerunternehmen B] zu geben. Weil sie beide in dem gleichen Technologieumfeld sind und sich beide mit dem Thema [domänenspezifische Thematik] beschäftigen. Das heißt, das war eine Herausforderung, dass die überhaupt miteinander reden“ (IP 6).
Ausbalancieren von Interessen
Das Ausbalancieren von Interessen zeigte sich im Rahmen des Expertenworkshops als zweitwichtigste Herausforderung. Dabei ist zwischen der externen und internen Perspektive zu differenzieren. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit externen Partnern stellte sich heraus, dass vor allem eine gemeinsame Zielvorstellung sowie -ausrichtung ein Erfolgsfaktor für IIoT-Ökosysteme ist. Ein Interviewpartner beschreibt das wie folgt: „Wenn vier Parteien unterschiedliche Ziele haben, dann zieht natürlich jeder erstmal an seinem eigenen Strang und die Ziele der anderen sind dann erstmal sekundär“ (IP 6). Die Relevanz der Zielausrichtung, auch „alignment of interest“ genannt, wurde von IP 9 ebenfalls angeführt. Als erfolgskritische Faktoren wurde hierbei angemerkt, dass besonders eine gemeinsame Sprache sowie eine gemeinsame Verhandlungsbasis, „die offensichtlich macht, dass jeder beteiligte Spieler Interessen hat“ (IP 9) wichtig sind, um die Interessen der einzelnen Akteure zu vereinen. Zu Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit kommt es unter anderem auch dann, wenn der Mehrwert der Partnerschaft für alle Parteien nicht eindeutig ersichtlich ist und Unklarheiten bezüglich der Rentabilität des Ökosystems existieren. Das Ausbalancieren von Interessen ist besonders dann relevant, wenn Ökosystemakteure im Wettbewerb kooperieren oder sich im Laufe der Zusammenarbeit Projektpriorisierungen der einzelnen Partner verändern. Unternehmensintern können ebenfalls Interessenskonflikte auftreten. Beispielsweise durch konkurrierende Projekte, welche auf die gleichen externen Ressourcen zurückgreifen: „Für [Projektname], war das natürlich insofern schlecht, dass man intern ein anderes Programm hatte, was auf die gleichen Ressourcen bei den Partnern zugegriffen hat“ (IP 6).
Informationsflüsse
Eine weitere Herausforderung zeigt sich im organisatorischen Bereich hinsichtlich der Gestaltung von Kommunikation und Informationsflüssen. Es stellte sich heraus, dass viele Absprachen zwischen einzelnen Teammitgliedern im Hintergrund stattfanden, was zu einer asymmetrischen Informationsgrundlage in IIoT-Ökosystemen sowohl für einzelne Individuen als auch für Teams führte. „Da waren im Endeffekt vier bis fünf Beteiligte und jeder hat mit jedem gesprochen, aber es war nie zu 100 % transparent. Es war nicht klar, wer mit wem was gesprochen hat und was es da schon für Abmachungen im Hintergrund gibt“ (IP 6). Informationsverluste zeigten sich ebenfalls durch ständig wechselnde Konstellationen der interorganisationalen Teammitglieder. Hierbei wurden in bereits bestehende Konstellationen neu hinzukommende Teammitglieder nicht ausreichend auf den aktuellen Informationsstand gebracht. Wichtige Informationen gingen verloren und mussten mehrmals kommuniziert werden. „Also ich habe mich schon gefühlt wie ein Tonband. Neuer Termin mit [Unternehmen], neue Leute im Team und die Leute haben keine Ahnung“ (IP 4). Ein weiteres Hemmnis aus organisatorischer Perspektive stellt das sogenannte Silodenken dar. Starre Organisationsstrukturen verhindern dabei den Austausch von Informationen zwischen Abteilungen und hemmen somit die interdisziplinäre Zusammenarbeit in IIoT-Ökosystemen.
Unklare Zuständigkeiten
Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Ökosystem bedarf es zunächst einem einheitlichen Begriffsverständnis des Konstrukts Ökosystem. Die Interviews zeigen ein unzureichendes Verständnis für diese Begrifflichkeit. „Bei [Unternehmen] ist es definitiv so, dass es unterschiedliche Verständnisse darüber gibt und im Grunde genommen das Gesamtkonzept immer noch sehr, sehr stark als inflationäres Buzzword bezeichnet wird“ (IP 7). Diese unklare Definition eines Ökosystems führt gleichzeitig auch zu einem erschwerten Rollenverständnis und dem Hinterfragen der eigenen Identität. Hierbei ist den Akteuren die eigene Rolle im Ökosystem häufig nicht bewusst und führt dazu, dass die eigene Identität hinterfragt wird. „Also ist man der Maschinenbauer, der auch Softwareprodukte betreibt für den eigenen Kontext oder ist man eher der Softwareentwickler, der auch Software auf den Maschinen implementiert?“ (IP 8). Weiterhin sind in der Zusammenarbeit besonders in IIoT-Ökosystemen häufig Verantwortungen hinsichtlich sogenannter Schnittstellen (beispielsweise eine API-Schnittstelle) nicht geklärt. Hier ist unklar, wer von den Akteuren welche Ressourcen für die kollaborative Entstehung von Schnittstellen beisteuert und die Verantwortung trägt. „[…] generell ist es natürlich auch schwierig, weil man immer über Schnittstellen redet, wer baut die Schnittstelle auf, weil diese ja dazwischen liegt und wer bringt wie viel ein?“ (IP 5).
Integration von externen Partnern
Eine weitere Herausforderung, die aus den Interviews hervorging, zeigt sich in der Integration von externen Partnern in die Zusammenarbeit im Ökosystem. Dafür ist zunächst ein Umdenken im Unternehmen notwendig. Ein traditionelles, langjährig erfolgreiches Unternehmen, welches bislang die Produktentwicklung auf Basis eigener Ressourcen bewerkstelligen konnte, soll sich nun verstärkt für die Zusammenarbeit mit externen Partnern öffnen, um ein durchgängiges Produktionserlebnis schaffen zu können. „Sprich wir müssen uns öffnen über unseren eigenen Schwerpunkt der [Domäne X] hinaus. Wir wissen aber auch, dass wir unserem Kunden so ein wirklich sehr schönes durchgängiges Produktionserlebnis schaffen können, dass wir möglicherweise nicht mehr alles selber entwickeln“ (IP 2). In diesem Zusammenhang stellt das Bewusstsein darüber, was einzelne Partner benötigen, um erfolgreich in das Ökosystem integriert zu werden und einen Mehrwert zu generieren, eine zentrale Herausforderung dar. Hierbei stellt sich beispielsweise die Frage: „… wie stellt man interne IT-Systeme, eine Software-Architektur auf, sodass ein Partner überhaupt einen nennenswerten Mehrwert erzeugen kann?“ (IP 7). Des Weiteren treten bei der Integration von externen Partnern Schwierigkeiten hinsichtlich der Gestaltung und Umsetzung eines einheitlichen Projektmanagements auf. Dies zeigt sich darin, dass digitale Kollaborationstools oftmals nicht zeitnah bereitgestellt werden können. Darüber hinaus verhindert die Kompatibilität der Tools in die einzelnen IT-Landschaften der Ökosystempartner einen gemeinsamen Dokumentenaustausch.
Geschäftsmodell
Eine im Expertenworkshop im Vergleich weniger hoch priorisierte, aber dennoch wichtige Herausforderung stellt die Ausgestaltung des Geschäftsmodells dar. In der Interviewstudie finden sich zentrale Aussagen zur hohen Relevanz dieser Herausforderung: Im Zuge der Digitalisierung verlangen Kunden nach immer komplexer werdenden Lösungsangeboten. Diese veränderten Kundenanforderungen sind im B2C Markt bereits etabliert und mittlerweile auch vermehrt im B2B Markt zu erkennen. „Und der Trend geht ganz klar dahin, dass die Kunden eigentlich unterschiedliche Systeme aus einer Hand verlangen. […] Es kommen verstärkt die Anforderungen, dass unsere Systeme als Lösung hingestellt werden“ (IP 3). Des Weiteren ist es für Geschäftsmodelle im Kontext von Ökosystemen von großer Bedeutung auch weitere Anforderungen zu adressieren, wie bspw. nachhaltige und modular gestaltete Kundenlösungen oder das Ausbalancieren des Kerngeschäfts und innovationsorientierten F&E-Tätigkeiten. „Eine riesige Herausforderung ist das Kerngeschäft weiter wettbewerbsfähig zu halten. […] Nichtsdestotrotz müssen wir schauen, dass wir die Herstellungskosten reduzieren, dass wir auch so hoch modular fertigen, […] dass wir in Wiederverwendbarkeit von einzelnen Modulen kommen“ (IP 2). Hierbei ist es besonders zentral, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern und zu prüfen, inwiefern die Geschäftsmodelle im Kontext der Zusammenarbeit in Ökosystemen rentabel sind und sich monetarisieren lassen. „Alle Ökosysteme, die zumindest im wirtschaftlichen Kontext, nur eine Idee repräsentieren, weshalb es besser wird, ohne dass sie sich monetarisieren lassen, entstehen nicht. […] Es muss betriebswirtschaftlich abbildbar sein“ (IP 9).
Weitere im Methodenteil genannte Herausforderungen (kulturelle Herausforderungen, technische Herausforderungen, interne/externe Abstimmung und Definition des Wertangebots) wurden deutlich seltener von den Experten ausgewählt und werden deshalb aufgrund der angestrebten Fokussierung auf die zentralen Herausforderungen nicht dargestellt. Eine überraschende Erkenntnis war, dass die technischen Herausforderungen im Rahmen der Priorisierung von den Experten nicht berücksichtigt wurden.

5 Designempfehlungen für die Zusammenarbeit in IIoT-Ökosystemen

Anknüpfend an die Priorisierung der Herausforderungen sind im Rahmen des Expertenworkshops Lösungsansätze und Designempfehlungen für die relevantesten Herausforderungen erarbeitet worden. Um das Vertrauen zu fördern, empfahlen die Experten die Etablierung eines gemeinsamen Code of Honor. Ein solches Regelwerk beinhaltet geltende Normen und Verhaltensweisen in einer Gruppe und zeigt sich beispielsweise in Form von Richtlinien für die Datennutzung und -teilung. Es empfiehlt sich, die Richtlinien so zu gestalten, dass das Vertrauen in den sicheren Umgang mit Daten zwischen den Ökosystempartnern gestärkt wird. Zudem sind Teambuildingmaßnahmen sowie eine transparente Offenlegung der Erwartungen aller Beteiligten zu Beginn der Zusammenarbeit wichtige Bestandteile, um die Wissensnutzung und -teilung zu verbessern. Um die Herausforderung des Ausbalancierens von Interessen zu bewältigen, skizzierten die Experten eine klare Zieldefinition als notwendiges Kriterium für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Hierbei ist es zunächst wichtig zu klären, welche Art von Ökosystem entstehen soll. Bei einem offenen Ökosystem zum Aufbau eines Standards (einem sogenannten Konsortium) verfolgen die Akteure zumeist unterschiedliche Interessen, weshalb es einem regelmäßigen Abgleich der Interessen für ein gemeinsames Ziel bedarf. Bei einem Ökosystem, welches durch einen zentralen Orchestrator mit wirtschaftlichen Eigenzielen koordiniert wird, kommt diesem die Aufgabe zu, die Ökosystemakteure von dem gemeinsamen Mehrwert der Partnerschaft zu überzeugen. Als mögliche Designempfehlung zur Berücksichtigung von verschiedenen Interessen der Partner diskutierten die Experten eine zentrale Zieldefinition in Teilziele zu untergliedern. Geht der Mehrwert eines Ökosystems mit fokalem Akteur nicht eindeutig für die Partner hervor, dienen sogenannte Roadmaps als Lösungsmöglichkeit. Roadmaps sind grafische Kommunikationsinstrumente, die einen Überblick über die strategische Richtung der Produktplanung geben und darauf abzielen, alle Schlüsselperspektiven einzubeziehen (Suomalainen et al. 2011). Dabei können entstandene Unklarheiten minimiert werden, indem die Zieldefinition in Roadmaps um die jeweiligen Mehrwerte ergänzt wird. Zur erfolgreichen Gestaltung von Informationsflüssen zogen die Experten in Erwägung, einen agilen Coach zur Orchestrierung der Informationsflüsse einzusetzen. Agile Coaches unterstützen die Einführung und Umsetzung von agilen Praktiken, Prozessen und Werten in der Entwicklung (Parizi et al. 2014). Hierdurch können asymmetrische Informationsstände in multilateralen Partnerschaften ausgeglichen werden, um Informationsverlusten entgegenzuwirken, das gegenseitige Vertrauen zu stärken und die Zusammenarbeit im Ökosystem zu verbessern. Der agile Coach kann ebenso für die Moderation von regelmäßigen Abstimmungsterminen eingesetzt werden. Darüber hinaus können Informationssilos durch die Unterstützung eines agilen Coachs reduziert werden. Zusätzlich haben die Ergebnisse des Expertenworkshops gezeigt, dass es zum Aufbrechen von Silodenken einer neuen Organisationsstruktur bedarf. Hierbei sollten Abteilungsstrukturen flexibel gestaltet werden, um das Bewusstsein für die neue Form der Zusammenarbeit in Ökosystemen zu entwickeln. Diese Bewusstheit spielt eine zentrale Rolle in der Herausforderung der unklaren Zuständigkeiten. Es hat sich gezeigt, dass für den kollaborativen Aufbau von Schnittstellen die Übernahme von Verantwortung im Schnittstellenmanagement und das Einbringen von Ressourcen häufig nicht eindeutig geregelt ist. Dies wird durch die Multilateralität der Partnerschaften im Ökosystem verstärkt. Der Expertenrat verwies hierbei auf eine klare und spezifische Kommunikation für eine erfolgreiche multilaterale Zusammenarbeit. Gestaltungsmaßnahmen für die Integration von externen Partnern sind die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses zur Kollaboration im Ökosystem. Dabei ist es wichtig, die Partner nicht nur räumlich zusammenzubringen (bspw. in Form von Hubs oder Exzellenz-Fabriken), sondern auch die Beziehungspflege durch gemeinsame Partnerevents in einem informellen Rahmen zu ermöglichen. Die Beziehungspflege und räumliche Nähe ist zusätzlich vorteilhaft um die kognitive Distanz (Unterschied in der Denkweise und den Problemlösungsmustern) zwischen Partnerunternehmen abzubauen und somit eine Offenheit für kollaborative Partnerschaften zu entwickeln. Wie im Ergebnisteil erläutert, verlangen Kunden zunehmend nach Lösungsangeboten. Diese bedingen häufig eine Zusammenarbeit in Ökosystemstrukturen. Daher muss systematisch geprüft werden, ob an bereits bestehende Geschäftsmodelle angeknüpft werden kann oder neue Geschäftsmodelle entwickelt werden müssen. Eine Lösungsmöglichkeit hierfür bieten partnerübergreifende Workshopformate, um zu prüfen, inwiefern bestehende Vertriebskanäle, Organisationsstrukturen und Preismodelle angepasst oder erneuert werden müssen. Diese Workshopformate können auch genutzt werden, um im Laufe der Ökosystementwicklung neue Komplementoren zu integrieren und dabei das Geschäftsmodell des Orchestrators mit dem des Komplementors abzugleichen.

6 Diskussion und Ausblick

Ziel dieser empirischen Fallstudie war es zentrale Herausforderungen der Zusammenarbeit in IIoT-Ökosystemen herauszuarbeiten und daraus Empfehlungen für deren Gestaltung abzuleiten. Insgesamt konnten zehn Herausforderungen identifiziert werden, von denen sechs im Rahmen des Expertenworkshops priorisiert wurden. Auffallend war, dass zwischenmenschliche Themen wie beispielsweise das Vertrauen eine sehr hohe Bedeutung hatten und technische Herausforderungen als wichtig, aber leichter zu bewältigen eingestuft wurden. In der Interviewstudie wurden zwar von den meisten Experten technische Herausforderungen genannt, jedoch als lösbar bewertet. Pauli et al. (2021) legen in einer Studie dar, dass bei digitalen Plattformen im industriellen Kontext häufig technische und architektonische Hindernisse bewältigt werden müssen. In dieser Studie wird angeführt, dass Konnektivitätstechnologien (z. B. WiFi HaLow) oder Kommunikationsprotokolle (z. B. MQTT oder OPC UA) bisher noch keinen einheitlichen Standard aufweisen und deshalb immer wieder Herausforderungen in der Zusammenarbeit verschiedener Organisationen mit sich bringen. Ein Grund dafür, dass Experten in unserer Interviewstudie die technischen und architektonischen Hindernisse als leichter zu bewältigen ansahen im Vergleich zu Vertrauen oder dem Ausbalancieren von Interessen, könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Interviews in der Entstehungsphase eines IIoT-Ökosystems (Rong et al. 2015) erhoben wurden.
Zukünftig ist eine tiefergehende empirische Analyse einzelner Lösungsansätze denkbar, um ihre Effektivität zu prüfen und zusätzlich eine Optimierung sowie Erweiterung dieser Gestaltungsempfehlungen zu erreichen. So wurden in dem Workshop bspw. Roadmaps als ein adäquater Ansatz zur Steuerung der Informationsflüsse genannt. In einem IIoT-Ökosystem eingesetzt, können Roadmaps die Transparenz über Entwicklungsaktivitäten im Ökosystem verbessern und Implikationen für die Ausrichtung der IIoT-Ökosystemakteure erzeugen. Dennoch wurden Roadmaps bisher primär unternehmensintern eingesetzt, weshalb ihre Optimierung für den Einsatz im Ökosystemkontext noch aussteht und zukünftig vorangetrieben werden sollte. Ein weiterer Ansatzpunkt zur erfolgreichen Gestaltung von Informationsflüssen ist der Einsatz von agilen Coaches zur Orchestrierung von Informationen. In diesem Zusammenhang könnten weiterführende Studien untersuchen, inwiefern neue Rollen innerhalb eines Ökosystems durch die Zusammenarbeit entstehen und welche Kompetenzen erforderlich sind. Stonig et al. (2022) haben gezeigt, dass ein Partner- oder Ökosystemmanagement bei der Verbesserung von unternehmensübergreifender Kollaboration, als auch bei der Senkung von internen Widerständen in traditionellen Unternehmen helfen kann. Dementsprechend bilden die Erkenntnisse aus der durchgeführten empirischen Fallstudie die Grundlage zur Generierung des Gestaltungswissens für traditionelle Maschinenbauunternehmen, die sich im Zuge der Digitalisierung zu Orchestratoren in IIoT-Ökosystemen transformieren können.
Die vorliegende Studie weist auch Limitationen auf. Es handelt sich um eine qualitative Einzelfallstudie, daher können die Ergebnisse über den betrachteten Kontext hinaus nicht generalisiert werden. In einem nächsten Schritt sollten deshalb zusätzliche qualitative Forschungsarbeiten in weiteren Organisationen und Branchen durchgeführt werden, um die Ergebnisse auf einer erweiterten Datenbasis zu validieren. Darauf aufbauend könnte ein Modell für die erfolgreiche Gestaltung von IIoT-Ökosystemen entwickelt werden, welches die Grundlage für eine quantitative Studie bildet.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Unsere Produktempfehlungen

HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik

HMD liefert IT-Fach- und Führungskräften Lösungsideen für ihre Probleme, zeigt ihnen Umsetzungsmöglichkeiten auf und informiert sie über Neues in der Wirtschaftsinformatik (WI).

Literatur
Zurück zum Zitat Flanagan JC (1954) The critical incident technique. Psychol Bull 51(4):327–358CrossRef Flanagan JC (1954) The critical incident technique. Psychol Bull 51(4):327–358CrossRef
Zurück zum Zitat Gawer A, Cusumano M (2013) Industry platforms and ecosystem innovation. J Prod Innov Manag 31(3):417–433CrossRef Gawer A, Cusumano M (2013) Industry platforms and ecosystem innovation. J Prod Innov Manag 31(3):417–433CrossRef
Zurück zum Zitat Gioia DA, Corley KG, Hamilton AL (2012) Seeking qualitative rigor in inductive research: Notes on the gioia methodology. Organizational Research Methods 16(1):15–31CrossRef Gioia DA, Corley KG, Hamilton AL (2012) Seeking qualitative rigor in inductive research: Notes on the gioia methodology. Organizational Research Methods 16(1):15–31CrossRef
Zurück zum Zitat Gubbi J, Buyya R, Marusic S, Palaniswamia M (2013) Internet of Things (IoT): A vision, architectural elements, and future directions. Future Gener Comput Syst 29(7):1645–1660CrossRef Gubbi J, Buyya R, Marusic S, Palaniswamia M (2013) Internet of Things (IoT): A vision, architectural elements, and future directions. Future Gener Comput Syst 29(7):1645–1660CrossRef
Zurück zum Zitat Iansiti M, Levien R (2004) Strategy as ecology. Harv Bus Rev 82(3):68–78 Iansiti M, Levien R (2004) Strategy as ecology. Harv Bus Rev 82(3):68–78
Zurück zum Zitat Parizi RM, Gandomani TJ, Nafchi MZ (2014) Hidden facilitators of agile transition: Agile coaches and agile champions. In: 8th. Malaysian Software Engineering Conference (MySEC), S 246–250 Parizi RM, Gandomani TJ, Nafchi MZ (2014) Hidden facilitators of agile transition: Agile coaches and agile champions. In: 8th. Malaysian Software Engineering Conference (MySEC), S 246–250
Zurück zum Zitat Petrik D, Schüler F (2021) Einfluss plattformbasierter Ökosysteme auf unternehmensübergreifende integrierte Wertschöpfungsnetzwerke. In: Schulz T (Hrsg) Wertschöpfungsnetzwerke mit digitalisierten Dienstleistungen etablieren. Mit Lean Service-Zyklus und Entwicklung digitaler Dienstleistungssysteme zum Erfolg Industrie 4.0. Beuth, Berlin, S 85–106 Petrik D, Schüler F (2021) Einfluss plattformbasierter Ökosysteme auf unternehmensübergreifende integrierte Wertschöpfungsnetzwerke. In: Schulz T (Hrsg) Wertschöpfungsnetzwerke mit digitalisierten Dienstleistungen etablieren. Mit Lean Service-Zyklus und Entwicklung digitaler Dienstleistungssysteme zum Erfolg Industrie 4.0. Beuth, Berlin, S 85–106
Zurück zum Zitat Scharfe P, Wiener M (2020) A taxonomy of smart machines in the mechanical engineering industry: Toward structuring the design solution space. In: Proceedings of the 41st International Conference on Information Systems (ICIS) Scharfe P, Wiener M (2020) A taxonomy of smart machines in the mechanical engineering industry: Toward structuring the design solution space. In: Proceedings of the 41st International Conference on Information Systems (ICIS)
Metadaten
Titel
Herausforderungen in der Gestaltung der interorganisationalen Zusammenarbeit in IIoT-Ökosystemen – Eine Fallstudie im Maschinen- und Anlagenbau
verfasst von
Nico Walleser
Laura Schmiedle
Dimitri Petrik
Martin Rost
Publikationsdatum
18.08.2022
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Ausgabe 5/2022
Print ISSN: 1436-3011
Elektronische ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-022-00896-3

Weitere Artikel der Ausgabe 5/2022

HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 5/2022 Zur Ausgabe