Das „Via 57 West“.
Kirsten Bucher
Das mit dem Preis prämierte Wohnhochhaus entstand inmitten folgenden Rahmens: Im Westen trennt das Gebäude eine mehrspurige Autobahn vom Hudson River, im Norden befindet sich ein historistisch verkleidetes Elektrizitätswerk, im Süden ein Müllsortierzentrum und im Osten ein 130 Meter hoher Wohnturm, dessen Sicht auf den Fluss möglichst nicht gestört werden durfte.
In dieses Umfeld setzte das Architekturbüro Bjarke Ingels Group und der Bauherr The Durst Organization einen, wie sie es nennen, Courtscraper – obwohl das Grundstück aufgrund der eher industriell geprägten Nachbarschaft ursprünglich nicht für die Bebauung mit Wohnungen vorgesehen war. Doch man fand eine Lösung: Von der nordöstlichen Bebauung abgewandt, orientiert sich das Gebäude zu einem begrünten Innenhof. In die Dachfläche wurden Terrassen integriert. Sie ermöglichen Aussichten auf den Hudson River im Westen – ein Blick, der aus fast allen der 709 Wohnungen möglich ist. Außerdem gibt es unter anderem einen Pool mit Sonnendeck, eine Riesenlounge mit Probeküchen zum Kennenlernen der Singles, einen Billard- und Pokerraum, einen Golfsimulator, Waschsalon, Leseraum, eine Galerie und einen Kino- und Fernsehsaal. Außerdem Fitnessgeräte und eine doppelgeschossige Basketballhalle.
Auch die Nachhaltigkeit im Blick
Was die ökologischen Aspekte des nur aus Mietswohnungen bestehenden Gebäudes betrifft, wurden recycelte und erneuerbare sowie lokal erhältlichen Materialien mit niedrigen Anteilen an flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) verwendet. Auch eine energieeffiziente Haustechnik, natürliche Belüftung, bedarfsgesteuerte Lüftungsanlage sowie die natürliche Beleuchtung tragen dazu bei – genauso wie die hochleistende Isolierverglasung. Die Gemeinschaftsbereiche und Verkehrswerge sind mit Bewegungsmeldern ausgestattet, die Sanitärbereiche mit wassersparenden Armaturen. Und es gibt eine Hybridwärmepumpe. Schließlich wird zur Kühlung und Bewässerung noch das Regenwasser gesammelt.
Im Kapitel "Wie verwundbar sind Stadtökosysteme und wie kann mit ihnen urbane Resilienz entwickelt werden?" des Springer-Fachbuchs "Stadtökosysteme" heißt es entsprechend zu Wohnhochhäusern: "Das Wohnhochhaus verbindet in vielen Ländern effiziente Ressourcennutzung, minimierte Infrastruktur, vertretbare Preise und großzügige Grünoptionen."
Bei der Preisverleihung in der Frankfurter Paulskirche wurde die ungewöhnliche Form, die innovative Gestaltung und die effiziente Raumnutzung des Bauwerks gelobt. Betont wurde zudem, wie aus aktuellen europäischen Bewegungen wie den Baugruppen und den Genossenschaften Impulse in ganz andere Wohnbereiche übertragen werden können. Die Jury wählte VIA 57 West aus, obwohl es kein typisches Hochhaus ist: "Es ist ein hohes Gebäude, aber ist es ein Hochhaus?" Schließlich einigte sich man sich darauf, dass dieses Anti-Hochhaus-Hochhaus durch die "Klarheit des Konzepts" unsere Wahrnehmung der Stadt durch seine innovative Botschaft zu verändern vermag. Und Architekt Bjarke Ingels selbst sagt: "Es ist eine seltene neue Gebäudegattung, die die gemeinschaftlichen Qualitäten einer europäischen Blockrandbebauung mit der Dichte und den Ausblicken eines Hochhauses verbindet."