Skip to main content

28.08.2017 | Hochwasser | Interview | Online-Artikel

"Werkzeuge für die Analyse zukünftiger Naturgefahren"

verfasst von: Nico Andritschke

4 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …
Interviewt wurde:
Dr. Kai Schröter

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektmanager in der Sektion Hydrologie am Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ). Er beschäftigt sich mit Fragen des Hochwasserrisikos, insbesondere Schadensmodellierung sowie hydrologischer und hydraulischer Modellierung.

Hochwasser ist in Deutschland die schadenträchtigste Naturgefahr. Dr. Kai Schröter erläutert, wie potenzielle Extremereignisse und ihr Schadenspotenzial künftig besser abschätzbar werden.

Springer Professional: Im Zuge des Klimawandels kommt es in vielen Regionen immer wieder durch starke Niederschläge zu Überschwemmungen. Welche Bedeutung und Dimension haben die Folgen?

Kai Schröter: Hochwasser sind natürliche Ereignisse, die es schon immer gegeben hat. Sie sind Ausdruck der Variation des Wasserhaushalts und des Klimas. Seit jeher war Hochwasser ein fester Bestandteil des Lebens in den Flussauen. Dennoch sind im Mittel 169 Millionen Menschen weltweit jährlich durch die Folgen von Hochwasser betroffen. Das sind mehr als durch jede andere Naturgefahr. Die mittlere jährliche Schadenerwartung für Hochwasser beläuft sich nach Schätzungen der UN weltweit auf über 100 Milliarden US Dollar. In Deutschland ist Hochwasser die schadenträchtigste Naturgefahr bezogen auf einzelne Ereignisse. Das Hochwasser vom August 2002 ist mit rund 15 Milliarden Euro Schaden die bislang teuerste Naturkatastrophe in Deutschland.

Die Folgen und Auswirkungen von Hochwasser werden durch eine zunehmende Siedlungsdichte und Verwundbarkeit sozialer und technischer Systeme verstärkt. Vor dem Hintergrund der globalen Erderwärmung stellt sich zudem die Frage, ob sich Häufigkeit, Stärke und Zeitpunkt sowie Auswirkungen von Hochwasserereignissen verändern. Beide Entwicklungen stellen die Gesellschaft vor große Herausforderungen und erfordern Antworten hinsichtlich geeigneter Anpassungsstrategien.

Empfehlung der Redaktion

2016 | OriginalPaper | Buchkapitel

Modellierung hydrologischer Prozesse

Seit etwa einem halben Jahrhundert werden mathematische hydrologische Modelle entwickelt und eingesetzt, um die komplexen Prozesse der Abflussbildung oberhalb und unterhalb der Landoberflächen quantitativ zu beschreiben und abzubilden, und diese  Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen.

Kürzlich wurde in London der OASIS Data Hub gestartet. Das GFZ war an der Entwicklung maßgeblich beteiligt. Was hat es damit auf sich?

Ziel des OASIS Hub ist Modelle, Daten, Software, Werkzeuge und Dienstleistungen rund um Naturgefahren zugänglich, bezahlbar und transparent zu machen. Die Internetplattform soll insbesondere der Versicherungsbranche, aber auch der öffentlichen Verwaltung, Werkzeuge für verbesserte Analysen zukünftiger Naturgefahren, Klimarisiken und Extremereignisse zur Verfügung stellen. Um beispielsweise die Auswirkungen von Hochwasser auf den Menschen und seine Umwelt zu quantifizieren, müssen Eintrittswahrscheinlichkeit und Intensität möglicher Ereignisse und deren Auswirkungen abgeschätzt werden. Für diese Aufgaben werden über den OASIS Hub innovative Lösungsansätze aber auch Datengrundlagen und Dienstleistungen bereitgestellt.

Welche Daten können aus dem Portal abgerufen werden und welche Bedeutung haben Sie für Forschende, Entscheidungsträger, Industrie oder Versicherer?

Die über den OASIS Hub verfügbaren Informationen decken die Naturgefahren Hochwasser, Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüche, Starkregen und Hagel, Wirbelstürme, Dürren und Hangrutschungen ab. Beispielsweise sind Beobachtungsdaten, Datensätze aus Modellsimulationen, Analysewerkzeuge, Modelle und so weiter verfügbar. Über den OASIS Hub können Daten gesucht, hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit geprüft, lizensiert, gekauft und heruntergeladen werden. Neben für spezielle Regionen oder Fragestellungen erzeugter Daten bündelt der OASIS Hub auch Informationen, die ansonsten verstreut auf den Internetseiten verschiedenster Datenzentren liegen und oft nur mit größerem Aufwand gefunden werden können.

Das Projekt liefert auch Überschwemmungsdaten zum deutschen Teil des Donau-Einzugsgebietes. Sind die Erfahrungen aus diesem Projekt auf andere Gewässer und Regionen übertragbar?

In dem aktuellen EU-Forschungsprojekt OASIS|H2020_Insurance werden im Rahmen von Demonstrationsanwendungen Modelle und Daten für OASIS Hub als ‚Climate Service‘ entwickelt. Dies umfasst die Bereiche des Hochwasserrisikos im Donaugebiet, tropische Taifune, Mikro-Versicherungen, Gesundheitsversicherungen sowie Waldbrände. Die für das Donaugebiet entwickelten und angewendeten Modelle zur Abschätzung des zukünftigen Hochwasserrisikos umfassen einen stochastischen Wettergenerator, hydrologische und hydraulische Simulationsmodelle sowie Hochwasserschadenmodelle und Werkzeuge zur Anpassungsplanung. Die Idee des OASIS Hub ist es standardisierte Modellkomponenten bereitzustellen, die auch in Kombination mit anderen Modellen im Sinne eines Plug-and-Play-Konzepts funktionieren. Die Anwendbarkeit dieser Komponenten auch in anderen Regionen über das aktuelle EU-Projekt hinaus ist ein erklärtes Ziel.

Hinter dem Projekt, so wird betont, steht eine zukunftsweisende globale Datencommunity. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?

Die Entwicklung des OASIS Hub hat seinen Ausgang in der Versicherungsindustrie genommen. In der Versicherungsbranche wird schon seit längerem mit Simulationsmodellen zur Risikoanalyse von Naturgefahren gearbeitet, um beispielsweise tragfähige Elementarschadenversicherungen anzubieten. Demzufolge bilden auch Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen den Kern der Community. Anwendungsbereiche jenseits der Versicherungsbranche, die im Grunde mit ähnlichen Fragestellungen zu tun haben, können einerseits von den Erfahrungen und dem Know-how profitieren und andererseits wichtige Impulse für Weiterentwicklungen geben. Über den Hub werden daher zunehmend Datenzentren, Behörden und Dienstleister in die Community eingebunden. Es sind bereits mehr als 60 Organisationen im OASIS Hub registriert, die selbst Daten bereitstellen. Die Zusammenarbeit kann auf vielen Ebenen stattfinden. Der OASIS Hub bietet die Möglichkeit Daten, Anwendungserfahrungen und Dienstleistungen auszutauschen. Darüber hinaus sind Möglichkeiten zum Crowdfunding für bestimmte Daten und Regionen in Vorbereitung.

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

10.05.2017 | Hochwasser | Kommentar | Online-Artikel

Schadensanalysen an Infrastrukturen

30.06.2017 | Stadtplanung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Vierdimensionale Punktwolken von Städten