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2021 | Buch

In Wirklichkeit Animation...

Beiträge zur deutschsprachigen Animationsforschung

herausgegeben von: Dr. Franziska Bruckner, Prof. Dr. Juergen Hagler, Holger Lang, Dr. Maike Sarah Reinerth

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Dieser Band stellt das Spannungsfeld von Wirklichkeit und Animation in den Mittelpunkt und lotet aus, inwieweit dieses Verhältnis interdisziplinär begriffen und (medien)theoretisch erfasst werden kann.

Wirklichkeit und Animation erscheinen im ersten Moment als Gegensatz: auf der einen Seite das Reale, Nicht-Mediale, Tatsächliche und Ursprüngliche und auf der anderen Seite das Fiktive, In-Bewegung-Gesetzte, Verwandelte und künstlich Gemachte. Doch gerade aus diesem vermeintlichen Kontrast ergibt sich ein produktives Spannungsfeld: So setzen auch ‚realistische‘ und dokumentarische Formen vielfach Animationen ein. Realfotografische und animierte Elemente verbinden sich in Online-Umgebungen und Augmented-Reality-Formaten zu Hybriden. Hinsichtlich virtueller Wirklichkeiten stellt sich außerdem die Frage, wie hyperrealistische Animationen und Effekte in der Postproduktion zu bewerten sind und ob die ausgestellte Künstlichkeit sichtbarer Animation nicht authentischer wirkt. Parallel dazu entwickeln sich die Animation Studies zu einem wachsenden interdisziplinären Forschungsfeld, dessen Stellenwert sich nicht nur im künstlerischen und medien-wissenschaftlichen Bereich, sondern auch in der industriellen Anwendung zeigt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
In Wirklichkeit Animation … Einleitung
Zusammenfassung
Wirklichkeit und Animation erscheinen im ersten Moment als Gegensatz – auf der einen Seite das Reale, Nicht- oder Vor-Mediale, Tatsächliche und Ursprüngliche und auf der anderen Seite das per Illusion in Bewegung gesetzte, künstlich Gemachte, Verwandelte und Fiktive. Doch gerade aus diesem vermeintlichen Kontrast ergibt sich ein produktives Spannungsfeld. Dieses wird im bereits vierten Sammelband der AG Animation der Gesellschaft für Medienwissenschaft mit dem Titel „In Wirklichkeit Animation ...“ ausgelotet. Die Publikation geht auf eine Konferenz zurück, bei der sich im Winter 2018 interdisziplinäre und internationale Animationsforscher*innen an der Fachhochschule St. Pölten zusammenfanden, um das Spannungsfeld zwischen Animation und Realität auszuloten. Neben wissenschaftlichen Beiträgen fanden auch die praktische Realität des wissenschaftlichen sowie künstlerischen Lehrens und Arbeitens mit Animation Eingang in diese Publikation.
Franziska Bruckner, Juergen Hagler, Holger Lang, Maike Sarah Reinerth
Tech-Demo/Tech-Doku. Zur Wirklichkeit des Animierens
Zusammenfassung
Der Beitrag befasst sich mit verschiedenen Arten und Weisen, in denen Wirklichkeit und Animation miteinander verwoben sind. Ausgangspunkt bilden dabei drei Fragehorizonte: Was ist ‚in Wirklichkeit Animation‘ (definitorisch)? Wie ist ‚Animation in Wirklichkeit‘ eingebettet (produktions-, distributions- und rezeptionstechnisch)? Und wie ist zugleich ‚Wirklichkeit in Animation‘ gegeben (thematisch und ästhetisch)? Illustriert werden diese Fragehorizonte mit Blick auf zwei spezifische Phänomenbereiche, einerseits so genannte Tech-Demos (Demonstrationsvideos, die z. B. neue Animationstechniken präsentieren) und andererseits Tech-Dokus (z. B. technikaffine Making-ofs zu Animationsfilmen, die deren Machart offenlegen).
Julia Eckel
Wirklichkeiten der Form. Zum Werden und Wirken animierter Mikrowelten
Zusammenfassung
Der Schlüssel zur Frage nach den Formen der Natur liegt im Prozess der Ontogenese, dem Entstehungsvorgang natürlicher Gebilde; das ‚Werden‘ stellt also die wesentliche Erkenntnissphäre dar. Das diskursgeschichtlich dichte Feld der Formenlehre bietet darum einen produktiven Zugang zum zeitgenössischen Animationsfilm: Die Formenlehre fordert eine ‚lebendige Bildlichkeit‘, die der Dynamik der Natur gerecht werden soll. Im vorliegenden Beitrag werden die Überlegungen zum (wissenschaftlichen oder künstlerischen) Begreifen der Form ‚wirklicher‘, messbarer Phänomene vorrangig anhand von zwei Beispielen erörtert, die sich mit organischer beziehungsweise anorganischer Formenbildung auseinandersetzen und als visuelle Experimente fungieren, wobei sie das Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Wissenschaft aushandeln.
Vera Schamal
Animation als Teil des faktualen Erzählens in Filmberichten der Kino-Wochenschau (1950–1965)
Zusammenfassung
Der Beitrag zeigt die historische Nutzung von Animationen in der direkten und indirekten Informationsvermittlung in der west- und ostdeutschen Nachkriegs-Wochenschau von 1950–1965. Animationen hatten dabei in den seltensten Fällen das Ziel zu unterhalten, sondern unterstützten die Aussage faktualer Filmberichte. Sie dienten dazu, Abstraktes zu erklären und politische Botschaften des Kalten Krieges zu senden sowie das Publikum zu normengerechtem Verhalten zu ‚erziehen‘. Animationen waren daher ein bedeutender Bestandteil der Wochenschauen: angefangen vom Titel- und Kartentrick über kurze Zeichentrickfilme bis hin zu hybriden Formen aus Spielszenen, Realfilm und Zeichentrickfilm. Animationen sind Teil von Erzählstrategien und Stereotypisierungen, sie bedienen so kognitive Schemata und können das Verständnis von Narrationen fördern.
Sigrun Lehnert
Journalistische Authentizität und animierte Wirklichkeit. Shakespeare in Singapur
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht den Forschungs- und Kreativprozess einer animierten Dokumentation über die Relevanz von Shakespeare für Digital Natives in Singapur. Der Film kombiniert Animations- und Realfilm-Interviews mit jungen Singapurer*innen in verschiedenen Formen, um herauszufinden, ob und wie Shakespeare in dieser Generation rezipiert wird. Der Fokus liegt darauf zu untersuchen, welche spezifische Rolle die animierten Ebenen im Sinne einer erhöhten Authentizität im Dokumentarfilm spielen können. Dabei stehen zwei Aspekte im Mittelpunkt. Zum einen, wie animierte Dokumentationen eine besondere Form von Authentizität durch Einsatz des künstlerischen Vokabulars der Animation erreichen können. Zum anderen legte das Forschungsteam sein Augenmerk darauf experimentell zu ermitteln, welche Design-und Animationstechniken in diesem Kontext funktionieren.
Hannes Rall
Positive Geschlechterrollenbilder in UNICEFs Meena Cartoons
Zusammenfassung
Animierte Lehrfilme, die junge Frauen über Gesundheit und Hygiene unterrichten, gehen mit Disneys Story of Menstruation bis in die 1940er Jahre zurück. Diese Filme zielen darauf ab, dem weiblichen Publikum Anregungen zur kontinuierlichen Verbesserung ihres gegenwärtigen Lebensstils zu geben. Die UNICEF-Initiative „Meena Communication“ (MCI) aus den 1990er Jahren hat gezeigt, dass die Schaffung positiver geschlechtsspezifischer Rollenmodelle diese Botschaften nachhaltiger und dauerhafter machen kann. Im Artikel werden sechs Filme aus der Meena-Animationsserie (IN/BD/NP/PK 1991–) unter Verwendung feministischer Literatur aus nächster Nähe gelesen. Es wird gezeigt, dass ein tiefes Verständnis des Publikums und seiner Kultur dazu beitragen kann, Figuren zu schaffen, die beim Publikum Resonanz finden, als Darstellung ihrer selbst und als mögliches Streben in ihrem Leben.
Naima Alam
Animierte ‚Etho-Ökologien‘. Über ethische Praktiken queerer Animation
Zusammenfassung
Der Beitrag stellt zeitgenössische queere Einsatzweisen von Animation vor. Anhand von Beispielen aus den Bereichen Games, Film und Konzeptkunst wird herausgearbeitet, dass LGBTIQ+-Animations-Projekte häufig einen medienreflexiven Zugang zum Genre der Animation entwickeln und diesen für das ethische Anliegen gesellschaftskritischer Politiken produktiv machen. Ebenso wie Animation wird Ethik als eine Praxis verstanden und ist in diesem Sinne nicht als etwas begriffen, das der Wirklichkeit ausgelagert oder beigestellt ist, sondern mit einem Anspruch von Involvierung Wirklichkeiten performativ herstellt, aktualisiert oder verändert. Die queeren Einsatzweisen von Animation sollen so in der Disposition des ‚Ausgesetztseins‘ (Butler/Athanasiou) und als ‚etho-ökologisch‘ (Stengers) begriffen werden.
Stefan Schweigler
Medienkritik auf urbanen Flächen. Spatial Augmented Reality im öffentlichen Diskurs
Zusammenfassung
Großformatige Fassadenprojektionen sind sowohl bei zahlreichen internationalen Medienkunst- und Lichtkunstfestivals wie auch bei kommerziellen Veranstaltungen zu Marketing- oder Präsentationszwecken von kulturellem Erbe zu sehen. Der immersive Charakter, zu dem auch der meist elektronisch erstellte Sound wesentlich beiträgt, führt zu wachsender Beliebtheit bei einem breiten Publikum. Fassadenprojektionen mit Bewegtbildern sind in der Folge als Inbegriff eines Massenspektakels teilweise auch in Kritik geraten. Die Überlagerung virtueller Welten über den realen physischen Raum kann zu Verunsicherung und Manipulation führen, andererseits aber auch eine Sensibilisierung für ernsthafte Themen im Publikum bewirken und zu kritischer, reflektierter und spielerischer Interaktion einladen.
Martina Tritthart
Belebte abstrakte Linie. Aktuelle Positionen zur Linie als Performende im künstlerischen Animationsfilm
Zusammenfassung
Die Linie als abstraktes geometrisches Konstrukt hat als wesentliches Mittel zur Abstraktion die Fähigkeit etwas Komplexes vereinfacht darzustellen. Zugleich wird sie in Bewegung zu einer Eigenheit der Animation und kann dort durch Wiedererkennbarkeit und Bewusstseinsfähigkeit nicht nur als Linie, sondern parallel auch als Figur performen. Verschiedene Hilfsmittel, wie beispielsweise aktuelle Entwicklungen im Bereich Virtual Reality, erlauben zudem ein Ausbrechen der Linie aus ihrer zweidimensionalen Abstraktion und dadurch Animationen in der dreidimensionalen Welt. Die Relevanz der Linie für den Einsatz in der künstlerischen Animation wird dabei durch Interviews mit aktuellen Filmemacher*innen belegt und durch Analyse unterschiedlicher Beispiele gestützt.
Sabrina Wild
Holistische Wahrnehmung durch Synthese von Farbe und Musik in abstrakten Musikvisualisierungen
Zusammenfassung
Der Beitrag betrachtet neurologische und künstlerische Ansätze der Synthese von Farbe und Musik und erforscht systematische Farb-Musik-Synergien, die als holistisches Bedeutungsgefüge wirken. Dabei wird einerseits auf die psychophysiologische Wahrnehmung von audiovisuellen Reizen und andererseits auf individuelle Ausnahmen der Farb- und Musikempfindung eingegangen. Das seltene, neurologische Phänomen der Musik-Farben-Synästhesie, bei der Betroffene durch Wahrnehmung von Musik automatisch, synchron und interindividuell Farben sehen, stellt in diesem Kontext eine dieser Besonderheiten dar.
Victoria Wolfersberger
„A Technical Marvel“. Einsatz, Transparenz und Rezeption von Animationstechniken in King Kong
Zusammenfassung
Trotz des einzigartigen Einsatzes von Animationstechniken und Spezialeffekten waren die Reaktionen der damaligen Öffentlichkeit auf den Hollywood-Klassiker King Kong (USA 1933) zwiespältig. Nicht nur die Vermittlung technischer Details, sondern auch die Anwendung von festgelegten Terminologien weisen deutliche Diskrepanzen auf. Vorherrschende Dichotomien bestimmten den Diskurs sowie die Wahrnehmung von filmischen Techniken, eine Entwicklung, die den Status des Animationsfilms nachhaltig beeinflusste.
Andrea Polywka
Analoge Oberflächen, digitale Transgressionen. Medialität und Realität in Satoshi Kons Perfect Blue und Paprika
Zusammenfassung
Der Beitrag nimmt das Verhältnis von Wirklichkeit und Medien in zwei Filmen des bekannten Anime-Regisseurs Satoshi Kon in den Blick. Perfect Blue (JP 1997) zeigt, wie auf Bildschirmen und anderen medialen Oberflächen die Grenzen zwischen verschiedenen Identitätskonstruktionen und der Realität verwischen. In Paprika (JP 2006) findet eine Intensivierung solcher metaleptischen Überschreitungen statt, insbesondere das Kino wird hier zum Ort, an dem sich Wirklichkeit und Traumwelten nicht mehr unterscheiden lassen. Maßgeblich sind dabei die jeweils verwendeten Animationstechniken, denn die Eigenheiten der analogen und digitalen Verfahren werden von den Filmen reflexiv zur Darstellung des Bruchs mit Ebenengrenzen einbezogen.
Jan Harms
Bilden mit/zu Animation. Ergebnisse des Vernetzungsworkshops Animation in Lehre, Wissenschaft and more …
Zusammenfassung
Der Beitrag basiert auf den Ergebnissen des interaktiven Vernetzungsworkshops Animation in Lehre, Wissenschaft and more ... im Rahmen der Konferenz „In Wirklichkeit Animation …“. Neben einer Zusammenfassung und Kontextualisierung der wichtigsten Erkenntnisse werden die Vor- und Nachteile des Formats World Cafés als didaktische Methode vorgestellt. Im Zentrum steht, wie Animation sowohl in praktischer als auch theoretischer Hinsicht gelehrt werden kann und wie man neue Studierende, Forschende und Praktizierende für das Thema Animation gewinnt. Selbst wenn das Format des World Cafés Themenfelder nicht tiefergehend behandelt und an manchen Stellen mehr Fragen als Antworten hervorbringt, hat es sich als produktives Werkzeug erwiesen, um einen intensiven Austausch von Personen zu ermöglichen.
Franziska Bruckner, Julia Eckel, Erwin Feyersinger, Christian F. Freisleben-Teutscher, Tina Ohnmacht
Chained Animation. Kollaborative Formen des Filmemachens in der Ausbildung
Zusammenfassung
Als didaktischen Schwerpunkt adressiert der Beitrag experimentelle, kollaborative Formen der Animation in der Ausbildung abseits etablierter Produktionsworkflows. Die so sogenannten Chained Animations bilden dabei eine spezielle Methode, bei der gemeinsam konzipierte und produzierte Einzelteile zu einem gesamten Film verkettet werden. Im Gegensatz zu üblichen Filmproduktionen sind hier alle mitwirkenden Personen am konzeptionellen und kreativen Prozess sowie an der Umsetzung gleichermaßen beteiligt. Anhand von Bezügen aus Kunst, Film und Wissenschaft sowie von drei aktuellen Fallbeispielen werden unterschiedliche Formen und deren Herausforderungen diskutiert sowie Richtlinien für Chained Animations in der Ausbildung formuliert.
Juergen Hagler, Remo Rauscher
Die Realität der Animationsbranche. Ein Spagat zwischen Kreativität und Finanzierungsnot
Zusammenfassung
In Deutschland wird zwar ein großes Potenzial zur Entwicklung hochwertiger und innovativer Animation mit guten Ausbildungsstätten, erfahrenen Produzent*innen, vielen Expert*innen und kreativen Köpfen attestiert. Das vielseitiges Fördersystem, welches auf regionaler und bundesweiter Ebene für die Finanzierung von Filmproduktionen existiert, eignet sich aber nur bedingt für die Anforderungen in der Animationsbranche. Außerdem investieren die deutschen Fernsehsender kaum in eigene Animationsfilmproduktionen und bieten Animation aus Deutschland zudem selten eine Plattform. Der Beitrag beschreibt die gegenwärtige Situation der deutschen Animationsfilmbranche. Anhand von Daten aus verschiedenen Studien der AG Animationsfilm wird die Realität der Filmschaffenden betrachtet und die Bedingungen für einen notwendigen Richtungswechsel vorgestellt.
Annegret Richter, Susanne Molter
Metadaten
Titel
In Wirklichkeit Animation...
herausgegeben von
Dr. Franziska Bruckner
Prof. Dr. Juergen Hagler
Holger Lang
Dr. Maike Sarah Reinerth
Copyright-Jahr
2021
Electronic ISBN
978-3-658-33287-7
Print ISBN
978-3-658-33286-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-33287-7