Der acatech Benchmark zeigt Stärken und Schwächen bei der Umsetzung von Industrie 4.0 in Deutschland. Und auch die Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik meldet sich mit Handlungsempfehlungen zu Wort.
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Deutschland könnte 2030 laut acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften zum Leitmarkt und Leitanbieter für Industrie 4.0 werden und spricht Empfehlungen aus. Auch die Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) hat jetzt Handlungsempfehlungen veröffentlicht.
Werden menschliche Arbeiter zu Handlangern intelligenter Maschinen? Nimmt die Dominanz globaler Internetriesen weiter zu? Scheitert die Idee einer vernetzten Wirtschaft an Sicherheitslücken und mangelnder Kooperation? Oder gelingt es Deutschland mit technischen Innovationen, internationaler Zusammenarbeit und staatlichem Engagement Industrie 4.0 so zu gestalten, dass Beschäftigte und Firmen gleichermaßen profitieren?
Die industrielle Produktion und die Ausbildung von Facharbeitern und Ingenieure seien hierzulande Weltklasse. Doch es fehle an Wagniskapital, Internettechnologien und innovativen Geschäftsmodellen, konstatiert die Projektgruppe Internationaler Benchmark, Zukunftsoptionen und Handlungsempfehlungen für die Produktionsforschung (inbenzhap) der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Ende Juni veröffentlichte die Arbeitsgruppe 44 Handlungsempfehlungen.
Produktionsstandort Deutschland
Neben technischen Problemen adressiert die Arbeitsgruppe um die Projektleiter Jürgen Gausemeier (Universität Paderborn) und Fritz Klocke (RWTH Aachen) auch organisatorische und gesellschaftliche Herausforderungen. So müsse etwa die Akzeptanz der Bevölkerung für neue Technologien gefördert werden. "Industrie 4.0 hat das Potenzial für radikale Veränderungen und könnte zum Schlagwort des Jahrzehnts werden", kommentiert Jürgen Gausemeier, "aber viel zu wenig wird die Frage gestellt, wie sich mit Industrie 4.0 Geld verdienen lässt. Deshalb wollten wir den Leistungsstand von Industrie 4.0 im Vergleich mit anderen Industrienationen realistisch abbilden und die künftige Entwicklung des globalen Wettbewerbs vorausdenken." Und Fritz Klocke merkt an: "Wenn alle Stakeholder in Deutschland ihre Einflussmöglichkeiten nutzen und gemeinsam an der Balance von Mensch, Technik und Staat arbeiten, kann Industrie 4.0 zu einem Exportschlager Made in Germany werden."
Die Revolution darf nicht am Mittelstand vorbeigehen
Was zu tun ist, beschreibt unter anderem Springer-Autor Timothy Kaufmann in dem Essential "Geschäftsmodelle in Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge". Die digitale Vernetzung der Wertschöpfung in Echtzeit sei zwar unter dem Begriff Industrie 4.0 in aller Munde, konstatiert auch Springer-Autor Thomas Bauernhansl aber nur etwa ein Zehntel der deutschen Unternehmen beschäftigten sich intensiv operativ damit. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) hat deshalb zusammen mit weiteren Mitgliedern der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) eine Studie gestartet, um die Potenziale und Risiken von Industrie 4.0 zu analysieren und darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu entwickeln.
Das Resultat dieser Arbeit liegt nun vor. Der "WGP-Standpunkt Industrie 4.0" versteht sich, so Bauernhansl, auch als Weckruf für jene Unternehmen, die sich noch nicht ausreichend mit Industrie 4.0 beschäftigen. Insbesondere den Produktionstechnikern in kleinen und mittleren Unternehmen wollen die Forscher vermitteln, was den Kern von Industrie 4.0 ausmacht. Baunernhansl: "Wer glaubt, er sei mit einer mit dem Internet verbundenen Maschine bereits in der Zukunft angekommen, täuscht sich. Industrie 4.0 ist keineswegs nur ein kurzer Hype oder ausschließlich ein Thema für finanzstarke Konzerne. Die Vernetzung der Wertschöpfung ist für alle Produktionstechniker eine Revolution, die sie nicht verpassen dürfen."