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Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 9-10/2019

Open Access 15.07.2019 | Originalarbeit

Hydraulische Optimierung und Simulation von Qualitätsfragestellungen im Einzugsbereich von Horizontalfilterbrunnen

verfasst von: DI Sebastian Handl, DI Ernest Mayr, PD DI Dr. Reinhard Perfler

Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft | Ausgabe 9-10/2019

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Zusammenfassung

Horizontalfilterbrunnen haben in Bezug auf die Nutzung von Uferfiltrat vielfach Vorteile gegenüber anderen Brunnenarten. Aufgrund ihrer Lage zu nahegelegenen Oberflächengewässern werden bei Uferfiltratbrunnen jedoch oftmals besondere Schutzbestimmungen zur Kompensation von Schutzgebietseinschränkungen vorgesehen. Durch die Einstellung spezifischer hydraulischer Verhältnisse kann die Entnahme aus dem vorhandenen Grundwasserdargebot optimiert werden.
Zur Effizienzsteigerung bei den Förderraten werden die Strömungsverhältnisse mittels eines numerischen Modells untersucht, das die wesentlichen Einflussgrößen identifiziert und die Einhaltung der Entnahmebedingungen bei bestimmten Entnahmezuständen überprüft.
In dieser Arbeit werden zuerst die Grundlagen der numerischen Modellierung im Allgemeinen und der Umsetzung von horizontalen Filtersträngen im Besonderen dargestellt sowie die Erstellung eines 3D-Finite-Differenzen-Modells für die Fallstudie beschrieben. Die Modellierung der Horizontalfilterbrunnen erfolgt nach dem Konzept der äquivalenten Durchlässigkeiten.
Das kalibrierte und validierte Modell wurde zur Berechnung von Bilanzen und Fließzeiten der zuströmenden Wassermengen bei 23 beobachteten stationären Systemzuständen angewendet. Fünf wesentliche Einflussgrößen auf die Strömungsverhältnisse wurden identifiziert.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Horizontalfilterbrunnen haben in Bezug auf die Nutzung von Uferfiltrat vielfach Vorteile gegenüber anderen Brunnenarten. Aufgrund ihrer Lage zu nahegelegenen Oberflächengewässern werden bei Uferfiltratbrunnen jedoch oftmals besondere Schutzbestimmungen zur Kompensation von Schutzgebietseinschränkungen vorgesehen. Dazu können Grenzwerte für bestimmte oberflächengewässernahe Messpegel definiert werden, deren Einhaltung den Einzug von Wasser aus einem Oberflächengewässer ausschließen.
Um eine effiziente Ausschöpfung des Uferfiltratdargebots unter Einhaltung dieser Forderung zu entsprechen, müssen die Einflüsse der Rahmenbedingungen (z. B. Wasserstände der Oberflächengewässer) auf die Strömungsverhältnisse untersucht werden.
Eine exakte analytische Bemessung von Horizontalfilterbrunnen ist aufgrund der komplexen Strömungsverhältnisse in der Praxis selten möglich (Mutschmann und Stimmelmayr 2011). Zum Beispiel gehen die empirisch gewonnenen Bemessungstafeln nach Falcke (1952, zit. in Mutschmann und Stimmelmayr 2011) von einer symmetrischen Aufteilung der Filterstränge in alle Richtungen aus.
Zum einen ist die Aufteilung der Filterstränge in den meisten Fällen nicht symmetrisch, da oftmals andere Gesichtspunkte bei der Anpassung an natürliche Gegebenheiten ausschlaggebend sind. Zum anderen ergeben sich durch die spezielle Lage von Brunnenstandorten an und zwischen einzelnen Oberflächengewässern (z. B. Auengebiet, Altarmanbindung etc.) komplexe, im Jahresverlauf stark variierende Randbedingungen für die Berechnung der Strömungsverhältnisse. Gerade diese Umstände machen die Anwendung von numerischen Modellen bei der Bearbeitung entsprechender Fragestellung besonders interessant.

2 Aufgabenstellung und Zielsetzung

In der gängigen Praxis der Modellierung von Horizontalfilterbrunnen werden die Fließverhältnisse im Brunnen bzw. in den Filtersträngen nicht berücksichtigt. Neuere Methoden bieten die Möglichkeit, die Wechselwirkung zwischen Brunnen und Grundwasserleiter in die Berechnung der Strömungsverhältnisse einfließen zu lassen. Dadurch kann der Vereinfachungsgrad von Modellen reduziert werden und so die Wirklichkeit realitätsnäher abgebildet werden. Im Folgenden ist ein Überblick über die verschiedenen möglichen Konzepte dargestellt. Im Rahmen eines Fallbeispiels wird eines der vorgestellten Konzepte zur simultanen Lösung der Brunnen- und Grundwasserhydraulik angewendet und seine schrittweise Umsetzung beschrieben.
Übergeordnet wurde dazu ein Projekt zur hydraulischen Optimierung und Simulation von Qualitätsfragestellungen im Einzugsbereich von Horizontalfilterbrunnen durchgeführt, auf das hier zeitweise Bezug genommen wird. Zur Erstellung der Datenbasis für die Kalibrierung der Materialparameter des beschriebenen Grundwasserleiters wurde ein Pumpversuch durchgeführt. Dieser erstreckt sich über etwa zwei Wochen und besteht aus einer Aufspiegelungs- und einer Absenkphase. Die Validierung des Modells wurde anhand von Pumpversuchen aus den Jahren 2009 und 2010 durchgeführt. Die Wassertemperatur im Untersuchungsgebiet unterliegt relativ hohen jahreszeitlichen Schwankungen. Dem Einfluss der Temperatur auf die Viskosität des Grundwassers kann im Modell nur durch eine Adaptierung der Durchlässigkeitsbeiwerte Rechnung getragen werden. Im Zuge der Validierung soll die Notwendigkeit der Berücksichtigung dieses Effekts durch Anwendung bekannter Formeln gezeigt werden. Unter Verwendung des Softwaremoduls PMPATH (integriert in PMWIN – Chiang und Kinzelbach 2001) wurden im Projekt, mittels Modellierung des advektiven Stofftransportes, die Fließzeiten des Wassers bzw. Laufzeiten möglicher Verunreinigungen von den Modellrändern zu den Brunnen berechnet. Das kalibrierte und validierte Strömungsmodell dient im Folgenden als Instrument, um Bilanzen der zuströmenden Wassermengen aus den nahegelegenen Oberflächengewässern bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Förderraten zu generieren. Aus umfangreichen Daten mehrerer Jahre werden stationäre Systemzustände mit verschieden Fördermengen ausgewählt, um die Bandbreite der auftretenden Einflussgrößen und Randbedingungen auf die Modellaussagen, Zuflussbilanz und Fließzeiten repräsentativ darstellen zu können.
In Abhängigkeit von den die Rahmenbedingungen definierenden Parametern soll eine Optimierung der Fördermenge dahingehend durchgeführt werden, dass eine Mindestaufenthaltszeit des dem Grundwasserleiter zuströmenden Wassers aus den Oberflächengewässern von 60 Tagen eingehalten wird.

3 Grundlagen und Methodik

In dieser Arbeit werden die Beschreibung der Hydraulik und Modellierung von Horizontalfiltersträngen in den Vordergrund gerückt, weshalb auf die allgemeinen Grundlagen von Strömungs- und Transportprozessen im Grundwasser nicht weiter eingegangen wird.

3.1 Hydraulik der Horizontalfilterstränge

3.1.1 3.1.1. Physikalische Beschreibung

Nemeček (2006) beschreibt die Hydraulik von Filtersträngen physikalisch. Die Wasserentnahme im Brunnenschacht eines Horizontalfilterbrunnens bewirkt dort eine Absenkung hs gegenüber dem Ruhewasserspiegel. Das entstehende Potenzialgefälle drückt die Energieverluste am Fließweg in Meter Wassersäule aus. Diese setzen sich aus den Verlusten bei der Durchströmung des Aquifers (hf), den Verlusten beim Eintritt in das Filterrohr (he) und den Rohrreibungsverlusten beim Durchströmen des Filterrohres (hr) zusammen (Gl. 1, Abb. 1).
$$h_{s}=h_{f}+h_{e}+h_{r}$$
(1)
Die hydraulischen Eigenschaften des Filterstrangs finden im Eintrittswiderstand und den Rohrreibungsverlusten Ausdruck. Nemeček (2006), wie auch Chen et al. (2003), stellten fest, dass aufgrund der geringen Eintrittsgeschwindigkeit die Verlusthöhe durch das Passieren der Schlitze im Filterrohrmantel gegenüber den Rohrreibungsverlusten vernachlässigbar gering ist.
Olson und Wright (1990, zit. bei Chen et al. 2003) geben eine Übersicht zu Verlusten in Rohrleitungen (hv). Das Strömungsregime in Druckrohrleitungen kann in Abhängigkeit von der Reynolds-Zahl (Re), dem Quotienten aus Rohrinnendurchmesser (d) und der Rauigkeit der Rohrinnenwand (k) in drei Hauptbereiche und zwei Übergangsbereiche gegliedert werden (Abb. 2).
1.
Bei laminarer Strömung ist der Rohrreibungsverlust linear von der mittleren Strömungsgeschwindigkeit abhängig (hv ~ v),
 
2.
im glatten turbulenten Bereich ist hv proportional zu v1,75 und
 
3.
im rauen turbulenten Bereich proportional zum Quadrat der Fließgeschwindigkeit (hv ~ v2).
 
Mohamed und Rushton (2006) stellen bei ihrer Untersuchung von horizontalen Filtersträngen in einem flachgründigen Grundwasserleiter fest, dass auch bei geringeren Fließgeschwindigkeiten in Filterrohren das Auftreten von turbulenten Strömungsverhältnissen durch den Einfluss der radialen Zuströmung wahrscheinlich ist.
In der Literatur finden sich folgende Angaben zu den Rauigkeiten der Rohrinnenwand bei Filterrohren: Stack (1958, zit. bei Grombach et al. 2000) gibt ein Verhältnis zwischen Voll- zu Filterrohr von 0,25 an. Nemeček (2006) ermittelt durch Laborversuche (bandagierte Ranney-Rohre; DN200; Q = 30 l/s) eine Verlusthöhe von 0,2 m bei 30 m Stranglänge. Dieser Wert entspricht einer Wandrauigkeit von 0,83 mm.

3.1.2 Numerische Modellierung horizontaler Filterstränge

In der numerischen Modellierung horizontaler Filterstränge in porösen Grundwasserkörpern werden drei verschiedene Konzepte angewendet:
Filterstrang als Randbedingung
Der Filterstrang wird als lineare Senke dargestellt. Auf diese kann entweder die Randbedingung erster Art oder die Randbedingung zweiter Art angewandt werden. Dabei wird die Standrohrspiegelhöhe bzw. die Entnahme entlang der Senke konstant gehalten. Dieses Konzept findet unter anderem bei Kawecki (2000) und Sun und Zhan (2005) Anwendung.
Sowohl Tarshish (1992) als auch Nemeček (2006) stellen fest, dass die Verteilung der Entnahme und in weiterer Folge auch jene der Potenzialhöhe entlang eines Filterstrangs nicht konstant sind. Abb. 3 zeigt die Zuströmung zu einem Horizontalfilterstrang (New Solution). Die Beaufschlagung in der Filterrohrspitze (x = 0) ist am höchsten.
Zhan und Zlotnik (2002) untersuchen den Einfluss durch die vereinfachte Annahme von konstanten Entnahmemengen (Conventional Solution in Abb. 3) bzw. Standrohrspiegelhöhen entlang des Filterstrangs. Sie stellen fest, dass der begangene Fehler in einer Distanz von 5‑fachem Rohrdurchmesser 10 % beträgt und mit zunehmender Entfernung vom Filterstrang schnell auf ein Niveau von weniger als einem Prozent abnimmt.
Äquivalente Durchlässigkeiten
Chen et al. (2003) stellen dieses Konzept vor. Wang und Zhang (2007) wenden es auf einen Horizontalbrunnen besonderer Bauart (horizontal seepage well) an. Die Verluste im Filterstrang, welche den Gesetzen der Rohrhydraulik gehorchen, werden mittels der Grundwasserhydraulik nachgebildet. Als Übertragungsparameter dient der Durchlässigkeitsbeiwert. Dieser wird so gewählt, dass bei gleichem Durchfluss in den die Rohre repräsentierenden Zellen die gleichen hydraulischen Verluste auftreten wie im Filterrohr. Der Durchlässigkeitsbeiwert liegt dadurch mehrere Dekaden über den Werten im Aquifer und kann für den jeweiligen Strömungszustand im Rohr mit den Gln. 23 und 4 berechnet werden.
$$k_{f,\mathrm{equ}}=\left\{\left|\begin{array}[]{l}\frac{gd}{32v_{\mathrm{kin}}}\\ \qquad Re<2300\\ \frac{2gd}{0,316}\cdot\left(\frac{d}{v_{\mathrm{kin}}}\right)^{0,25}\cdot\frac{1}{v^{0,25}}\\ \qquad 3000<Re<100.000\\ 8gd\cdot\left(\log_{10}3,71\frac{d}{k}\right)^{2}\cdot\frac{1}{v}\\ \qquad Re> 100.000\end{array}\right.\right.$$
(2)
$$v=\frac{v_{\mathrm{rohr}}\cdot A_{\mathrm{rep}}}{A_{\mathrm{rohr}}}$$
(3)
$$Re=\frac{v_{\mathrm{rohr}}\cdot d}{\nu _{\mathrm{kin}}}$$
(4)
K f, equ
äquivalenter Durchlässigkeitsbeiwert [m/s]
g
Erdbeschleunigung 9,81 [m/s2]
d
Innenrohrdurchmesser [m]
νkin
kinematische Viskosität [m2/s]
k
Innenwandrauigkeit [m]
Re
Reynoldszahl in Rohrleitungen [ ]
v rohr
Fließgeschwindigkeit im Rohr [m/s]
A rep
Querschnittsfläche der Zelle die das Rohr repräsentiert [m2]
A rohr
Querschnittsfläche der Rohres [m2]
Es ist eine sehr detaillierte räumliche Diskretisierung der Filterstränge mit Zellengrößen kleiner gleich 1 m für die Umsetzung dieses Konzeptes in einem Modell erforderlich. Dieser Umstand stellt laut Kelson (2012) einen wesentlichen Nachteil dieser Methodik dar.
Kopplung von Rohr- und Grundwasserströmungsmodell
Tarshish (1992) stellt ein kombiniertes mathematisches Modell für stationäre Bedingungen vor. Es berücksichtigt turbulente Fließzustände im Filterrohr. Als Schnittstelle wirkt eine lineare Senke mit variablen Entnahmemengen entlang des Strangs. Eine vergleichbare numerische Umsetzung, die durch Aufteilung der Brunnenentnahme auf mehrere Knoten in einem Finite-Differenzen-Modell realisiert wird, findet sich bei Kelson (2012). Eine Anpassung der räumlichen Diskretisierung ist bei dieser Methodik nicht notwendig, wodurch die Anwendbarkeit auf Modelle in regionalem Maßstab gegeben ist.
Chen et al. (2003) wenden das Konzept der äquivalenten Durchlässigkeiten auf ein instationäres Modell an und überprüfen das numerischen Modell mittels eines Laborversuchs. Da bei einem instationären Modell zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschiedene Strömungsverhältnisse im Filterrohr vorherrschen können, müssen die äquivalenten Durchlässigkeitsbeiwerte der Filterstränge iterativ für jeden Zeitschritt von einem zusätzlichen Modell, welches mit dem Grundwassermodell gekoppelt wird, bestimmt werden.
Mohamed und Rushton (2006) entwickeln ein Konzept zur Kopplung von drei Modellen, welche den regionalen Grundwasserfluss, das Zuströmen vom Aquifer zum horizontalen Filterstrang und die Strömungsverhältnisse im Filterrohr selbst repräsentieren. Die Interaktion zwischen Aquifer und Brunnen wird mittels einer linearen Beziehung zwischen Zufluss und Potenzialunterschied innerhalb und außerhalb des Filterstranges nachgebildet. Der Zuflussfaktor oder -koeffizient muss dabei empirisch ermittelt werden. Es werden somit zwar einerseits die Verluste beim Durchströmen der Filterschlitze berücksichtigt, dies geschieht andererseits jedoch stark abstrahiert.

3.2 Aufbau des 3D-Strömungsmodells

Als Modellierungssoftware wurde Processing Modflow verwendet. MODFLOW (Harbaugh 2005) ist ein 3D-Finite-Differenzen-Modell, das vom U.S. Geological Survey entwickelt wurde. PMWIN (Processing Modflow für Windows) integriert MODFLOW in eine grafische Benutzeroberfläche und bietet eine Vielzahl an Modulen zur Modellierung von Grundwasserströmung und Stofftransport in der gesättigten Bodenzone.
Nach der Wahl der Modellierungssoftware gliedert sich der Aufbau des dreidimensionalen Strömungsmodells in vier Bereiche:
  • Erstellung des Modellkonzepts und Eingabe der Geometrie:
    Dazu zählt die Definition der Modellgrenzen in der Horizontalen (Lage von Randzellen und Wahl der Randbedingungsart) und Vertikalen (Festlegung des Grundwasserstauers). Auf die Umsetzung des vorgestellten Konzepts der äquivalenten Durchlässigkeiten zur Modellierung der Brunnenschächte und Horizontalfilterstränge folgt die räumliche Diskretisierung und die Definition von Beobachtungspunkt im Modell, um Vergleiche der Simulation mit Messwerten der Grundwasserpegel anstellen zu können.
  • Kalibrierung des Modellparameters:
    Nach der Durchführung eines Pumpversuchs zur Datenerhebung können Bereiche mit homogenen geohydraulischen Parametern im Modell definiert werden. Des Weiteren werden aus der Messung die Werte zur Eingabe von Anfangs- und Randbedingungen ermittelt und die zeitliche Diskretisierung des Simulationszeitraumes durchgeführt. Bei der eigentlichen Kalibrierung werden nun die geohydraulischen Parameter variiert, um eine möglichst gute Übereinstimmung der modellierten Wasserstände mit den gemessenen zu erreichen.
  • Validierung:
    Dafür werden Datensätze ausgewählt, welche als unabhängig vom Kalibrierungsdatensatz betrachtet werden können. Aus ihnen werden wiederum die Werte für Anfangs- und Randbedingungen erstellt und der Simulationszeitraum wird diskretisiert. Im Zuge der Überprüfung der gewählten Parameterkombination wird gleichzeitig auch der Einfluss der Temperatur auf die Durchlässigkeitsbeiwerte überprüft.

3.3 Abstrahierung von Horizontalfilterbrunnen

Die Modellierung der Horizontalfilterbrunnen erfolgte im Anwendungsbeispiel nach dem Konzept der äquivalenten Durchlässigkeiten. Dabei wird kf,equi im instationären Modell nicht für alle Strömungsregime angepasst, sondern es werden lediglich turbulente Verhältnisse berücksichtigt. Es werden äquivalente Durchlässigkeitsbeiwerte für relevante Entnahmemengen ermittelt. Daraufhin werden kf,equi-Werte gewählt, die für die Verlusthöhen vernachlässigbar geringe Abweichungen bei relevanten Durchflüssen ergeben. Der Berechnungsgang ist im Folgenden konzeptuell dargestellt. Die Ermittlung des Rohrreibungsgefälles erfolgt nach Bollrich und Preißler (2000). Die geometrischen Eingangswerte des Brunnens (nStränge, dRohr, lFilterrohr) und die Abmessungen der Zelle, durch die der Filterstrang repräsentiert wird (AModell), sind zu ermitteln. Für die dynamische Viskosität (νkin) wird für diese Berechnung der Wert 1,31 * 10−6 m2/s (bei 10 °C) verwendet. Die Rohrwandrauigkeit (k) wird entsprechend der Empfehlung von Stack (Abschn. 3.3.1) mit 0,5 mm angenommen.
Die Förderrate des betrachteten Brunnens (QBrunnen) geht auch mit in die Berechnung ein. Diese ist natürlich variabel. Mittels der Gln. 510 wird für ausgewählte Förderraten der zugehörige kf,equi-Wert berechnet.
Der äquivalente Durchlässigkeitsbeiwert wird nun unter Verwendung der Gln. 1114 so gewählt, dass bei den ausgewählten Förderraten im Mittel eine möglichst geringe Abweichung der Verlusthöhe auf dem Fließweg des Wassers zwischen der Abstraktion durch das Modell und der Berechnung laut Rohrhydraulik auftritt.
$$A_{\mathrm{Rohr}}=\frac{d_{\text{Filterrohr}}^{2}\cdot \pi }{4}$$
(5)
$$v_{\mathrm{Rohr}}=\frac{Q_{\text{Brunnen}}}{n_{\mathrm{Str}\boldsymbol{a}\mathrm{nge}}\cdot A_{\mathrm{Rohr}}}$$
(6)
$$Re_{\mathrm{Rohr}}=\frac{v_{\mathrm{Rohr}}\cdot d_{\mathrm{Rohr}}}{\nu _{\mathrm{kin}}}$$
(7)
$$\lambda _{\mathrm{rau}}=\frac{1}{4\cdot \log ^{2}\left(\frac{3,71\cdot d_{\mathrm{Rohr}}}{k}\right)}$$
(8)
$$I_{v,\mathrm{Rohr}}=\frac{\lambda _{\mathrm{rau}}\cdot v^{2}}{2\cdot g\cdot d_{\mathrm{Rohr}}}$$
(9)
$$k_{f,\mathrm{equi},\mathrm{calc}}=\frac{v_{\mathrm{Rohr}}\cdot A_{\mathrm{Rohr}}}{A_{\text{Modell}}\cdot I_{v,\mathrm{Rohr}}}$$
(10)
$$v_{\text{Modell}}=\frac{Q_{\text{Brunnen}}}{n_{\mathrm{Str}\boldsymbol{a}\mathrm{nge}}\cdot A_{\text{Modell}}}$$
(11)
$$I_{\text{Modell}}=\frac{v_{\text{Modell}}}{k_{f,\mathrm{equi},\mathrm{gew}}}$$
(12)
$$h_{v,\text{Modell},\mathrm{gew}.}=I_{v,\text{Modell}}\cdot l_{\text{Filterrohr}}$$
(13)
$$h_{v,\mathrm{Rohr}}=\lambda \cdot \frac{l}{d}\cdot \frac{v^{2}}{2\cdot g}$$
(14)

3.4 Modellierung des Stofftransports mittels dispersionsfreier Näherung

Zur Ermittlung der Fließwege möglicher Verunreinigungen bzw. der Aufenthaltszeit des Grundwassers vom Modellrand zu den Brunnen wurde die Software PMPATH (Version 6.1.2) verwendet. Das Programm berechnet den advektiven Stofftransport im Grundwasser. Es verwendet die Simulationsergebnisse aus Processing Modflow und einen semianalytischen Ansatz zur Verfolgung von Partikeln.
Unter Anwendung des Gesetzes von Darcy werden aus dem Standrohrspiegelhöhenfeld die Volumenströme durch jede Zellenaußenfläche berechnet. Daraus wird die Abstandsgeschwindigkeit bzw. die mittlere Geschwindigkeit in den Poren des Grundwasserleiters durch jede Zellenaußenfläche berechnet.
Mit der Annahme, dass sich die Geschwindigkeitskomponenten innerhalb jeder Zelle nur linear ändern, kann für jeden Punkt im Modell der Hauptvektor der Grundwasserströmung berechnet werden. Für vorgegebene Partikelstartpunkte können so die Fließwege bzw. der Aufenthaltsort des Partikels zu einem späteren Zeitpunkt berechnet werden.
Um die Laufzeiten möglicher Schadstoffe vom Modellrand zum Brunnen zu ermitteln, wurde in der Mitte der Außenfläche jeder Modellrandzelle im Layer 2 ein Partikel positioniert. Durch Simulation der Fließwege unter kontinuierlicher Steigerung der Simulationszeit konnte so der Zeitpunkt des Eintretens des ersten Partikels mit Ursprung am jeweiligen Modellrand in eine den Brunnen repräsentierende Zelle ermittelt werden.

3.5 Szenarienentwicklung zur Quantifizierung der Modellgenauigkeit

Die Quantifizierung der Modellgenauigkeiten bzw. die Ermittlung des Schwankungsbereichs der jeweiligen Ergebnisse erfolgte unter Anwendung der Szenarientechnik.
Durch Erhöhung bzw. Verringerung der Durchlässigkeitsbeiwerte um 10 % werden mit der Ursprungsvariante drei in sich plausible Szenarien entwickelt. Die Güte der verschiedenen Szenarien ist anhand der Untersuchungen der Feinkalibrierung am stationären Modell ersichtlich und in Tab. 1 dargestellt.
Tab. 1
Güte der Szenarien (Verschlechterung in Bezug auf das Grundszenario) der stationären Modellierung des Zustandes am 26.04.2012
Szenario
MQA
[cm]
K f
−10 %
13,77
(33 %)
K f
+0 %
10,38
(0 %)
K f
+10 %
12,97
(25 %)
Das Grundszenario gilt aufgrund der geringsten Abweichungen zur Messung als wahrscheinlichste Abbildung der Wirklichkeit. Als Schwankungsbereich der Ergebnisse wird die Differenz aus Ursprungsszenario und jenem Szenario angegeben, welches das jeweilige Modellergebnis negativ beeinflusst.
Durch die Verringerung der Durchlässigkeitsbeiwerte verschiebt sich die Bilanz der Zuflüsse ins Modellgebiet, wodurch mehr Zufluss aus Richtung eines Oberflächengewässers erfolgt. Der Schwankungsbereich bezüglich dieser Modellaussage wird daher aus der Differenz der Ergebnisse von Ursprungsszenario und Szenario (kf −10 %) angegeben.
Ähnlich verhält es sich mit der Fragestellung um die Laufzeit vom Oberflächengewässer zum Brunnen. Um eine eher konservative Aussage zu treffen, wird der Schwankungsbereich zwischen Ursprungsszenario und dem Szenario mit verringerten Durchlässigkeitsbeiwerten angegeben.
Die Laufzeit des Wassers aus dem Oberflächengewässer zu den Brunnen ist im Szenario mit höheren Durchlässigkeitsbeiwerten geringer. Die Schwankungsbreite wird daher zwischen den Ergebnissen des Ursprungsszenarios und dem Szenario mit erhöhten Durchlässigkeitsbeiwerten (kf +10 %) angegeben.

4 Ergebnisse

4.1 Ergebnisse von Kalibrierung und Validierung

Die Berücksichtigung des Einflusses der Temperatur auf das Strömungsverhalten durch Adaptierung der Durchlässigkeitsbeiwerte mittels eines globalen Temperaturfaktors zeigt für beide Validierungsdatensätze und in Bezug auf beide Gütekriterien eine deutliche Erhöhung der Modellgüte.

4.2 Anwendung und Interpretation der Modellierungsergebnisse

Mit dem kalibrierten Strömungsmodell ist es möglich, für beobachtete Zustände Bilanzen der zuströmenden Wassermengen aus Richtung der Oberflächengewässer zu erstellen. Die Auswertung modellierter Wasserstände mithilfe des Softwaremodules PMPATH zur dispersionsfreien Näherung des Stofftransports ermöglicht die Ermittlung von Fließzeiten im Modell.
Durch globale Variation der Durchlässigkeitsbeiwerte wurden für jedes Modellierungsergebnis ungünstige Szenarien entwickelt, um die Modellgenauigkeit bzw. die Schwankungsbreiten der Modellierungsergebnisse darzustellen.
Bestimmte Einflussgrößen definieren das vorhandene Uferfiltratdargebot, das durch die Förderraten in den Brunnenfeldern ausgeschöpft werden kann. Übersteigt die Entnahme das vorhandene Dargebot, kommt es zu einem verstärkten Zufluss von Wasser aus Richtung von Oberflächengewässern.
Zur Analyse des Einflusses der Rahmenbedingungen auf die Strömungsverhältnisse wurden 23 beobachtete stationäre Systemzustände (und ein Nullzustand) mit dem Modell nachgebildet und Strömungsbilanzen sowie Fließzeiten von den Modellrändern zu den Brunnen ermittelt.
Bei der Analyse der Ergebnisse der numerischen Modellierung wurden zwei wesentliche Erkenntnisse gewonnen:
1.
Der Zufluss aus Richtung des Oberflächengewässers steht in engem Zusammenhang mit dem Verhältnis der Potenzialdifferenzen im Bereich des betrachteten Horizontalfilterbrunnens.
 
2.
Die kürzeste Fließzeit vom Modellrand aus Richtung des Oberflächengewässers zum Brunnen steht in engem Zusammenhang mit der Gesamtzuflussrate aus Richtung des Oberflächengewässers.
 
Durch Kombination dieser Erkenntnisse ist es möglich, einen betrieblichen Fließzeitparameter zu definieren. Die Förderrate im Brunnen soll anhand einer definierten Mindestaufenthaltszeit des zuströmenden Wassers aus Richtung des Oberflächengewässer gesteuert werden. Hierbei kann z. B. die Definition der Mindestaufenthaltszeit an den Vorgaben der ÖVGW-Richtlinie W72 „Schutz- und Schongebiete“ für die Grenzdefinition der Schutzzone II (entspricht 60 Tage) herangezogen werden (ÖVGW 2004).
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
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Metadaten
Titel
Hydraulische Optimierung und Simulation von Qualitätsfragestellungen im Einzugsbereich von Horizontalfilterbrunnen
verfasst von
DI Sebastian Handl
DI Ernest Mayr
PD DI Dr. Reinhard Perfler
Publikationsdatum
15.07.2019
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft / Ausgabe 9-10/2019
Print ISSN: 0945-358X
Elektronische ISSN: 1613-7566
DOI
https://doi.org/10.1007/s00506-019-0605-x

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