Seit September 2018 können Familien mit Kindern für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum Baukindergeld beantragen. Ein Jahr später zog das zuständige Bundesministerium eine erste Bilanz.
Das Baukindergeld kann bereits seit über einem Jahr beantragt werden. Ende 2020 läuft das Förderprogramm aus.
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Bundesinnenminister Seehofer sprach im September 2019 von einem echten Renner: 135.000 Förderanträge wären innerhalb des ersten Jahres bei der KfW Bankengruppe eingegangen. Zuschüsse von rund 2,8 Milliarden Euro seien gewährt worden. Insgesamt stehen für das Förderprogramm, das bis Ende 2020 läuft, 9,9 Milliarden Euro zur Verfügung.
Beim Baukindergeld erhält eine Familie pro Jahr 1.200 Euro je Kind. Über zehn Jahre wird die Förderung ausgezahlt, sodass Familien mit einem Kind schließlich 12.000 Euro erhalten. Familien mit zwei Kindern erhalten 24.000 Euro usw. Voraussetzung für die Gewährung ist, dass die Familien zwischen dem 1. Januar 2018 und dem 31. Dezember 2020 einen Kaufvertrag unterzeichnt oder eine Baugenehmigung erhalten haben. Die Anträge sind bei der KfW zu stellen – allerdings erst nach Einzug innerhalb von sechs Monaten in die geförderte Immobilie. Ziel des Programms ist es, die im europäischen Vergleich sehr niedrige Wohneigentumsquote von jungen Familien in Deutschland zu erhöhen, wobei vor allem Familien mit kleineren und mittleren Einkommen mit dem Baukindergeld unterstützt werden sollen.
Ministerium zieht positive Bilanz
Wie die Ein-Jahres-Bilanz zeigt, haben 35 Prozent der Familien Kinder bis zu zwei Jahren, 65 Prozent haben Kinder bis zu sechs Jahren und 70 Prozent der Antragsteller sind zwischen 25 und 40 Jahre alt. Mehr als 80 Prozent der geförderten Familien haben außerdem ein oder zwei Kinder, rund 60 Prozent ein zu versteuerndes Haushaltseinkommen in Höhe von bis zu 40.000 Euro. Damit scheint das Programm seine Zielgruppe erreicht zu haben.
Seit Jahresbeginn wurde Baukindergeld zu 24 Prozent für Neubauvorhaben und zu 76 Prozent für den Kauf von Bestandsimmobilien beantragt. Die Neubauquote hat sich mit den zunehmenden Baufertigstellungen in 2019 erhöht und entspricht dem Marktdurchschnitt beim Erwerb von Wohneigentum, so das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat. 16 Prozent der Anträge kommen aus kreisfreien Großstädten, 44 Prozent aus städtischen Kreisen, 21 Prozent aus ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen und 19 Prozent aus dünn besiedelten ländlichen Kreisen. Außerdem kommen die meisten Anträge aus Nordrhein-Westfalen (29.728). Es folgen Baden-Württemberg (18.072), Bayern (17.974) und Niedersachsen (16.569).
Seehofer zieht anhand der Zahlen das Fazit: "Wir haben damit schon Tausenden Familien den Erwerb der eigenen vier Wände erleichtert. Und mehr noch – mit dem Baukindergeld entlasten wir den Mietwohnungsmarkt in Deutschland und schaffen für die Familien langfristig eine solide Altersvorsorge. Das Baukindergeld ist damit einer der zentralen Pfeiler der Wohnungspolitik dieser Bundesregierung."
Zu teuer und zu kurze Förderperiode
Dieser positiven Einschätzung widerspricht beispielsweise der Deutsche Mieterbund. Nach deren Einschätzung helfe das Baukindergeld allenfalls Familien mit Durchschnitts- oder sogar höheren Einkommen beim Vermögensaufbau und der Alterssicherung. Mit Wohnungspolitik habe das nichts zu tun. Gabriel M. Ahlfeldt und Wolfgang Maennig schreiben in ihrem Fachartikel "Gewinner und Verlierer von Stadtentwicklung: Ein Plädoyer für mehr Wohneigentum", erschienen in der Zeitschrift für Immobilienökonomie (Ausgabe 1-2/2019): "Zwar gibt es seit kurzem wieder ein Baukindergeld, was tendenziell die Erschwinglichkeit von Eigenheimen erleichtern soll. Allerdings scheint das Baukindergeld kaum für eine Entspannung in den Städten mit Wohnungsknappheit zu sorgen." Und der Immobilienmarktexperte und Springer-Autor Michael Voigtländer beschreibt im Kapitel "Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnungsmarktlage" des Springer-Fachbuchs "Luxusgut Wohnen" noch eine anderes mit dem Förderprogramm zusammenhängendes Manko: "Der Haken dabei ist allerdings, dass die Kosten für den Steuerzahler ungemein hoch sind. Bis 2021 werden sich die Kosten auf fast vier Milliarden Euro summieren. Aus diesem Grund wurde beschlossen, das Baukindergeld bereits Ende 2021 wieder abzuschaffen."
Voigtländer, der zudem auch Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte beim Institut der deutschen Wirtschaft ist, sagte außerdem im Zusammenhang einer Halbzeitbilanz für die große Koalition: "Die Bundesregierung hat sich selbst das Ziel gesetzt, dass 375.000 Wohnungen pro Jahr entstehen sollen – dieses Ziel wird deutlich verfehlt. Um die Bautätigkeit anzuregen, sollte die Bundesregierung sich stärker darauf konzentrieren, Hemmnisse für die Bauflächenausweisung in den Ballungsräumen anzugehen. Gerade durch die finanzielle Unterstützung der betroffenen Kommunen könnte viel erreicht werden. Mit dem Baukindergeld wurde zwar richtigerweise der Zugang zu Wohneigentum erleichtert, aber die Maßnahme ist insgesamt zu teuer. Die Grundsteuerreform hingegen ist viel zu komplex, die Chance, mit einer Bodenwertsteuer auch Bauflächen zu mobilisieren, wurde vertan."
Und auch Ralph Henger zieht in seinem Aufsatz "Mehr Wohnungsbau erfordert schnelles Handeln auf allen Ebenen, aber keinen Aktionismus" der Springer-Fachzeitschrift "Wirtschaftsdienst" (Ausgabe 9/2019) schließlich das Fazit, dass das Baukindergeld neben der Gefahr hoher Mitnahmeeffekte bei einkommensstarken Haushalten überall dort zu höheren Bau- und Grundstückspreisen führt, wo die Verfügbarkeit an Bauflächen knapp ist. Eigentümer und Bauunternehmen könnten dort höhere Preise durchsetzen.