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04.11.2024 | Immobilienwirtschaft | Interview | Online-Artikel

"Der Beleihungswert spiegelt lange Kreditlaufzeiten wieder"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4 Min. Lesedauer

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Im Interview beleuchtet Immobilienexperte Dirk Noosten die rechtlichen Vorgaben der Immobilienbewertung in Deutschland. Er geht dabei unter anderem auf die unterschiedlichen Wertbegriffe ein und erläutert, welche Qualifikationen Gutachter und Sachverständige benötigen.

springerprofessional.de: Welche rechtlichen Grundlagen und Vorgaben zur Wertermittlung von Immobilien sind in Deutschland zu beachten und welche wesentlichen Unterschiede bestehen dabei zu internationalen Standards?

Dirk Noosten: Eine gesetzliche Grundlage für die Verkehrswertermittlung gibt es im Baugesetzbuch (BauGB). In § 194 BauGB befindet sich die Legaldefinition für den Verkehrswert, der dort begrifflich mit dem Marktwert gleichgesetzt wird. Demnach wird der Verkehrswert durch den Preis bestimmt, der an einem konkreten Stichtag zu erzielen wäre. Berücksichtigt beziehungsweise unterstellt werden hierzu ein gewöhnlicher Geschäftsverkehr, die rechtlichen Gegebenheiten, die tatsächlichen Eigenschaften, die sonstigen Beschaffenheiten sowie die Lage des Grundstücks. Dabei dürfen ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht berücksichtigt werden. 

Welche Vorgaben sind hier maßgeblich?

Konkretisiert wird die Verkehrswertermittlung gemäß BauGB insbesondere durch die "Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten", kurz Immobilienwertermittlungsverordnung oder ImmoWertV, und die zugehörige "Muster-Anwendungshinweise zur Immobilienwertermittlungsverordnung" (ImmoWertV-Anwendungshinweise beziehungsweise ImmoWertA). In diesen Regelwerken werden im Wesentlichen zunächst das Vergleichswert, Ertragswert- und Sachwertverfahren unterschieden und behandelt. Diese klassischen Wertermittlungsverfahren kommen auch weltweit zur Anwendung. Allerdings führen die Verfahren jeweils zu Bewertungsergebnissen, die nicht miteinander vergleichbar sind. Dies liegt beispielsweise einerseits an unterschiedlichen Bauplanungs-, Bauordnungs-, Miet-, Wirtschafts- sowie Steuergesetzen. Andererseits an unterschiedlichen Normen und Regelwerken beispielsweise zur Berechnung von wertrelevanten Flächen wie BGF, Wohn- und Nutzflächen sowie bauplanungsrechtlichen Kennzahlen, die das Maß der baulichen Nutzung festlegen.

Inwieweit unterscheidet sich der Verkehrswert einer Immobilie von anderen Wertbegriffen wie Beleihungswert und gemeiner Wert und voller Wert. Wie relevant sind die Unterschiede für die Bankenpraxis? 

Wie bereits erläutert, sind die in § 194 BauGB definierten und verwendeten Begriffe Verkehrswert und Marktwert identisch. Das für die Besteuerung relevante Bewertungsgesetz (BewG) definiert in § 9 den gemeinen Wert ganz allgemein für alle Wirtschaftsgüter. Der Wortlaut von § 9 Abs. 2 BewG ist ähnlich zu dem Wortlaut von § 194 BauGB. Mit Blick auf die Bewertung von Immobilien beziehungsweise Grundstücken ist damit ebenso materiell das Gleiche gemeint wie mit dem Verkehrswert. Das heißt Verkehrswert, Marktwert und gemeiner Wert sind begriffsidentisch.

Davon abzugrenzen ist allerdings der Beleihungswert. Für diesen Begriff finden sich in § 16 Abs. 2 Pfandbriefgesetz (PfandBG) Hinweise zur Ermittlung. Demnach darf der Beleihungswert den Wert nicht überschreiten, der sich im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung der zukünftigen Verkäuflichkeit der Immobilie ergibt. Dabei müssen die langfristigen und nachhaltigen Merkmale des Objekts, normale regionale Marktgegebenheiten sowie die derzeitigen und möglichen anderweitigen Nutzungen berücksichtigt werden. Spekulative Elemente dürfen nicht berücksichtigt werden.

Darüber hinaus darf der Beleihungswert den Verkehrswert nicht überschreiten. Das bedeutet, dass der Beleihungswert in der Regel niedriger ist als der Verkehrswert. Der Verkehrswert nach BauGB ist grundsätzlich auf einen Stichtag bezogen und hat deshalb tendenziell eher eine kurze Gültigkeitsdauer. Hingegen soll es sich bei dem Beleihungswert um einen Wert handeln, der im normalen Geschäftsverkehr möglichst lange gültig ist und damit die langen Kreditlaufzeiten widerspiegelt.

Welche besonderen Qualifikationen müssen Sachverständige für die Beleihungswertermittlung nach der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) aufweisen, die im Bankenbereich zur Risikominimierung und für regulatorische Konformität erforderlich sind?

Gemäß § 6 BelWertV muss der Gutachter beziehungsweise Sachverständige nach seiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeit über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Bewertung von Immobilien verfügen. Eine solche Qualifikation wird üblicherweise unterstellt, wenn er durch eine staatliche, staatlich anerkannte oder (gemäß DIN EN ISO/IEC 17024) akkreditierte Stelle bestellt oder zertifiziert wurde.

Wie wird die Unabhängigkeit der Gutachter sichergestellt?

Diese finden sich in  § 7 BelWerV. Danach müssen die Unabhängigkeit von der Kreditakquise und Kreditentscheidung sowie von der Vermittlung, dem Verkauf oder der Vermietung des Objektes gegeben sein. Es darf kein verwandtschaftliches, rechtliches oder wirtschaftliches Verhältnis zum Kreditnehmer und kein eigenes Interesse am Ergebnis des Gutachtens bestehen. Für Gutachter, die Angestellte einer Pfandbriefbank sind und deren Gutachten der Beleihungswertfestsetzung zugrunde gelegt werden, gelten darüber hinaus folgende Regelungen, die die Aufbauorganisation der Pfandbriefbank betreffen: Die Gutachter selbst sind nur der Geschäftsleitung gegenüber verantwortlich oder sind Teil einer Gutachtereinheit, die unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt ist. Sie selbst beziehungsweise ihre Organisationseinheit, in denen sie tätig sind, dürfen keinem Bereich der Pfandbriefbank zugeordnet sein, in dem Immobilienkreditverträge angebahnt oder entschieden werden.

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