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07.07.2016 | Immobilienwirtschaft | Interview | Online-Artikel

"Zu oft am Ziel vorbei"

verfasst von: Christoph Berger

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Interviewt wurden:
Marion Peyinghaus

Prof. Dr. Marion Peyinghaus lehrt an der hochschule 21 im Bereich Projektentwicklung und Immobilienmanagement. 

Regina Zeitner

Prof. Dr.-Ing. Regina Zeitners Schwerpunkte im Fachgebiet Facility Management der HTW Berlin liegen im Prozessmanagement und der Investitionsplanung im Bestand. 

Zu oft arbeiten Unternehmen der Immobilienwirtschaft noch mit Excel-Dateien. Und die sind fehleranfällig. Die Springer-Autorinnen Prof. Dr.Ing. Regina Zeitner und Prof. Dr. Marion Peyinghaus erklären, welche Möglichkeiten die Digitalisierung bietet.

Springer Professional: Mit welchen Datenbeständen arbeiten die Immobilienunternehmen heute üblicherweise?

Prof. Dr.Ing. Regina Zeitner: Zum einen sind es die klassischen Stammdaten zur Immobilie und zu den Mietverhältnissen. Zu den Objektdaten zählen beispielsweise der Standort und das Alter der Immobilie. Pro Mietverhältnis werden die Daten des Mieters und die Vertragskonditionen, wie zum Beispiel die Nettomiete oder die Laufzeit erfasst. Zum anderen sind sogenannten Bewegungsdaten erforderlich. Unter diesem Begriff werden Informationen zu Zahlungsflüssen oder Verbrauchsmengen wie der Stromverbrauch zusammengefasst. Diese Beispiele bilden jedoch nur die interne Sicht ab. Um die eigenen Immobilien mit dem Markt vergleichen zu können – also ein Benchmarking durchzuführen – sind Marktdaten erforderlich. Besonders interessant sind Benchmarks zu Marktmieten, Renditen oder auch FM-Kennzahlen.

Prof. Dr. Marion Peyinghaus: Allerdings sind diese gewünschten Marktdaten noch nicht für alle Immobiliensparten verfügbar. Oft konzentrieren sich die ermittelten Marktmieten oder Renditen auf die zentralen Standorte. Benchmarks zu Immobilien in Randlangen sind seltener. Das betrifft auch andere Nutzungsarten. Während Kennzahlen zu Büroimmobilien ausreichend vorhanden sind, gibt es wenig Benchmarks zu Logistikimmobilien oder Pflegeheimen. Die Implementierung von Marktdaten scheitert aber nicht nur an der Datenverfügbarkeit. Die Daten müssen auch verarbeitet werden. In der Branche ist der Anteil an Excel-Dateien noch sehr hoch. Dadurch sind Daten sehr fehleranfällig und nur mühsam aufzubereiten. Doch die Unternehmen beginnen, in Systeme und Schnittstellen zu investieren, um Marktdaten automatisiert zur Verfügung zu haben.

Und welche Daten wären Ihrer Meinung noch nötig, um im Zeitalter der Immobilien 4.0 anzukommen?

Peyinghaus: Wichtig wäre es, große Datenmengen in die Systeme zu integrieren. Wir sprechen dann von Big oder Smart Data. Dazu zählen beispielsweise Konjunktur- und Währungsdaten. Anhand der Auswertungen könnte dann zum Beispiel der sich verändernde Flächenbedarf prognostiziert werden: Pflegeeinrichtungen hätten Daten, in denen die Altersentwicklung und die Pflegetage pro Jahr eingegangen sind, die Automobilindustrie würde wissen, wie viele Lagerhallen sie zukünftig noch benötigt – ähnliches gilt für die Logistik der Internet-Versandhäuser. Und Autowerkstätten könnten entscheiden, ob sie auf Grund der Zunahme von Elektromotoren noch ihre bisherige Werkstattfläche brauchen oder diese reduzieren können.

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Was sind die größten Herausforderungen bei der Einführung von IT-Systemen?

Peyinghaus: Seitens des Projektmanagements müssen die Systemanforderungen klar konkretisiert werden. Die Anforderungen beziehen sich dabei insbesondere auf die Systemfunktionen, die Daten und die erforderlichen Schnittstellen zu Systemen von Kunden und Lieferanten. Um diese Systemanforderungen zu definieren, müssen Standards in den Prozessen geschaffen werden. Dies ist in den Unternehmen meist noch nicht erfolgt. Zudem ist die Einführung neuer Systeme bisher eine sehr IT-getriebene Entwicklung. Doch die IT-Entwickler programmieren dabei zu oft am Ziel vorbei.

Zeitner: Und dann gibt es noch die weichen Faktoren, die berücksichtigt werden sollten. Die verantwortlichen Führungskräfte müssen in die Pflicht genommen werden. Hier ist Weitsicht gefragt, denn an dieser Stelle sind weniger einzelne technische Details zu lösen, sondern der Transformationsprozess als Ganzes zu begleiten. Und ganz wichtig: Die Mitarbeiter müssen mitgenommen werden. Hier besteht noch ein großes Defizit. Dabei müsste den Mitarbeitern ihre neue Rolle erklärt und ihnen Zeit eingeräumt werden, sich mit den neuen Systemen auseinanderzusetzen. Erst wenn die Mitarbeiter sich intensiv mit den Systementwicklern austauschen und die Sinnhaftigkeit der Digitalisierung begreifen und unterstützen, kann eine Digitalisierung des Unternehmen gelingen. Dies wird aktuell jedoch nur unzureichend umgesetzt.

Frau Peyinghaus, Frau Zeitner, vielen Dank für das Gespräch!

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Quelle:
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